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Produktesicherheit: «Auch Händler
müssen ihren Beitrag leisten»
Um eine Harmonisierung der schweizerischen und europäischen Vorschriften im Rahmen der Produkteherstellung und des -handels zu
erreichen, hat die Schweiz eine Angleichung an die Rechtsordnung der
EU beschlossen. Demnach haben sich sowohl die Hersteller als auch
die Importeure und Händler von Produkten nach demselben Sicherheitsstandard in der Schweiz wie in der EU zu richten. Doch was heisst
das genau?
HANDEL HEUTE: Die Rechtslage in
Sachen Produktesicherheit und
Schweiz – einen hohen, EU-kompatiblen
Sicherheitsstandard.
Lebensmittelgesetz hat sich verän-
rüstungen zur Benützung durch Dritte
muss das gleiche Sicherheitsniveau gewährleistet werden, wie beim Verkauf
dieser Objekte in einem Laden. Mit anderen Worten müssen alle im Bereich
der Kommerzialisierung eines Produktes
involvierten Personen dafür sorgen,
dass die Benutzer- und Konsumentensicherheit gewährleistet ist.
Welches sind die Auswirkungen des
neuen Produktesicherheitsgesetzes
dert. Wie genau?
Wie sieht der Anwendungsbereich
auf die Hersteller und «Inverkehrbrin-
Barbara Klett*: Das neue Produktesicherheitsgesetz (kurz: PrSG), das an die
Stelle des Bundesgesetzes über die Sicherheit von technischen Einrichtungen
und Geräten (kurz: STEG) am 1. Juli
2010 in Kraft trat, übernimmt inhaltlich
weitgehend die Bestimmungen der EURichtlinie über die allgemeine Produktesicherheit von 2001. Das PrSG wird
so zur zentralen Rechtsvorschrift für
die technische Sicherheit von Geräten,
Produkten und Anlagen und gewährleistet somit – in Ergänzung des geltenden Produktehaftpflichtgesetzes in der
des neuen Produktesicherheitsgeset-
ger»?
zes aus?
Das Produktesicherheitsgesetz legt die
Messlatte für die Produktesicherheit
nicht neu an, sondern vereinheitlicht
und kodifiziert denjenigen Standard, der
im Sinne einer risiko- und sicherheitsbewussten Herstellung von Produkten
schon gelten sollte. Ziel des Produktesicherheitsgesetzes und Ziel jedes Unternehmens stimmen überein: Schäden
durch fehlerhafte Produkte und die damit verbundenen Folgeschäden zu vermeiden. Die Hersteller und «Inverkehrbringer» können daher grundsätzlich
auf bestehende Strukturen zurückgreifen und diese, falls notwendig, ergänzen. Das Inverkehrbringen von Produkten erfordert ja bereits heute ein Qualitätssicherungssystem, einen Prozess
zur «Lenkung fehlerhafter Produkte»
und ein Beschwerdemanagement.
«Händler müssen Massnahmen ergreifen,
welche eine effiziente Zusammenarbeit mit
dem Hersteller oder dem Importeur und den
Vollzugsbehörden ermöglichen», erklärt die
Rechtsanwältin Barbara Klett im Interview.
Der Anwendungsbereich geht weiter, als
es nach einer nur summarischen Lektüre des Gesetzestextes erscheinen könnte. Das Produktsicherheitsgesetz deckt
nicht nur den Herstellungsvorgang, sondern vielmehr auch das Inverkehrbringen auf einen Markt im weiteren Sinn
ab. Die Sicherheitsnormen sind auf das
gewerbliche oder berufliche Inverkehrbringen von Produkten seitens Hersteller, Importeuren, Händler oder Dienstleistungserbringer anwendbar. Ausserdem stellt das Gesetz die gewerblich
oder berufliche Verwendung eines Produktes innerhalb eines Unternehmens
dem Inverkehrbringen gleich. Das Kriterium der Produktesicherheit gilt deshalb auch im Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Mitarbeitende für alle
Produkte, welche Letzteren seinen Mitarbeitern zur Verfügung stellt (z. B. Kantineverpflegung einer Lebensmittelfabrik). Zudem betrachtete es der Gesetzgeber als notwendig, das Inverkehrbringen der Verwendung oder Anwendung
eines Produktes im Rahmen des Erbringens einer Dienstleistung gleichzustellen. Beim Bereithalten eines Lasergerätes oder von Trainings- und Sportaus-
Welche Akteure sind vom Anwendungsbereich des Produktesicherheitsgesetzes erfasst bzw. welches
sind die Auswirkungen für den
Händler?
Das Gesetz auferlegt nicht nur dem Hersteller und dem Importeur Pflichten.
Auch der Händler muss seinen Beitrag
bei der Aufsicht über die Sicherheit der
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werkstätten, die Logistikunternehmungen und all diejenigen, die ein Produkt
ausarbeiten oder umbauen, vom Anwendungsbereich des Produktesicherheitsgesetzes miterfasst. Ebenfalls angesprochen ist beispielweise der Händler, der Veränderungen an Verpackung
oder Etikettierung eines Produkte anbringt.
Welches sind die entscheidenden
Neuerungen im Zusammenhang
mit dem neuen Produktesicherheitsgesetz?
in den Verkehr gebrachten Produkte
leisten. Das Gesetz beauftragt ihn ausdrücklich mit der Aufgabe, Massnahmen zu ergreifen, welche eine effiziente
Zusammenarbeit mit dem Hersteller
oder dem Importeur und mit den zuständigen Vollzugsbehörden ermöglichen. Der Gesetzgeber äussert sich jedoch nicht dazu, was der Händler konkret zu unternehmen hat. Darüber geht
aus dem Produktesicherheitsgesetz indirekt eine Verpflichtung hervor, wonach der Händler Meldung an die zuständige Behörde zu erstatten hat, wenn
er feststellt oder zumindest Grund zur
Annahme hat, dass von seinem Produkt eine Gefähr für die Sicherheit
oder die Gesundheit der Verwenderinnen und Verwender oder Dritter ausgeht. Zudem auferlegt das neue Produktsicherheitsgesetz demjenigen, der
«das Produkt wiederaufbereitet oder
deren Tätigkeit die Sicherheitseigenschaften eines Produktes anderweitig
beeinflusst», Pflichten zur Sicherheitsgewährleistung des Dienstleistungserbringers. Somit werden die Reparatur-
Weder das bis heute geltende Bundesgesetz über die Sicherheit von technischen Einrichtungen und Geräten (kurz:
STEG) noch das schweizerische Produktehaftpflichtgesetz kennen eine
Aufsichts- oder Rückrufpflicht von Konsumprodukten nach deren Inverkehrbringen. Die Aufsicht über Konsumprodukte ist nur implizit in der Generalklausel enthalten, wonach das in Verkehr gebrachte Produkt sicher sein
muss. Das Produktesicherheitsgesetz
schliesst nun diese Lücke und statuiert
für Produkte, die für Konsumenten bestimmt sind, explizite «Nachmarktpflichten». Der Hersteller muss – den
Produkteeigenschaften angemessene –
Massnahmen treffen, damit er imstande
ist, allfällige Gefahren zu erkennen und
zweckmässige Vorkehrungen zur Gefahrenvermeidung, wie Rücknahme vom
Markt, Warnung oder Rückruf, zu ergreifen. Dazu gehört auch eine Meldepflicht an die Vollzugsorgane, wenn der
Hersteller oder ein anderer Inverkehrbringer feststellt, dass ein Produkt die
Sicherheit oder Gesundheit von Personen gefährdet. Diese «Nachmarktpflichten» betreffen – analog dem EU-Recht –
nur Produkte, die für Konsumentinnen
und Konsumenten bestimmt sind oder
unter vernünftigerweise vorhersehbaren
Bedingungen auch von Konsumentinnen und Konsumenten benutzt werden
könnten.
Welche Sanktionen sind möglich?
Das Produktesicherheitsgesetz bestimmt
nicht nur die Pflichten, mittels derer die
Widerrechtlichkeit allfälliger Nichteinhaltungen festgestellt werden kann. Vielmehr sieht es für diejenigen Sanktionen
vor, die ein Produkt in den Verkehr bringen, welches die gesetzlichen Voraussetzungen nicht erfüllt oder die Pflicht zur
Mitwirkung und Auskunft missachtet.
Eine allfällige Busse beträgt 20 000 Franken bei fahrlässigem Handeln resp. bis
zu 40 000 Franken bei vorsätzlicher Begehung.
Wie steht es um die Haftung?
Umstritten ist bislang inwiefern bei einem Verstoss gegen das PrSG auch eine
zivilrechtliche Haftung gegeben ist.
Das Produktesicherheitsgesetz greift
präventiv, indem es Schäden durch feh-
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lerhafte Produkte und die damit verbundenen Folgeschäden vermeiden will.
Wenn ein Schaden hingegen bereits eingetreten ist, ist eine allfällige Haftung
des Herstellers nach dem Produktehaftpflichtgesetz (kurz: PrHG) zu beurteilen. Da das PrHG jedoch einerseits nur
die Haftung der Hersteller erfasst und
somit keine Regelung in Bezug auf die
Händler enthält und andererseits der
Haftungstatbestand im PrSG von demjenigen im PrHG abweicht, könnte
durchaus auch im PrSG selber eine Haftungsgrundlage erblickt werden. Dies
könnte dann der Fall sein, wenn z. B. der
Händler gegen die Produktebeobachtungspflicht verstösst oder die Pflicht
verletzt, bei Gefahr die erfoderlichen
Masnahmen zu treffen und hierdurch
ein Schaden entsteht.
Wagen wir noch einen Ausblick
zur Revision des Lebensmittelgesetzes, die parallel zur Harmonisierung im Bereich Produktesicherheit
sicherheit im Vordergrund. Durch die
Angleichung der schweizerischen Regelungen an das System der Lebensmittelsicherheit der EU wird insbesondere
auch der Gesundheitsschutz erleichtert.
Bevor das Lebensmittelgesetz in revidierter Fassung (voraussichtlich 2013)
in Kraft treten wird, werden jedoch diverse Verordnungen zur Lebensmittelgesetzgebung an das europäische Recht
angeglichen.
Wie weit gehen die Änderungen?
Die Tragweite des neuen Lebensmittelgesetzes sind generell noch nicht überblickbar. Weiter drohen Überschneidungen dem Produktesicherheitsgesetz, da
das Lebensmittelgesetz nicht nur Lebensmittel im engeren Sinn umfasst,
sondern auch Gebrauchsgegenstände
(wie z.B. Verpackungsmaterial, Utensilien und Kleidungsstücke). Es bleibt abzuwarten, wie die Praxis respektive die
Rechtsprechung diese Probleme lösen
wird.
läuft. Was steht hier an?
Auch hier stehen der Abbau von Handelshemmnissen, die Erleichterung des
freien Warenhandels und die Produkte-
Man wird den Eindruck nicht los, dass
das neue Produktesicherheitsgesetz
für Unsicherheiten sorgt. Stimmt das?
Durchaus. Das neue Gesetz ist wenig
systematisch und beinhaltet verschiedene mehrdeutige oder wenig klare
Formulierungen. Es lässt einige Auslegungsfragen offen, die bei dessen Anwendung beantwortet werden müssen.
Insbesondere ist der Personenkreis, welchem das Gesetz Pflichten auferlegt,
nicht klar definiert. Es wird somit von
jeder in der Kommerzialisierung eines
Produktes involvierten Person verlangt,
dass sie genau feststellt, welche Pflichten in Bezug auf die angebotenen geschäftlichen Tätigkeiten ihr im konkreten Fall zustehen. Um allfälligen Pro-
blemen vorzubeugen, soll sich darum
jeder in der Kommerzialisierungskette
eines Produktes involvierte wirtschaftliche Akteur absichern. Die Vollzugsbehörden und die Gerichte werden die
Reichweite und die Umrisse des neuen
Gesetzes klären müssen.
Welche Reaktion empfehlen Sie den
Händlern?
Die Kodifizierung der Pflichten, die sich
auf das Inverkehrbringen von nur sicheren Produkten und auf das Ergreifen
vorbeugender Massnahmen zur Gefahrenidentifizierung beziehen, steigert
und erweitert die Aufgaben der im Geschäft involvierten Unternehmer. Ein
systematisches und effizientes Risikomanagement zielt auf die Einschränkung der Verantwortlichkeit der Inverkehrbringer ab. Da insbesondere die
«Nachmarktpflichten» für die in die EU
exportierenden Betriebe nicht neu sind,
können viele Unternehmer auf schon
vorhandene Strukturen zurückgreifen
und sie notwendigenfalls mit einem beschränkten Aufwand ergänzen. Jedenfalls ist es unabdingbar – insbesondere
auch für Händler – beim Vertrieb von
Produkten deren Sicherheit umfassend
zu prüfen und die notwendige vetraglichen Absicherung in der Vetriebskette
vorzusehen. Bestehen diesbezüglich Unsicherheiten, so empfiehlt es sich, mit
der zuständigen Behörde Kontakt aufzunehmen. Um der gesetzlich vorgeschriebenen Pflicht zur Beobachtung der
in Verkehr gebrachten Produkte nach-
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zukommen, müssen betriebsintern die
entsprechenden Massnahmen ergriffen
werden. Darüberhinaus sollte auch der
geeignete Versicherungsschutz nicht ausser Acht gelassen werden.
Worauf soll man hier achten?
Massgebend ist die Feststellung der Risiken und somit die Identifizierung der
vom Gesetz den Verantwortlichen der
verschiedenen Teile der Produktionsund Handelskette auferlegten Pflichten.
Die Einrichtung eines betrieblichen Verfahrens zur Risikomessung und -verwal-
tung, einschliesslich des juristischen Risikos, ist darum grundlegend. Dies geschieht mittels vertraglicher Reglementierung und Koordinierung der Pflichten
und der Prioritäten der Kommerzialisierungskette, ausgehend von der Herstellung bis
zur Produktverteilung. Dank einer Reglementierung und Koordinierung zwischen den verschiedenen Akteuren (Hersteller, Importeur, Händler, Logistikunternehmungen, Vertreter usw.) kann
man sowohl Lücken als auch Duplikate
im System der Risikoerkennung und in
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der Feststellung der zu ergreifenden
Massnahmen vermeiden. Ein globales
Risikomanagement erlaubt zudem im
Notfall die Ausführung eines effizienten
und koordinierten Apparates unter Beachtung der gesetzlichen Voraussetzungen, jedoch auch zum Schutz des Unternehmensimages.
Interview: Reto Wüthrich
* Barbara Klett ist Rechtsanwältin und Fachanwältin SAV
Haftpflicht- und Versicherungsrecht bei der Kaufmann
Rüedi Rechtsanwälte AG in Luzern (www.krlaw.ch.) Die
Bilder zeigen verschiedene Produkte, die jüngst von einem Rückruf betroffen waren (Quellen: Coop / Migros).
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