ZAHNFLEISCHERKRANKUNGEN Ursachen und Verlauf von Zahnfleischerkrankungen Blutet ihr Zahnfleisch immer wieder einmal, sollten Ihre Warnleuchten aufblinken. -ParodontitisWieso trifft es ausgerechnet Sie? Sie putzen doch Ihre Zähne regelmäßig und ziehen Rollen von Zahnseide durch die Zahnzwischenräume. Jedenfalls tun Sie mehr als Ihre Bekannten, die schon spöttisch die Nase rümpfen. Und trotzdem? Aus der Mundhöhle können Mikroorganismen (Bakterien) vom Zahnfleischsaum entlang der Zahnwurzeln in Richtung Knochen in das Körperinnere eindringen. Bakterien im Inneren aber will Ihr Körper keinesfalls. Deswegen haben Sie mit FACHAUTOR Dr. med. dent. Werner Fischer Zahnarzt der Haut einen schützenden Panzer. Deswegen ist Ihr Atmungsorgan ein geschlossener Ballon. Deswegen ist Ihr Verdauungsorgan im Prinzip ein geschlossenes Schlauchsystem. Um eine bakterielle Invasion in den Kieferknochen zu verhindern, stellt der Körper am Zahnfleischsaum eine außergewöhnliche „Dichtung“ der Körperabwehr bereit. Es geht dort zu wie auf einem Schlachtfeld: 22 Von außen die Bakterien, von innen die Körperzellen der Immunabwehr. Beide stehen normalerweise im Gleichgewicht. Wenn aber besonders aggressive Bakterien einzudringen versuchen, oder die Abwehr des Körpers durch erbliche Veranlagung, Allgemeinerkrankungen, Risikofaktoren (Rauchen) oder psychischemotionalen Stress beeinträchtigt ist, gewinnen die Keime. In höchster Not produzieren körpereigene Zellen jetzt spezifische Botenstoffe, die zur Zerstörung der Gewebe des Zahnhalteapparates führen. Der Zahn wird locker und schließlich fällt er heraus. Parodontitis ist also eine Art Rettungsanker durch Selbstzerstörung, denn ohne Zähne kann man leben, während man früher an bakteriellen Knochenentzündungen durchaus versterben konnte. Eine massive Zahnfleischerkrankung hat eine handtellergroße Entzündungsfläche. Die dabei gebildeten Botenstoffe wirken nicht nur im Bereich des Zahnhalteapparates, sondern werden durch das Blut im gesamten Organismus verteilt. Wirken sie längere Zeit, können Gefäßerkrankungen und deren Folgen, wie z. B. Herzinfarkte und Schlaganfall, dadurch mit beeinflusst werden. Aber auch Verbindungen zu Frühgeburten und zum Verlauf von Arthritiserkrankungen werden diskutiert. terienbeläge sind das Ergebnis einer komplizierten Reifung des so genannten Biofilms auf der Zahnoberfläche – immer wieder und spätestens alle 24 Stunden. Und dieser bakterielle Belag muss weg. Allein dadurch kann die Entzündung des Zahnhalteapparates in den meisten Fällen sehr wirksam behandelt werden, die individuelle Neigung zu dieser Erkrankung (oftmals erblich) jedoch nicht. Diese Zusammenballung aus Bakterienkolonien hat sich bestens organisiert. Sie können aneinander haften und schützen sich gegenseitig auch durch Bildung einer Matrix gegen die umgebende Umwelt. In dieser Matrix verlaufen „Flüssigkeitskanäle“, die den Lebensraum der Bakterien durch Ströme von Nährstoffen, Enzymen und Abfallprodukten sichern. Durch Sauerstoffdiffusion können die Bakterien sogar in der Tiefe des Biofilms überleben. Selbst ein eigenes Informations- und Warnsystem bilden sie. Dies alles bedeutet, dass sowohl die Bakterien selbst als auch der Biofilm schwer zu bekämpfen sind. Diesen Kampf schaffen Sie, liebe Patienten, deshalb nicht allein. Rauhigkeiten an der Wurzeloberfläche, überstehende Kronen, schlechte Füllungen, Nischen und Spalten oder schwer zugängliche Stellen und Zahnzwischenräume begünstigen Bakterien den Unterschlupf. Moderne Behandlungstechniken nutzen schall- oder ultraschallgetriebene, sehr grazile Instrumente, mit denen die Zahnoberflächen – auch unterhalb des Zahnfleischsaumes – von schmierigen Bakterienbelägen befreit werden. Spezielle Pulverstrahlgeräte helfen an Stellen, an die selbst ein Zahnarzt nicht herankommt. Und Polituren glätten die Oberflächen, um das Anhaften der Bakterien zu erschweren. Ziel all dieser Maßnahmen ist es, Bakterien in ihren organisierten Strukturen mechanisch durchein- ander zu wirbeln, die organisierten Gefüge zu zerstören und ein Wiederanhaften zu erschweren. Erst dadurch hat der menschliche Organismus eine Chance, seine Selbstheilungskräfte zu aktivieren, um die Bakterien endgültig zu vernichten. Selbst Antibiotika können wirkungslos verpuffen, wenn nicht zuvor die Strukturen des Biofilms zerstört wurden. Örtlich anzuwendende Spüllösungen (Listerine) schaffen es zwar die Bakterien zu reduzieren und in den Biofilm einzudringen, leider können sie beim Spülen jedoch nicht in eine infizierte Tasche gelangen. Zu unser aller Leid fließt in der infizierten Zahnfleischtasche zudem ein beständiger Strom an Flüssigkeit um die Bakterienkolonien. Diese Flüssigkeit wird etwa 40-mal pro Stunde ersetzt. Dadurch verdünnt sich jeder eingebrachte Wirkstoff extrem rasch. Die Wirkungsdauer eines eingebrachten Medikamentes halbiert sich somit bereits nach nur etwa einer Minute. so an ein Trägermedium bindet, dass es lange in der Tasche verbleiben kann, um dann nach und nach seinen Wirkstoff abzugeben. Ihr Zahnarzt kennt solche Möglichkeiten. Und was können Sie tun? • Essen Sie ausreichend Früchte und Gemüse (Vitamin C). • Achten Sie auf Ihren Magnesiumhaushalt. • Putzen Sie weiter so sorgsam wie bisher, um den Biofilm mechanisch zu zerstören. Vielleicht lassen Sie sich noch ein paar Tipps von Ihrem Zahnarzt und dessen Team geben. • Gehen Sie regelmäßig zum Zahnarzt in Verbindung mit einer professionellen Zahnreinigung. Diese sollte auch unterhalb des Zahnfleisches erfolgen, um dem Wiederaufflammen des Krankheitsbildes entgegenzuwirken. • Benutzen Sie konsequent Mundspülungen (Listerine), weil Sie damit wirkungsvoll auch schwer zugängliche Regionen in Ihrem Mund erreichen. • Suchen Sie sich kompetente Partner und wehren sich gemeinsam gegen das fatale Schicksal der Zahnlosigkeit. Dieses Dilemma ist nur zu umgehen, wenn man das passende Medikament Kerngesund Vorbildlich Also Grund genug, diese oft schleichend verlaufende Erkrankung von Anbeginn zu bekämpfen. Aber glauben Sie nicht, es sei mit einer einmaligen Therapie, einer „Parodontose-Behandlung“ getan. Leider nein; es ist ein lebenslanger Kampf! Potenziell krankheitserregende Bak- Erkrankungsbeginn Dunkelfeldmikroskop mit Bakterien 23 ZAHNFLEISCHERKRANKUNGEN Ist Zahnverlust doch Schicksal?