RiSU: Umgang mit elektrischer Energie

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I – 11 Tätigkeiten mit elektrischer Energie
I – 11
Tätigkeiten mit elektrischer Energie
I – 11.1
Begriffsbestimmungen
1) Schutzkleinspannung (SELV – Safety Extra Low Voltage) s. III - 6.1.7
Die Schutzkleinspannung nach DIN VDE 0100 Teil 410 umfasst 2 Bereiche:
 Anlagen, bei denen der Schutz gegen elektrischen Schlag durch die Höhe der
Nennspannung von AC 50 V Effektivwert oder DC 120 V unter bestimmten
Bedingungen gewährleistet ist (Abdeckung oder Umhüllung in Schutzart IP2X oder
IPXXB bzw. Isolierung, die einer Prüfspannung von AC 500 V Effektivwert 1 Minute
standhält).
 Anlagen, bei denen die Nennspannung AC 25 V Effektivwert oder DC 60 V
oberschwingungsfrei (siehe unter Definition „berührungsgefährliche Spannung“) nicht
überschritten wird (in trockenen Räumen ist ein Schutz gegen direktes Berühren nicht
erforderlich).
Schutzkleinspannung ist von der normalen Netzspannung galvanisch getrennt, z. B.
durch Sicherheitstransformatoren nach EN 60742.
Transformatoren mit Schutzkleinspannung von 25 V dürfen untereinander nur so
verbunden werden, dass die o.g. Spannungsgrenze nicht überschritten wird. Anstelle
der o.g. Transformatoren bzw. Umformer dürfen auch Stromquellen mit gleichem
Sicherheitsgrad, z. B. Akkumulatoren, verwendet werden.
2) Funktionskleinspannung (PELV – Protective Extra Low Voltage) siehe III - 6.1.7
Funktionskleinspannung mit sicherer Trennung unterscheidet sich von der Schutzkleinspannung durch die Erdung eines Stromkreises oder Körpers aus Funktionsgründen.
3) Berührungsgefährliche Spannung
Von einer berührungsgefährlichen Spannung spricht man,
 wenn die Spannung 25 V Wechselspannung eff. oder 60 V Gleichspannung
überschreitet (gemessen mit einem Spannungsmessgerät mit einem Innenwiderstand
> 50 kOhm)
 oder bei der bei Spannungen größer als 25 V Wechselspannung eff. oder
60 V Gleichspannung der mögliche Kurzschlussstrom größer als 3 mA Wechselstrom
eff. oder 12 mA Gleichstrom ist (gemessen über einen induktionsfreien Widerstand
von 2 kOhm)
 oder bei der die mögliche Entladungsenergie größer ist als 350 mJ.
4) Berührungsgefährliche Teile
Ein berührungsgefährliches Teil ist ein Bauteil, das unter berührungsgefährlicher
Spannung steht und für eine Berührung zugänglich ist.
I – 11.2
Gefährdungsbeurteilung
Vor dem Experimentieren ist eine Gefährdungsbeurteilung zu erstellen (Siehe Teil I – 0),
aus der die technischen, organisatorischen und verhaltensorientierten Schutzmaßnahmen
abgeleitet werden.
Dazu ist eine entsprechende Fachkunde erforderlich (siehe I – 11.4)
I – 11 Tätigkeiten mit elektrischer Energie
I – 11.3
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Sicherheitseinrichtungen11
Als Spannungsquellen für Schülerversuche dürfen grundsätzlich (Ausnahmen siehe I –
11.5) - nur Geräte mit Schutzkleinspannung oder Funktionskleinspannung mit sicherer
Trennung verwendet werden. Anstelle der o.g. Transformatoren bzw. Umformer dürfen
auch Stromquellen mit gleichem Sicherheitsgrad, z. B. Akkumulatoren, verwendet
werden.
Die Steckdosenstromkreise zum Experimentieren an den Schüler- und Lehrertischen
müssen über eine zentrale Not-Aus-Einrichtung12 verfügen und durch RCD13 mit einem
Bemessungsdifferenzstrom  30 mA abgesichert sein. Es genügen Not-Aus-Schalter an
den Ausgängen und am Lehrerexperimentiertisch.
Wird mit berührungsgefährlichen Teilen gearbeitet, muss die Not-Aus-Einrichtung auch
direkt am jeweiligen Experimentierstand vorhanden sein, diese Anforderung ist in der
Regel nur am Lehrerexperimentiertisch gegeben.
Für sämtliche Stromkreise an den Experimentierständen eines Raumes muss ein
Hauptschalter vorhanden sein. Der Schalter muss eine Einrichtung gegen unbefugtes
Einschalten haben (z. B. Schlüsselschalter). Eine besonders gekennzeichnete EDVSteckdose am Lehrertisch, die nicht zum Experimentieren verwendet werden darf,
braucht nicht über einen Hauptschalter abgesichert werden.
Die Stromkreise der Schülerexperimentierstände dürfen nur über besondere Schalter
eingeschaltet werden können. Sie dürfen erst dann eingeschaltet werden, wenn sich die
Lehrkraft vergewissert hat, dass keine Gefährdungen bestehen. Nach Beendigung der
Experimente sind die Stromkreise der Schülerexperimentierstände abzuschalten.
I – 11.4
Tätigkeitsvoraussetzungen für Lehrkräfte
Lehrkräfte müssen aufgrund ihrer Ausbildung und Kenntnisse (z. B. über ihr Fachgebiet,
Vorschriften und Normen) sowie aufgrund ihrer Erfahrungen die von ihnen geleiteten
oder auszuführenden Experimente mit elektrischer Energie beurteilen und mögliche
Gefahren erkennen können. Lehrkräfte müssen vor Beginn der Experimente mit elektrischer Energie anhand dieser Richtlinie unterwiesen sein. Soll mit berührungsgefährlicher Spannung gearbeitet werden, muss die Lehrkraft außerdem ein abgeschlossenes Lehramtsstudium des Faches Physik oder vergleichbarer Ausbildungsgänge
besitzen.
I – 11.5
Tätigkeitsbeschränkungen bei Schülerexperimenten
Schülerinnen und Schüler dürfen grundsätzlich nicht mit berührungsgefährlicher
Spannung experimentieren.
Ausnahmen sind nur in der gymnasialen Oberstufe zulässig, wenn das Lernziel anders
nicht erreicht werden kann. Bei Arbeiten mit berührungsgefährlicher Spannung oberhalb
von SELV/PELV ist eine besondere technische Ausstattung erforderlich, z. B. Not-AusEinrichtung direkt am Arbeitsplatz. Aus diesem Grund können diese Versuche in der Regel
nur am Lehrerarbeitstisch durchgeführt werden. Bei Arbeiten mit berührungsgefährlicher
Spannung muss sichergestellt werden, dass eine Körperdurchströmung ausgeschlossen
11 Für Errichtung und Betrieb elektrischer Anlagen in Unterrichtsräumen existieren Regelungen der DKE Deutsche Kommission
Elektrotechnik, Elektronik, Informationstechnik im DIN und VDE:
 DIN VDE 0100 Teil 723 und Teil 723/A1 „Errichten von Starkstromanlagen mit Nennspannungen bis 1000 V mit
Experimentierständen“ (bauliche Maßnahmen)
 DIN VDE 0105 Teil 12 „Betrieb von Starkstromanlagen; Besondere Festlegungen für das Experimentieren mit
elektrischer Energie in Unterrichtsräumen“ (DIN VDE 0105 Teil 12 ist eingearbeitet)
 DIN VDE 0105 Teil 112 „Betrieb von elektrischen Anlagen; Besondere Festlegungen für das Experimentieren mit
elektrischer Energie in Unterrichtsräumen“ (Handlungsanleitung)
12 Es genügt eine Betätigungseinrichtung für die Not-Aus-Einrichtung an den Ausgängen und am Lehrerexperimentiertisch.
13 RCD englisch: residual current protective devices, bisherige deutsche Bezeichnung bzw. Variante FI-Schutzschalter bzw.
Fehlerstromschutzschalter (siehe auch III – 6.1.8)
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I – 11 Tätigkeiten mit elektrischer Energie
ist. An unter berührungsgefährlicher Spannung stehenden Teilen darf nicht gearbeitet
werden. Dies gilt auch für das Heranführen von Messeinrichtungen.
Bei der Auswahl und Vorbereitung der Experimente mit berührungsgefährlicher Spannung
obliegt der Lehrkraft eine besondere Verantwortung, denn auch bei Einhaltung der
nachgenannten Schutzmaßnahmen bleibt eine Gefährdung. Dies gilt gleichermaßen für
von der Lehrkraft angeleitete, als auch für selbst ausgeführte Experimente.
Falls Schülerinnen und Schüler in der gymnasialen Oberstufe an Experimentiereinrichtungen arbeiten, die berührungsgefährliche Teile enthalten (sowohl mit SELV/PELV
als auch oberhalb davon), muss die Lehrkraft die Schaltung überprüfen und auf
Gefahrenstellen hinweisen. Solche Experimente muss die Lehrerin oder der Lehrer
unmittelbar beaufsichtigen.
Die Schülerinnen und Schüler sind über die hierbei vorhandenen Gefahren und über die
Not-Aus-Schalter zu informieren.
I – 11.6
Aufbau, Umbau und Abbau
Aufbau, Umbau und Abbau von Experimentiereinrichtungen (Versuchsanordnungen) mit
berührungsgefährlichen Spannungen dürfen nur im spannungsfreien Zustand erfolgen.
Dies gilt auch bei Verwendung von sogenannten Sicherheitsexperimentierleitungen. Die
Lehrerin oder der Lehrer überzeugt sich vor der Spannungsfreigabe vom ordnungsgemäßen Zustand des Aufbaus.
I – 11.7
Akkumulatoren
Akkumulatoren dürfen an Experimentiereinrichtungen nur an- oder abgeklemmt werden,
wenn kein Strom fließt.
I – 11.8
Experimentierleitungen
Vor dem Benutzen sind die Experimentierleitungen auf erkennbare Schäden zu prüfen.
Die Anschlussmittel von Steck- und Schraubverbindungen müssen in ihren Abmessungen
aufeinander abgestimmt sein. So dürfen z. B. Steckerstifte mit einem Durchmesser von
4 mm nicht in Buchsen mit einem Öffnungsdurchmesser von 5 mm (z. B. bei Netzsteckdosen) eingesetzt werden14.
Dies gilt nicht für die Benutzung als Prüfspitzen für Messzwecke. Die Öffnungen von
Kabelschuhen müssen den Bolzendurchmessern angepasst sein.
Steckdosen außerhalb von Experimentierständen dürfen zum Experimentieren nur
benutzt werden, wenn sie als Experimentiersteckdosen gekennzeichnet und wie die
Steckdosen an den Experimentierständen 15 über eine Not-Aus-Einrichtung sowie einen
RCD mit einem Bemessungsdifferenzstrom  30 mA abgesichert sind.
In Versorgungseinrichtungen, festinstallierten Experimentiereinrichtungen und zum
Experimentieren verwendeten Geräten dürfen nur die dafür vorgesehenen Sicherungen
verwendet werden. Sicherungseinsätze an Experimentiereinrichtungen dürfen nur im
stromlosen Zustand entnommen oder eingesetzt werden.
Sicherheitsexperimentierleitungen sind bei allen Tätigkeiten mit berührungsgefährlicher
Spannung erforderlich (siehe I – 11.1, I – 11.4 und I – 11.5).
14 Die in Schulen üblichen Experimentierkabel haben einen Stecker-Durchmesser von 4 mm.
15 Einzelheiten hierzu enthält die DIN VDE 0100 Teil 723 "Errichten von Starkstromanlagen mit Nennspannungen bis 1000
Volt; Unterrichtsräume mit Experimentierständen“.
I – 11 Tätigkeiten mit elektrischer Energie
I – 11.9
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Prüfungen
Elektrische Anlagen und ortsfeste elektrische Betriebsmittel sind mindestens alle 4 Jahre
durch eine Elektrofachkraft16 auf ihren ordnungsgemäßen Zustand zu prüfen.
Nicht ortsfeste elektrische Betriebsmittel, Anschlussleitungen mit Steckern sowie
Verlängerungs- und Geräteanschlussleitungen mit ihren Steckvorrichtungen sind, soweit
sie benutzt werden, mindestens alle 12 Monate durch eine Elektrofachkraft auf ihren
ordnungsgemäßen Zustand zu prüfen.
Ergeben sich bei wiederholten Prüfungen nur geringe Fehlerquoten, so kann die Prüffrist
der nicht ortsfesten elektrischen Betriebsmittel verlängert werden. Der Unfallversicherungsträger kann verlangen, dass das Prüfungsergebnis dokumentiert wird.
Bei Verwendung geeigneter Prüfgeräte kann die Prüfung auch durch eine
elektrotechnisch unterwiesene Person (unter Leitung und Aufsicht einer Elektrofachkraft)
vorgenommen werden.
RCD (z. B. FI-Schutzschalter) und Not-Aus-Einrichtungen sind durch Auslösen der
Prüftaste mindestens alle 6 Monate auf einwandfreie Funktion zu prüfen.
Vor dem Experimentieren mit berührungsgefährlicher Spannung müssen RCD
(Fehlerstrom-Schutzeinrichtungen) und Sicherheitseinrichtungen (z. B. Not-Aus-Einrichtungen) auf Funktion überprüft werden. Bei täglich mehrmaligem Experimentieren ist
die Überprüfung der RCD und der Sicherheitseinrichtungen vor dem ersten Experiment
ausreichend.
16 Siehe § 5 der UVV "Elektrische Anlagen und Betriebsmittel“ (GUV-V A3 ).
Lehrer sind i.d.R. keine Elektrofachkräfte im Sinne von GUV-V A3 . Die Prüfung ist mit dem Sachkostenträger zu
vereinbaren; sie kann z. B. durch eine Elektrofachkraft der Kommune durchgeführt werden.
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