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„Chemie des Wassers – Basis auch der
Elektrotauchlackierung“
Hans-Peter Hecker und Thomas Brock
Allgemeines
Bei der Elektrotauchlackierung (ETL) wird das zu beschichtende Objekt in einen kolloidal
wassergelösten Lack getaucht. Unter Anlegen elektrischer Gleichspannung zwischen dem
Objekt und einer Gegenelektrode wird eine Abscheidung von hohem Feststoffgehalt
erzielt, die zu sehr guten Korrosionsschutzeigenschaften führt.
Lackmaterial
Abbildung 1: Elektrische Schaltung und Stromfluss bei der
ETL
Abbildung 2: Wasserelektrolyse
Für Fahrzeuge werden meist braun, grau oder
schwarz pigmentierte Grundierungen als KTL
(kathodische)
oder
ATL
(anodische
Elektrotauchlackierung) eingesetzt. Im Bereich
der allgemeinen Industrie stehen für
Grundierungen,
aber
auch
für
Einschichtlackierungen farbige Lacke zur
Verfügung.
In
diesem
Beitrag
wird
ausschließlich die KTL behandelt, die sich aus
technischen
Gründen
weitgehend
durchgesetzt hat.
Die
wässrigen
Lackbäder
sind
sehr
niedrigviskos (dünnflüssig) und müssen
ständig gerührt werden, da die Pigmente und
Füllstoffe sonst irreparabel sedimentieren
würden.
Wie andere Lacke bestehen auch die
Elektrotauchlacke
aus
Bindemittel
und
Pigmenten, die beide zusammen den
Feststoffgehalt ausmachen, und als dritter
Komponente aus einem Lösemittel/WasserGemisch. Dieses besteht neben wenigen
Prozenten
organischer
Lösemittel
und
Neutralisationsmitteln fast nur aus Wasser,
und somit muss das Bindemittel in einer
wasserverdünnbaren Form vorliegen.
Dazu weisen die Bindemittel-Polymere (meist
Mischungen verschiedener Polymertypen)
chemische Gruppierungen (-COOH, -NR2)
Abbildung 3: Lösungsreaktion des KTL-Polymers
auf, die sich als Polymersalze neutralisieren
lassen. Die Stabilität des kolloidalen Zustandes hängt stark von Qualität und Reinheit des
verwendeten Wassers ab: Die Anwesenheit von Ionen, besonders von mehrwertigen
Ionen wie Ca2+, SO42-, CO32-, PO43- (aus der meist vorhergehenden Metallvorbehandlung
Die Aktuelle-Wochenschau© der GDCh – Wasserchemische Gesellschaft 17/2014
durch Phosphatierung) würde zur Destabilisierung des Systems bis hin zur Ausflockung,
schlechterer Abscheidbarkeit des Lackes und unbrauchbarer Lackfilm-Oberfläche führen.
Zum Reinigen vor der Beschichtung und zum Einstellen des Badmaterials selbst wird also
grundsätzlich mit vollentsalztem Wasser gearbeitet.
Abscheidemechanismus, wichtige Begriffe
Bei einem einfachen Tauchen ohne Stromfluss würde der Lack würde anschließend
einfach wieder ablaufen. Die Abscheidung erfordert das Anlegen einer elektrischen
Gleichspannung von 200 - 400 V zwischen Werkstück und Gegenelektrode, die sich beide
im Elektrotauchbad befinden (Abb.1).
Elektrophorese ist die Wanderung elektrisch geladener Teilchen durch einen als
Trägermaterial dienenden Stoff in einem elektrischen Feld.
• Elektroosmose ist die Bewegung des (geladenen) Feststoffanteils zu einer
Oberfläche hin, hervorgerufen durch ein elektrisches Feld. Dadurch wird der
Flüssigkeitsgehalt an der Grenzfläche zum Metall verringert.
• Elektrolyse ist die Aufspaltung einer chemischen Verbindung unter Einwirkung des
elektrischen Stroms. Im Zuge der Wasserelektrolyse sind die an den Elektroden
sich anreichernden H+ - bzw. OH- -Ionen für die anschließende
• Elektrokoagulation wichtig (Abb. 2). Elektrokoagulation ist der Übergang der
kolloidal gelösten Teilchen durch Entladung in eine unlösliche Form, hier durch die
Deprotonierung mittels der an der Kathode freiwerdenden OH - -Ionen zu
ungeladenen und nun unlöslichen Lackteilchen.
Abbildung 4: Abscheidereaktion des KTL-Polymers
Kathodisch abscheidbare Bindemittel sind
zunächst wasserunlösliche Polyamine. Sie
werden
mit
Säuren,
vorzugsweise
Carbonsäuren wie Ameisensäure oder
Essigsäure,
neutralisiert
und
bilden
wasserlösliche Salze (Abb.3). Bei Stromfluss
im Elektrotauchlack entsteht (s.o.) an der
Kathode eine Diffusionsgrenzschicht hohen
pH-Wertes (pH 10 und höher), wodurch das
Bindemittel wieder deprotoniert und in seine
wasserunlösliche
Form überführt wird
(Abb.4).
Um die oben erwähnte Konzentration an
Fremdionen sowie die Anreicherung des bei
der Abscheidung im Bad verbleibenden
Neutralisationsmittels (Säure) in Grenzen zu
halten, sind aufwändige Dialyse- und
Ultrafiltrationskreisläufe im Einsatz. Die
absolute Konstanz des Gehaltes aller
Elektrolyten im Bad ist Voraussetzung für
eine Standzeit von Jahren. Ständige Kontrolle
des pH-Wertes, der enthaltenen Ionen, der
Abbildung 5: KTL-Anlagenschema
Temperatur
(Diffusionsvorgänge!)
sowie
natürlich
eine
Nachdosierung
des
abgeschiedenen Feststoffanteiles sind erforderlich. Zum Anlagen-Layout s. auch Abb. 5
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Umgriff
Im abgeschiedenen, koagulierten Lackfilm steigt der Feststoffgehalt von 10 und 20 % im
Bad auf ca. 80 %. Da das Bindemittel und die Pigmente im Allgemeinen elektrische Leiter
sind, ist der Widerstand der abgeschiedenen
Schicht hoch. Das hat zwei wichtige
Auswirkungen:
1. Der sich vergrößernde Widerstand
begrenzt automatisch die Schichtdicke auf
ca. 20 - 30 µm (im eingebrannten Zustand).
Abbildung 6: Umgriff
2. Dies verschiebt das elektrische Feld zu
Stellen geringeren Widerstandes, also zu den
zunächst abgeschirmten Bereichen in Ecken,
Hohlräumen (mit „Faraday-Effekt“) und auf
Rückseiten. Der für den Korrosionsschutz
wichtige Effekt wird "Umgriff" genannt
(Abb.6a und 6b). Auch der Umgriff hängt
stark von der Qualität, speziell der
elektrischen Leitfähigkeit, des Wassers ab.
Anwendungsbereiche
Elektrotauchlackierung
Abbildung 7: KTL-Becken
für
die
sind die Automobilindustrie, KFZ-Zubehör,
Landmaschinen,
Haushaltsgeräte,
Stahlmöbel, Bauelemente, Elektrooberfläche,
Garten- und Freizeitgeräte. Abb. 7 zeigt ein
Becken zur PKW-KTL-Grundierung (Quelle:
BASF Coatings).
Die Aktuelle-Wochenschau© der GDCh – Wasserchemische Gesellschaft 17/2014
Kontakt:
Schlauer Fuchs
Dr. Hans-Peter Hecker
Axalta Coating Systems
Christbusch 25
42285 Wuppertal
Tel.: +49 (0)202 529-1391
E-Mail: [email protected]
Prof. Dr. Thomas Brock
Unsere Schlaue-Fuchs-Frage zu
diesem Beitrag lautete:
Warum muss bei der
Elektrotauchlackierung auf Qualität
und Reinheit des verwendeten
Wassers geachtet werden?
Vorstand der Fachgruppe Lackchemie
Hochschule Niederrhein – Lacktechnologie
Adlerstr. 32
47798 Krefeld
Tel.: +49 (0)2151 822-4095
E-Mail: [email protected]
https://www.gdch.de/netzwerk-strukturen/fachstrukturen/lackchemie.html
Literatur:
[1] T. Brock, M. Groteklaes, P. Mischke: Lehrbuch der Lacktechnologie, 4. Aufl. Vincentz Verlag, Hannover
2012
[2] A. Goldschmidt, H.-J. Streitberger: BASF Handbuch Lackiertechnik. Vincentz Verlag, Hannover 2002
[3] H. Kittel: Lehrbuch der Lacke und Beschichtungen. 2. Aufl., Bd. 9, S. Hirzel Verlag, Stuttgart 2004
[4] H.-J. Streitberger und K.-F. Dössel (Eds.), Automotive Paints and Coatings, 2nd ed., Wiley-VCH
Weinheim 2008
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