zurück 22 arznei-telegramm® 2011; Jg. 42, Nr. 2 Die Ergebnisse werden durch eine 2008 veröffentlichte Schweizer Arbeit9 gestützt. Eingeschlossen sind in diese jedoch 458 Patienten mit akutem Atemwegsinfekt, für die vom Hausarzt bereits eine Antibiotikabehandlung vorgesehen war. Nach Randomisierung wird eine antibiotische Behandlung in der Procalcitonin-Gruppe nur bei einem PCT-Wert über 0,25 ng/ml empfohlen. Auch in dieser Studie kann von der laborgestützten Empfehlung abgewichen werden. In der Kontrollgruppe erhalten über den gesamten Studienzeitraum hinweg 97% der Patienten ein Antibiotikum, in der PCTGruppe 25%. Die Zahl der Tage mit eingeschränkter körperlicher Aktivität liegt in beiden Gruppen bei 8,7. Durchfälle treten bei PCT-gesteuerter Behandlung seltener auf (20% versus 34%). Im Unterschied zur deutschen Studie werden die PCT-Werte mehrfach erhoben, zudem nehmen an der Schweizer Arbeit vorwiegend Ärzte mit sehr niedriger Basisrate von Antibiotikaverschreibungen teil. Sie sind daher offenbar ohnehin für die Problematik des unnötigen Antibiotikaverbrauchs sensibilisiert. Eine Generalisierung dieser Daten ist daher schwierig. Vorstellbar ist, dass der in den Studien ermittelte Effekt (Reduktion des Antibiotikagebrauchs bei leichten Atemwegsinfekten durch ein- oder mehrmalige Messung eines Laborparameters ohne Verschlechterung des klinischen Verlaufs) auch durch Schulung der Ärzte hinsichtlich evidenzbasierter Therapie von Erkältungskrankheiten und der Erwartungshaltung der Patienten erreicht werden könnte.8 Für die Praxis ist problematisch, dass aufgrund des Fehlens eines Schnelltests eine zweite Konsultation oder telefonische Beratung erfolgen muss. Größtes Hindernis für eine breite Implementierung ist jedoch der hohe Preis (ca. 25 €), der höher liegt als ein Behandlungszyklus mit üblichen Antibiotika. Zudem ist die Kostenübernahme in den KVen nicht einheitlich geregelt, sodass der Test zum Teil als IGeL-Leistung abgerechnet werden muss. Procalcitonin ist ein relativ sensitiver Indikator zur Abgrenzung bakterieller von nicht bakteriellen Infektionen. In zwei Studien im allgemeinmedizinischen Setting lässt sich durch ein- oder mehrmalige Bestimmung des Procalcitonins die Häufigkeit von Antibiotikaverordnungen bei leichten Atemwegsinfektionen relevant reduzieren. Der gleiche Effekt lässt sich möglicherweise auch nachhaltig durch eine Schulung der Ärzte erreichen. Der Test ist teuer und die Kostenübernahme nicht einheitlich geregelt. Zudem fehlt ein Schnelltest, der eine sofortige Therapieentscheidung ermöglichen könnte. Er eignet sich daher derzeit nicht für die breite Anwendung. (R = randomisierte Studie, M = Metaanalyse) R M R R R R R 1 2 3 4 5 6 7 8 9 Der Allgemeinarzt 2010; 17 BURCKHARDT, O. et al.: Eur. Respir. J. 2010; 36: 601-7 SIMON, L. et al.: Clin. Infect. Dis. 2004; 39: 206-17 STOLZ, D. et al.: Chest 2007; 131: 9-19 CHRIST-CRAIN et al.: Am. J. Respir. Crit. Care Med. 2006; 174: 84-93 SCHUETZ, P. et al: JAMA 2009; 302: 1059-66 NOBRE, V. et al.: Am. J. Respir. Crit. Care Med. 2008, 177: 498-505 BROCKMANN, S. et al.: Z. Allg. Med. 2008; 84: 51-7 BRIEL, M. et al.: Arch. Intern. Med. 2008; 168: 2000-7 PILLE DANACH: BALD NUR NOCH TEUER? Eine Vertreterin der Firma HRA Pharma präsentierte mir das Notfallkontrazeptivum Ulipristalazetat (ELLAONE) und erklärte mir, dass ich künftig nur noch auf ELLAONE zurückgreifen könnte, da das levonorgestrelhaltige UNOFEM vom Markt genommen sei. ELLAONE ist mit 35,30 € doppelt so teuer wie UNOFEM (17,49 €). Dies erscheint mir im Hinblick auf die Verordnung für unter 20-jährige Frauen zu Lasten der Krankenkassen sehr wichtig und bei den über 20-jährigen eine erhebliche finanzielle Hürde. Zudem legte mir die Dame anhand von Tabellen dar, dass das Levonorgestrelpräparat ohnehin unzureichend als Notfallkontrazeptivum gewirkt habe. In der Apotheke habe ich erfahren, dass statt UNOFEM von Hexal in gleicher Zusammensetzung jetzt PIDANA von HRA Pharma vertrieben wird. Meine Befürchtung ist, dass HRA Pharma die Ärzte so „informiert”, dass PIDANA wenig oder gar nicht nachgefragt wird, dass ELLAONE marktbeherrschend wird, mit allen negativen Konsequenzen für die betroffenen Frauen und dem erheblichen Preisvorteil für die Firma. Dr. med. C. KLEINERT-SKOPNIK (Fachärztin für Frauenheilkunde) D-35037 Marburg Interessenkonflikt: keiner Das Levornorgestrelpräparat UNOFEM war ein Lizenzprodukt von HRA Pharma. Die Firma hat die Lizenz für die 1,5-mg-Formulierung nicht verlängert. Hexal musste daher den Vertrieb einstellen.1 HRA Pharma vertreibt seit Ende 2009 das Notfallkontrazeptivum Ulipristalazetat (ELLAONE; a-t 2009; 40: 97-8) und seit 2011 mit PIDANA zusätzlich ein eigenes, dem UNOFEM entsprechendes Präparat.* Auch in Ärzteanschreiben bewirbt HRA Pharma Ulipristalazetat als „moderne Alternative” mit „überlegener Wirkung”.2 Wegen der spärlichen Sicherheitsdaten zu Ulipristal und des nicht hinreichend belegten Wirkvorteils ziehen wir jedoch nach wie vor Levonorgestrel als Pille danach vor (e a-t vom 18. Juni 2010). Zwar ist ELLAONE bezogen auf die Apothekenverkaufspreise doppelt so teuer wie PIDANA (35,30 € vs. 17,49 €), in Wirklichkeit profitiert die Firma jedoch deutlich mehr: Auf der Basis der Herstellerabgabepreise setzt sie mit ELLAONE mehr als das Dreifache um: rund 19,50 € versus 6,00 €. Hierzu trägt der Festaufschlag bei, der bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln die Handelsspanne der Apotheken dominiert (a-t 2003; 34: 107-8). Bei niedrigpreisigen Arzneimitteln schlägt er prozentual stärker zu Buche als bei teureren. Auf Internetseiten verstößt HRA Pharma unseres Erachtens gegen das Werbeverbot für verschreibungspflichtige Arzneimittel: Unter www.verhuetung-danach.de bewirbt die Firma die „moderne Pille danach” als „noch höher wirksam” und nennt den Wirkstoff, wodurch das rezeptpflichtige Mittel eindeutig identifizierbar ist. Mit www.ellaone.de macht HRA Pharma sogar direkt mit der Internetadresse Werbung für das Warenzeichen ELLAONE, –Red. 1 2 Hexal: Ärzteanschreiben, Jan. 2011 HRA Pharma: Ärzteanschreiben, Jan. 2011 Kurz und bündig Hypertonie: 12,5 mg bis 25 mg Hydrochlorothiazid (ESIDRIX, Generika) anderen Antihypertensiva unterlegen: Eine in der medizinischen Presse derzeit viel zitierte Arbeit weist erneut auf die möglicherweise unzureichende antihypertensive Wirkung von Hydrochlorothiazid (HCT; ESIDRIX, Generika) in den üblichen Dosierungen hin. Es handelt sich dabei um eine systematische Übersicht randomisierter Studien, die HCT in Tagesdosierungen von 12,5 mg bis 25 mg und 50 mg als Monotherapie mit anderen Antihypertensiva vergleichen und primär den 24-Stunden-Blutdruck prüfen. Berücksichtigung finden 19 Studien mäßiger bis geringer Qualität mit insgesamt 1.463 Patienten und einer medianen Dauer von acht Wochen. Dosierungen von 12,5 mg bis 25 mg HCT senken den systolischen 24-Stunden-Blutdruck um 4,5 mmHg bis 6,2 mmHg weniger als ACE-Hemmer, Betablocker, Kalziumantagonisten oder Sartane. Der in der Praxis gemessene (Gelegenheits-)Blutdruck unterscheidet sich dagegen nicht. Dosierungen von 50 mg HCT sind deutlich seltener geprüft, sollen aber den systolischen 24-Stunden-Blutdruck stärker als täglich 12,5 mg bis 25 mg senken und ähnlich wie die anderen Antihypertensiva. Die Autoren messen dem 24-Stunden-Blutdruck die größere Bedeutung bei und halten Tagesdosierungen von 12,5 mg bis 25 mg HCT in der Monotherapie der Hypertonie für unzureichend (MESSERLI, F.H. et al.: J. Am. Coll. Cardiol. 2011; 57: 590600). Die Aussagekraft der Befunde ist begrenzt, da die Studien lediglich die Blutdrucksenkung, nicht aber den Einfluss * Die von Bayer-Schering angebotene Pille danach (LEVOGYNON, 2 Tbl. zu 0,75 mg Levonorgestrel; 17,79 €) wird nur noch selten verordnet. vor Warenzeichen in Österreich und Schweiz (Beispiele) Hydrochlorothiazid: HCT LANNACHER (A) ESIDREX (CH) Levonorgestrel zur Notfallkontrazeption: POSTINOR (A) NORLEVO UNO (CH) Ulipristalazetat: ELLAONE (A)