24 A S T R O L O GIE & W I S S E N Das Horoskop, das Schicksal und die Themen, die immer wiederkehren V O N m i c h a e l W A l l g e i e r enn man Geburtshoroskope oberflächlich betrachtet, dann finden wir 10 Planeten (inklusive Sonne und Mond, die in der astrologischen Sprache als Planeten bezeichnet werden), die einmal fast gleichmäßig verteilt, dann wieder in Ballungen im Tierkreis und den Häusern auftauchen. Meist bleiben einige Häuser und Tierkreiszeichen leer, manchmal sogar sehr viele. astrologische Laien fragen sich dann verwundert, ob denn die leeren Häuser keine Bedeutung hätten. Natürlich haben sie eine Bedeutung, schließlich stellen sie die Lebensbereiche Geld, Gesundheit, Partnerschaft, Lebensziele, Freundschaften usw. dar, die für jeden Menschen wichtig sind. Die höhere Kunst der Astrologie, die Lehre von den Häuserherrschern, löst dieses Missverständnis dann auch auf. Haben wir z.B. ein 2. Haus (Finanzen, Selbstwert) ohne Planeten, dann schauen wir uns an, welches Tierkreiszeichen an der Spitze dieses Hauses steht. Sind das etwa die Fische, dann forschen wir im Horoskop weiter, wo deren Zeichenherr Neptun steht. Befindet er sich etwa im 6. Haus, dann können wir im Sinne der astrologischen Entsprechungen zu folgenden Aussagen kommen: Geldverdienen durch eine feste Anstellung, durch eine Tätigkeit im Gesundheitsbereich, Selbstwert aufbauen über Körperbewusstsein usw. Trotz dieser wunderbaren Lehre von den Häuserherrschern, die uns die „leeren Häuser“ entschlüsselt, ist es aber nur allzu logisch zu folgern, das besetzte Häuser eine besondere Bedeutung für den Geborenen haben müssen. Denn wenn es keinen Zufall gibt, dann vor allem in der Astrologie nicht. Der rote Faden im Horoskop führt auf die Spur der Lebensthemen Wir dürfen sogar annehmen, dass diese Häuser die wichtigsten Anlagen, Charakterzüge und damit, um eine Stufe weiterzugehen, Lebensthemen anzeigen. Und oftmals sind in Ihnen die Geschehnisse und Situationen „begraben“, denen wir immer wieder auf unserem Lebensweg begegnen. Man könnte in diesem Zusammenhang auch von den „Knackpunkten“ im Horoskop sprechen, die uns auf die Spur des sogenannten roten Fadens führen, der durch ein Horoskop führt und verblüffende Auskunft über das Leben und das Schicksal eines Menschen liefert. Diesen zu erkennen bedarf allerdings einer sehr gereiften Kenntnis über die Astrologie und erfordert viele Jahre intensiver Bemühungen. Auf einem Seminar des Astro-Kollegs mit dem Titel „Lebensthemen“ haben wir das Experiment gewagt, diese roten Fäden in allen Teilnehmerhoroskopen aufzuspüren und hatten dabei sehr gute Erfolge. Klar ist aber auch, dass uns vor allem die „Knackpunkte“ den roten Faden erkennen lassen und diese bestehen in erster Linie aus den Spannungsaspekten eines Horoskops, die wir manchmal am liebsten „ausradiert“ hätten. Sie zeigen die Punkte im Leben an, die weh tun, die uns Mühe bereiten und die uns unsere größten Niederlagen eingebrockt haben. Aber es handelt sich hier auch um die Kräfte, die uns, da es Spannungen sind, antreiben, ja zu großen Taten motivieren. Wir brauchen diese Spannungen, um uns weiterzuentwickeln, um im Leben voranzukommen, um uns mit dem Leben zu reiben und als Folge davon Kreativität zu entwickeln. Die Horoskopanalysen von überdurchschnittlich erfolgreichen Menschen kommen immer wieder zu demselben Ergebnis: Diese Persönlichkeiten haben oft Spannungsaspekte im Überfluss. Umgekehrt können wir Astrologen oft beobachten, dass Menschen mit zuviel Harmonie im Horoskop eine zwar große innere Zufriedenheit besitzen, aber eben oft wenig aus ihren Anlagen und Talenten machen. Ein Spitzensportler wird etwa viel eher ein A S T R O L O GIE Mars-Pluto-Quadrat als ein Mars-Pluto-Trigon im Horoskop haben. Spannungsaspekte werden in der modernen Astrologie inzwischen auch als „herausfordernde Aspekte“ bezeichnet, da man ihre Wichtigkeit erkannt hat. Die Einteilung in günstig und ungünstig bzw. harmonisch und disharmonisch ist für das Erlernen dennoch wichtig, da ein Astrologie-Anfänger wissen muss, welche positiven oder auch extrem negativen Auswirkungen ein Aspekt haben kann. Dies gehört zum Wissen. Neue Zeit, neue Chancen Spannungsaspekte, die immer auch Lebensthemen beinhalten, können in unserer Zeit durch veränderte Einstellungen, durch den Wegfall von alten und überholten moralischen Werten aber auch unterschiedlich gelebt werden. Noch niemals in der Menschheitsgeschichte hatten wir so große Möglichkeiten der Selbstverwirklichung und der Lösung von inneren Konflikten. Nehmen wir an, eine Frau hat etwa Uranus im 7. Haus (Partnerschaft, Du) im Quadrat zu ihrem Mond. Nach den alten Ansprüchen vergangener Gesellschaftsformen hätte sich auch dieser Mensch gedrängt gefühlt, zu heiraten, eine Familie zu gründen, Kinder zu bekommen. Und vermutlich wäre es auch so gekommen. Nur: Mit einer solchen uranischen Anlage, wäre dieser Mensch in einer allzu festen und starren Bindung mit Sicherheit unglücklich geworden. Es wäre dieser Frau schlichtweg zu eng geworden, sie hätte sich eingesperrt gefühlt, da sie letztlich nur eine auf Freiheit und Unabhängigkeit basierende Beziehung führen kann. In unserer modernen Zeit hätte sie nun zumindest die Chance, eine Beziehung zu führen und trotzdem eine eigene Wohnung zu behalten. Und würde glücklich werden. Es kann nun aber auch sein, dass auch heute ein Mensch mit dieser uranischen Spannung heiratet, weil es die anderen eben auch machen. Dann kann dieser Spannungsaspekt zum ungelösten Lebensthema werden, indem diese Person immer wieder heiratet und sich scheiden lässt, nach dem bekannten Film: Und täglich grüßt das Murmeltier... Spannungen, die zu Lebensthemen werden, können sich in den unterschiedlichsten Lebenssituationen verstecken und sind naturgemäß nicht einfach zu lösen. Einmal hatte ich ei- & W I S S E N Folge 52 51 Geschichte der Astrologie Johann Die Astrologie Wolfgang im von 20. Jahrhundert Goethe und die Astrologie Die Epoche der Aufklärung, in der alles negiert wurde, was nicht im Sinne der Naturwissenschaft war, hatte deutliche Spuren hinterlassen. Die Astrologie zog sich in Geheimbünden zurück. Großes Wissen war Anfang des 20. Jahrhunderts verloren gegangen bzw. nur noch in Bruchstücken vorhanden. Die Gegner der Astrologie sahen in der einstigen „Königin der Wissenschaften“ nur noch Reste einer auf Fehlschlüssen aufgebauten Wissenschaft, die modernen Erkenntnissen nicht mehr standhalten konnte. Die wenigen Anhänger der Astrologie, die sich verzweifelt um Seriosität bemühten, wurden in einen Topf mit den geschäftsmäßigen Sterndeutern geworfen, die wie heute vielfach auch, die Astrologie als eine Art Wahrsagekunst missbrauchten. Diese war von Aberglaube und haltlosen Spekulationen durchzogen und gründete vor allem auf Nichtwissen. Der verzweifelte Kampf der Astrologie-Anhänger auf dem Schlachtfeld einer durch die Aufklärung fast zerstörten Astrologie führte dazu, dass sich viele unterschiedliche Ansätze des Wiederaufbaus der Astrologie herauskristallisierten. Altes und Neu- nen Klienten mit Mars am Aszendent in Opposition zu Saturn am Deszendent. Alle seine Beziehungen lösten sich in Unfrieden auf. Klar, Mars am AC, also er, ist stets der Aggressive, der, der fordert, will und begehrt. Und Saturn am DC ist das Du, das blockiert, das verneint. Immer wieder versuchte er Beziehungen auf „Biegen und Brechen“ zu erzwingen, immer wieder wurde er abgelehnt. Manchmal ändert sich eben nichts, die Themen wiederholen sich, weil man eben nicht immer über seinen eigenen Schatten springen kann. es, Mythos und Wissenschaft, physikalische und neue psychologische Erkenntnisse begannen sich mit der Astrologie zu mischen und diese in neu geformte einzelne Richtungen aufzuspalten. Verantwortlich dafür war nicht zuletzt die Tatsache, dass sich das gesamte Weltbild gewandelt hatte. Nach dem Astrologie-Historiker Wilhelm Knappich ergaben sich konkret vier Hauptrichtungen der modernen Astrologie: Die historisch kritische Auffassung, die esoterische Astrologie, die empirische oder naturwissenschaftliche Astrologie und die psychologisch-symbolische Astrologie. Neu belebt wurde in der Neuzeit die Diskussion um Determinismus und Willensfreiheit. Das war umso erstaunlicher, da fast alle großen Lehrmeister der Astrologie den Glauben an den Schicksalszwang der Sterne stets bekämpft haben und nur sehr wenige ein unabänderliches Schicksal lehrten. Vielfach hielt der Fatalismus wieder Einzug, das heißt der absolute Glaube an die Macht des Schicksals, daran, dass etwas geschehen muss und deshalb vorherbestimmt ist. Die Astrologie musste sich insgesamt neu finden. 25