Chinesische Kultur

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中国文化简明教程
(德语版)
Chinesische Kultur
许宽华 徐小清 著
上海外语教育出版社
图书在版编目(CIP)数据
中国文化简明教程:德语版 / 许宽华,徐小清编.
-上海:上海外语教育出版社, 2015
(新世纪高等学校德语专业本科生系列教材)
ISBN 978-7-5446-4065-7
Ⅰ. ①中… Ⅱ. ①许… ②徐… Ⅲ. ①德语-高等学校-教材 ②中华文化
Ⅳ. ①H33
中国版本图书馆CIP数据核字(2015)第204036号
新世纪高等学校德语专业本科生
系列教材编委会
总主编:卫茂平(上海外国语大学)
编 委:(按姓氏笔画顺序)
陈壮鹰 上海外国语大学
范捷平 浙江大学
冯亚琳 四川外国语大学
过文英 华东师范大学
黄克琴 同济大学
孔德明 南京大学
李崇艺 上海理工大学
刘德章 青岛大学
刘齐生 广东外语外贸大学
刘越莲 西安外国语大学
钱敏汝 北京外国语大学
任国强 中国人民大学
孙爱玲 天津外国语学院
王青燕 浙江科技学院
魏育青 复旦大学
朱 范 武汉大学
朱小安 解放军外国语学院
4
5
总序
“新世纪高等学校德语专业本科生系列教材”
是上海外语教育出版社(外教社)为适应时代发展
之新要求而组织编写的。整个项目在外教社2 0 0 3
年12月召开的“全国德语专业教学和教材建设研讨
会”上正式启动,历时数年,现陆续推出。它以德
语综合教程为主,辅有阅读、语音、听力、视听
说、口语、翻译、写作、语法、语言学、词汇学、
文学史、文学作品选读、概况、文化史等众多课
程,基本囊括高等学校德语专业教学大纲所涉课程
类型及教学内容,其规模在我国德语教材编写史
上,应属前所未有。
本套教材,分开用时,各有独立,能满足单项
技能课程的特殊需要;合并起来,相辅相成,能实
现我国德语专业本科教学的整体规划。
中国人学习德语,肇于何端,不便确考。倘若
说16 2 2年来华的德国耶稣会会士汤若望(Joh a n n
Adam Schall von Bell)在传教之余,尚未备有讲
义,讲授德语,那么,最迟应从另一位德国耶稣会
会士魏继晋(Florian Bahr)于1748年在北京编成
《德文——中文词汇表》算起,我国德语教材已现
雏形。一个年代,有一个年代的教材。谨以新中国
成立后为例。从1956年时代出版社出版的以莫斯科
版“德语教科书”为蓝本的《大学德语课本》,到
1966年商务印书馆出版的强调“阅读普通的政治、
经济、对外贸易等方面的文章和进行日常会话”的
《基础德语教材》,再到1979年同一出版社印行的
奉行“政治、外语和文化知识的基本功”和“思想
性、科学性和实践性”等编写原则的《德语》教
材,我们的德语教科书编写走过了同新中国成立后
同样坎坷但却辉煌的路程。尤其自20世纪80年代以
来,随着社会的巨变,我国德语教材的编写,诸家
勃兴,隽品迭起。
不过,经典尚不能当人类永恒的教诲,教材就
6
总序
更具时效的特点。以上列举德语教材编写史的荦荦
大端,想彰显的就是此理。故而,时代仍将前进,
教材还得更新。目的是让我们的教学内容及手段,
跟上时间步伐,让我们德语专业的学生,更富实效
地学习德语、掌握日耳曼学的基本知识。不过,前
人勋绩在上,我们绝无横空出世的愚妄,在此遵循
的是继往开来的原则。所以,本系列教材的编写大
旨是:继续贯彻目前外语本科的教学理念和教材的
基本设想,强调听、说、读、写、译等语言基本功
的训练;在课文的选篇、单元的构建和练习的设计
等方面追随新的观念;引导学生在学习语言技能的
同时,注重德语国家的优秀文化传统和思辨习惯,
为培育良好的人文素质提供导引;较系统地传授德
语语言文学学科的基础知识,培养获取这些知识的
能力;介绍德语国家历史文化的概貌并注意跨文化
交际问题。
本教材除纸质学生用书和教师手册等以外,核
心教材将配套出版多媒体光盘,适时推出网络教
学版本,主干教材将根据需要配上CD或CD-ROM
等。纸质用书在排版、用色和装订等方面,也将本
着实用和节约的原则,尽量降低成本和书价。
本系列教材由来自上海、北京、天津、南京、
重庆、杭州等地多所大学德语专业点的学者及骨干
教师参与编写,力助而成。整个项目体现了良好的
协作精神以及共同推进我国德语本科教学的良好愿
望。编者大多一再易稿,务期完善,但未始没有疏
漏,也会留下瑕疵,敬请识者不吝指正。
卫茂平
上海外国语大学
8
前 言
9
编者
前言
随着我国经济的发展和国际地位的提高,对外交
往的人才需求加大,单纯学习外语知识和技能的教学
模式早已不适应形势的需要,而既掌握了外语知识和
技能又了解所学语言国和本国的国情及文化知识的人
才具有较强的适应和竞争能力。
众所周知,外语是一种交际工具,对于具有谦虚
传统的中国人来说它是向别国学习的工具,但也不能
忽视,在国际关系复杂的当代,它仍然是一种斗争的
“武器”,而且仅仅掌握了这个“武器”是不够的,
还必须要有各种作用的“弹药”——知识。在对外交
流工作中,德国朋友通常会直面提及中国主题,无疑
会涉及诸多领域,如:中国政治、经济发展状况、中
国文化变迁、节日与风俗习惯等。综上所述,德语技
能仅是工具,而涉及领域的知识和自己的思考才具有
举足轻重的作用。
学习语言或外语的目的之一是为了交流,但须知
在此基础上的交流内容更显重要。鉴于此,笔者编纂 Steingravur Sonnengott
了这部《中国文化简明教程》(德语版)。它不同于 (5800~4700 v. Chr.)
其他的中国文化读物,以教材形式编纂,既适合中国高校德语专业本科
教学作教材使用,也可作自学读物。本书无疑有助于读者增加在中国文
化领域中的相关知识和词汇量,提高对外交往能力和用所学语言推介中
国文化的能力,促进文化交流,增进相互了解,加强中德友谊,适应形
势与挑战。
《中国文化简明教程》(德语版)根据我国高校德语本科专业国家
标准编纂,内容分19个专题单元,适合高校德语专业本科三、四年级
学生作学期课程(18–20周)教材使用。
每个专题单元分为2–3个部分不等,每部分文章数量不等。教学
中,教师不必要求学生全部通读,可根据本校教学计划和培养目标,选
择不同专题或不同部分中的不同文章供学生阅读学习,也可以根据学生
兴趣选择相关文章阅读。综合性大学德语专业本科生可选用较为大类知
识文本,如:历史、宗教、哲理、语言文字、文学、戏剧、艺术等;应
用类大学可选择如:伦理礼仪、节日风俗、建筑艺术、中餐厨艺、茶道
饮酒、工艺美术等;中医、体育和棋牌专题比较适合学生自学,有助于
扩大学生与德国友人的交流知识面。本教材没有限定精读或泛读,旨在
给教师留有空间,教师可根据需要自由取舍。
每篇文章后面都配有阅读理解题和思考题,以便学生增加对内容的
理解和记忆,在课堂教学中也可以让学生展开相关讨论。孔子曰:“学
而不思则罔,思而不学则殆”,故“学而时习之”。
中华文化博大精深,作为教材难以全揽,只能取其点滴。本教材若
能对学生的未来有所裨益,就令我们欣慰了。中国历史沧海桑田,再者
笔者知识有限,本书疏误难免,企望行家和读者不吝赐教。
10
INHALT
Einheit 1:Land und Leute / 3
国家与人民
Einheit 2:Religionen in China / 21
宗教信仰
Einheit 3:Gedanken und Weisheit / 47
思想与智慧
Einheit 4:Ethik und Etikette / 73
伦理与礼仪
Einheit 5:Sprache und Schrift / 91
语言和文字
Einheit 6:Chinesische Literatur (Lyrik und Prosa) / 111
中国文学(诗歌与散文)
Einheit 7:Chinesische Literatur (Drama und Roman) / 127
中国文学(戏剧与小说)
Einheit 8:Chinesische Kunst (Musik, Tanz und Oper) / 147
中国艺术(音乐、舞蹈与戏曲)
Einheit 9: Chinesische Kunst (Kalligraphie, Malerei und Siegel) / 163
中国艺术(书法、绘画与篆刻)
Einheit 10:Chinesische Architektur (Tempel, Palast und Pagode) / 181
中国建筑(寺庙、宫殿与古塔)
Einheit 11:Chinesische Architektur (Garten, Wohnung und FengShui) / 197
中国建筑(花园、房屋与风水)
11
中国美食
Einheit 13:Feste und Gebräuche / 233
节日风俗
Einheit 14:Tee- und Schnapskultur / 259
茶道饮酒
Einheit 15:Kunsthandwerke (Keramik, Porzellan, Lackwaren, Cloisonné und Drachen) / 277
工艺(陶器、瓷器、漆器、景泰蓝、风筝)
Einheit 16:Kunsthandwerke (Stickerei, Seide, Batik, Scherenschnitte
und Glücksknoten) / 297
工艺(刺绣、丝绸、蜡染、剪纸及中国结艺)
Einheit 17:Traditionelle Chinesische Medizin (Akupunktur, Akupressur und Massage) / 315
传统中医(针炙、推拿与按摩)
Einheit 18:Traditionelle Chinesische Sportarten (Wushu und TaijiQuan) / 335
传统体育(武术、太极拳)
Einheit 19:Chinesische Schachspiele (Chinesisches Schach, Majiang und
Weiqi) / 359
中国棋艺(中国象棋、麻将与围棋)
Anhang / 378
INHALT
Einheit 12:Chinesische Küche / 219
Einheit
Land
und Leute
Einheit
1 Land1 und
Leute
2
3
国家与人民
Text A
Frühere Geschichte Chinas
Dem bisher vorliegenden Material zufolge lebten bereits vor einer Million bis 400.000 Jahren Urmenschen wie der „YuanmouMensch“, der „Lantian-Mensch“ und der „Peking-Mensch“ im
Gebiet des heutigen China. Nach einer sehr langen Zeitspanne
der Urgesellschaft wurde etwa im 21. Jahrhundert v. Chr. die Xià
gegründet, die erste Dynastie in der chinesischen Geschichte. Mit
ihr begann in China die Sklavenhaltergesellschaft. Auf die Xià
folgten die Shˉang-Dynastie und die Westliche-Zhˉ
ou-Dynastie, in
denen sich die Sklavenhaltergesellschaft voll herausbildete. Da­
rauf folgten die Frühlings- und Herbst-Periode und die Zeit der
Streitenden-Reiche, die als eine Übergangsepoche von der Sklavenhalter- zur Feudalgesellschaft gelten.
Im Jahre 221 v. Chr. beendete Qín Shǐ
Huáng Dì, der erste Kaiser der Qín-Dynastie,
den Separatismus der Fürstentümer während
der Zeit der Streitenden Reiche und gründete
den ersten zentralistischen, einheitlichen Nationalitätenstaat der chinesischen Geschichte — die
Qín-Dynastie. Darauf folgten die Hàn, die Wèi, die
Jīn, die Südlichen- und Nördlichen-Dynastien, die
Suí, die Táng, die Fünf Dynastien, die Sòng, die
Text A Frühere Geschichte Chinas
Einheit 1
Land und Leute
4
Einheit 1 Land und Leute
Yuán, die Míng und die Qīng. Bis zum Opiumkrieg 1840 behielt
China ständig den Status einer Feudalgesellschaft.
Schon im Altertum waren die chinesische Wirtschaft und
Kultur relativ weit entwickelt. In der Zeit der Hàn- und der TángDynastie, der Blütezeit der chinesischen Feudalgesellschaft, erfuhren die Landwirtschaft, das Handwerk, die Textilindustrie,
der Schiffbau usw. einen großen Aufschwung. China knüpfte
wirtschaftliche und kulturelle Kontakte mit vielen Ländern wie z.
B. Japan, Korea, Indien, Persien sowie den arabischen Ländern.
Die Papierherstellung, die Druckkunst, das Schießpulver und
der Kompass sind die Vier-Groß-Erfindungen des alten China,
in denen sich Weisheit und Kraft des chinesischen Volkes widerspiegeln. Sie haben einen tiefgehenden Einfluss auf die Entwicklung der Menschheit ausgeübt. Das Denken der bekannten
chinesischen Philosophen des Altertums wie Lǎozi und Kǒngzi
(Konfuzius) hatte einen großen Einfluss auf die traditionelle
Kultur Chinas und darüber hinaus auf die Kultur der Welt. Das
Buch Kriegskunst, verfasst von dem Strategen Sūn Wǔ, findet auch
heute noch breite Anerkennung und Anwendung auf den Gebieten des Militärwesens und der Wirtschaft. Der Traum der roten
Kammer, verfasst von Cáo Xuěqín, galt als Vorbild für die nachfolgenden klassischen chinesischen Romane. Im In- und Ausland
gibt es spezielle Institutionen zum Studium dieses Werkes. In der
Astronomie, Mathematik, Erdkunde, Medizin und auf anderen
Wissensgebieten hatte China ebenfalls herausragende Erfolge
aufzuweisen. Der Sternatlas von Gan und Shi aus der Periode der
Streitenden Reiche stellt die früheste Fixsternkarte der Welt dar.
In der Hàn-Dynastie entwickelte Zhāng Héng einen Seismographen, der anzeigte, wann und in welcher Richtung ein Erdbeben
stattgefunden hatte. Außerdem konstruierte er eine wasserbetriebene Armillarsphäre (Himmelsglobus). Während der Südlichenund Nördlichen-Dynastien gelang es Zǔ Chōngzhī als erstem, das
Verhältnis zwischen Kreisumfang und -durchmesser auf sieben
Stellen hinter dem Komma genau zu bestimmen (die Zahl Pi,
ein Wert zwischen 3,1415926 und 3,1415927). Im 16. Jahrhundert
stellte Lǐ Shízhēn das Běn Cǎo Gāng Mù (Abriss der Arzneikunde)
zusammen, worin über 1800 Arzneien und 10.000 Rezepturen
verzeichnet sind.
5
die Zivilisation 文明
das Altertum 古代,古风
der Yuanmou-Mensch 元谋猿人
die Blütezeit 繁荣时期
der Lantian-Mensch 蓝田猿人
die Textilindustrie 纺织工业
der Peking-Mensch 北京猿人
das Schießpulver 火药
die Urgesellschaft 原始生活
der Stratege, -n 战略家
die Dynastie 朝代
die Astronomie 天文学
die Sklavenhaltergesellschaft 奴隶
die Fixsternkarte 恒星图
社会
der Seismograph, -en 地动仪
die Feudalgesellschaft 封建社会
die Armillarsphäre 浑天仪
der Separatismus 分裂(主义)
das Fürstentum, _¨ er 诸侯
die Rezeptur, -en 方子,药方
die Persönlichkeit, -en 名人
der Opiumkrieg 鸦片战争
die Frühlings- und Herbst-Periode 春秋时期
die Streitenden Reiche 战国
der einheitliche Nationalitätenstaat 统一的多民族国家
die Vier-Groß-Erfindungen 四大发明
das Verhältnis zwischen Kreisumfang und -durchmesser 周长和直径之比,
圆周率
der Abriss der Arzneikunde 本草纲目
AUFGABEN ZUM TEXT
A. Lesen Sie den Text und erstellen Sie Überschriften für jeden
Abschnitt.
Abschnitt 1: _____________________________________________________
Abschnitt 2: _____________________________________________________
Abschnitt 3: _____________________________________________________
B. Lesen Sie den Text noch einmal und beantworten Sie die
folgenden Fragen.
1. Was könnte mit dem „Peking-Mensch “ gemeint werden?
2. Was erfährt man aus der chinesischen Geschichte über Sklavenhaltergesellschaft und Feudalgesellschaft?
3. Warum meint man, dass Qín Shı̌ Huáng Dì den Separatismus der
Fürstentümer beendete?
4. Was sind die Vier-Groß-Erfindungen des alten China?
5. Welche Persönlichkeiten in der chinesischen Geschichte kennen
Sie? Und welche Beiträge haben sie geleistet?
Text A Frühere Geschichte Chinas
VOKABELN
6
Einheit 1 Land und Leute
Text B
Moderne Geschichte Chinas
Der Opiumkrieg 1840 stellte einen Wendepunkt in der chinesi­
schen Geschichte dar. Während des 17. und 18. Jahrhunderts
suchten die führenden europäischen Nationen überall nach Absatzmärkten für ihre Waren und nahmen Kolonien in Besitz. Zum
Schutz ihres Opiumhandels brach die britische Regierung 1840
einen Aggressionskrieg gegen China vom Zaun, der von der Regierung der Qīng-Dynastie mit dem Schmach und Schande über
die eigene Nation bringenden „Vertrag von Nanking“ beendet
wurde. Mit ihm begann China, sich in eine halbkoloniale, halbfeudale Gesellschaft zu verwandeln.
1911 führte Sun Yat-sen die bürgerliche demokratische Revolution an, auch die Revolution von 1911 genannt, welche die
Herrschaft der Qīng-Dynastie stürzte und dem mehr als 2000
Jahre über China herrschenden feudalen monarchischen System
ein Ende setzte, und gründete die provisorische Regierung der
Republik China.
Im Jahre 1919 brach in China die 4. Mai-Bewegung aus, eine
antiimperialistische, antifeudalistische Bewegung. Gleichzeitig
begann das chinesische Proletariat die politische Bühne zu betreten. 1921 trafen die Vertreter der verschiedenen kommunis­tischen
Gruppen des Landes, Máo Zédōng, Dǒng Bìwǔ, Chén Tánqiū
und andere, in Shanghai zum Ersten Nationalkongress zusammen. Die Kommunistische Partei Chinas (KPCh) hatte das Licht
der Welt erblickt. Unter der Führung der KPCh machte das chi-
7
Text B Moderne Geschichte Chinas
nesische Volk vier Epochen durch: den Nordfeldzug (1924–1927),
den Krieg der Agrarrevolution (1927–1937), den Widerstandskrieg
gegen Japan (1937–1945) und den Befreiungskrieg (1945–1949),
um schließlich im Jahre 1949 die Herrschaft der GuōmíndǎngRegierung mit Chiang Kai-shek (Jiǎng Jièshí) an der Spitze zu
stürzen. Damit war der Sieg der Neudemokratischen Revolution
errungen.
Am 1. Oktober 1949 versammelten sich in Beijing rund 300.000
Menschen auf dem Tian’anmen-Platz zu einer festlichen Kundgebung, auf der der Vorsitzende der Zentralen Volksregierung, Mao
Zedong, die Gründung der Volksrepublik China feierlich verkündete.
Nach der Wiederherstellung der Volkswirtschaft in den ers­
ten drei Jahren nach der Gründung der Volksrepublik China
(1950–1952) und der sozialistischen Umgestaltung der Landwirtschaft, des Handwerks und der kapitalistischen Industrie- und
Handelsunternehmen von 1953 bis 1956 wurde die Hauptrolle
des Gemeineigentums an Produktionsmitteln in der Volkswirtschaft festgelegt und dadurch der Übergang von der Neudemokratie zum Sozialismus verwirklicht. Der Zeitraum von 1957 bis
1966 war durch einen konsequenten sozialistischen Aufbau gekennzeichnet. In diesen zehn Jahren kamen zwar schwere Fehler
im Wirtschaftsaufbau vor, doch insgesamt hat die Volkswirtschaft
8
Einheit 1 Land und Leute
eine relativ schnelle Entwicklung erfahren. Das Anlagevermögen der Industrie wuchs von 1956 bis 1966 nach ursprünglichen
Preisen gerechnet um das Dreifache, das Nationaleinkommen
stieg nach vergleichbaren Preisen gerechnet um 58 Prozent.
Die Produktionsmengen von Stahl, Rohkohle, Rohöl, erzeugter
Elektrizität, Metallschneidemaschinen und anderen wichtigen
Industrieprodukten wuchsen bis über das zehnfache. Eine Reihe
neuer Industriezweige wie die Elektronikindustrie und die petrochemische Industrie entstanden, und viele neue Bereiche wie die
Atomenergiewirtschaft, die Düsenantriebstechnik, die Computerund Halbleitertechnik sowie die Automatisierungstechnik entwi­
ckelten sich.
Durch die Kulturrevolution vom Mai 1966 bis zum Oktober
1976 wurden der Staat und das Volk von den schwersten Verlus­
ten und Rückschlägen seit der Landesgründung betroffen. Nach
der 3. Plenartagung des XI. Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Chinas im Jahre 1978 begann China seine Reformund Öffnungspolitik durchzuführen. Die „linken Fehler“, die
vor und während der Kulturrevolution begangen worden waren,
wurden ausgemerzt, der Schwerpunkt der Arbeit auf die Modernisierung des Landes mit der Wirtschaft als Mittelpunkt gelegt
und der Weg zum Aufbau einer sozialistischen Modernisierung
mit chinesischer Prägung beschritten.
Ende 1978 beschloss China, die Reform- und Öffnungspolitik
einzuführen. Der Begriff „Reform und Öffnung“ bezieht sich auf
zwei wichtige Politikfelder: Reform im Inneren und Öffnung nach
außen.
Durch die Reform im Inneren sollten das Wirtschaftssystem
und auch andere Systeme, welche die Entwicklung der Produktivkraft hemmten, von Grund auf verändert werden. Die Öffnung
nach außen wurde begonnen mit der Errichtung von vier Wirtschaftssonderzonen (darunter Shenzhen), ging über die Öffnung
der Küsten-, Fluss- und Grenzgebiete bis zur vollen Beteiligung
an der wirtschaftlichen Globalisierung. Die wichtigen Entscheidungen hinsichtlich dieser zwei Aspekte stehen miteinander in
Beziehung und verkörpern die Ansprüche des Sozialismus auf
Selbstvervollkommnung und -entwicklung.
In den vergangenen 30 Jahren hat China in verschiedenen
Aspekten der chinesischen Gesellschaft noch nie dagewesene
9
VOKABELN
der Wendepunkt 转折点
das Proletariat 无产阶级
der Absatzmarkt 销售市场
der Nordfeldzug 北伐
die Kolonie, -n 殖民地
die Agrarrevolution 土地革命
der Aggressionskrieg 侵略战争
der Befreiungskrieg 解放战争
anführen 领导
die Umgestaltung 转变
stürzen 推翻
das Produktionsmittel 生产方式
provisorisch 临时的
die Kulturrevolution 文化大革命
ausbrechen 爆发
die Wirtschaftssonderzone, -n 经
antiimperialistisch 反帝国主义的
济特区
mit dem Schmach und Schande 受凌辱、耻辱
die halbkoloniale, halbfeudale Gesellschaft 半封建、半殖民地社会
die Revolution von 1911 辛亥革命
das feudale monarchische System 封建等级制度
die Republik China 中华民国
die 4. Mai-Bewegung 五四运动
die Kommunistische Partei Chinas 中国共产党
der Widerstandskrieg gegen Japan 抗日战争
die Neudemokratische Revolution 新民主主义革命
die Volksrepublik China 中华人民共和国
die 3. Plenartagung des XI. Zentralkomitees 十一届三中全会
die Reform- und Öffnungspolitik 改革开放政策
AUFGABEN ZUM TEXT
A. Lesen Sie den Text und erstellen Sie Überschriften, die den
Inhalt des Textausschnitts oder der jeweiligen Textausschnitte
zusammenfassen.
Abschnitt 1: _____________________________________________________
Abschnitt 2: _____________________________________________________
Abschnitt 3: _____________________________________________________
Abschnitt 4: _____________________________________________________
Text B Moderne Geschichte Chinas
Veränderungen erlebt. Auch in dem wirtschaftlichen, politischen,
kulturellen Bereich und beim Aufbau der Gesellschaft hat China
noch nie dagewesene Fortschritte, die von historischer Bedeutung
sind, erzielt.
10
Einheit 1 Land und Leute
B. Erzählen Sie von „Dem Opiumkrieg 1840“.
C. Stellen Sie zusammenfassend die Aufgaben der 4. Mai-Bewegung
dar.
D.Was ist mit dem „Befreiungskrieg“ gemeint?
E. Lesen Sie den Text noch einmal und beantworten Sie die
folgenden Fragen.
1. Was versteht man unter dem Begriff „Volksrepublik“?
2. Ist die Reform- und Öffnungspolitik nach der Kulturrevolution notwendig? Warum?
3. Was versteht man unter „Reform- und Öffnungspolitik“?
4. Halten Sie die „Reform- und Öffnungspolitik“ für realisierbar?
Begründen Sie Ihre Meinung.
11
Text C Lage und Territorium
Text C
Lage und Territorium
Die Volksrepublik China befindet sich im Osten des asiatischen
Kontinents und an der Westküste des Stillen Ozeans. China hat
eine Gesamtfläche von ungefähr 9,6 Millionen Quadratkilometern.
Der Fläche nach ist China nach Russland und Kanada das drittgrößte Land der Erde. Das Territorium Chinas erstreckt sich vom
Fluss Heilong nördlich von Mohe in der Provinz Heilongjiang bis
zum Zengmu-Riff, dem südlichen Ende der Nansha-Inselgruppe;
die Ausdehnung von Norden nach Süden beträgt etwa 5500 km.
Vom Zusammenfluss des Heilong und des Wusuli im Osten bis
zum Pamir-Hochplateau im Westen erstreckt sich das Territorium
über eine Gesamtlänge von 5200 km.
Die Länge der gesamten Grenze des Festlandes misst 22.800
km. Im Osten grenzt China an die Volksrepublik Korea, im Norden an die Mongolei, im Nordosten an Russland, im Nordwesten
an Kasachstan, Kirgisistan und Tadschikistan, im Westen und
im Südwesten an Afghanistan, Pakistan, Indien, Nepal, Sikkim
und Bhutan, im Süden an Myanmar, Laos und Vietnam. Durch
die Meere im Osten und Südosten ist China von Korea, Japan,
den Philippinen, Brunei, Malaysia und Indonesien geografisch
getrennt.
Das chinesische Festland grenzt im Osten und Süden an das
Bohai-Meer, das Gelbe Meer, das Ostchinesische Meer und das
Südchinesische Meer. Die Hoheitsgewässer Chinas umfassen jene
Meeresgebiete, die an das Festland und an Chinas Binnengewäs-
12
Einheit 1 Land und Leute
ser angrenzen; ihre Breite beträgt, von der Grundlinie ausgehend,
zwölf Seemeilen. In den chinesischen Hoheitsgewässern von etwa
4,73 Millionen Quadratkilometern liegen zahlreiche Inseln verstreut. Zu China gehören 6961 Inseln, deren Fläche größer als
500 Quadratmeter ist, davon sind 433 Inseln besiedelt. In Übereinstimmung mit dem Prinzip „Ein Land, Zwei Systeme“ werden
weitere 411 Inseln jeweils von Taiwan, Hongkong und Macao
direkt verwaltet. Die Insel Taiwan ist mit einer Fläche von 36.000
km² die größte, die Insel Hainan mit einer Fläche von 34.000 km²
die zweitgrößte. Die beiden Inseln sind zugleich Provinzen Chinas.
Die Länge der chinesischen Küstenlinie beträgt 32.000 km,
davon entfallen 18.000 km auf das Festland und 14.000 km auf die
Inseln. Entlang der Küsten finden sich viele bedeutende Seehäfen
und Hafenstädte. Vom Norden nach Süden sind unter anderem
zu nennen: Dalian, Qinhuangdao, Tianjin, Yantai, Qingdao, Lian­
yungang, Nantong, Shanghai, Ningbo, Wenzhou, Fuzhou, Xiamen,
Guangzhou, Zhanjiang und Beihai. Unter ihnen ist Shanghai die
größte Stadt Chinas und zugleich eine weltbekannte Metropole.
Industrie, Handel, Finanzwesen und Überseetransport sind in
dieser Stadt höchst entwickelt.
China hat 23 Provinzen, 5 autonome Gebiete, 4 regierungsunmittelbare Städte und zwei Sonderverwaltungszonen (Hongkong und Macao). Die Bevölkerungsdichte in China ist nicht
gleichmäßig verteilt. Im Osten des Landes kommen mehr als 300
Personen auf jeden Quadratkilometer, im Westen dagegen stellenweise nur 40 Personen. Der nationale Durchschnitt beträgt 119
Personen pro km² (1990). Die durchschnittliche Haushaltsgröße
liegt bei 3,7 Personen.
VOKABELN
das Territorium 领土
die Hoheitsgewässer 水域
das Zengmu-Riff 曾母暗沙
die Küstenlinie 海岸线
die Nansha-Inselgruppe 南沙群岛
der Überseetransport, -e 海运
das Pamir-Hochplateau 帕米尔高原
die Sonderverwaltungszone, -n an (A) grenzen 与……接壤
特别行政区
13
der Stille Ozean 太平洋
das chinesische Festland 中国大陆
„Ein Land, Zwei Systeme“ 一国两制
die regierungsunmittelbare Stadt 直辖市
AUFGABEN ZUM TEXT
A. Ergänzen Sie in den folgenden Lücken die richtigen geographischen und populativen Daten.
1.China liegt in Ost-Asien und wird im Osten vom Pazifik begrenzt. Es
ist das ____________ Land nach Kanada und Russland (9,6 Millionen
Quadratkilometer, ein Fünfzehntel der gesamten Landmasse der
Erde).
2. Vom östlichsten bis zum westlichsten Punkt liegen ____________ Kilometer und vom nördlichsten bis zum südlichsten Punkt sind es ca.
____________ Kilometer.
3. Die Grenze erstreckt sich über ____________ Kilometer auf der Landfläche und über ____________ Kilometer auf dem Meer.
4. In den chinesischen Hoheitsgewässern von etwa ____________ Millionen Quadratkilometern liegen mehr als 5400 Inseln verstreut. Aber
zu China gehören 6961 Inseln, die größer als 500 Quadratmeter
sind.
5. Die ____________ Insel ist Taiwan mit einer Fläche von ca. 36.000
Quadratkilometern. Die zweitgrößte Insel ist Hainan. Die Inselgruppe
im südchinesischen Meer ist die südlichste Chinas.
B. Berichten Sie von:
◆ der Größe und den Nachbarländern der Volksrepublik China
◆ der Bevölkerungsdichte und -verteilung der Volksrepublik China
◆ der Vielfalt der chinesischen Landschaft
◆ den bedeutendsten Flüssen, Meeren und Seen der Volksrepublik
China
◆ den geographischen Eigenschaften der Volksrepublik China
◆ den wichtigsten Sonderverwaltungszonen der Volksrepublik China
Text C Lage und Territorium
der asiatische Kontinent 亚洲大陆
14
Einheit 1 Land und Leute
Text D
„Mín-zú“ in China
56
ethnische Gruppen, darunter mit rund 91,5% die HanChinesen.
55 ethnische Gruppen stellen rund 8,5% der Gesamtbevölkerung.
Das chinesische Wort „Mín-zú“ soll Volksgruppe bzw. ethnische
Gruppe bedeuten. Der bis heute verwendete deutsche Überse­
tzungsbegriff „Nationalität“ sollte auch nicht mit dem europäischen Konzept der Nationalstaaten verwechselt werden. Im
chinesischen Konzept bezieht sich Nationalität eher auf gewisse
kulturelle Eigenheiten, die eine chinesische Mín-zú von anderen
chinesischen Volksgruppen unterscheidet.
Die chinesischen Han und die anderen Volksgruppen
China ist ein Sammelsurium unterschiedlicher Kulturen,
Bräuche und Traditionen. Manche meinen, dass unser Land China heißt, weil es im Altertum für sein Porzellan weltbekannt war.
Das Wort „Porzellan“ wird im Englischen als „China“ bezeichnet.
Aber andere glauben, dass das Wort „China“ eine phonetische
Transkription der Bezeichnung der antiken Dynastie „Chin“
(Qin) ist, der ersten feudalen Dynastie (221–206 v. u. Z) in der
15
Text D „Mín-zú“ in China
Jin Bo: China Verstehen,
China Intercontinental
Press, Beijing, S.10.
②
Anja Senz: Nationale
Minderheiten zwischen
Anpassung und
Autonomie, in „Beilage
zur Wochenzeitung Das
Parlament“, S.15.
①
chinesischen Geschichte.①
Das Han-Volk führte seinen Ursprung auf
eine chinesische Dynastie zurück, die vor rund
2000 Jahren große Teile des heutigen China
beherrschte. Die damalige Han-Dynastie vereinigte während ihres Bestehens das chinesische
Reich und führte viele Reformen durch, die
China langfristig stärkten und wichtige kulturelle und verwaltungstechnische Grundlagen
des Staatswesens legten, die teilweise bis heute
Bestand haben.
Die Wurzeln der gemeinsamen chinesischen Kultur liegen jedoch noch wesentlich
weiter zurück und sind zum Teil bereits Jahrtausende vor der Han-Dynastie entstanden.
Die heutigen Han-Chinesen bestehen jedoch nicht aus einer „homogenen“ Ethnie im
europäisch-„nationalstaatlichen“ Sinne. Das
Han-Volk besteht eigentlich aus einer Vielzahl
von Völkern und Ethnien, die im Laufe der
Jahrtausende die chinesische Kultur und das
chinesische Selbstverständnis übernommen,
und viele der eigenen Bräuche und Traditionen nach und nach abgelegt haben. Trotz
der unterschiedlichen Lebensweisen ist ihre
gemeinsame Identität jedoch sehr ausgeprägt,
und ein wichtiges Element ist der Stolz auf die
Heimat China und die chinesische Kultur.②
16
Einheit 1 Land und Leute
Einige dieser ethnischen Gruppen wurden
durch das Han-Volk während der Ausweitung
ihres Staatsgebietes im Laufe der Jahrtausende in das chinesische Reich integriert. Andere
Völker waren selbst die Eroberer, haben China oder Teile davon unterworfen, und haben
sich dann im Laufe von Jahrhunderten mit
den Han-Chinesen vermischt. Diese Völker
wurden zum größten Teil in die chinesische
Kultur und Gesellschaft integriert. Und obwohl sie zunächst als Eroberer kamen, wurden
diese Völker schließlich selbst zu Han-Chinesen. Beispiele dafür sind Teile der Mongolen
der Yuan-Dynastie vor rund 800 Jahren und
große Teile der Mandschu der Qing-Dynastie,
die noch bis vor rund einhundert Jahren in
China herrschten und von vielen Chinesen der
damaligen Zeit (besonders in Südchina) als
ausländische Besatzung betrachtet wurden.
①
Jin Bo: China Verstehen,
China Intercontinental
Press, Beijing, S.10.
Geschichte und Gegenwart der Volksgrup­
pen in China
In der Tat findet das Wort „China“ seine
Spur sogar in den klassischen Frühlings- und
Herbstannalen, die vor mehr als 2500 Jahren
verfasst wurden. Aber hier bedeutet „China“
die Hauptstadt des Landes, genauer gesagt,
ein Kerngebiet, von dem aus die Rechtsprechung über das ganze Land, einschließlich der
Grenzgebiete, ausgeübt wurde, in denen andere Volksgruppen leben.①
Der Umgang der chinesischen Regierung
mit den Volksgruppen Chinas hat sich nach
der Regierungsübernahme der Reform-Befürworter um Dèng Xiǎopíng Ende der 1970er
Jahre stark gewandelt. Heute werden die Sprachen der Volksgruppen und ihre regionalen
Bräuche teilweise gefördert und besonders die
jüngeren Chinesen interessieren sich oft sehr
17
Autonome Bezirke oder Kreise einer kleinen Volksgruppe
Stellt eine kleine Volksgruppe in einem bestimmten Verwaltungsgebiet eine relativ große Gruppe dar, oder ist das Verwaltungsgebiet ihr wichtigstes Siedlungsgebiet, so erhält sie in dem
entsprechenden Gebiet oft einen Sonderstatus. Diesen Sonderstatus für Volksgruppen gibt es in China auf beinahe allen Verwaltungsebenen, von der Provinz (vergleichbar von der Einwohnerzahl her mit einem der Nationalstaaten Europas) bis hinunter auf
die Kreisebene (vergleichbar von der Einwohnerzahl her mit den
Landkreisen in Deutschland).
Auf der Provinzebene existieren heute fünf autonome Gebiete, das autonome Gebiet Tibet im südwesten Chinas, das autonome Gebiet Guangxi der Zhuang-Volksgruppe im Süden von China, das autonome Gebiet Innere Mongolei im Norden des Landes,
das autonome Gebiet Ningxia der Hui-Volksgruppe, sowie das
uigurische autonome Gebiet Xinjiang im Westen von China.
Wenn es innerhalb einer Provinz Verwaltungsbezirke gibt,
in denen viele Menschen einer bestimmten Volksgruppe leben,
wurden diese teilweise in so genannte autonome Bezirke oder
autonome Kreise umgewandelt. Diese autonomen Bezirke oder
autonomen Landkreise gibt es in vielen chinesischen Provinzen.
Besonders viele gibt es zum Beispiel in der besonders gebirgigen
Provinz Yunnan, da hier eine ganze Reihe von zahlenmäßig eher
kleinen Volksgruppen leben. Aber auch auf der tropischen Ferieninsel Hainan oder in einigen ostchinesischen Provinzen gibt es
autonome Bezirke und Landkreise.
Text D „Mín-zú“ in China
für die Eigenarten und teils fremden und exotischen Bräuche im
eigenen Land. Besonders die zurzeit stark wachsende Tourismusbranche des Landes hat die Volksgruppen für sich entdeckt und
bietet eine große Zahl von Reisen innerhalb Chinas zu den Volksgruppen an.
Schon heute aber hilft der Tourismus jedoch, das Einkommen und die Ausbildung, und damit auch den Lebensstandard
und die Lebensqualität der Menschen vor Ort zu verbessern.
Durch den stetigen Strom an Besuchern aus den chinesischen
Städten können außerdem ländliche Infrastrukturprojekte in abgelegenen Regionen gebaut werden, die ohne die vielen touristischen Gäste kaum finanzierbar gewesen wären.
18
Einheit 1 Land und Leute
①
Anja Senz: Nationale
Minderheiten zwischen
Anpassung und
Autonomie, in „Beilage
zur Wochenzeitung Das
Parlament“, S.15.
In diesem Sinne ist China ein einheitlicher Staat aus 56 Volksgruppen. Es sind die
Han, Zhuang, Hui, Uiguren, Yi, Miao, Mandschuren, Tibeter, Mongolen, Tujia, Bouyei,
Koreaner, Dong, Yao, Bai, Hani, Kasachen,
Dai, Li, Lisu, She, Lahu, Wa, Shui, Dong­
xiang, Naxi, Tu, Kirgisen, Qiang, Dahuren,
Mulao, Gelo, Xibo, Jingpo, Sala, Blang,
Maonan, Tadschiken, Pumi, Nu, Achang,
Ewenken, Jino, Usbeken, Jing, De’ang, Yugur,
Bao’an, Moinba, Drung, Oroqen, Tataren,
Russen, Gaoshan, Hezhe und Lhoba. Davon
ist die Han-Volksgruppe in ganz China verbreitet und lebt hauptsächlich am Mittel- und
Unterlauf der Flüsse Huanghe (Gelber Fluss),
Changjiang (Yangtse) und Zhujiang (Perlfluss) und in der Nordostchinesischen Ebene,
die Zhuang-Volksgruppe mit 16,17 Millionen
Menschen die größte Volksgruppe außer HanVolksgruppe, während die Lhoba-Volksgruppe mit nur 2322 Menschen die zahlenmäßig
kleinste Volksgruppe ist.
Chinesische Lieder besingen die Beziehungen zwischen den verschiedenen Volksgruppen der multiethnischen Gesellschaft
Chinas gern als das Zusammenleben einer
großen Familie, bestehend aus „56 Brüdern
und Schwestern“.①
19
die Volksgruppe, -n 民族
der Eroberer, - 占领者
die Nationalität, -en 国籍;民族
integrieren 使结合,使并入
homogen adj. 同质的;同类的;同族的
der Lebensstandard 生活水平,生活
die Ethnie, -n 种族
nationalstaatlich 民族国家
水准
das Infrastrukturprojekt, -e 基础设
die Identität, -en 身份
施项目
die ethnische Gruppe 族群,民族
in abgelegenen Regionen 在偏僻地区
das autonome Gebiet 自治区
AUFGABEN ZUM TEXT
A. Was verstehen Sie unter den folgenden Wörtern?
1. Nation
2. Nationalitäten
3. Volksgruppen/ethnische Minderheiten
4. Nationalstaat
5. Autonome Bezirke
B. Antworten Sie auf die folgenden Fragen zum Lesetext.
1. Wie viele ethnische Gruppen hat China insgesamt?
2. Was bedeutet das chinesische Wort „Mín-zú“ eigentlich?
3. Warum meint man, dass China ein Sammelsurium unterschiedlicher Kulturen, Bräuche und Traditionen ist?
4. Wie wurden manche Völker im Laufe der Jahrtausende in das chinesische Reich integriert?
5. Wie viele Autonome Gebiete auf Provinzebene existieren heute in
China? Nennen Sie einige Beispiele.
6. Was verstehen Sie unter „autonom“?
7. Hat jede chinesische Volksgruppe eine eigene Sprache?
Text D „Mín-zú“ in China
VOKABELN
Einheit
2 Religionen
Einheit
2 Religionen
in Chinain China
20
21
宗教信仰
Buddhismus, Christentum und Islam
Einführung: Gibt es in China Religionen?
Die „Verfassung der Volksrepublik China“ sieht vor: „Die Bürger
der Volksrepublik China genießen Glaubensfreiheit. Weder
darf ein Staatsorgan, eine gesellschaftliche Organisation oder
eine Einzelperson Bürger dazu zwingen, sich zu einer Religion
zu bekennen oder nicht zu bekennen, noch dürfen sie jene
Bürger benachteiligen, die sich zu einer Religion bekennen oder
nicht bekennen“; „Niemand darf eine Religion dazu benutzen,
Aktivitäten durchzuführen, die die gesellschaftliche Ordnung
stören, die körperliche Gesundheit von Bürgern schädigen oder
das Erziehungssystem des Staates beeinträchtigen. Die religiösen
Organisationen und Angelegenheiten dürfen von keiner
ausländischen Kraft beherrscht werden“.
Die von China ausgearbeiteten Gesetze wie das „Gesetz
über regionale Autonomie der Nationalitäten“, die „Allgemeine
Prinzipien des Zivilrechts“ und das „Wahlgesetz für den
Volkskongress“ sehen vor, dass alle Bürger ungeachtet ihres
religiösen Glaubens das aktive und das passive Wahlrecht
besitzen; das legale Eigentum der Religionsgemeinschaften
wird gesetzlich geschützt; die Erziehung ist von der Religion
 Einführung: Gibt es in China Religionen?
Einheit 2
Religionen in China
22
Einheit 2 Religionen in China
getrennt; alle Bürger haben ungeachtet des religiösen Glaubens
nach dem Gesetz die gleiche Chance, ausgebildet zu werden; alle
Nationalitäten sollen untereinander die Sprachen und Schriften,
Bräuche und Sitten und die Glaubensfreiheit anderer Gruppen
respektieren; bei der Beschäftigung dürfen die Bürger nicht
wegen ihres religiösen Glaubens diskriminiert werden; Reklame
und Warenzeichen dürfen keine Formulierung, die irgendeine
Nationalität oder Religion diskriminiert, enthalten.
Am 1. März 2005 wurden die „Vorschriften über religiöse
Angelegenheiten“ vom Staatsrat erlassen. Diese Bestimmungen
wurden in Form des Gesetzes formuliert, um die Rechte von
Religionsgemeinschaften und Bürgern, die sich zu einer Religion
bekennen, zu garantieren, an religiösen Aktivitäten teilzunehmen,
Religionsschulen zu betreiben, Religionsbücher und -zeitschriften
herauszugeben, religionsbezogene Vermögen zu verwalten und
den Austausch mit ausländischen Religionsgemeinschaften
zu führen. Sie beweisen, dass die chinesische Regierung die
Glaubensfreiheit der Bürger respektiert und schützt, und
standardisieren die Verwaltung der zuständigen Abteilungen in
Übereinstimmung mit dem Gesetz.
China ist ein Land mit vielen Religionen, wo heute vor allem
fünf Religionen, nämlich der Daoismus, der Buddhismus, der
Islam, sowie das evangelische und katholische Christentum zu
vertreten sind. Alle Religionen erfreuen sich des gleichen Status.
Sie existieren in einer harmonischen Atmosphäre gemeinsam. Es
ist kein religiös motivierter Streit bekannt. Auch die Gläubigen
und die Atheisten respektieren sich gegenseitig. Diese Situation
ist der Politik der Glaubensfreiheit, die die chinesische Regierung
seit der Gründung der Volksrepublik stets befolgt und dem Geist
23
 Einführung: Gibt es in China Religionen?
der gegenseitigen Auskommens und Toleranz, der in der traditionellen chinesischen Kultur verehrt wird, zu verdanken.
Unter den nationalen Religionsgemeinschaften gibt es
die Vereinigung der Buddhisten Chinas, die Chinesische
Taoistenvereinigung, die Islamische Gesellschaft Chinas,
die Patriotische Vereinigung der Chinesischen Katholiken,
den Chinesischen Katholischen Bischofsrat, das Chinesische
Christliche Patriotische Komitee der „Drei-Selbst“ (Selbstver­
waltung, -unterhaltung und -verbreitung) und die Chinesische
Christliche Vereinigung. Alle Religionsge­meinschaften wählen
ihre Religionsführer und -gremien nach ihren jeweilig eigenen
Satzungen.
Diese Religionsgemeinschaften organisieren, geschützt durch
Verfassung und andere Gesetze unabhängig, religiöse Aktivitäten,
regeln Religionsangelegenheiten und betreiben Religionsschulen
und -institute und bilden Nachwuchskräfte in professionellen
geistlichen Ämter n aus. Es gibt landesweit 74 religiöse
Lehranstalten wie z. B. das Chinesische Institut für Buddhismus,
das Chinesische Islamische Institut für Koranstudien, das
Chinesische Taoistische Institut, das Chinesische Christliche
Seminar Jinling in Nanjing und das Chinesische Katholische
Seminar. Chinesische religiöse Org anisationen pflegen
Verbindungen zu religiösen Organisationen in mehr als
70 Ländern und Regionen. Die religiösen Persönlichkeiten
nehmen am politischen Leben des Staates teil. 17.000 religiöse
Persönlichkeiten sind Abgeord­n ete der Volkskongresse und
Mitglieder der Politischen Kon­sultativkonferenz des Chine­sischen
Volkes auf allen Ebenen.
24
Einheit 2 Religionen in China
VOKABELN
die Religionsgemeinschaft, -en 宗
教团体
der Gläubige, -n, -n 信徒,教徒
der Atheist -en, -en 无神论者
diskriminieren 歧视,鄙视
der Bischofsrat 主教委员会
erlassen 宣布,公布
die Nachwuchskraft 新生力量,后起
sich erfreuen + Gen. 享有,拥有
者,接班人
die Verfassung der Volksrepublik China 中华人民共和国宪法
die Glaubensfreiheit 宗教自由
sich zu einer Religion bekennen 信仰某宗教
Gesetz über regionale Autonomie der Nationalitäten 民族区域自治法
allgemeine Prinzipien des Zivilrechts 民法通则
Wahlgesetz für den Volkskongress 人民代表大会选举法
in Kraft treten 生效,有效
in Übereinstimmung mit 与……相一致
religiöse Persönlichkeit 宗教界人士
Abgeordnete der Volkskongresse 人民代表大会代表
Mitglieder der Politischen Konsultativkonferenz 政协委员
AUFGABEN ZUM TEXT
A. Was verstehen Sie unter den folgenden Wörtern?
1. Religion
2. Glaubensfreiheit
3. der Gläubige
4. der Atheist
B. Vervollständigen Sie die folgenden Sätze.
1. In der Volksrepublik China werden heute offiziell __________________
Religionen anerkannt, nämlich ____________________________________
______________.
2. In China erfreuen sich alle diese Religionen __________________ und
sie sind _______________________________ zusammen.
3. Durch Erlassung der folgenden Gesetze und Vorschriften wie ______
____________________________ wird die Glaubensfreiheit in China
garantiert und geschützt.
25
folgenden Fragen.
1. Welche religiöse Politik befolgt die chinesische Regierung stets seit
der Gründung der Volksrepublik?
2. Welche Maßnahmen hat die chinesische Regierung getroffen, um
die Glaubensfreiheit in China zu garantieren?
3. Wie ist die religiöse Situation in China?
 Einführung: Gibt es in China Religionen?
C. Lesen Sie den Text noch einmal und diskutieren Sie über die
26
Einheit 2 Religionen in China
Text A
Was ist Buddhismus?
四圣谛。根据佛教,
佛陀一生所教的内容
主要就是知苦与灭
苦。四圣谛学说是佛
教教义的核心,包括
苦谛、集谛、灭谛和
道谛。
②
佛教、婆罗门教、耆
那教中的羯磨(梵文音
译),因果报应。
①
Der Begründer des Buddhismus ist Siddharta
(悉达多) mit dem Beinamen Gautama(乔达
摩), der im Laufe seines Lebens zum Buddha
(der Erleuchtete) wurde. Er wurde um 560 v.
Chr. geboren und starb um 480 v. Chr..
Buddha lehrte nicht den Buddhismus,
sondern den Dharma(达摩), die Wahrheit,
das grundlegende Gesetz. Er zeigte auf,
dass wir in unseren Leben leiden, weil wir
permanent an den so genannten vier edlen
Wahrheiten anhaften ① — wir frönen der
Sinnes- und Genusssucht, nehmen unsere
Gedanken und Meinungen wichtig, halten uns
an Riten und Zeremonien fest, und vor allem
klammern wir uns an unser Ich.
Da jedes Wesen entsprechend seines
vorher geführten Lebens wiedergeboren
wird, gilt es, das Karma ② stets positiv zu
beeinflussen und diesen ewigen Kreislauf zu
durchbrechen. Karma ist das Zusammenspiel
von Ursache und Wirkung, jede Handlung
bewirkt etwas, löst etwas aus, hat Folgen.
Um den Dharma erkennen zu können,
und ins Nirvana, in den ewigen Frieden, zu
27
Text A Was ist Buddhismus?
①
八正道(梵文 āryaast
ān4 gika-mārga),
44
佛教名词,亦称八支
圣道或八圣道。意谓
达到佛教最高理想境
地(涅盘)的八种方法
和途径:1、正见。
正确的见解,亦即坚
持佛教四谛的真理;
2、正思维。又称正
志,即根据四谛的真
理进行思维、分别;
3、正语。即说话要
符合佛陀的教导,不
说妄语、绮语、恶
口、两舌等违背佛
陀教导的话;4、正
业。正确的行为。一
切行为都要符合佛陀
的教导,不作杀生、
偷盗、邪淫等恶行;
5、正命。过符合佛
陀教导的正当生活;
6、正方便。又称正
精进,即毫不懈怠地
修行佛法,以达到涅
盘的理想境地;7、
正念。念念不忘四谛
真理;8、正定。专
心致志地修习佛教禅
定,于内心静观四谛
真理,以进入清净无
漏的境界。
gelangen, sind bestimmte Verhaltensweisen
empfohlen, die der Edle achte Pfad① genannt
werden:
1. Rechte Erkenntnis, wie tiefes Wissen um
unsere eigene Natur, wie auch um das Leben
selbst.
2. Rechte Gesinnung, dies ist Befreiung der
Gedanken von Grausamkeit, Genusssucht
und üblem Wollen, sowie Gier und Neid.
3. Rechtes Reden, das Vermeiden von
Lügen, Intrigen und dummen oder rohen
Worten.
4 . R e c h t e s Ha n d e l n b e deut et we der
zu stehlen, noch zu töten, noch anderen
Lebewesen unnötige Schmerzen zuzufügen.
5. Rechter Lebenserwerb, das heißt nur
der Arbeit nachzugehen, die anderen nicht
schadet.
6. Rechtes Bemühen, denn nichts geschieht,
wenn wir uns nicht bemühen, was sich vor
allem auf die Meditation bezieht.
7. Rechte Achtsamkeit, das Wahrnehmen
von dem, was jetzt und hier geschieht.
8. Rechtes Sichversenken, damit ist
die Sammlung des Geistes gemeint, die
Konzentration auf ein Objekt.
Der Buddhismus hat sich vor allem in
ganz Asien ausgebreitet, wobei er in den
28
Einheit 2 Religionen in China
verschiedenen Kulturen sehr unterschiedliche Ausprägungen
erhielt. Weltweit bekennen sich rund 300 Millionen Menschen
zum Buddhismus.
Der Buddhismus gelangte im 1. Jahrhundert aus Indien
über Zentralasien nach China und fiel vor allem während der
Suí- und Táng-Dynastien (6.–10. Jahrhundert) auf fruchtbaren
Boden, so dass er sich trotz beträchtiger Widerstände gegen
den Konfuzianismus durchsetzen konnte und verschiedene
Richtungen entwickelte. Vom 4. Jahrhundert n. Chr. an verbreitete
er sich mit Hilfe einiger Herrscher in ganz China, wurde jedoch
später vom Konfuzianismus zurückgedrängt. Von China wanderte
der Buddhismus weiter nach Korea und wurde dort sehr schnell
vom Volk angenommen. Tempel und Klöster entstanden in großer
Zahl. Doch auch hier wurde er zurückgedrängt, als Anhänger des
Konfuzianismus an die Macht kamen. Heute sind 35 Prozent der
Bevölkerung in Korea Buddhisten.
In China gibt es bis heute ca. 60 Millionen Buddhisten in
fast allen Bevölkerungsschichten. Es lassen sich unzählige heilige
Stätten, Tempel, Klöster, buddhistische Grotten, Reliquien und
Kulturschätze finden, die zum nationalen Erbe Chinas zählen. Zur
Zeit sind rund 3000 Tempel und Klöster sowie über 1000 kleinere
buddhistische Anlagen der Öffentlichkeit zugänglich. Mehr als
30.000 Mönche und Nonnen leben dort ihrem Glauben gemäss.
VOKABELN
der Buddhismus 佛教
Siddharta 音译人名:悉达多
das Karma (佛教、婆罗门教、耆那教
中的)羯磨(梵文音译),因果报应
Gautama 音译人名:乔达摩
das Nirvana 指佛教的涅
der Buddha, -s 佛陀(佛教徒对释迦
der Buddhist, -en, -en 佛教徒
牟尼的称呼,简称佛)
die Reliquie, -n 圣人的遗骨或遗物
der Erleuchtete, -n 悟道者
AUFGABEN ZUM TEXT
A. Was verstehen Sie unter den folgenden Wörtern?
1. der Buddha, der Erleuchtete
2. an die Vier edlen Wahrheiten anhaften
3. das Karma
4. der Edle achte Pfad
29
1. Der Buddhismus ist in ___________________________ entstanden. Der
Begründer des Buddhismus ist _________________.
2. Der Buddhismus hat sich vor allem in ganz Asien ausgebreitet,
wobei er ______________________________________ erhielt.
3. Der Buddhismus gelangte im ________________ aus Indien über
________________ nach China und hatte vor allem während der
____________________________ seinen ersten Höhepunkt in China.
C. Lesen Sie den Text und beantworten Sie die folgenden Fragen.
1. Was lehrt der Buddha eigentlich? Wie lautet die Grundlehre des
Buddhismus?
2. Durch welche Verhaltensweisen kann ein Buddhist den Dharma
erkennen und ins Nirvana gelangen?
3. Wie war und ist der Einfluss des Buddhismus in China?
Text A Was ist Buddhismus?
B. Vervollständigen Sie die folgenden Sätze.
30
Einheit 2 Religionen in China
Text B
Buddhismus und seine Lehre
Der Buddhismus hat viele verschiedene
Richtungen entwickelt, deren Lehren sich
voneinander unterscheiden. Der Grundge­
danke ist jedoch identisch.
Als „Gründer“ des Buddhismus gilt
Prinz Siddharta Gautama ① , der als erster
d a s Ni r v a n a er reic ht e u nd s om i t z u m
Buddha, dem Erwachten wurde. Auf seinen
Erkenntnissen basieren die 4 Wahrheiten
d e s B u d d h i s mu s ② : d i e Wa h r h e i t v o m
universalen Leiden, die Wahrheit von der
Entstehung des Leidens, die Wahrheit von
der Aufhebung des Leidens und die Wahrheit
vom Weg zur Aufhebung des Leidens. Nach
buddhistischer Vorstellung wird der Mensch
entsprechend dem Leben, das er geführt hat
solange wiedergeboren, bis er würdig ist das
Nirvana zu erreichen und somit den Kreislauf
aus Wiedergeburten zu durchbrechen und
endgültig Frieden zu erreichen.
①
②
Prinz Siddharta Gautama(乔达摩•悉达多王子,即释迦牟尼)。
四真谛:苦:生即苦的因,生命即受苦,从生到死经历的痛苦阶段,即苦谛。集:促
成生因是对生命的渴求,生后的欲和对生命的骄傲促人们从一生转向另一生,即集
谛。灭:根治这种生就得消除对生命的渴求,绝除一切邪欲,即灭谛。道:八正道,
即道谛。
31
Text B Buddhismus und seine Lehre
Liebe, Mitgefühl und Weisheit
Im Mittelpunkt des Großen Weges steht der Erleuchtungsgeist
(skt.: bodhicitta), der Wunsch, zum Wohle aller Wesen die
Erleuchtung zu erreichen. Diese Einstellung beruht auf der
Einsicht, dass — objektiv betrachtet — kein überzeugender Grund
zu finden ist, warum das eigene Glück bedeutender wäre als das
Glück anderer Wesen. Im Gegenteil, man ist ja selbst nur eine
einzelne Person, während zahllose andere Wesen ebenfalls Glück
erlangen wollen. Erkennt man im Verlauf des buddhistischen
Weges die Natur des eigenen Geistes mehr und mehr, so entfalten
sich das Mitgefühl und die Fähigkeiten, anderen zu helfen, ganz
natürlich. Diese Einstellung macht sowohl die Meditationspraxis
als auch das Handeln im Alltag sehr kraftvoll. Jede Tat wird zur
Handlung eines Bodhisattvas („Held des Erleuchtungsgeistes“)
und damit zu einem Schritt auf dem Weg zur Erleuchtung.
Der Erleuchtungsgeist des Strebens bezieht sich darauf,
dass man sich geistig auf die Erleuchtung ausrichtet und den
einmal gefassten Entschluss nicht wieder vergisst, sondern darauf
achtet, kein Lebewesen aus dem eigenen Geist auszuschließen.
Man versucht, jede sich bietende Gelegenheit zu nutzen, um
diese innere Haltung zu stärken. Beim Erleuchtungsgeist der
Anwendung geht es darum, dass sich diese Einstellung auch im
konkreten Handeln, verdeutlicht an den Befreienden Handlungen
(skt.: paramitas), ausdrückt. Wird diese mitfühlende Aktivität
mit der Einsicht verbunden, dass Erleber, Erlebtes und Erleben
— Subjekt, Objekt und Tat — nicht von einander zu trennen und
Teile einer Ganzheit sind, dann wird jede Handlung in sich selbst
befreiend.
Durch diese Verbindung von tatkräftigem Mitgefühl
und überpersönlicher Weisheit wandelt sich der bewusst
hervorgebrachte, bedingte Erleuchtungsgeist mehr und mehr in
den letztendlichen Erleuchtungsgeist. Weisheit und Mitgefühl
sind so natürlich geworden, dass jede Tat spontan und ohne die
Vorstellung „ich tue etwas mit dir oder für dich“ entsteht und
zum Wohle anderer Wesen beiträgt. Mitgefühl muss jedoch von
Mitleid unterschieden werden. Leiden auch wir, wenn andere in
Schwierigkeiten sind, dann berauben wir uns aller Möglichkeiten.
Nur aus einer Lage der Kraft, des Überschusses und der Einsicht
heraus, können wir anderen wirklich sinnvoll helfen.
32
Einheit 2 Religionen in China
Meditation und Verhalten
Die buddhistischen Erklärungen über die Wirkungsweise von
Ursache und Wirkung (Karma) zeigen, wie unser Verhalten unser
Erleben beeinflusst. Damit dieser Prozess in der richtigen Weise
arbeitet, kombiniert der Buddhist Meditation und Verhalten zur
Entfaltung von befreiender Aktivität und Weisheit. Zunächst
lernt er die Auswirkungen dualistischer Handlungen zu beachten
und dann die befreienden Wirkungen der Buddha-Aktivitäten
auszuüben. Solange die Welt als positiv, negativ oder neutral
erfahren wird, gilt es positive Handlungen zu üben, negative zu
vermeiden und bei neutralen Handlungen bewusst zu bleiben.
Aus diesem Grunde riet Buddha dazu, mit dem Körper:
1. das Leben anderer zu schützen durch Verteidigung, Pflege,
Medizin etc.,
2. sinnvolle Dinge zu verschenken wie Nahrung, Kleidung,
Schmuck, Werkzeuge, aber auch Fertigkeiten und Fähigkeiten,
3. Lebens- oder Sexualpartner glücklich zu machen, sofern
keine Versprechen der Enthaltsamkeit abgelegt wurden.
Nach Kräften vermeiden sollte man nach Buddha:
1. Töten,
2. Stehlen,
3. jede Form der sexuellen Nötigung, Verletzung oder
Vergewaltigung.
Die Rede wird als mächtiges Instrument gesehen. Obwohl
sie nicht so greifbar ist wie die Handlung, bewegt sie evtl. mehr
Menschen und hat sehr weitreichende Auswirkungen. Die
folgenden 4 Redegewohnheiten sind positiv:
1. die Wahrheit sagen gibt Kraft,
2. eine harmonisierende und vertrauenserweckende Rede
gewährt Einfluss,
3. durch eine milde, sanfte Rede bekommt man später viel
Angenehmes zu hören,
4. in Übereinstimmung mit einer Lage sinnvoll zu sprechen
führt dazu, selbst viele Zusammenhänge zu verstehen und
entsprechend von anderen geachtet zu werden.
Im Gegensatz zu den konfuzianischen Lehren, die dem
Unterschied zwischen verschiedenen gesellschaftlichen Ständen
und Rängen große Bedeutung beimessen, betont der Buddhismus
die grundlegende Gleichheit der Menschen. Der Buddhismus
33
VOKABELN
der Kreislauf 轮回
ausschließen 排斥
der Erleuchtungsgeist 菩萨心
verdeutlichen 使明了,澄清
der Geist 精神
paramitas 波罗蜜(意即:过渡到清净
das Wesen, - 生命; 存在物; 人
的彼岸)
das Mitgefühl, -e 同情
die Ganzheit 整体
die Weisheit 智慧
das Mitleid 同情,怜悯
die Meditationspraxis 冥想
die Enthaltsamkeit, -en 节制
der Bodhisattva, - 菩萨
AUFGABEN ZUM TEXT
A. Was verstehen Sie unter den folgenden Wörtern?
1. das Nirvana erreichen
2. die 4 Wahrheiten des Buddhismus
3. Erleuchtungsgeist
4. Erleber, Erlebtes und Erleben
B. Vervollständigen Sie die folgenden Sätze.
1. Der Buddhismus hat ________________________________ entwickelt,
deren Lehren sich voneinander unterscheiden. ___________________
ist jedoch identisch. Als „Gründer“ des Buddhismus gilt
________________________.
2. Im Mittelpunkt des Großen Weges steht der _____________________,
der Wunsch, zum Wohle aller Wesen die Erleuchtung zu erreichen.
3. Im Gegensatz zu __________________________, die dem Unterschied
zwischen verschiedenen gesellschaftlichen Ständen und Rängen
große Bedeutung beimessen, betont der Buddhismus _____________
_______________________.
Text B Buddhismus und seine Lehre
wurde jedoch nie zur führenden Religion sondern war immer
eher eine zusätzliche philosophische Strömung die selber sinisiert
wurde aber auch das Denken der Chinesen veränderte. Nach
seiner Blütezeit wurde der Buddhismus jedoch zurückgedrängt
und teilweise sogar heftig bekämpft. Dennoch prägte er auch das
konfuzianische Denken, das ihm folgte. Letztendlich konnte sich
das buddhistische Gedankengut in China bis heute halten und
wird jetzt wieder kultiviert.
34
Einheit 2 Religionen in China
C. Lesen Sie den Text noch einmal und beantworten Sie die
folgenden Fragen.
1. Fassen Sie den Grundgedanken des Buddhismus zusammen.
2. Was kann man unter „Erleuchtungsgeist“ verstehen?
3. Liebe, Mitgefühl und Weisheit, welche Zusammenhänge bestehen
zwischen diesen drei Begriffen? Und welchen Zusammenhang
haben sie mit dem „Erleuchtungsgeist“?
35
Text C Christentum in China
Text C
Christentum in China
Nach historischen Berichten kamen die ersten Nestorianer
im 7. Jahrhundert nach China. Damals gab es in der heutigen
Provinz Shaanxi eine Gemeinde dieser katholischen Sekte,
die in chinesischen Quellen als „Jing-Kirche“ bezeichnet wird.
Nach mehr als 1300 Jahren werden der Katholizismus und der
Protestantismus in der Volksrepublik China als eigenständige
Religionen angesehen. Es gibt wenig Ökumene. Die Katholische
und die protestantische Kirchen haben untereinander kaum
Kontakt. Eine wachsende Zahl chinesischer Christen gehören
Hauskirchen an, welche aber illegal sind.
Bei der Gründung der Volksrepublik China im Jahre
1949 gab es in China etwa 1,8 Mio. Christen, davon 750.000
Protestanten. Zu dem Ziel, eine klassenlose Gesellschaft zu
errichten, gehörte auch die Beseitigung der Religionen, die
dadurch zunehmend unter Druck gerieten. Bis Mitte der 1950er
Jahre wurden alle ausländischen Missionare ausgewiesen, zu dem
Zeitpunkt etwa 6200. Den Kirchen in China wurde der Kontakt
zu Institutionen und Vereinigungen im Ausland untersagt.
Während der ersten beiden Jahre der Kulturrevolution, also
1966 und 1967, wurden zahllose Klöster, Tempel und Kirchen
durch die Roten Garden verwüstet; jedwede Religionsausübung
wurde in den Untergrund gedrängt. Dies galt sowohl für die
offiziell anerkannten, wie auch für die nicht anerkannten Kirchen.
36
Einheit 2 Religionen in China
Ab 1976 wurden die Religionen wieder zugelassen und im
Zuge der gesellschaftlichen Öffnung unter Deng Xiaoping seit
den frühen 1980er Jahren wurde auch die Kontrolle der Behörden
über die Religionen schrittweise gelockert. Tempel und Klöster
wurden wieder eröffnet, zumeist ohne staatliche Zuschüsse. Das
Christentum, welches über Jahre fast verschwunden schien,
erlebte eine erstaunliche Wiedergeburt.
In den 90er Jahren unterstützte der Staat den Ausbau oder
Aufbau vieler Klosteranlagen, die Zahlungen wurden offiziell
als Entschädigung wegen Zweck entfremdetem Gebrauchs
bezeichnet, und es wurde in die Verbesserung der Ausbildung
einer enorm wachsenden Zahl von Mönchen und Nonnen
investiert.
In ländlichen Gebieten jedoch, boomt das Christentum in
China. Aber auch immer mehr junge Chinesen kommen durch
ein Studium im Ausland immer mehr mit dem Christentum in
Verbindung.
Die Zahlen hinsichtlich Katholiken und Protestanten in
China sind alles andere als klar und deutlich. Offizielle Zahlen
gelten in der Regel als viel zu niedrig angesetzt und Schätzungen
aufgrund von Erhebungen sind aufgrund der geografischen
Bedingungen in China ebenfalls anfechtbar.
37
Text C Christentum in China
Heute kann davon ausgegangen werden, dass etwa 7% der
Bevölkerung Chinas Christen sind. In der Ausgabe von 2001
von Operation World wird die Gesamtzahl der Christen in China
auf 91,575 Mio. geschätzt, davon etwa 23 Mio. Angehörige
der Drei-Selbst-Bewegung und 11,7 Mio. Katholiken. Der Rest
verteilt sich auf verschiedene protestantische Gruppierungen
inklusive Hauskirchen-Netzwerke. Ende 2006 äußerte der Leiter
des Staatlichen Religionsbüros mit Ministerrang Ye Xiaowen
gegenüber der Nachrichtenagentur Xinhua sogar, dass die Zahl
der Christen in China 130 Mio. erreicht hätte.
Die Chinesische Sprache teilt heutzutage die Christen in
zwei Gruppen, Jidu Jiao Protestantismus und Tianzhu Jiao
Katholizismus. Weihnachten ist in China kein traditioneller
Feiertag und eigentlich auch kein besonderer Tag, denn die
große Mehrheit der Chinesen ist buddhistisch und die Zahl
der Katholiken und anderer Christen in China ist eher gering.
Trotzdem ist Weihnachten sehr populär in China. Wer in der
Vorweihnachtszeit durch die Geschäftsstraßen von Shanghai
oder anderen chinesischen Großstädten läuft, könnte den
Eindruck bekommen, dass man sich in der Volksrepublik
mittlerweile in einer zutiefst christlichen Umgebung befindet
— Weihnachtsmänner, riesige Weihnachtsbäume, Christ­
baumschmuck in Kaufhäusern und Restaurants sind überall
präsent. Die Christen in China gehen zu Heiligabend üblicher­
weise ebenfalls in die Kirche, ähnlich wie es Christen auf der
ganzen Welt tun. Obwohl übrigens in den westlichen Medien
oft und gern von unterdrückten Christen in China berichtet
wird, gibt es in fast jeder größeren chinesischen Stadt christliche
Kirchen und Christ zu sein ist in China auch nicht unüblich.
Auch wenn das Osterfest in China landläufig nicht so
bekannt ist wie Weihnachten — unbekannt ist es dennoch nicht.
Auf Chinesisch heißt Ostern „fùhuójié“ und „Frohe Ostern“
wünscht man sich durch zhù nǐ fùhuójié kuàilè!
Ostern wird in China jedoch nur in den Familien gefeiert, die
auch dem Christentum angehören. Ein Feiertag als solches gibt es
nicht und auch die Schulen haben wegen Ostern keine Ferien.
38
Einheit 2 Religionen in China
VOKABELN
das Christentum 基督教,基督教的
die Religionsausübung, -en 宗教
信仰
der Nestorianer, - 基督教聂斯脱利教
派,景教
活动
der Zuschuss, …schüsse 补贴
der Mönch, -en 和尚
der Christ, -en, -en 基督教徒
die Nonne, -n 修女
der Katholizismus 天主教
das Weihnachten 圣诞节
der Protestantismus 新教
der Weihnachtsbaum, …bäume 圣
die Ökumene 普世
诞树
die Hauskirche, -n 家庭教会
der Heiligabend 平安夜
jedwede 任何
das Osterfest 复活节
die patriotischen Vereinigungen 爱国协会
Drei-Selbst-Prinzipien (自养、自治、自传)三自原则
die Roten Garden 红卫兵
AUFGABEN ZUM TEXT
A. Was verstehen Sie unter den folgenden Wörtern?
1. die Trinität Gottes/die Dreifaltigkeit Gottes
2. das Alte und das Neue Testament
3. Wiederauferstehung
B. Vervollständigen Sie die folgenden Sätze.
1. Das Christentum geht auf ___________ zurück, dessen _____________,
___________ und die folgende ___________ und ___________ den Ablauf
des christlichen Kalenders bestimmt.
2. Die ersten christlichen Gemeinschaften sind um ______________
entstanden, aus denen im Laufe der Jahrhunderte die verschie­
denen Kirchen hervorgingen. Heute kann man zwischen ___________
________________________ unterscheiden, nämlich zwischen _________
_________, ____________________ und ___________________ Kirche.
3. Das heilige Buch des Christentums ist ___________, die aus ________
_________________________ besteht. Das Alte Testament stammt aus
______________________________, wird ursprünglich in ____________
geschrieben und enthält ____________________________. Das Neue
Testament entstand nach ___________________, wurde ursprünglich in
__________ geschrieben und enthält _____________________________.
Ein wichtiges Symbol der Christen ist _________________.
39
folgenden Fragen.
1. Haben die drei Hauptströmungen des Christentums
Gemeinsamkeiten? Wenn ja, welches Gemeinsames haben sie?
2. Woran glauben die Christen?
3. Welche christliche Feste feiern die Christen? Werden solche Feste
auch in China gefeiert? Und Wie?
4. Wie war und ist die Situation des Christentums in China?
Text C Christentum in China
C. Lesen Sie den Text noch einmal und beantworten Sie die
40
Einheit 2 Religionen in China
Text D
Islam in China
①
Shifeng, Dai, Die
nationalen Minderheiten
in China, Verlag für
fremdsprachige Literatur,
Beijing, 1990, S. 150.
Historisch kam der Islam zwischen dem 7.
und 12. Jahrhundert nach Zentralchina, teils
auf dem Seeweg über die Häfen im Südosten
(Kanton u.a.), teils auf dem Landwege durch
Zentralasien.
Im Jahre 651 n. Chr. wurde ein Bot­
schafter mit der Bitte des dritten Kalifen
Utman an den Hof des damaligen Tang
Kaiser Gaozong gesandt, der Islam möge
in China geduldet werden. Als dieser Bitte
entsprochen wurde, emigrierten daraufhin
mehrere tausend arabische Handelsleute nach
China. Diese Einwanderer wie beispielsweise
Handwerker, Kaufleute, Gelehrte, Beamte und
religiöse Führer, die sich in verschiedenen
L a nde s t ei len n ie derl ie ß en , f ü h r t en i n
Kriegszeiten zumeist ein Soldatenleben und
betrieben in Friedenszeiten Viehzucht.①
Einen bedeutenden Zustrom von
Moslems erlebte China während der YuanDynastie (1279–1368), als die mongolischen
Fremdherrscher in Beijing, arabisch- und
persischsprachige Moslems zur besseren
Beherrschung Chinas ins Land holten. In
41
Text D Islam in China
der Ming-Zeit (1368–1644) schließlich wurde der Islam „eine
nationale Religion“, deren Angehörige sich weitgehend sinisiert
hatten und nur durch die unverzichtbaren muslimischen
Sitten und Gebräuche (Beschneidung, Verbot des Verzehrs von
Schweinefleisch u.a.) von den Chinesen unterschieden.
Rund 23 Millionen Muslime leben heute in China. Es gibt
über 40.000 Imame. Als Teil der Chinesischen Nation haben
sie in vielen Bereichen zur Entwicklung des Landes erhebliche
Beiträge geleistet. Die Mehrheit der Hui, der Uiguren, der
Tataren, der Tadschiken, der Kasachen, der Usbeken und der
Kirgisen, die in China leben, sind Moslems.
Die Hui sind mit ca. 9 Millionen die größte offiziell
anerkannte muslimische Bevölkerungsgruppe. Sie sind ethnisch
und linguistisch Han-Chinesen, werden in der Volksrepublik
allerdings als eigene nationale Minderheit registriert. Dies hat
zur Folge, dass Han-Chinesen, die zum islamischen Glauben
übertreten, nach chinesischem Recht auch ihre ethnische
Zugehörigkeit verändern und den Hui zugeordnet werden.
Dies ist zwar insofern außergewöhnlich als andere religiöse
Gruppen, beispielsweise chinesische Christen, durchaus ihre
Han-Nationalität beibehalten, wurden allerdings von den hanchinesischen Moslems selbst nicht als Nachteil empfunden, weil
sie so ein stärkeres Gruppengefühl entwickeln konnten. Darüber
hinaus genießen sie als Angehörige einer nationalen Minderheit
Sonderrechte wie z.B. in der Familienplanung (sie unterliegen
nicht im gleichen Maße der Ein-Kind-Politik wie die Han).
Geographisch sind die Hui vor allem in den zentralen Provinzen
Ningxia (offizieller Name: „Autonome Region Ningxia der Hui
Nationalität“), Gansu und Qinghai angesiedelt.
42
Einheit 2 Religionen in China
Die andere große Gruppe von Muslimen in China sind
die Uighuren. Sie sind in der nordwestlichen Provinz Xinjiang
beheimatet und umfassen ca. 7–8 Millionen Menschen. Im
Gegensatz zu den Hui sind die Uighuren keine ethnischen
Chinesen sondern ein Turkvolk mit eigener Geschichte und
Tradition sowie einer eigenen Sprache und Schrift. Die
Islamisierung der Region setzte im 10. Jahrhundert mit der
Ankunft von Nomaden türkischer und mongolischer Herkunft
ein. Heute leben neben den Uighuren noch weitere Moslems in
Xinjiang u.a. Kasachen, Kirgisen, Tadschiken und auch Hui.
Der Islam hat sich in China mit lokalen Kulturelementen
vermischt. Der Wertekanon des Islam in China weist daher
einige typisch chinesische Eigenheiten auf. Das zeigt sich vor
allem in der Integration traditioneller chinesischer Denkweisen
und Ideen zur Interpretation der islamischen Lehre. Der Islam
hat Elemente der traditionellen chinesischen Philosophie und
der konfuzianischen Morallehre angenommen. Daher konnten
sich viele Chinesen in dieser Religion wieder finden. Das hat in
erheblichem Maße dazu beigetragen, dass sich der Islam in China
halten und entwickeln konnte.
Die islamische Lehre wird in China hauptsächlich in
Chinesisch, Arabisch und Persisch vermittelt. In China werden
schon seit langem islamische Religionswissenschaftler und Imams
ausgebildet. Auch die Übersetzung der klassischen islamischen
Werke ins Chinesische kommt ebenfalls gut voran.
Selbstverständlich gibt es auch etliche Moscheen in China:
aufs ganze Land verteilt sind es mehr als 35.000 Moscheen.
Auch die Architektur der islamischen Gebetshäuser weist
zahlreiche chinesische Eigenheiten auf. In China dominieren
bei den Moscheen zwei Baustile, zum einen die palastähnliche,
zum anderen die Moschee im arabischen Stil. Die Mehrzahl der
chinesischen Moscheen sind palastartige Bauten. In Xinjiang und
in einigen Gebieten Nordwestchinas findet man allerdings viele
Moscheen im arabischen Stil. Diese Bauten zeichnen sich durch
die kuppelüberwölbte Haupthalle aus. Von einem hohen Minarett
ruft der Muezzin die Gläubigen zum Gebet. Im Landesinneren
sind die Moscheen meist aus Holz. Sie bestehen aus mehreren
Hallen und zweistöckigen Pavillons.
Während der Tang- und der Song-Dynastie hielt der
43
Text D Islam in China
islamische Baustil in China Einzug. Aus dieser Zeit sind noch
einige Moscheen im arabisch-islamischen Stil erhalten. Sie
findet man hauptsächlich in den südöstlichen Küstengebieten
Chinas. Vor allem in der Ming-Dynastie verschmolzen schließlich
die arabisch-islamischen und traditionell chinesischen Stile
miteinander. Dadurch entstanden schließlich die palastähnlichen
Moscheen, die sich in Anlehnung an die chinesische Tradition
auf einer Nord-Süd-Achse ausrichteten. Das Tor wirkt oft wie
ein Eingang zu einem buddhistischen Tempel, oftmals gab es
auch ein steinernes oder hölzernes Ehrentor. Das ursprünglich
geziegelte Minarett wurde durch den chinesischen Einfluss
zu einem Pavillon aus Holz, es war ein Verbindungselement
zwischen Eingangstor und dem zweiten Tor.
Die Stadt Xi'an in der Provinz Shaanxi ist eine der sechs
berühmten Hauptstädte chinesischer Dynastien. Dort steht
die Huajuexiang Moschee. Sie ist ein Beispiel für eine solch
palastartige Moschee. Vor mehr als 1000 Jahren erbaut, ist diese
Moschee ein seltenes Exemplar islamischer Baukunst in China.
Das Bauwerk spiegelt die traditionelle chinesische Bauweise
mit Innenhöfen wider. Das gesamte Gebiet um die Moschee
umfasst 12.000 Quadratmeter. Einen Kunstschatz stellen die
Steinmetzarbeiten in der Umfassungsmauer der Haupthalle dar.
Sie vermitteln Suren des Korans.
In China gibt es noch viele alte Moscheen, zum Beispiel die
Moschee im Ostteil der Stadt Jinan in der Provinz Shandong. In
Taiyuan, der Hauptstadt der nordchinesischen Provinz Shanxi,
steht auch eine alte Moschee. Und auch in der Hauptstadt Beijing
gibt es eine alte Moschee, die Dongsi-Moschee.
Die Moslems feiern im Verlauf des Jahres drei traditionelle
Feste: das Bairam, das Korban und das Fest zum Gedenken an
den Propheten Mohammad. Durch die Reform und Öffnung
und die rasante Entwicklung der chinesischen Wirtschaft hat
sich in den vergangenen 30 Jahren auch die wirtschaftliche
Lage der chinesischen Moslems deutlich verbessert. Sie nehmen
ihre religiösen Feiertage sehr ernst und können sie heute noch
feierlicher begehen als vor ein paar Jahren. Die Feste werden stets
von einem bunten Kultur- und Sportprogramm begleitet.
Die Situation der Moslems in China hat sich also weiter
verbessert. Auch ihre gesellschaftliche Stellung wird immer
44
Einheit 2 Religionen in China
besser. Sie haben einen großen Anteil am wirtschaftlichen und
kulturellen Aufbau des Landes und bemühen sich darum,
sowohl ihr religiöses Leben als auch das Gemeinwohl zu fördern.
Einige von ihnen sitzen als Abgeordnete in den nationalen
oder lokalen Volkskongressen oder nehmen an den Politischen
Konsultativkonferenzen teil.
VOKABELN
der Islam 伊斯兰教
der Muezzin (伊斯兰教的)报告祷告
der Muslim, -e = der Moslem,
-s 穆斯林,伊斯兰教徒
der Koran, -e 《古兰经》,旧译《可
兰经》
时刻的人
die Nord-Süd-Achse 南北朝向
die Anlehnung 仿照
die Steinmetzarbeit, -en 石刻
der Vorbeter 领读祈祷文者
das Bairam 开斋节
der Priester 神职人员,教士
das Korban 古尔邦节,亦称宰牲节、
sich sinisieren 汉化
der Imam, -e 伊玛目(伊斯兰教领袖)
忠孝节
der Prophet, -en, -en 先知
das Minarett 尖塔
AUFGABEN ZUM TEXT
A. Was verstehen Sie unter den folgenden Wörtern?
1. der Islam
2. der Moslem
3. der Imam
4. der Wertekanon
5. das Minarett
6. die ethnisch und linguistisch Han-Chinesen
B. Vervollständigen Sie die folgenden Sätze.
1. Historisch kam der Islam ______________________ nach Zentralchina,
teils ___________________ über die Häfen im Südosten (Kanton u.a.),
teils ___________________ durch Zentralasien.
2. Die _______________ sind die größte offiziell anerkannte muslimische
Bevölkerungsgruppe in China und die andere große Gruppe von
Muslimen sind ___________________.
3. Der Islam hat sich in China mit ______________________ vermischt.
Der Wertekanon des Islam in China weist daher einige _____________
___________________ auf. Das zeigt sich vor allem in der Integration
45
_________________________________________ angenommen.
4. Die islamische Lehre wird in China hauptsächlich in _______________,
___________________ und ___________________ vermittelt.
5. In China dominieren bei den Moscheen zwei Baustile, zum einen
___________________, zum anderen ___________________.
C. Lesen Sie den Text noch einmal und beantworten Sie die
folgenden Fragen.
1. Wann kam der Islam nach China? Und wie ist seine Entwicklung und
Verbreitung in China?
2. Wer sind die wichtigsten chinesischen Muslime?
3. Welche kulturellen Besonderheiten haben die chinesischen
Muslime?
4. Welche traditionellen Feste feiern die Moslems? Feiern auch die
chinesischen Moslems all diese Feste?
5. Wie hat sich die Situation der Moslems in China nach der Reform
und Öffnung verbessert?
Text D Islam in China
_______________________________. Der Islam hat Elemente __________
Einheit
3 Gedanken
und Weisheit
Einheit
3 Gedanken
und Weisheit
46
47
Text A Sind Konfuzianismus und Daoismus Religionen?
Einheit 3
Gedanken und Weisheit
思想与智慧
Konfuzius, Menzius und Konfuzianismus;
Laozi und Daoismus;
Buddhismus und Lebenswerte
Text A
Sind Konfuzianismus und Daoismus Religionen?
Konfuzianismus und Daoismus sind zwei Weisheits­
lehren, die — anders als etwa der Buddhismus — in
China selbst entstanden sind. Der Begriff „Konfu­
zianismus“ leitet sich bekanntlich von „Konfuzius“
her, wobei allerdings weniger bekannt ist, dass dieses Wort
wiederum eine latinisierte Form von Kongfuzi ist, das in
chinesischen Texten weitaus weniger gebräuchlich ist als der
Name Kongzi (Meister Kong). Jesuitische Missionare, die im 16.
und 17. Jahrhundert christliche Religion nach China brachten
und dabei zugleich chinesische Kultur dem Westen vermittelten,
haben diese Bezeichnung geprägt.
Auch der Begriff „Daoismus“ erweist sich bei
genauerer Betrachtung als etwas willkürlich gewählt.
Das Wort dao spielt nämlich in der einen wie der
anderen Lehre eine große Rolle. Unterschiedlich ist
dabei allerdings die Bedeutung, die dem Wort jeweils beigegeben
道
48
Einheit 3 Gedanken und Weisheit
wird. Während dao, das sowohl „Weg“ als auch „leiten“ oder
„Prinzip“ heißen kann, in der Lehre des Kongzi vor allem im
Sinne einer „Regierungsmethode“ verwendet wird, bezeichnet
es in der Lehre des Laozi ein universelles Prinzip. Somit ist die
ambivalente Bedeutung des Wortes dao gleichsam ein Schlüssel zu
den unterschiedlichen Inhalten dieser beiden Lehren.
Ob es sich beim Konfuzianismus und Daoismus um
„Religionen“ handelt, wurde und wird nach wie vor viel
diskutiert. Wichtiger als hier eine Entscheidung zu treffen dürfte
sein, bei beiden Lehren zwischen einer jeweils zugrundeliegenden
Lebenshaltung einerseits und der damit verbundenen Praxis
andererseits zu unterscheiden.
Die Lehre des Kongzi lässt sich im Hinblick auf ihre
Lebenshaltung vor allem als eine Ethik fassen, während die
Grundhaltung des Laozi eher mystische Natur ist. In ihrer Praxis
legen beide Lehren großen Wert auf den Vollzug bestimmter
Riten oder Rituale. Diese sind von ihrem Charakter her ganz
unterschiedlich, doch haben sie gemeinsam, dass Spezialisten
über deren korrekter Einhaltung wachen und dass sie sich dabei
jeweils auf einen Kanon heiliger Texte berufen.
Den Unterschied zwischen philosophischem und religiösem
Daoismus, den dieser Artikel aus pragmatischen Gründen
verwendet, könnte man derart fassen, dass der philosophische
Daoismus das Ideal des Weisen hat, der das Dao verwirklicht,
indem er eine bestimmte Geisteshaltung einnimmt, während
der religiöse Daoist danach strebt, Erleuchtung zu erlangen
und das Dao zu verwirklichen, indem er durch unterschiedliche
Methoden wie Meditation (Qigong, Taijiquan), Konzentration,
Visualisation, Imagination, Atemtechniken, Alchemie, Ritual und
Magie aus Geist und Körper, dem Mikrokosmos, ein Abbild des
Makrokosmos erschafft und auf diese Weise eins wird mit dem
Universum und dem ihm immanenten Dao.
Das erste gesicherte Datum des Daoismus als Religion ist
das Jahr 215 n. Chr., als Cao Cao die Kirche der Himmelsmeister
anerkannte. Der Daoismus weist kein geschlossenes oder
einheitliches System auf, da er sich auf viele heterogene Quellen
bezieht.
Viele Schulen des Daoismus strebten nach Unsterblichkeit
und sind wahrscheinlich aus schamanistischen Techniken und
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