MANARA_planung.qxd:Layout 1 20.05.2009 9:15 Uhr Seite 2 2 PLANUNG 05 I 09 Wärmespeicher als integrierte und nicht integrierte Bauteile Die Raumklimatisierung gewinnt zunehmend an Bedeutung, sowohl bei Neubauten Abb. 1: Eisberge sind latente Kältespeicher für die Polregionen der Erde: In einem relativ kleinen als auch im Gebäudebestand. In diesem Sektor besteht ein hohes Einsparpotenzial an Bereich mit hoher Speicherdichte werden große sowohl Heiz- als auch Kühlenergie. Zur Steigerung der Energieeffizienz bieten – ne- Kältemengen gespeichert. ben dem Einsatz von Wärmedämmung – Wärme- und Kältespeicher ein großes Potenzial. Solche Speicher ermöglichen außerdem die Nutzung von Energie mit niedrigem Exergieniveau und erlauben damit eine effiziente Nutzung regenerativer Energien. nerative Energieträger wie Solarthermie an, die Wärme auf einem relativ niedrigen Temperaturniveau bzw. mit geringem Exergieanhysikalisch betrachtet wird Energie we- Steigerung der Energieeffizienz teil zur Verfügung stellen. Die Verminderung der erzeugt noch vernichtet, sondern ledes Exergieverbrauchs kann daher zu einer diglich von einer Energieform (z.B. Strom) in Um die Energieeffizienz im Gebäude zu stei- signifikanten Reduktion des CO2-Ausstoßes eine andere (z.B. Wärme) umgewandelt. Die- gern, muss vor allem die Umwandlung von im Gebäudebereich beitragen. So werden beise Umwandlung kann jedoch nicht beliebig Exergie in Anergie minimiert werden. Zur spielsweise im BMWi-geförderten Verbunderfolgen. Während sich Strom problemlos in Gebäudeheizung und -kühlung bieten sich vorhaben „LowEx: Heizen und Kühlen mit Wärmeenergie transferieren lässt, kann um- daher anstelle von Strom oder fossilen Niedrig-Exergie“ (www.lowex.info) neue gekehrt Niedertemperaturwärme nicht oder Brennstoffen mit hohem Exergieanteil rege- Heiz- und Kühlsysteme für Gebäude mit vernur marginal in Strom konvertiert werden. Um diese Effekte zu beschreiben werden in der Physik die Begriffe Exergie und Anergie verwendet, wobei gilt: Energie = Exergie + Anergie = konstant. Exergie ist dabei der nutzbare Anteil der Energie der uneingeschränkt in Arbeit (z.B. Bewegungsenergie eines Fahrzeugs) umwandelbar ist. Genau genommen wird also Energie nicht „verbraucht“, sondern Exergie wird in Anergie verwandelt. Anergie kann dagegen nicht in Exergie verwandelt werden. Der Exergieanteil von Strom beträgt nahezu 100 %, die daraus erzeugte Wärme bei Umgebungstemperatur dagegen fast 0 %. P Abb. 2: Funktionsweise von sensiblen Wärmespeichern und von Latentwärmespeichermaterialien www.deutsches-ingenieurblatt.de MANARA_planung.qxd:Layout 1 20.05.2009 9:15 Uhr Seite 3 3 BauPlaner SPECIAL – ENERGIETECHNIK ringertem Exergieverbrauch entwickelt, darunter auch Wärme- und Kältespeicher. Foto: Wicimedia Commons, CreativeCommons-Lizenz Attribution 2.0, Ilya Haykinson Wärme kann grundsätzlich in Form von sensibler oder latenter Wärme gespeichert werden (Abb. 2). Wird ein Material erwärmt, so nimmt das Material Wärme auf und seine Temperatur erhöht sich dadurch. Man spricht in diesem Fall von sensibler Wärme. Gelangt man nun in den Bereich des Phasenübergangs, so erfolgt eine Wärmeaufnahme ohne Erhöhung der Temperatur. Die im Phasenübergang gespeicherte Wärmemenge wird als latente Wärme bezeichnet. Die Speicherung von Energie in Form von latenter anstatt von sensibler Wärme hat einige Vorteile. Dadurch, dass die Wärmespeicherung nicht mit einer Temperaturerhöhung verbunden ist, sind auch die Stillstandsverluste geringer als bei einem sensiblen Speicher, der aufgrund seiner höheren Temperatur immer Wärme an die Umgebung verliert. Außerdem besteht die Möglichkeit Temperaturspitzen abzupuffern (Abb. 3), wobei die in der Heizphase aufgenommene Energiemenge ohne Temperaturerhöhung gespeichert und zeitverzögert wieder an die Umgebung abgegeben werden kann. Abb. 3: Durch die Einbringung vom PCM in einen Leichtbau werden die im Sommer vorhandenen Temperaturspitzen gepuffert und der Leichtbau wird auf das thermische Niveau eines Massivbaus angehoben. Aufgetragen sind die berechneten Raumtemperaturen in verschiedenen Gebäudetypen in einer Augustwoche bei einer nächtlichen Luftwechselrate von 4. Integrierte Systeme mit Latentwärmespeichermaterialien Abb. 4: Visualisierung des Abkühlverhaltens einer Bauplatte ohne PCM im Vergleich zu zwei Platten mit verschiedenen PCM-Beladungen mittels Infrarot-Kamera. Alle drei Platten werden zunächst auf die gleiche Temperatur gebracht. Während die Platte ohne PCM nach 95 Minuten bereits auf Umgebungstemperatur abgekühlt ist, speichern die PCM-Platten die Wärme deutlich länger. Konkret werden die PCMs sowohl in Form von befüllten Platten oder Makroverkapselungen, die Abmessungen im Zentimeter- bis Dezimeterbereich aufweisen, als auch in Form von Mikroverkapselungen mit Abmessungen im Mikrometerbereich angeboten. Speziell mikroverkapselte Paraffine können in Gipsputze, Gipskartonplatten oder andere Baumaterialien eingebracht werden. Durch eine Einbringung von PCM in Graphitplatten kann zusätzlich die Wärmeleitfähigkeit und damit die Be- und Entladezeit der Platten erhöht werden, was z.B. beim Einsatz in Kliwww.deutsches-ingenieurblatt.de PLANUNG Latentwärmespeicher Im modernen Trockenbau werden die Bauteilmassen ganz bewusst extrem verschlankt, so dass flexible wie kostengünstige Möglichkeiten zur Gebäudegestaltung gegeben sind. Zur Vermeidung sommerlicher Überhitzung können Latentwärmespeichermaterialien (engl. Phase Change Material, PCM) eingesetzt werden, bei deren Verwendung sich grundsätzlich zwei Alternativen anbieten: Zum einen lassen sich durch die passive Nutzung von PCMs die thermische Performance von Gebäuden erhöhen und dadurch vor allem im Leichtbau Temperaturspitzen abpuffern (Abb. 3). Im Phasenübergang festflüssig können in einem kleinen Temperaturintervall, abhängig vom Material, etwa 100 bis 600 kJ/kg gespeichert werden. Die spezifische Wärmekapazität im sensiblen Bereich beträgt ca. 0,5 bis 4 kJ/(kg ⋅ K). Bei einer Temperaturdifferenz von 10 °C entspricht dies einer gespeicherten Wärmemenge von 5 bis 40 kJ/kg, was deutlich unter der Speichermöglichkeit eines Latentwärmespeichermaterials liegt. Dies lässt sich veranschaulichen, wenn man das Abkühlverhalten von PCM-Platten im Vergleich zu konventionellen Platten mittels einer Wärmebildkamera beobachtet (Abb. 4). Zum anderen können Wärme- und Kältespeicher auch mit aktiven Systemen gekoppelt werden. Durch die Speicher können Lastspitzen verschoben werden, was eine kleinere Dimensionierung von Klimasystemen in Gebäuden oder alternativ eine Kappung der Lastspitzen im Versorgungsnetz ermöglicht. Für den Einsatz im Gebäudebereich eignen sich zwei Arten von PCMs, deren Schmelztemperatur im Raumtemperaturbereich liegt, nämlich Salzhydrate und Paraffine. Paraffine zeichnen sich vor allem durch ihre hohe Zyklenstabilität und ihre geringe Unterkühlung aus, während Salzhydrate den Vorteil einer höheren Schmelzenthalpie haben und nicht brennbar sind. MANARA_planung.qxd:Layout 1 20.05.2009 9:15 Uhr Seite 4 4 Grafiken und Fotos: Dr. Jochen Manara/ZAE Bayern PLANUNG 05 I 09 Abb. 5: Abgehängtes Deckensystem mit PCM-Belegung. In diesem Fall erfolgt die Be- und Entladung mittels einer Hinterlüftung; alternativ ist aber auch ein wasserdurchströmtes System möglich. masystemen interessant ist. Es lassen sich passive Kühldeckensysteme (Abb. 5) realisieren, die aus Gipskartonplatten mit Paraffinen bestehen oder aus PCM-Folienbeuteln mit Salzhydraten, die auf Metallkassettendecken aufgelegt werden. Solche Systeme erbringen Kühlleistungen von ca. 25 bis 40 W/m2. Abhängig von den gewählten Materialien ist eine aktive Hinterlüftung notwendig. Die nächtliche Regeneration des Systems erfolgt wiederum mit kühler Außenluft. Wasserdurchströmte Kühldecken in abgehängter Bauweise erreichen höhere Kühlleistungen von rund 100 W/m2 bei relativ kurzen Ansprechzeiten, erfordern dadurch jedoch oft hohe Spitzenlasten bei der Kältebereitstellung. Durch die Integration von PCM lässt sich tagsüber zu Zeiten der Kühllastspitzen eine rein passive Grundkühlleistung von etwa 40 W/m2 sicherstellen. Während der Nacht wird das PCM dann durch kühles Wasser regeneriert. Vor allem bei der Kältebereitstellung über Geothermie (Erdsonden) ergeben sich hier Vorteile, da die Erdsonden auf die Spitzenlasten ausgelegt werden müssen. Auch zum Heizen von Gebäuden können Latentwärmespeichermaterialien vorteilhaft eingesetzt werden. Als Beispiele hierfür sind solare Fassadenelemente (solare Wandheizung) sowie Solar-Luft-Kollektoren zu nen- nen. In beiden Fällen wird die Sonnenenergie in Form von Wärmeenergie im PCM gespeichert und zeitverzögert wieder an den Innenraum abgegeben. Die Einspeicherung erfolgt in Zeiten hoher solarer Einstrahlung, d.h. wenn ein Überangebot vorhanden ist, während die Freisetzung der Energie in Zeiten geringer oder fehlender solarer Einstrahlung erfolgt, wenn Wärmeenergie benötigt wird. Ebenso können Klimageräte mit PCMs ausgerüstet werden, um deren Performance entsprechend zu steigern. Laufende Aktivitäten Aktuell wird an der Weiterentwicklung von integrierten Systemen und Kompositmaterialien gearbeitet1. So werden beispielsweise Techniken zur Ummantelung von Salzhydraten entwickelt, mit denen auslaufsichere und wasserdampfundurchlässige Kapseln im Millimeterbereich herstellbar sind (Abb. 6). Auch an der Entwicklung und Optimierung von pumpbaren Systemen bzw. Slurries auf Paraffin- und Salzhydratbasis wird gearbeitet. Darüber hinaus gibt es Forschungsaktivitäten hinsichtlich einer messtechnisch fundierten Erfassung der Eigenschaften von Systemen mit PCMs sowie einer Validierung von Simulationstools und der Erstellung fundier- 1 Siehe auch BMWi-Förderschwerpunkt „EnOB: Forschung für Energieoptimiertes Bauen“ unter www.enob.info. 2 Gefördert vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages unter dem Förderkennzeichen 0327370U. www.deutsches-ingenieurblatt.de Abb. 6: Mit Salzhydrat gefüllte Kapseln zum Einsatz als Schüttungen in luft- oder wasserdurchströmten Klimageräten sowie in Gipsprodukten und Bauplatten. ter Auslegungsrichtlinien. Dazu werden aktuell Demonstrationsprojekte durchgeführt, z.B. das Projekt „PCM-Demo: Entwicklung und praxisnaher Test der Performance von Gebäudekomponenten mit PCM in Demonstrationsobjekten“2 (www.pcm-demo.info). Anhand gemessener Lastverschiebungen können Energieversorger außerdem eine energiewirtschaftliche Analyse durchführen, um die Auswirkungen eines breiten Einsatzes von PCM-Systemen auf die Kraftwerksund Netzkapazitäten zu beurteilen. Zur Sicherstellung definierter Eigenschaften der kommerziell erhältlichen PCM-Produkte, wie Schmelztemperatur und -ethalpie sowie Wärmeleitfähigkeit, wurde außerdem die Gütegemeinschaft PCM e.V. (www.pcmral.de) ins Leben gerufen, die wesentliche Gütekriterien festlegt. Dr. Jochen Manara Jg. 1969; Studium der Physik an der Universität Würzburg; Gruppenleiter am Bayerischen Zentrum für Angewandte Energieforschung e.V. (ZAE Bayern), Abt. Funktionsmaterialien der Energietechnik; Durchführung von Projekten in diesem Themengebiet, Schwerpunkte u.a. Wärmetransport und Wärmespeicherung im Gebäudebereich und technische Anwendungen zur Steigerung der Energieeffizienz. [email protected] www.zae-bayern.de