Hermann Smeets und die Antifaschistische Kampforganisation von 1945 Die kampflose Übergabe Düsseldorfs an die Amerikaner Von Dr. Christian Leitzbach In der Düsseldorfer Stadtgeschichte ist die Übergabe der Stadt an die Amerikaner am 17. April 1945 ein sehr wichtiges Thema, das in diversen Veröffentlichungen und in den Gesamtwerken zur Stadtgeschichten einen entsprechenden Niederschlag gefunden hat. Die Rolle, die Hermann Smeets, der Mitbegründer der „Bilker Heimatfreunde“, in diesem historischen Kontext innehatte, wurde erstmals ausführlich von dem Historiker Andreas Kussmann in mehreren Interviews mit Hermann Smeets in den Jahren 1984 und 1985 herausgearbeitet. Bisher wenig Beachtung haben indes weitere im Archiv der „Bilker Heimatfreunde“ vorhandene historische Originalunterlagen gefunden, die die Ereignisse von 1945 dokumentieren. „Jeder weiß ja, daß der Krieg verloren ist und in absehbarer Zeit zu Ende gehen muß. Aber was machen wir dann?“ Mit dieser noch bis Kriegsende sehr gefährlichen Fragestellung hatten sich bereits im Sommer 1944 einzelne Männer aus Düsseldorf um Hermann Smeets beschäftigt, die sich am 14. Januar 1945 zur sogenannten „Antifaschistischen Kampforganisation“, abgekürzt AFK, zusammenschlossen. Dabei handelte es sich sowohl um Christen als auch um Sozialdemokraten wie Kommunisten. Trotz unterschiedlicher Weltanschauungen einte sie doch eins – der Kampf gegen das nationalsozialistische Regime. „Deutschland kann erst wieder frei leben, wenn der letzte Naziverbrecher vernichtet ist, denn sie allein tragen die Schuld an dem Unglück und Elend unseres Volkes!“ propagierte das zehnköpfige „Aktionskomittee“ in einem Flugblatt vom Februar 1945. Wohl wissend, wie gefährlich die Verbreitung solcher Aufrufe war, warnten sie: „Vorsicht im Kampf, aber keine Herrmann Smeets (1910 – 1997) Feigheit“, und: „Bildet überall kleine Trupps von Gleichgesinnten. Sabotiert das System, wo nur die Möglichkeit dazu besteht.“ Die AFK wollte mit allen Mitteln die nationalsozialistischen Machthaber in Düsseldorf daran hindern, die Stadt in einem sinnlosen Widerstand der völligen Zerstörung preiszugeben, die Bevölkerung verhungern zu lassen und „Frauen, Kinder und Mütter auf die Landstraßen zu schicken und sie schutzlos der gegnerischen Luftwaffe auszusetzen.“ Die Soldaten der Wehrmacht, die Mitglieder des Volkssturms, jeden einzelnen Menschen in der Bevölkerung rief die AFK in ihren Flugblättern „Das Signal“ dazu auf, das Möglichste zu tun, seine Pflicht zu erfüllen und die Opferung weiterer Tausende von Menschenleben zu verhindern. Dieser Kampf war nur in Kleingruppen möglich. „Daß man sich mit anderen zu einer größeren Gruppe zusammenschließen konnte“, erinnerte sich Hermann Smeets im Interview, „war gar nicht denkbar. Es reichte nicht, wenn da einer kam und sagte: ‚Ich habe da einen Freund, der sympathisiert mit uns…‘ Da mußte man schon sehr vorsichtig sein, es konnte sich sonst leicht ein Spitzel einschleichen.“ Smeets selbst gab sich einen Tarnnamen, „Walter Jordan“, den er auch nach dem Krieg eine Weile zusätzlich zu seinem richtigen Namen trug, wenn er als „Hermann Smeets-Jordan“ auftrat. Als am 1. März 1945 die alliierten Truppen das linke Rheinufer bei Neuss erreicht und die Wehrmacht die Rheinbrücken gesprengt hatten, begann der Beschuss Düsseldorfs. Hermann Smeets alias Walter Jordan besaß zu dieser Zeit einen kleinen Betrieb in Neuss, in dem er unter dem Namen „Axa“ chemisch-pharmazeutische Produkte herstellte und vertrieb. Dort besaß er einen „Abzugsapparat“, auf dem die Flugblätter der AFK hergestellt wurden, die danach in einem Kaninchenstall versteckt auf einem Fahrrad von Smeets‘ sozialdemokratischen Mitstreiter Otto Blumhoff nach Düsseldorf geschafft und dort verteilt wurden. Von den Nationalsozialisten unentdeckt, gelangen der AKF in den wenigen Monaten vor der Besetzung bemerkenswerte Aktionen. Neben der Verteilung ihrer Flugblätter versteckten sie geflohene Zwangsarbeiter in Kellern und verhinderten im April 1945 die Zerstörung der Eisenbahnüberführung an der Hüttenstraße, in dem Smeets und einige andere die mit der Sprengung beauftragten Soldaten von der Sinnlosigkeit ihres Tuns überzeugen konnten – auch durch „Bestechung“ mit begehrten Lebensmitteln, die die AFK organisieren konnte. Die wichtigste Aufgabe im März und April 1945 bestand darin, mit den in Neuss stationierten amerikanischen Truppen Verbindung aufzunehmen, um sie davon zu überzeugen, „mit dieser mörderischen Schießerei“ auf Düsseldorf „aufzuhören“, ihnen klarzumachen: „Kommt endlich rüber und macht dem Spuk ein Ende, hier ist nichts mehr, was euch wirklich gefährlich werden könnte.“ Ein erster Versuch, mit einem Faltboot den Rhein zu überqueren, schlug am 26. März fehl: „Da war das Boot weg – geklaut! Wahrscheinlich war jemand damit zum linken Rheinufer geflüchtet und hatte sich dort schon in Sicherheit gebracht.“ Erst am 12. April 1945 gelang ein zweiter Versuch, AFK-Mitglied Hermann Maaßen über den Rhein zu schicken, versehen mit einer eindeutigen Botschaft an die Amerikaner. Es dauerte quälend lange, bis die Streiter um Hermann Smeets im Radio beim Hören des britischen Deutschlandsenders den erlösenden Satz vernahmen: „Der Hut kleidet Veronika gut.“ Diese verschlüsselte Botschaft bedeutete nichts anderes als: Euer Bote ist gut angekommen, wir haben eure Nachricht erhalten und verstanden. Als die AFK erfuhr, dass die Amerikaner einmarschieren würden – nicht über den Rhein, sondern aus Benrath her kommend – bereitete sie ihre letzte Aktion vor: Auf der gesamten Strecke, die die Befreier bis ins Zentrum von Düsseldorf zurücklegen mussten, verteilte sie Flugblätter, auf denen stand: „Die ‚ANTIFAKO‘ ruft! Die Amerikaner stehen am Rande unserer Stadt. Weiße Fahnen heraus! Verhindert jede Sabotage. Verhindert Provokationen und achtet auf den Wehrwolf. Das Aktionskomitee der ‚ANTIFAKO‘, gez. Walter Jordan.“ Und sie hatten Erfolg: „Am Morgen“ des 17. April „fuhren wir alle mit Fahrrädern ganz offen durch die Stadt und verteilten die Streuzettel, überall geworfen. Die Leute kamen aus den Häusern und rissen uns die Blätter aus den Händen. Überall wurden wir jubelnd empfangen! Als wir zurückfuhren, hingen überall schon die weißen Fahnen heraus.“ Hermann Smeets und die AFK hatten großes Glück. Denn es war ja keineswegs so, dass die NSDAP bereits entmachtet und zu einem „zahnlosen Tiger“ geworden war. Das musste eine andere Widerstandsgruppe, die sich ebenfalls um die kampflose Übergabe von Düsseldorf bemüht hatte, sehr schmerzvoll erfahren: Noch in der Nacht zum 17. April wurden auf dem Schulhof der Berufsschule an der Färberstraße Oberstleutnant Franz Jürgens, der Kommandeur der Düsseldorfer Schutzpolizei, und vier andere Männer erschossen. Die Rede zu ihrer feierlichen Beisetzung auf dem Nordfriedhof hielt am 26. April niemand anders als Hermann Smeets.