Aktueller Kommentar Wahlen in Indien: Kleine Parteien werden punkten, Wirtschaft könnte jedoch leiden 23. April 2009 2009 ist das Jahr der kleinen Parteien. Obwohl Koalitionsregierungen in Indien lange die Regel waren, lag der größte politische Einfluss zumeist bei der Kongresspartei und der Bharatiya Janata Partei (BJP). Ihre Vorherrschaft wird derzeit von der neu erwachten Stärke der regionalen und ethnischen Parteien in Frage gestellt. Umfragen deuten darauf hin, dass sowohl die Kongresspartei als auch BJP weniger Sitze als bei früheren Wahlen erringen dürften. Zudem stehen ihre traditionellen Koalitionspartner nicht mehr automatisch zur Verfügung; sie wollen die Wahlergebnisse abwarten, bevor sie Koalitionszusagen machen. Daher spricht vieles für eine ungewöhnlich große und ausgesprochen schwache Koalitionsregierung. Für Investoren und Märkte wäre dies ein enttäuschendes Ergebnis. Für eine neue Regierung aus zu vielen Parteien mit unterschiedlichsten Interessen wäre eine einvernehmliche Einigung auf ein wirtschaftspolitisches Programm nur schwer zu erzielen. Eine Regierungsbildung ohne BJP oder die Kongresspartei ist zwar eine eher unwahrscheinliche, aber durchaus mögliche Entwicklung. So hat sich bereits eine Gruppe kleinerer Parteien, einschließlich der kommunistischen Parteien, gebildet, die sich die „Dritte Front“ nennt. Mayawati, die berühmte Vertreterin der unteren Kasten und Vorsitzende der Bahujan Samaj Party (BSP), hat sich bislang mit Bündnisverspechen zurückgehalten; sollte sie jedoch die Chance sehen, Premierministerin zu werden, dürfte sie sich jeder der großen Allianzen (einschließlich der Dritten Front) anschließen. Sollte ein solches Bündnis kleinerer Parteien die nächste Regierung stellen, würde sich dies negativ auf die wirtschaftliche Entwicklung auswirken. Die Parteien haben eine zu unterschiedliche Interessenlage: So haben zum Beispiel die kommunistischen Parteien Schritte wie Deregulierung und Privatisierung bereits grundsätzlich abgelehnt. Unserer Einschätzung nach besteht eine größere Wahrscheinlichkeit, dass entweder die BJP oder die Kongresspartei erneut an die Macht kommt und eine eher instabile Koalition anführt. Die letzten Umfragen vor den Wahlen zeigen einen leichten Vorsprung der Kongresspartei. Beide großen Parteien dürften sich in ihren wirtschaftspolitischen Vorhaben kaum unterscheiden. Beide dürften ihre populistischen Maßnahmen, wie die Subventionierung von Nahrungsmitteln und Benzin für die Armen, fortführen und eine gemäßigte Liberalisierung vorantreiben. Da Meinungsumfragen ebenso wie Umfragen am Ausgang der Wahllokale während der Wahlen (die vom 16. April bis 13. Mai andauern) verboten sind, ist in dieser Zeit eine Einschätzung der Aussichten einzelner Parteien schwierig. Die entscheidende Phase wird nach den Wahlen erwartet, d.h. vom 16. Mai bis 2. Juni, wenn die Koalitionsverhandlungen beginnen. Sobald die Regierung gebildet ist, muss sie sich mit dem dringlichsten Problem - der Abschwächung der Wirtschaft - befassen. Hier stellt sich die Frage nach der Wahl der Mittel, d.h. zusätzliche Konjunkturpakete gegenüber anderen Lösungen wie verstärkte private Partnerschaften, ausländische Investitionen, etc. Hierbei muss die Regierung die Vorteile zusätzlicher Ausgaben gegenüber den Risiken einer weiteren Ausweitung des Haushaltsdefizits und der Erhöhung der Staatsverschuldung (auf geschätzt über 10% bzw. 75% des BIP) abwägen. Ebenso müssen die Vorteile geldpolitischer Schritte wie Zinssenkungen den Risiken einer anziehenden Seite 1 von 2 Aktueller Kommentar Inflation gegenübergestellt werden. Trotz des Rückgangs der Großhandelspreise in den letzten Wochen sind die Verbraucherpreise nach wie vor hoch. Die zweite wichtige Frage betrifft ausländische Investitionen. Obwohl Kapitalzuflüsse aus dem Ausland das Wachstum stärken und benötigte Mittel bereitstellen können, führen Kapitalabflüsse bei der heimischen Industrie zu Refinanzierungs- und Liquiditätsproblemen. Angesichts der globalen Krise, in der Schwellenländer in den letzten Monaten umfangreiche Portfolioabflüsse verzeichneten, wird die derzeitige Regierung für ihr vorsichtiges Vorgehen gelobt. . Die neue Regierung muss über die Einführung neuer Maßnahmen entscheiden, um ausländisches Kapital anzuziehen. ;Es muss aber auch ein angemessener Zeithorizont für die Liberalisierung von Investitionsregeln festgelegt werden. Infrastruktur ist der dritte Problembereich. Obwohl es sich hierbei um ein langfristiges Thema handelt, ist rasche Initiative gefragt, um die richtigeGrundlage für Wachstum zu schaffen. Eine bessere physische Infrastruktur ist eine entscheidende Voraussetzung für ausländische Investitionen sowie den Geschäftserfolg indischer Unternehmen. Das sind alles keine einfachen Aufgaben. Selbst eine starke Regierung mit klaren politischen Vorstellungen benötigt Zeit, um geeignete Maßnahmen zur Bekämpfung der Wirtschaftskrise zu ergreifen und neue Regulierungsansätze zu formulieren. Sollte die neue indische Regierung aus einer fragmentierten Koalition mit unterschiedlichen Interessen bestehen, sind keine schnellen Fortschritte bei diesen kritischen wirtschaftspolitischen Themen zu erwarten. Derzeit bleibt nichts übrig als abzuwarten bis der Wahlausgang bekannt ist und die Koalitionsverhandlungen beginnen. Die Aktuellen Kommentare im Audio-Format finden Sie hier... ...mehr zum Research-Bereich Emerging Markets Aktuelle Kommentare - Archiv Rachna Saxena (+44) 207 547 6258 © Copyright 2009. Deutsche Bank AG, DB Research, D-60262 Frankfurt am Main, Deutschland. 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