7 Schwache Topologien und Reflexivität Ein normierter Raum X ist vermöge der kanonischen Isometrie j : X → X 00 , j(x)(x0 ) = hx, x0 i enthalten in seinem topologischen Bidualraum X 00 (Satz 6.12). Räume, für die diese Abbildung surjektiv ist, nennt man reflexiv. Im Folgenden wollen wir Charakterisierungen reflexiver Räume herleiten und uns mit ihren Eigenschaften beschäftigen. Definition 7.1. (Schwache Topologien) Sei X ein normierter K-Vektorraum. (a) Die schwache Topologie τw auf X ist die von den Abbildungen x0 : X → K (x0 ∈ X 0 ) erzeugte schwache Topologie auf X (siehe Satz 3.1 und Definition 3.2). (b) Die schwach-∗-Topologie τw∗ auf X 0 ist die schwache Topologie auf X, die von den Abbildungen j(x) : X 0 → K, x0 7→ hx, x0 i (x ∈ X) erzeugt wird. Definitionsgemäß ist τw die gröbste Topologie auf X, die alle Abbildungen x0 : X → K (x0 ∈ X 0 ) stetig macht, und τw∗ ist die gröbste Topologie auf X 0 , die alle Abbildungen j(x) : X 0 → K (x ∈ X) stetig macht. Insbesondere sind diese Topologien gröber als die Normtopologien von X und X 0 . Lemma 7.2. (a) Die schwache Topologie τw auf X und die schwach-∗-Topolgie τw∗ auf X 0 sind Hausdorffsch. (b) Für jedes x ∈ X bilden die Mengen Ux01 ,...,x0n , (x) = {y ∈ X; max |hy − x, x0i i| < } i=1,...,n ( > 0, n ∈ N∗ , x01 , . . . , x0n ∈ X 0 ) eine Umgebungsbasis von x für (X, τw ) (Definition 2.11). Für jedes x0 ∈ X 0 bilden die Mengen Ux1 ,...,xn , (x0 ) = {y 0 ∈ X 0 ; max |hxi , y 0 − x0 i| < } i=1,...,n eine Umgebungsbasis von x0 in (X 0 , τw∗ ). 56 ( > 0, n ∈ N∗ , x1 , . . . , xn ∈ X) (c) Ein Netz (xα )α∈A konvergiert in (X, τw ) gegen einen Vektor x ∈ X genau dann, wenn limhxα , x0 i = hx, x0 i α für alle x0 ∈ X 0 gilt. Ein Netz (x0α )α∈A konvergiert in (X 0 , τw∗ ) genau dann gegen ein Funktional x0 ∈ X 0 , wenn limhx, x0 i = hx, x0 i α für alle x ∈ X gilt. (d) Sei (E, τ ) = (X, τw ) oder (E, τ ) = (X 0 , τw∗ ). Dann sind die Abbildungen E × E → E, (x, y) 7→ x + y, K × E → E, (α, x) 7→ αx stetig. Beweis. (a) Zu x, y ∈ X mit x 6= y gibt es nach dem Satz von Hahn-Banach (Korollar 6.5) eine stetige Linearform x0 ∈ X 0 mit x0 (x − y)| = 6 0. Dann ist = |x0 (x − y)|/2 > 0 und die Mengen (x0 )−1 (D (x0 (x))), (x0 )−1 (D (x0 (y))) sind disjunkte offene τw -Umgebungen von x und y. Sind x0 , y 0 ∈ X 0 mit x0 6= y 0 , so wähle man ein x ∈ X so, dass = |(x0 − y 0 )(x)|/2 > 0 ist und beachte, dass j(x)−1 (D (x0 (x))) und j(x)−1 (D (y 0 (x))) zwei disjunkte offene τw∗ -Umgebungen von x0 und y 0 sind. (b) Seien x ∈ X und x0 ∈ X 0 gegeben. Für x01 , . . . , x0n ∈ X 0 , x1 , . . . , xn ∈ X und > 0 sind n \ Ux01 ,...,x0n , (x) = (x0i )−1 (D (hx, x0i i)) ∈ Uτw (x), i=1 Ux1 ,...,xn , (x0 ) = n \ j(xi )−1 (D (hx, xi i)) ∈ Uτw∗ (x0 ) i=1 0 offene Umgebungen von x und x bezüglich τw und τw∗ . Definitionsgemäß bilden die endlichen Durchschnitte von Mengen der Form (x0 )−1 (U ) (x0 ∈ X, U ⊂ K offen ) eine Basis der Topologie τw auf X. Also gibt es zu jeder Umgebung U ∈ Uτw (x) eines Punktes x ∈ X endlich viele x01 , . . . , x0n ∈ X 0 und offene Mengen U1 , . . . , Un ⊂ K mit x∈ n \ (x0i )−1 (Ui ) ⊂ U. i=1 57 Für genügend kleine Zahlen > 0 ist dann D (hx, x0i i) ⊂ Ui für i = 1, . . . , n und daher Ux01 ,...,x0n , (x) ⊂ U . Genauso folgt, dass jede τw∗ -Umgebung von x0 eine Menge der Form Ux1 ,...,xn , (x0 ) enthält. (c) Die angegebenen Charakterisierungen der Konvergenz von Netzen in (X, τw ) und (X 0 , τw∗ ) folgen direkt aus Teil (b). (d) Sei X versehen mit der schwachen Topologie τw und sei X × X versehen mit der Produkttopologie τ . Konvergiert ((xα , yα ))α∈A gegen (x, y) in (X × X, τ ), so folgt α hxα + yα , x0 i = hxα , x0 i + hyα , x0 i −→ hx, x0 i + hy, x0 i für alle x0 ∈ X 0 . Nach Teil (c) bedeutet dies, dass (xα + yα )α∈A gegen x + y in (X, τw ) konvergiert. Also ist die Addition in (X, τw ) stetig. Ganz ähnlich folgen die übrigen Teile von (d). Definition 7.3. (a) Ein K-Vektorraum E zusammen mit einer Topologie τ auf E, für die die Vektorraumoperationen E × E → E, (x, y) 7→ x + y, K × E → E, (α, x) 7→ αx stetig sind, heißt topologischer Vektorraum. (b) Ein lokalkonvexer Raum ist ein topologischer Vektorraum (E, τ ) so, dass für jedes x ∈ E das System {U ∈ U(x); U ist konvex} aller konvexen τ -Umgebungen von x eine Umgebungsbasis bildet. Bemerkung 7.4. Ist ein X normierter Raum, so sind (X, τw ) und (X 0 , τw∗ ) lokalkonvexe Räume. Um zu sehen, dass (X, τw ) lokalkonvex ist, beachte man, dass für x ∈ X die Mengen Ux01 ,...,x0n , (x) = x + n \ Ux0i , (0) ⊂ X (x01 , . . . , x0n ∈ X 0 , > 0) i=1 konvex sind. Entsprechend folgt, dass auch alle Mengen der Form Ux1 ,...,xn , (x0 ) (x0 ∈ X 0 , > 0, x1 , . . . , xn ∈ X) konvex sind. Für einen normierten Raum (X, k · k) bezeichnen wir im Folgenden mit BX = {x ∈ X; kxk ≤ 1} ⊂ X 58 die abgeschlossene Einheitskugel in X. Wir wissen (Satz 4.18 und die anschließende Bemerkung), dass BX ⊂ X kompakt bezüglich der Normtopologie ist genau dann, wenn dim(X) < ∞ ist. Da X endlich dimensional ist genau dann, wenn X 0 endlich dimensional ist, charakterisiert auch die Kompaktheit der abgeschlossenen Einheitskugel BX 0 von X 0 bezüglich der Normtopologie die endlich dimensionalen normierten Räume. Versieht man X 0 mit seiner schwach-∗-Topologie, erhält man ein völlig anderes Ergebnis. Satz 7.5. (Alaoglu-Bourbaki) Ist X ein normierter K-Vektorraum, so ist die abgeschlossene NormEinheitskugel BX 0 = {x0 ∈ X 0 ; kx0 k ≤ 1} ⊂ X 0 τw∗ -kompakt. Beweis. Für a ∈ K und r > 0 sei Dr (a) = {z ∈ K; |z − a| ≤ r} der abgeschlossene Kreis mit Radius r um a in K. Nach dem Satz von Tychonoff (Satz 3.11) ist das topologische Produkt Π= Y Dkxk (0) x∈X kompakt. Die Abbildung ρ : BX 0 → π, x0 7→ (hx, x0 i)x∈X ist injektiv. Ein Netz (x0α )α∈A in BX 0 konvergiert nach Lemma 7.2(c) (und Lemma 3.7(c)) genau dann gegen ein x0 ∈ BX 0 in der Relativtopologie von τw∗ auf BX 0 , wenn α ρ(x0α ) = (hx, x0α i)x∈X −→ ρ(x0 ) = (hx, x0 i)x∈X in dem topologischen Produkt π konvergiert. Also ist ρ ein Homöomorphismus von BX 0 versehen mit der Relativtopologie von τw∗ auf ρ(BX 0 ) versehen mit der Relativtopologie von Π. Nach Lemma 2.7 genügt es zu zeigen, dass ρ(BX 0 ) ⊂ Π abgeschlossen ist. Konvergiert (ρ(x0α ))α∈A gegen eine Familie (ux )x∈X in Π, so ist der punktweise Limes u : X → K, u(x) = limhx, x0α i α offensichtlich linear. Wegen |u(x)| = lim |hx, x0α i| ≤ kxk α (x ∈ X) ist u ∈ BX 0 mit (ux )x∈X = ρ(u) ∈ Im ρ. Als abgeschlossene Teilmenge des kompakten topologischen Raumes Π ist ρ(BX 0 ) kompakt. Also ist auch BX 0 ⊂ X 0 τw∗ -kompakt. Sei A eine normierte Algebra. Wir bezeichnen eine Linearform λ : A → K als multiplikativ, falls λ(xy) = λ(x)λ(y) für alle x, y ∈ A gilt und schreiben ∆A = {λ; λ : A → K ist eine multiplikative Linearform mit λ 6= 0} 59 für die Menge der nicht-trivialen multiplikativen Linearformen auf A. Ist A unital, so ist eine multiplikative Linearform λ : A → K genau dann nicht das Nullfunktional, wenn λ(1) = 1 ist. Korollar 7.6. Sei A eine unitale Banachalgebra über dem Körper K = R oder K = C. Dann ist ∆A = {λ; λ : A → K ist eine multiplikative Linearform mit λ(1) = 1} ⊂ A0 eine τw∗ -kompakte Teilmenge des topologischen Dualraumes A0 von A. Beweis. Wir zeigen zunächst, dass ∆A ⊂ BA0 gilt. Sei dazu λ ∈ ∆A gegeben. Für x ∈ A folgt aus λ(λ(x)1 − x) = λ(x)λ(1) − λ(x) = 0, dass λ(x) ∈ σ(x) gilt. Nach Lemma 5.9(c) ist σ(x) ⊂ Dkxk (0). Also ist λ ∈ A mit kλk = 1. Nach dem Satz von Alaoglu-Bourbaki (Satz 7.5) genügt es zu zeigen, dass ∆A ⊂ BA0 τw∗ -abgeschlossen ist. Da τw∗ Konvergenz eines Netzes in A0 nach Lemma 7.2(c) äquivalent zur punktweisen Konvergenz auf A ist und da der punktweise Limes eines Netzes in ∆A offensichtlich wieder zu ∆A gehört, folgt die Behauptung. Es gibt Beispiele unitaler Banachalgebren A, für die die Menge ∆A der nicht-trivialen multiplikativen Linearformen auf A leer ist. Wir werden später sehen, dass ∆A 6= ∅ ist für jede kommutative unitale komplexe Banachalgebra A. Lemma 7.7. Sei E ein topologischer Vektorraum und sei M ⊂ E eine konvexe Teilmenge. Dann sind auch die Mengen M ⊂ E und Int(M ) ⊂ E konvex. Beweis. Seien x0 , y0 ∈ M , t ∈ [0, 1] und U ∈ U(tx0 + (1 − t)y0 ) eine Umgebung. Da die Abbildung E × E → E, (x, y) 7→ tx + (1 − t)y stetig ist, gibt es Umgebungen V ∈ U(x0 ) und W ∈ U(y0 ) mit tV + (1 − t)W ⊂ U . Zu V und W gibt es Vektoren x ∈ V ∩ M, y ∈ W ∩ M . Da M konvex ist, folgt tx + (1 − t)y ∈ U ∩ M. Seien x0 , y0 ∈ Int(M ) und t ∈]0, 1[. Dann gbit es offene Umgebungen U ∈ U(x0 ) und V ∈ U(y0 ) mit U ∪ V ⊂ M . Da [ tx + (1 − t)V ⊂ M x∈U eine offene Umgebung von tx0 + (1 − t)y0 ist, ist auch die Konvexität von Int(M ) gezeigt. Korollar 7.8. Sei E ein lokalkonvexer Raum. Dann bildet für jedes x ∈ X das System B(x) = {U ∈ U(x); U ist konvex und offen} eine Umgebungsbasis von x. 60 Beweis. Sei E lokalkonvex und sei v ∈ U(x) Umgebung eines Punktes x ∈ E. Definitionsgemäß enthält V eine konvexe Umgebung W ∈ U(x). Nach Lemma 7.7 ist die offene Menge Int(W ) ∈ U(x) konvex. Lemma 7.9. Sei (E, τ ) ein topologischer Vektorraum und sei U ∈ U(0) eine konvexe Nullumgebung in E. Dann ist pU : E → R, pU (x) = inf{ρ > 0; x ∈ ρU } (Minkowskifunktional von U ) ein sublineares Funktional auf U (Bemerkung 6.3) mit {x ∈ E; pU (x) < 1} ⊂ U ⊂ {x ∈ E; pU (x) ≤ 1}. Beweis. Sei U ∈ U(0) eine Nullumgebung und sei x ∈ E. Da die Abbildung R → E, t 7→ tx stetig ist, gibt es ein t > 0 mit tx ∈ U . Diese Überlegung zeigt, dass E= [ ρU ρ>0 gilt. Für x ∈ E und α > 0 ist pU (αx) = inf{ρ > 0; x ∈ ρ U } = inf{αρ; ρ > 0 mit x ∈ ρU } = αpU (x). α Offensichtlich ist pU (0) = 0. Sei jetzt zusätzlich U konvex. Wir zeigen zunächst, dass dann für beliebige reelle Zahlen s, t ≥ 0 die Identität (t + s)U = tU + sU gilt. Wir dürfen annehmen, dass (s, t) 6= (0, 0) ist. Dann folgt für x, y ∈ U t s tx + sy = (t + s) x+ y ∈ (t + s)U. t+s t+s Damit ist die nichttriviale Inklusion gezeigt. Als Anwendung erhält man für x1 , x2 ∈ E die Ungleichung pU (x1 + x2 ) = inf{ρ > 0; x1 + x2 ∈ ρU } ≤ inf{ρ1 + ρ2 ; ρ1 , ρ2 > 0 mit x1 ∈ ρ1 U, x2 ∈ ρ2 U } = inf{ρ > 0; x1 ∈ ρU } + inf{ρ > 0; x2 ∈ ρU } = pU (x1 ) + pU (x2 ). Also ist pU : E → R ein sublineares Funktional. Für x ∈ U mit pU (x) < 1 gibt es ein ρ ∈]0, 1[ mit x ∈ ρU ⊂ ρU + (1 − ρ)U . Offensichtlich ist pU (x) ≤ 1 für alle x ∈ U . Satz 7.10. (Trennungssätze) Sei (E, τ ) ein lokalkonvexer Raum und seien A, B ⊂ E disjunkte konvexe Mengen. Dann gilt: 61 (a) Ist B offen, so gibt es eine stetige Linearform u : E → K und ein α ∈ R mit Re u(x) ≤ α < Re u(y) für x ∈ A und y ∈ B. (b) Ist A ⊂ E abgeschlossen und ist B = {y0 } eine Einpunktmenge, so gibt es eine stetige Linearform u : E → K und ein α ∈ R mit Re u(x) ≤ α < Re u(y0 ) für alle x ∈ A. Beweis. Es genügt die Aussagen für den Fall K = R zu beweisen, Denn ist g : E → R eine R-Linearform auf einem C-Vektorraum, so definiert u : E → C, u(x) = g(x) − i g(ix) eine C-Linearform mit Re u = g (Beweis von Satz 6.2). Sei also E ein lokalkonvexer Raum über K = R. (a) Seien A, B ⊂ E disjunkte Mengen und sei B offen. Dann ist V =B−A= [ B−x⊂E x∈A eine offene konvexe Menge mit 0 ∈ / V . Sei x0 ∈ V beliebig. Dann ist U = x0 − V ∈ U(0) eine offene konvexe Nullumgebung mit x0 ∈ / U . Nach Lemma 7.9 ist das Minkowsifunktional pU : E → R ein sublineares Funktional mit pU (x0 ) ≥ 1. Also definiert u0 : Rx0 → R, u0 (αx0 ) = α eine Linearform mit u0 (αx0 ) = α ≤ pU (αx0 ) für alle α ∈ R. Nach dem Satz von Hahn-Banach für sublineare Funktionale (Bemerkung 6.3) besitzt u0 eine R-lineare Fortsetzung u : E → R mit u(x) ≤ pU (x) für alle x ∈ E. Für > 0 ist W = (U ) ∩ (−U ) ∈ U(0) eine Nullumgebung in E mit u(x) ≤ pU (x) ≤ für u(x) ≥ 0 |u(x)| = u(−x) ≤ p (−x) ≤ für u(x) < 0. U Also ist u stetig im Punkt x = 0. Ist (xα )α∈A ein konvergentes Netz in E mit Limes x, dann gilt limα (xα − x) = 0 und daher α u(xα ) = u(xα − x) + u(x) −→ u(x). Folglich ist u : E → R eine stetige Linearform. Für x ∈ A und y ∈ B ist x − y + x0 ∈ U und daher u(x) − u(y) + 1 = u(x − y + x0 ) ≤ pU (x − y + x0 ) ≤ 1. 62 Also gibt es ein α ∈ R mit sup u(x) ≤ α ≤ inf u(y). y∈B x∈A Gäbe es ein y0 ∈ B mit u(y0 ) = α, so wäre W = B−y0 ∈ U(0) eine Nullumgebung in E mit u(W ) ⊂ [0, ∞). Dann wäre ! u(E) = u [ ρW ⊂ [0, ∞) ρ>0 und daher u ≡ 0 im Widerspruch zu u(x0 ) = 1. Damit ist Teil (a) gezeigt. (b) Sei A ⊂ E eine konvexe abgeschlossene Menge und sei B = {y0 } ⊂ Ac . Nach Korollar 7.8 gibt es eine konvexe offene Umgebung U ⊂ Ac von y0 . Teil (a) angewendet mit U statt B zeigt, dass es eine stetige Linearform u : E → K und ein α ∈ R gibt mit u(x) ≤ α < u(y) für alle x ∈ A und y ∈ U . Im Beweis von Teil (a) von Satz 7.10 wurde nicht gebraucht, dass (E, τ ) ein lokalkonvexer Raum ist. Dieser Teil gilt in beliebigen topologischen Vektorräumen. Eine Menge M ⊂ E in einem K-Vektorraum E nennt man absolut konvex, falls M konvex ist und αM ⊂ M ist für alle α ∈ K mit |α| ≤ 1. Korollar 7.11. Sei (E, τ ) ein lokalkonvexer Raum und sei A ⊂ E abgeschlossen und absolut konvex. Für jeden Punkt y0 ∈ E \ A gibt es eine stetige Linearform u : E → K und eine reelle Zahl α ∈ R mit |u(x)| ≤ α < Re u(y0 ) für alle x ∈ A. Beweis. Nach Satz 7.10 existieren eine stetige Linearform u : E → K und ein α ∈ R mit Re u(x) ≤ α < Re u(y0 ) für alle x ∈ A. Zu x ∈ A wähle man ein ∈ K mit || = 1 und |u(x)| = u(x) und beachte, dass dann |u(x)| = u(x) ≤ α < Re u(y0 ) folgt. Ist M ⊂ E eine absolut konvexe Menge in einem topologischen Vektorraum, so ist M ⊂ E konvex (Lemma 7.7) mit αM = αM ⊂ M für alle α ∈ K mit |α| ≤ 1. Also ist mit M ⊂ E auch M ⊂ E absolut konvex in jedem topologischen Vektorraum E. Wir wollen den Trennungssatz (Satz 7.10) benutzen, um normierte Räume X zu charakterisieren, für die die kanonische Isometrie j : X → X 00 surjektiv ist. 63 Definition 7.12. Ein normierter Raum X heißt reflexiv, wenn die kanonische Isometrie j : X → X 00 , j(x)(x0 ) = x0 (x) surjektiv ist (siehe Satz 6.12). Nach Satz 5.3(b) ist insbesondere der Bidual X 00 von jedem normierten Raum vollständig. Also sind reflexive normierte Räume notwendigerweise vollständig. Wir benötigen ein elementares Resultat aus der Linearen Algebra. Lemma 7.13. Seien u, u1 , . . . , un : E → K Linearformen auf einem K-Vektorraum E. Ist n \ Ker ui ⊂ Ker u, i=1 so ist u ∈ LH({u1 , . . . , un }). Beweis. Es genügt, ein Tupel (αi )ni=1 ∈ K n zu wählen so, dass das Diagramm E/ n T [x] 7→ (ui (x))n ................................................................. Ker ui ...................................................................................................................i=1 Kn i=1 ...... ...... ...... ...... ...... ...... ...... ...... ...... ...... ...... ...... . ....... ...... [x] 7→ u(x) ... . ... ....... ...... . ...... . ...... ...... . ...... . ...... . ...... (ti )ni=1 7→ n P αi ti i=1 K vertauscht. Um zu sehen, dass ein solches Tupel (αi )ni=1 ∈ K n existiert, beachte man, dass die obere horizontale Abbildung in diesem Diagramm ein Vektorraumisomorphismus auf einen Teilraum von K n ist und dass jede Linearform λ : K n → K die Form λ((ti)ni=1 ) = n X αi ti ((αi )ni=1 ∈ K n geeignet ) i=1 hat. Lemma 7.14. Sei X ein normierter Raum und sei u : X0 → K eine Linearform auf X 0 , die stetig ist bezüglich der schwach-∗-Topologie τw∗ auf X 0 (Definition 7.1(b)). Dann gibt es ein x ∈ X mit u(x0 ) = x0 (x) für alle x0 ∈ X 0 . Beweis. Sei U ∈ Uτw∗ (0) eine schwach∗ -Nullumgebung in X 0 mit u(U ) ⊂ D1 (0). Dann gibt es nach Lemma 7.2(b) Vektoren x1 , . . . , xn ∈ X und eine reelle Zahl > 0 mit Ux1 ,...,xn , (0) = {x0 ∈ X 0 ; max |hxi , x0 i| < } ⊂ U. i=1,...,n 64 Ist x0 ∈ Tn i=1 Ker j(xi ) so ist ρx0 ∈ U für alle ρ > 0 und daher ρu(x0 ) = u(ρx0 ) ⊂ D1 (0) für alle ρ > 0. Folglich ist n \ Ker(j(xi )) ⊂ Ker u. i=1 Nach Lemma 7.13 gibt es α1 , . . . , αn ∈ K mit u= n X αi j(xi ) = j i=1 Also folgt die Behauptung mit x = Pn i=1 n X ! αi xi . i=1 α i xi . Wie zuvor bezeichnen wir für einen normierten Raum X mit BX = {x ∈ X; kxk ≤ 1} die abgeschlossene Einheitskugel in X. Satz 7.15. (Goldstine, 1938) Sei X ein normierter Raum und sei X 00 = (X 0 )0 mit seiner schwach-∗Topologie τw∗ (als Dualraum von X 0 ) versehen. Dann ist j(BX ) ⊂ BX 00 τw∗ -dicht. Beweis. Nach der Bemerkung im Anschluss an Korollar 7.11 ist die Menge τw ∗ M = j(BX ) ⊂ X 00 absolut konvex. Nach dem Satz von Alaoglu-Bourbaki (Satz 7.5) ist BX 00 ⊂ X 00 τw∗ -kompakt und damit auch τw∗ -abgeschlossen. Also ist M ⊂ BX 00 . Wir nehmen an, dass ein Vektor y000 ∈ BX 00 \ M existiert. Nach den Trennungssätzen (Korollar 7.11) existieren eine stetige Linearform u : (X 00 , τw∗ ) → K und ein α ∈ R mit |u(x00 )| ≤ α < |u(y000 )| für alle x00 ∈ M . Lemma 7.14 zeigt, dass ein x00 ∈ X 0 existiert mit u(x00 ) = x00 (x00 ) für alle x00 ∈ X 00 . Dann folgt für alle x ∈ BX |x00 (x)| = |j(x)(x00 )| ≤ α < |y000 (x00 )| ≤ kx00 k τw ∗ und damit kx00 k ≤ α < kx00 k. Dieser Widerspruch zeigt, dass j(BX ) 00 = BX ist. Als Folgerung erhalten wir eine wichtige Charakterisierung reflexiver normierter Räume. Satz 7.16. Ein normierter Raum X ist reflexiv genau dann, wenn seine abgeschlossene Einheitskugel BX = {x ∈ X; kxk ≤ 1} ⊂ X τw -kompakt ist. 65 Beweis. Sei X ein normierter Raum. Sei τw die schwache Topologie auf X und sei τw∗ die schwach-∗Topologie auf X 00 = (X 0 )0 , die X 00 als topologischer Dualraum von X 0 trägt (Definition 7.1). Da ein Netz (xα )α∈A in X genau dann τw -konvergent ist gegen ein x ∈ X, wenn lim j(xα )(x0 ) = j(x)(x0 ) α 0 0 ist für alle x ∈ X , ist die kanonische Isometrie j : (X, τw ) → (X 00 , τw∗ ) ein Homöomorphismus aufs Bild j(X) ⊂ X 00 versehen mit der Relativtopologie von τw∗ . Ist X reflexiv, so ist j : (X, τw ) → (X 00 , τw∗ ) ein Homöomorphismus mit j(BX ) = BX 00 . Da nach dem Satz von AlaogluBourbaki (Satz 7.5) die abgeschlossene Einheitskugel BX 00 ⊂ X 00 = (X 0 )0 τw∗ -kompakt ist, ist BX ⊂ X τw -kompakt in diesem Fall. Sei umgekehrt BX = X τw -kompakt. Dann ist j(BX ) ⊂ j(X) kompakt bezüglich der Relativtopologie von τw∗ . Es folgt, dass j(BX ) ⊂ X 00 τw∗ -kompakt und insbesondere τw∗ -abgeschlossen ist. Der Satz von Goldstine (Satz 7.15) impliziert, dass τw ∗ j(BX ) = j(BX ) = BX 00 . Da j linear ist, folgt hieraus die Surjektivität von j und damit die Reflexivität von X. Lemma 7.17. Sei X ein normierter Raum, Y ⊂ X ein linearer Teilraum und M ⊂ X eine konvexe Teilmenge. Dann gilt: (a) Die schwache Topologie von Y ist die Relativtopologie der schwachen Topologie von X. (b) M ⊂ X norm-abgeschlossen genau dann, wenn M ⊂ X τw -abgeschlossen ist. Beweis. (a) Da die stetigen Linearformen auf Y nach dem Satz von Hahn-Banach genau die Einschränkungen der stetigen Linearformen von X auf Y sind, konvergiert ein Netz (yα )α∈A in Y genau dann bezüglich der schwachen Topologie von Y gegen ein y ∈ Y , wenn es bezüglich der Relativtopologie der schwachen Topoglogie von X gegen Y konvergiert. Damit folgt die Behauptung von Teil (a). (b) Da die schwache Topologie τw auf X höchstens gröber ist als die Normtopologie von X, ist jede τw -abgeschlossene Menge M ⊂ X auch norm-abgeschlossen. Sei M ⊂ X norm-abgeschlossen und konvex. Für eine Linearform u : X → K und eine reelle Zahl α definieren wir H(u, α) = {x ∈ X; Re u(x) ≤ α} ( Halbraum zu u und α). Nach dem Trennungssatz 7.10 (b) angewendet mit E = (X, k · k) gilt M = = \ (H(u, α); u ∈ X 0 , α ∈ R mit M ⊂ H(u, α)) \ (H(u, α); u : (X, τw ) → K ist stetig linear, α ∈ R und M ⊂ H(u, α)), 66 wobei die Gleichheit der beiden Durchschnitte aus der Definition der schwachen Topologie τw von X folgt. Da alle Mengen, über die der zweite Durchschnitt gebildet wird τw -abgeschlossen sind, ist M ⊂ X τw -abgeschlossen. Ist T : E → F ein topologischer Isomorphismus zwischen normierten Räumen E und F , so ist die Reflexivität von E äquivalent zur Reflexivität von F . Zum Beweis benutze man das kommutative Diagramm aus dem Beweis von Satz 6.13 und überlege sich, dass mit T ∈ L(E, F ) auch T 0 ∈ L(F 0 , E 0 ) und T 00 ∈ L(E 00 , F 00 ) topologische Isomorphismen sind. Zur Begründung der letzten Behauptung benutze man, dass für stetig lineare Operatoren T ∈ L(E, F ), S ∈ L(F, G) zwischen normierten Räumen E, F, G die Formel (ST )0 = T 0 S 0 gilt. Für einen topologischen Isomorphismus T : E → F ist also (T −1 )0 T 0 = (T T −1 )0 = 10F = 1F 0 , T 0 (T −1 )0 = (T −1 T )0 = 10E = 1E 0 . Korollar 7.18. Sei X Banachraum und sei Y ⊂ X ein abgeschlossener Teilraum. Dann gilt: (a) Mit X sind auch Y und X/Y reflexiv. (b) X ist reflexiv genau dann, wenn X 0 reflexiv ist. Beweis. Sei X reflexiv. Nach Satz 7.16 ist BX ⊂ X τw -kompakt, und nach Lemma 7.17(b) ist Y ⊂ X τw abgeschlossen. Indem man auch Lemma 7.17(a) benutzt, sieht man, dass BY = BX ∩ Y ⊂ Y τw -kompakt ist. Nach Satz 7.16 ist Y reflexiv. Da (X 0 )0 = X 00 genau aus den Abbildungen j(x) : X 0 → K, x0 7→ x0 (x) (x ∈ X) besteht, stimmen auf X 0 die schwach-∗-Topologie τw∗ und die schwache Topologie τw überein. Nach dem Satz von Alaoglu-Bourbaki (Satz 7.5) ist BX 0 τw∗ -kompakt und wegen τw = τw∗ auch τw -kompakt. Mit Satz 7.16 folgt, dass X 0 reflexiv ist. Sei umgekehrt X 0 reflexiv. Nach den schon bewiesenen Beweisteilen sind dann auch X 00 als topologischer Dualraum von X 0 und j(X) ⊂ X 00 als abgeschlossener Teilraum von X 00 reflexiv. Nach den Bemerkungen, die Korollar 7.18 vorausgehen, ist also auch X reflexiv. Wir beweisen noch die zweite Aussage in Teil (a). Ist Y ⊂ X ein abgeschlossener Teilraum des reflexiven Banachraums X, so ist bis auf isometrische Isomorphie (X/Y )0 ∼ = Y ⊥ . Nach den schon bewiesenen Beweisteilen ist dann Y ⊥ ⊂ X 0 reflexiv als abgeschlossener Teilraum eines reflexiven Raumes. Die dem Korollar vorangehenden Bemerkungen zeigen, dass (X/Y )0 reflexiv ist, und mit dem schon bewiesenen Teil (b) folgt die Reflexivität X/Y . 67 Beispiele 7.19. (a) Für 1 < p < ∞ ist der Folgenraum `p reflexiv. Zum Beweis benutzen wir die bilineare Abbildung p q h·, ·i : ` × ` → C, h(xn ), (yn )i = ∞ X xn yn n=0 und den induzierten isometrischen Isomorphismus Φ : `q → (`p )0 , u 7→ h·, ui. Ist λ ∈ (`p )00 , so definiert die Komposition Φ λ λ̃ : `q −→ (`p )0 −→ C eine stetige Linearform auf `q . Indem man in Satz 6.16 die Rollen von p und q vertauscht, sieht man, dass ein x ∈ `p existsiert mit λ(Φ(u)) = hx, ui für alle u ∈ `q . Damit folgt für alle w ∈ (`p )0 λ(w) = λ(Φ(Φ−1 (w))) = hx, Φ−1 (w)i = w(x). Also ist λ = j(x) ∈ Im j. Ganz genauso erhält man mit Bemerkung 6.17(b), dass für jeden Maßraum (X, M, µ) und jede reelle Zahl p mit 1 < p < ∞ der Banachraum Lp (µ) reflexiv ist. (b) Die Räume c0 , c, `1 und `∞ sind nicht reflexiv. Wäre c0 reflexiv, so gäbe es nach Satz 6.16 und Bemerkung 6.17 einen isometrischen Isomorphismus zwischen c0 und `∞ . Dies ist nicht möglich, da c0 separabel ist, aber `∞ nicht (Beispiel 2.14(b)). Nach Korollar 7.18(b) (und den Vorbemerkungen zu diesem Korollar) sind `1 und `∞ nicht reflexiv und nach Korollar 7.18(a) ist auch c nicht reflexiv. (c) Die Räume C[0, 1], L1 ([0, 1]) und M ([0, 1]) sind nicht reflexiv. Man kann sehr einfach eine Isometrie Φ : c0 → C[0, 1] mit Φ((xn )n∈N ) 1 n+1 = xn für alle n ∈ N konstruieren (Übungsaufgabe). Da c0 nicht reflexiv ist, ist nach Korollar 7.18(a) auch C[0, 1] nicht reflexiv. Nach Korollar 7.18(b) und dem Rieszschen Darstellungssatz (Satz 6.18) mit X = [0, 1] ist der Banachraum M ([0, 1]) der regulären komplexen Borelmaße auf [0, 1] nicht reflexiv. Da die Abbildung C[0, 1] → L∞ ([0, 1]), f 7→ [f ] eine Isometrie ist, ist mit C[0, 1] auch der Raum `∞ ([0, 1]) nicht reflexiv. Nach Korollar 7.18(b) und Bemerkung 6.17 ist auch L1 ([0, 1]) nicht reflexiv. Bemerkung 7.20. Es gibt separable Banachräume X, die isometrisch isomorph zu ihrem Bidual X 00 sind und die trotzdem nicht reflexiv sind. Ein Beispiel findet man in [?]. (James, Proc. Nat. Acad. Sci. U.S.A. 37 (1951), 134-177). 68