SONDERDRUCK DER DENKMALPFLEGE DES KANTONS BERN UND DER ZEITSCHRIFT UMBAUEN+RENOVIEREN, ARCHITHEMA VERLAG WWW.BE.CH/DENKMALPFLEGE UND WWW.UMBAUEN-UND-RENOVIEREN.CH Denkmalpflegepreis DENKMALPFLEGE DES KANTONS BERN 2016 Ausgezeichnet Leben im Baudenkmal als Privileg Pragmatische Innen- und Aussenrestaurierung eines Doppelhauses in Biel Sonderpubli_Denkmalpflegepreis_2016_B_l_Report.indd 1 Spezialpreis RESTAURIERUNG EINES EHEMALIGEN LAGER- UND GEWERBEBAUS IN BURGDORF 13.04.16 15:26 Ästhetik und Qualität im Altbau 2 1 Das Zweifamilienhaus an der Bieler Alpenstrasse wirkt aus Distanz wie eine stattliche Villa, erst die beiden Eingänge und die Abtrennung im Garten lassen die beiden eigenständigen Haushälften erkennen. 1 2 Das qualitätsvolle Interieur ist in beiden Haushälften weitgehend erhalten geblieben und verleiht den Treppenhäusern und Wohnräumen einen speziellen Charme. Die Besitzerinnen und Besitzer eines Doppelhauses im Bieler Rebbergquartier haben ihre jeweiligen Haushälften im Inneren sorgfältig restauriert und die Infrastruktur mit wenigen Eingriffen optimiert. Gemeinsam haben sie die Fassade restauriert und dafür ein Farb- und Materialkonzept entwickelt. Der Denkmalpflegepreis zeichnet die Bauherrschaften für ihren pragmatischen Ansatz aus, der die historische Bausubstanz ins Zentrum stellt. Text: Elisabeth Schneeberger, Fotos: Stefan Weber, Redaktion: Silvia Steidinger 2 Sonderpubli_Denkmalpflegepreis_2016_B_l_Report.indd 2-3 22.04.16 15:41 3 « In Anlehnung an die Befunde der Farbuntersuchung haben wir das Farb- und Materialkonzept entwickelt. Das war eine sehr spannende Arbeit. » Sven Harttig 4 5 3 Zwei kleine Kastenöfen, die 1905 in Biel hergestellt und später in Brienz eingebaut worden waren, fanden – nicht zuletzt dank eines engagierten Ofenbauers – den Weg zurück nach Biel. 4 Harttigs war nicht von Beginn weg klar, ob sie die dunklen Holzverkleidungen, Kassettendecken und Türen holzsichtig belassen wollten oder nicht. Sie entschieden sich für einen teilweisen Anstrich, die gliedernden Elemente blieben holzsichtig. 5 Das im Windfang entdeckte Schablonenfries wurde auf die Wände der neuen Küche und der Toilette übertragen. 5 Sonderpubli_Denkmalpflegepreis_2016_B_l_Report.indd 4-5 22.04.16 15:41 Der Rebberg über der Stadt Biel um 1890, links oben die Villa Jägerstein. Noch ist das Land unbebaut (Regionales Gedächtnis, Annemarie Geissbühler-Lanz, Biel). « Wir könnten noch einiges machen, müssen aber nach der Verhältnismässigkeit und dem Substanzverlust fragen. » Sven Harttig egula und Kuno Cajacob erinnern sich noch gut an ihre erste Besichtigung des Hauses an der Bieler Alpenstrasse: «Bei uns ist der Funke übergesprungen, als wir im Inneren all die Details sahen. Die alten Fenster haben uns begeistert, der grosse Kachelofen, das Raumgefühl ... Die Verkäufer haben gemerkt, dass wir diese Architektur schätzen und erhalten wollen. Vielleicht haben wir deshalb die Zusage erhalten.» Aus Distanz wirkt das Haus von 1903 wie eine stattliche Villa. Erst die beiden Eingänge und die Abtrennung im Garten lassen zwei selbstständige Haushälften erkennen. Mit der asymmetrischen Konzeption des Hauses reagierten die Architekten Bösiger & Daxelhoffer auf die Situation am südostorientierten Jurahang. Die Loggia und der gerundete Vorbau fangen für beide Hausteile möglichst viel Sonnenlicht ein. R Historische Details und neue Bauteile 2001 zogen die neuen Besitzer in die westliche Haushälfte ein. «Weil wir nicht vom Fach sind, haben wir uns für den Unterhalt bei spezialisierten Handwerkern und bei der Denkmalpflege erkundigt», berichten sie. So sind heute zum Teil noch die sorgfältig gepflegten alten Rollläden in Gebrauch. Viele der Fenster stammen ebenfalls aus der Bauzeit und wurden behutsam nachgerüstet. Für die restaurierte Haustür erhielt die Bauherrschaft ein Gitter aus dem Bauteillager der Denkmalpflege. Die bisher grösste Veränderung ist die erneuerte Küche. «Wir haben uns für eine moderne Möblierung entschieden. Die Spannung zwischen Alt und Neu fasziniert mich», sagt Regula Cajacob. Das Küchenfenster wurde zu einer Tür erweitert, die direkt in den Garten führt, ein kleiner Eingriff mit grossem Gewinn an Wohnqualität. Der Bauberater der Denkmalpflege unterstützt die Massnahme: «Es muss möglich sein, sich so einzurichten, dass man sich wohlfühlt.» Als sich der Verkauf des benachbarten Hausteils anbahnte, baten Cajacobs, bei der Suche nach einer Käuferschaft mitwirken zu dürfen. Sie wollten jemanden finden, der sich für die original erhaltene, aber unterhaltsbedürftige Innenausstattung begeistern liesse. 6 Vom Rebberg zum Wohnquartier An bester Aussichtslage über der Seevorstadt entstand im frühen 20. Jahrhundert an der Stelle des Rebberges ein gehobenes Wohnquartier. Text: Ursula Maurer Pragmatisches Vorgehen Bei Nina und Sven Harttig sprang der Funke ein zweites Mal über, sie wurden die neuen L 6 Die neuen Terrazzoböden in Küche und Bad könnten so auch 1903 eingebaut worden sein. Die moderne Ausstattung der Nasszellen ist perfekt auf das Haus abgestimmt. 7 Die Raumkonzeption des Dachgeschosses hat sich komplett verändert. Der Raum ist ein idealer Rückzugsort und strahlt heute Geborgenheit aus. 7 6 Sonderpubli_Denkmalpflegepreis_2016_B_l_Report.indd 6-7 ange stand sie ganz allein in luftiger Höhe: die schlösschenartige Villa Jägerstein, die sich der Architekt und leidenschaftliche Jäger Alexander Köhli 1863 erbaut hat. Wie alte Fotos belegen, bestand der Steilhang über der Seevorstadt zu jener Zeit noch ausschliesslich aus Rebland, das von kleinen Stützmauern durchzogen war. Erst 1896 entstand westwärts unterhalb des «Jägersteins» ein zweites Wohnhaus, bis zur Jahrhundertwende folgten in fast unmittelbarer Nähe vier weitere. Stilistisch gehören sie mit ihren der Renaissance, dem Barock und dem Klassizismus entliehenen Dekorelementen alle zum Historismus. Zwischen 1900 und dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs 1914 dehnte sich die Bebauung weiter nach Westen sowie hangaufwärts entlang der kleinen Rebbergwege aus. Es waren meist gut situierte Bürger, die hier an bester Aussichtslage bauten: Fabrikanten, ein Technikumsprofessor, ein Apotheker, ein «Handelsmann». Dazu kamen Architekten und Baugeschäfte, die auf eigene Rechnung Häuser erstellten und verkauften. Villen im Heimatstil waren jetzt besonders beliebt, zuweilen in Anlehnung an ein barockes Landhaus entworfen, oder auch mit zeitgemässem Touch. Ab 1904 baute die Stadt den Weg durch das schnell wachsende Quartier aus. 1908 setzten die Anwohner seine Umbenennung durch: Nicht mehr Jägersteinweg hiess er nun, sondern Alpenstrasse, zum Missfallen des Schweizer Heimatschutzes, der bedauerte, «dass der Sinn für gute Eigenart (…) einer gewissen Grossmannssucht hat weichen müssen.» Noch im gleichen Jahr begann man unterhalb der Strasse mit dem Bau des Gymnasiums, einem Monumentalbau mit dominierender Fernwirkung. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde die Hangbebauung vervollständigt, zuerst noch vorwiegend im Heimatstil, ab 1930 zunehmend im Geist der Moderne. Auch die bedeutenden Architekten Salvisberg & Brechbühl sind hier vertreten: 1936 erstellten sie neben der Brücke unterhalb des «Jägersteins» ein grosszügiges Wohnhaus. Plan der Stadt Biel und Umgebung 1902, ausgeführt vom städtischen Katasterbüro (Vögeli). Im rechten oberen Drittel ist die «Villa Jägerstein» zu sehen, darunter der Jägersteinweg (die spätere Alpenstrasse) mit den ab 1896 entstandenen Wohnhäusern (Archiv Baudirektion der Stadt Biel). 7 22.04.16 15:41 9 Nachbarn. Architekt Harttig ging die Restaurierung 2014 pragmatisch an: Er frischte die qualitätvolle Ausstattung auf und griff nur dort ein, wo es bautechnisch notwendig war oder wo mit geringem Substanzverlust eine wesentliche Komfortverbesserung zu erreichen war. Spannend sei die Erarbeitung eines Farbund Materialkonzepts in Anlehnung an die Befunde einer Farbuntersuchung gewesen, erinnern sich die Eigentümer. Wollten sie die schweren dunklen Holzelemente holzsichtig belassen oder nicht? Sie entschieden sich für einen teilweisen Anstrich – die gliedernden Elemente blieben holzsichtig. Die ursprünglichen Öfen fehlten; im Bauteillager der Denkmalpflege fand sich jedoch mit zwei kleinen, bauzeitlichen Kachelöfen aus Bieler Produktion ein idealer Ersatz. Die Ausstattung der Nasszellen ist neu, aber perfekt auf das Haus abgestimmt. Die Küche verfügt – wie nebenan – über einen Ausgang in den Garten. Mit einem Kunstgriff schuf die Bauherrschaft zudem einen Durchgang ins Esszimmer: Türen und Rückwand des raumhohen Schranks wurden demontiert und das Innere neu verkleidet. Während der Innenrestaurierung entschieden sich Harttigs, das Dachgeschoss auszu- bauen. Da die Vergrösserung der bestehenden Lukarne die Proportionen des Hauses beeinträchtigt hätte, wurde ein Dachflächenfenster eingebaut. Diese Massnahme wurde von Sven Harttig und dem Bauberater der Denkmalpflege genau abgewogen. «Solche Diskussionen sind beim Bauen normal», sind sich Bauberater und Architekt einig. Die Raumkonzeption des Dachgeschosses hat sich in der Folge komplett geändert. Heute schätzen die Besitzer gerade die Geborgenheit, die der Dachraum ausstrahlt, ihr Refugium im turbulenten Arbeits- und Familienalltag. Eine Frage der Verhältnismässigkeit Auch bezüglich der Energiefrage analysierte Harttig seinen Hausteil sorgfältig und bestimmte gemeinsam mit dem Bauberater, wo eine Verbesserung sinnvoll ist. Das Dach wurde gedämmt, Erd- und Obergeschoss blieben einschliesslich der Fenster unverändert. Die Ästhetik der originalen Fenster gehört für beide Parteien zum Charakter und zum Charme ihres Hauses. «Wir könnten noch einiges machen, müssen aber nach der Verhältnismässigkeit und dem Substanzverlust fragen», findet Harttig, «energetisch darf man das Haus 10 8 « Weil wir nicht vom Fach sind, haben wir uns für den Unterhalt bei spezialisierten Handwerkern und bei der Denkmalpflege erkundigt. » Kuno Cajacob 8 Die grosszügig befensterte Loggia fängt viel Sonnenlicht ein. Die Fenster und Vorfenster stammen aus der Bauzeit und begeistern durch ihre Ästhetik. 9 Die Qualität zeigt sich im Detail, auch die sorgfältig gepflegten alten Rollläden sind heute zum Teil noch in Gebrauch. 10 Das Küchenfenster wurde zu einer Tür erweitert, die direkt in den Garten führt. In der modernen Küche fasziniert die Spannung zwischen Alt und Neu. 8 Sonderpubli_Denkmalpflegepreis_2016_B_l_Report.indd 8-9 22.04.16 15:41 11 «Im Winter wirkt der geheizte Kachelofen für uns wie eine eigenständige Persönlichkeit, er will achtsam befeuert werden.» (Kuno Cajacob). Kontaktadressen Planung und Ausführung (Alpenstrasse 35 und Fassaden) Harttig Architekten GmbH Mattenstrasse 90, 2503 Biel-Bienne T 032 365 60 30 www.harttig-architekten.ch 12 Der Terrazzoboden der Loggia weist ein Randfries mit goldschimmernden Steinchen auf, er musste lediglich gereinigt werden. 13 + 14 Der Garten ist für die Bauzeit und das Quartier typisch: Kiesflächen, Rabatten, Terrassen mit Mäuerchen aus Jurakalksteinen. 11 12 nicht mit heutigen Massstäben messen, aber man kann nicht alles haben.» In einem Baudenkmal zu wohnen, empfinden alle Bewohnerinnen und Bewohner als Bereicherung. Harttigs sind fasziniert von der Ästhetik und der bautechnischen Qualität; ihre Nachbarn schätzen es, das Wohngefühl, die Geschichte des Hauses zu spüren, und die verschiedenen Facetten der Architektur zu erleben: «Für jede Jahreszeit hat das Haus einen Joker; die Wärme der Kachelöfen im Winter, den wechselnden Lichteinfall in der Übergangszeit, den Garten im Sommer.» Nicht «schöner denn je» Der Garten ist für die Bauzeit und das Quartier typisch: Kiesflächen, Rabatten, bergseitige Terrassen mit Mäuerchen aus Jurakalksteinen. Die Einfriedung liessen Cajacobs aus wiederverwendeten Schmiedeeisengittern anfertigen. Alles ist instand gestellt, doch auch hier ist nicht «schöner denn je» das erklärte Ziel, sondern die alltägliche Nutzung. 2014 restaurierten die Besitzer gemeinsam die Fassaden und das Dach. Vorgängig hatten sie ein Farb- und Materialkonzept erstellt. Auch hier stand die Praxistauglichkeit im Vordergrund: Das Konzept wird als Leitplanke für künftige Unterhaltsarbeiten dienen. Eine erstaunlich bunte Farbkombination prägt heute das Gebäude am ehemaligen Bieler Rebhang. «Dass wir hier sind, ist für uns und für unsere Kinder ein Glücksfall», resümiert Nina Harttig. Dasselbe gilt auch umgekehrt: Ein Doppelhaus hat seine idealen Besitzer gefunden. Bauberatung Denkmalpflege Rolf Weber Denkmalpflege des Kantons Bern Münstergasse 32, 3011 Bern T 031 633 40 30 www.be.ch/denkmalpflege Nina und Sven Harttig mit ihren Kindern (links im Bild), Regula und Kuno Cajacob. Farbuntersuchung Hans-Jörg Gerber Ringstrasse 6, 2560 Nidau T 032 331 26 21 [email protected] Maler- und Gipserarbeiten Carmelo Aliberto Zohngasse 45, 2562 Port T 032 365 18 38, www.aliberto.ch Südfassade Roman Stalder GmbH Brünnmatten 20, 2563 Ipsach T 032 331 97 40, www.malerei-stalder.ch « Für jede Jahreszeit hat das Haus einen Joker; die Kachelöfen im Winter, den wechselnden Lichteinfall in der Übergangszeit, den Garten im Sommer. » Fenster Rosa Fenster GmbH Meisenweg 10, 3292 Busswil T 032 387 05 50, www.rosafenster.ch Schreinerarbeiten (Alpenstrasse 33), Martin Jegge Obergasse 4 und 10, 2502 Biel-Bienne T 032 323 49 58 www.jegge-antiquitaeten.ch (Alpenstrasse 35), Hurni + Sohn AG Riederenstrasse 10, 3206 Ferenbalm T 031 754 50 50 www.hurni-schreinerei.ch Kuno Cajacob Erdgeschoss 13 Holzböden Brodbeck AG Zentralstrasse 27, PF, 2501 Biel-Bienne T 032 329 32 00, www.brodbeck-ag.ch 14 Hafnerarbeiten Benjamin Zweifel Hinterstädtli 31, 4537 Wiedlisbach T 079 565 19 83 www.zweifelofenbau.ch WC Entree Küche Küche WC Entree Essen Wohnen Essen Daniel Enz-Rubin Scheunenberg 71, 3251 Wengi b. Bern T 032 389 50 63 Wohnen NEU WOHNUNG HARTTIG WOHNUNG CAJACOB N 0 10 Sonderpubli_Denkmalpflegepreis_2016_B_l_Report.indd 10-11 5 Schlosserarbeiten Schweres – Urs Himmelreich Metall- und Möbelbau Schloss Reichenbach, 3052 Zollikofen T 031 911 96 00, www.schweres.ch 11 22.04.16 15:41 SPEZIALPREIS 2016 Bauen und Wohnen im historischen Umfeld: Lust oder Last – oder von beidem etwas? Als Architekt setzt Sven Harttig auf die Ästhetik und die Qualität der alten Bausubstanz statt auf Luxus. Für ihn und seine Familie ist es eine grosse Bereicherung, in einem historischen Bauwerk zu wohnen. malpflege als kooperativen Partner kennen, dem bewusst ist, dass eine Bauherrschaft im Extremfall auch alle denkmalpflegerischen Vorschläge von sich weisen kann. Die finanzielle Unterstützung bei der Sanierung von Altbauten ist hingegen immer willkommen und kann Einfluss auf die Entwicklung eines Bauprojekts haben. Sven Harttig Wie beraten Sie als Architekt eine Bauherrschaft, die ein historisches Gebäude besitzt und dieses renovieren oder umbauen will? Das ist sehr individuell. Als Architekt ist man sicher in einer Vermittlerrolle, zwischen der Bauherrschaft, dem Gebäude, der Denkmalpflege. Die Leute sind sehr verschieden; es gibt jene, die die historische Bausubstanz schätzen und bereit sind, ihren Horizont zu öffnen, nach dem Motto: je mehr fachliche Meinungen, desto besser. Andere Bauherrschaften haben eher Berührungsängste, gerade bezüglich denkmalpflegerischer Aspekte, oder sehen mehr die wirtschaftliche Seite. Als Architekt muss man prüfen, wo man die Leute abholen kann, wie weit man gehen kann. Entsprechend muss ein auf die Bauherrschaft zugeschnittenes Renovierungskonzept erarbeitet werden. Dabei ist es wichtig, auch die finanzielle Seite zu beachten. Man muss einen Umbau in einem vernünftigen Rahmen halten, pragmatische Lösungen sind gefragt. Wie arbeiten Sie mit der Denkmalpflege zusammen? Die Diskussionen mit der Denkmalpflege sind oft intensiv, aber auch wertvoll: Oft ist es hilfreich, als Architekt einen Sparringpartner zu haben! Ich lernte den Bauberater der Denk- 12 Sonderpubli_Denkmalpflegepreis_2016_B_l_Report.indd 12-13 Es heisst oft «Denkmalpflege gleich teuer». Wie beurteilen Sie dies? Sanieren ist generell relativ teuer. Bei der Sanierung eines Altbaus gilt eigentlich das Gleiche wie für einen Neubau: Wenn man sich für gute Material- und Handwerkerqualität entscheidet, hat dies seinen Preis. Die fachgerechte Rekonstruktion von historischen Bauteilen kann kostspielig sein, man schafft damit aber auch einen Mehrwert. Der Mehraufwand, der bei der Restaurierung von historischen Bau- « Die Qualitäten alter Bauten kennenzulernen und zu verstehen, hat mein Architekturverständnis beeinflusst. » teilen entsteht, wird in der Regel durch die finanziellen Beiträge mehr oder weniger gedeckt. Interessanterweise ist die Sanierung jüngerer Bauten aus den 1960er- und 70er-Jahren oft komplexer als jene von älteren Gebäuden. Ältere Bauten haben den Vorteil, dass die Fügungen klar und die Leitungen sichtbar sind. Es sind eigentlich «mechanische» Bauten. Das macht die Restaurierung einfacher. Wer fühlt sich von historischen Bauten angesprochen? Ein Publikum, das den Wert eines solchen Baus erkennt, die originale Bausubstanz schätzt, und bereit ist, dafür etwas zu bezahlen. Altbauwohnungen sind beliebt, auch wenn ihr Standard häufig nicht mit einer Neubauwohnung zu vergleichen ist; zum gleichen Preis kann man in vielen Fällen auch in einen Neubau ziehen. Ich denke, die Ambiance macht sehr viel aus und bringt die Leute dazu, trotz eventueller Abstriche beim Komfort lieber in Altbauten zu wohnen. Wohnliches Gewerbehaus Der Spezialpreis der Fachkommission für Denkmalpflege würdigt das Engagement einer Bauherrin, die sich mit viel Elan für einen ehemaligen Lager- und Gewerbebau in Burgdorf eingesetzt hat. Text: Isabella Meili-Rigert, Hermann Häberli, Fotos: Verena Menz, Redaktion: Silvia Steidinger Was genau macht für Sie die Anziehungskraft dieser Häuser aus? Ich habe den Eindruck, dass in alten Häusern mehr Leute spontan finden «das gefällt mir, hier fühle ich mich wohl», als dies in modernen Bauten der Fall ist. Über die Gründe kann man philosophieren … Es hat wahrscheinlich mit unserer Wahrnehmungserfahrung zu tun. Alte Häuser rufen Bilder hervor, die uns vertraut sind, zu denen wir Assoziationen haben. Die Auseinandersetzung mit alten Häusern hat auch mein Verständnis für moderne Bauten verändert. Die Qualitäten alter Bauten kennenzulernen und zu verstehen, hat mein Architekturverständnis beeinflusst. Was bedeutet es für Sie persönlich und für Ihre Familie, in einem historischen Bauwerk zu wohnen? Es ist eine Bereicherung für uns! Wir sind heute schon gespannt, welchen Stellenwert das Haus für unsere Kinder in 20 Jahren haben wird. Auf jeden Fall versuchen wir, ihnen die Wertschätzung für ein solches Gebäude weiterzugeben. Es gibt Momente, in denen wir auf dem Sofa sitzen und uns ein spezielles Detail auffällt, das wir so noch nie wahrgenommen haben. Dies sind kleine Glücksmomente. Es ist für uns keine Einschränkung, in einem denkmalgeschützten Haus zu wohnen, eher das Gegenteil ist der Fall. Wenn man eine andere Wohnvorstellung hat, soll man sich nicht für ein solches Haus entscheiden. 1 Das ehemalige Büro- und Lagergebäude in Burgdorf ist ein Blickfang an der alten Ausfallstrasse nach Bern. I nterview: Elisabeth Schneeberger 13 22.04.16 15:41 ls die Glaskünstlerin Maya Manz das Haus an der Bernstrasse 9 Anfang 2014 erworben hatte, um darin zwei Wohnungen und ein Atelier mit Verkaufsraum zu schaffen, bot es einen recht tristen Anblick; die Fassaden waren stark verwittert, ein Loch klaffte in der nordöstlichen Stirnfassade, und eine Plane deckte notdürftig das undichte Dach über dem Eingangstrakt. 1860 von Robert Roller junior als Büro- und Lagergebäude für die Leinwandfirma der Gebrüder Fankhauser errichtet, war in dem schlichten, aber sehr wohlproportionierten Riegbau während mehrerer Jahrzehnte eine Druckerei betrieben worden. 2006 wurde der Bau an einen Investor verkauft. Der Abbruch des Hauses stand zur Diskussion, konnte aber abgewendet werden. In der Folge liess der Investor durch die Architekten Hunziker und Partner aus Oftringen im grossen Garten einen Wohnungsneubau planen, dessen Tiefgaragenzufahrt einzig noch den Abbruch der angebauten Remise erforderte. Der schützenswerte Altbau wurde abparzelliert und kam wieder auf den Markt. A Restaurierung orientiert sich am historischen Bestand Ein Glücksfall für die neue Bauherrin. Sie plante in Zusammenarbeit mit der kantonalen Denkmalpflege die Sanierung und den Umbau selber, engagierte für die Ausführung einen erfahrenen Bauleiter und arbeitete während unzähliger Stunden eigenhändig auf der Baustelle mit. Ausser den notwendigen Anpassungen an die neue Nutzung wurden alle Umbauphasen als historische Zeugnisse erhalten, instand gestellt und renoviert. Mussten Bauteile ersetzt werden, orientierte man sich am bauzeitlichen Originalbestand. Nach diesem Konzept wurden die Riegfassaden fachgerecht ergänzt und geflickt und in der bestehenden Farbgebung aus dem frühen 20. Jahrhundert neu gestrichen. Die Eingangsachse erhielt wieder eine Zinkblecheindeckung, die Kamine historisch korrekte Hüte und die Fenster wurden material- und stilgerecht ersetzt. Die Zimmer und ihre Nutzungen wurden über die Stockwerke hinweg so auf die Wohnungen aufgeteilt, dass auch die zweite interne Treppe weiterhin voll funktionsfähig ist. Gewerbliche Patina blieb erhalten Im bauzeitlich erhaltenen Erdgeschoss, wo einst Leinenstoffe gehandelt und später Druckwaren produziert worden waren, baute man ein Bad, eine Küche und einen kleinen Verkaufsladen ein, der den direkten Treppenabgang ins Atelier im Untergeschoss nutzen kann und der neu von der Strasse her zugänglich ist. Die originalen Farben der Wandtäfer wurden leicht aufgehellt und die alten Parkette von Hand geschliffen, sodass die Patina ihrer gewerblichen Nutzung erhalten blieb. Im Obergeschoss, wo im ursprünglichen Lagerraum bereits in den 1950er-Jahren eine Wohnung eingebaut worden war, wurden einzig der Standort der Küche verändert und wiederum die Oberflächen 14 Sonderpubli_Denkmalpflegepreis_2016_B_l_Report.indd 14-15 Kontaktadressen 4 Aus den ehemaligen Büroräumen entstand eine neue Nutzungseinheit als Küche und Esszimmer. Der Schrank ist von Küche und Esszimmer her nutzbar. Bauleitung Hausflüsterer Dieter Ballmer und Maya Manz Obstgartenstrasse 10, 3400 Burgdorf T 034 423 37 54 5 Das Atelier im Kellergeschoss wird durch die bestehende Treppe erschlossen, die direkt in das kleine, von der Wohnung abgetrennte Verkaufslokal im Erdgeschoss führt. Bauberatung Denkmalpflege Isabella Meili-Rigert Denkmalpflege des Kantons Bern Münstergasse 32, 3011 Bern T 031 633 40 30, www.be.ch/denkmalpflege Malerarbeiten Innen: Antonio Zizzari Steinhofstrasse 41A, 3400 Burgdorf T 034 422 06 24 Aussen: Pascal Singeisen Burgergasse 48, 3700 Burgdorf T 034 423 00 34, www.singeisen.ch Zimmerarbeiten Kühni AG Emmentalstrasse 102, 3435 Ramsei T 034 460 68 68, www.kuehni-ag.ch 2 aufgefrischt. Zusätzlich wurden zwei isolierte Kammern in den ansonsten kalt belassenen Dachraum eingebaut, die der oberen Wohnung als Gästezimmer dienen. Inzwischen ist auch der Neubau aufgerichtet – den Blickfang bildet aber wieder der Altbau. Würdigung So einfach und überzeugend kann Umbauen am Baudenkmal sein. Ein schlichtes, jedoch markantes Gebäude, dessen Umschwung fast gänzlich abhandengekommen ist, wurde auf selbstverständliche und grossartige Weise wiederbelebt. Der Bau behauptet sich überraschend im Strassenraum. Der kleine mediterran arrangierte Vorplatz, welcher situativ ganz unterschiedlich bis hin zum Autoabstellplatz genutzt wird, ist über zwei abgesenkte Fensteröffnungen erschlossen. Der Besucherin und dem Passanten tritt schon von weitem eine lebendige Gestaltung entgegen – allerdings ohne aufdringlich zu wirken. Im gepflegten Innern steht leichtes Mobiliar auf dem von schweren Druckerpressen und Druckerschwärze gezeichneten Parkettboden. Bei den vielen erbrachten aufwendigen Reparaturen und liebevollen Pflegemassnahmen erfreuen warme Farben und Oberflächen und auch eigenwillige Massnahmen, wie ein unkonventioneller eigenhändig applizierter Bodenanstrich, das Auge des Besuchers. Schien das Gebäude noch vor kurzem in seiner Existenz gefährdet, ist es mit seiner Geschichte und allerlei Geschichten wieder fit und bereit, die jetzigen und folgenden Generationen zu beherbergen. Der Spezialpreis würdigt das mit Sparsamkeit und feinem Gespür ausgeführte Teamwerk bei der Restaurierung und das grosse und vielseitige Engagement der Bauherrin. 2 Wo einst Maschinen standen, wird heute gewohnt. Hier mussten lediglich die Oberflächen aufgefrischt werden. 3 Das Treppenhaus im Obergeschoss erfuhr ausser einer farblichen Auffrischung keine Veränderung. 4 5 Fachkommission für Denkmalpflege Spezialpreis 2016 3 Der Spezialpreis der Fachkommission für Denkmalpflege wird 2016 zum dritten Mal verliehen. Während die kantonale Denkmalpflege mit dem Hauptpreis die respektvolle Behandlung eines Baudenkmals mit Alltagsnutzung würdigt, richtet der Spezialpreis das Augenmerk generell auf eine beispielhafte Restaurierung oder auf eine spektakuläre Einzelmassnahme. Beim Spezialpreis geht es nicht um ein Baudenkmal mit Alltagsnutzung wie beim Hauptpreis, sondern um die sorgfältige Restaurierung eines aussergewöhnlichen Baudenkmals – mit entsprechend aufwendigen Massnahmen, um eine bemerkenswerte Lösung oder das herausragende Engagement einer Bauherrschaft. Zur Auswahl steht die ganze Palette möglicher Bautypen, also Kirchen, Schlösser und Gasthöfe ebenso wie Wohnhäuser, Villen, Gewerbebauten oder seltene Bautypen wie Wettersäulen und Staumauern. Ziel des Denkmalpflegepreises und des Spezialpreises ist es, die Arbeit der Denkmalpflege an ein breites Publikum zu vermitteln und den Austausch mit Partnern zu fördern. Die Fachkommission für Denkmalpflege ist als externe Jury für die Wahl des Spezialpreises zuständig und bringt damit eine wichtige Aussen- sicht ein. Entscheidend sind zum einen allgemein gültige Kriterien wie die unbestrittene Qualität der Restaurierung, zum andern können auch innovative oder nachhaltige Lösungen den Ausschlag geben. Der Denkmalpflegepreis und der Spezialpreis zeigen auf, über welchen kulturellen Reichtum der Kanton Bern vom Jura bis ins Oberland verfügt und was im Bereich der Kulturpflege geleistet wird – insbesondere von privaten und öffentlichen Bauherrschaften, Architektinnen und Architekten und Bauschaffenden in Zusammenarbeit mit den Fachstellen. 15 22.04.16 15:41 Denkmalpflege des Kantons Bern Denkmalpflegepreis 2016 Die Denkmalpflege des Kantons Bern zeichnet mit dem Anerkennungspreis eine Bauherrschaft aus, die ein Baudenkmal mit Alltagsnutzung in Zusammenarbeit mit der Fachstelle sorgfältig restauriert und weiterentwickelt hat. Auch weniger beachtete – auf den ersten Blick – unspektakuläre Bauten rücken in den Fokus: Die Denkmalpflege legt mit dem Denkmalpflegepreis einen Akzent auf die zahlreichen charakteristischen, architektonisch, geschichtlich oder technisch interessanten Gebäude, welche die Identität unserer Dörfer und Städte genauso stark prägen wie Herrschaftsbauten und Kirchen, in deren Schatten sie oft stehen. Die Auszeichnung würdigt sowohl den respektvollen Umgang mit dem Baudenkmal als auch innovative Lösungen. Zu den Kriterien gehören die Qualität einer Restaurierung, die Sorgfalt in der Ausführung und die ökologische Nachhaltigkeit der Massnahmen. Im Vordergrund steht die Werterhaltung, nicht die Wertvermehrung. Mit einem angemessenen Budget soll Wohnqualität erhalten, optimiert oder geschaffen werden. Erziehungsdirektion des Kantons Bern Amt für Kultur/Denkmalpflege Direction de l’instruction publique du canton de Berne Office de la culture/Service des monuments historiques www.be.ch/denkmalpflege Die Denkmalpflege des Kantons Bern bedankt sich herzlich bei Regula und Kuno Cajacob sowie Nina und Sven Harttig, dem Fotografen Stefan Weber, der Fotografin Verena Menz sowie bei der Redaktorin Silvia Steidinger. Das Schweizer Magazin für Modernisierung erscheint sechsmal pro Jahr. Umbauen+Renovieren bietet Ihnen anschauliche Reports aus den Bereichen Umbau und Sanierung, Werterhaltung und Renovation sowie Umnutzung und Ausstattung. Dazu praktisches Wissen über Ausbau, Haustechnik, Baubiologie und Gestaltungsfragen vom Grundriss bis zur Farbe, von der Küche bis zum Badezimmer. Jede Ausgabe steht unter einem thematischen Fokus, was die präsentierten Objekte für den Leser vergleichbar macht. www.umbauen-und-renovieren.ch www.archithema.ch Sonderdruck der Denkmalpfl flege des Kantons Bern und der Zeitschrift UMBAUEN+RENOVIEREN, Archithema Verlag www.be.ch/denkmalpflege fl und www.archithema.ch Ausgezeichnet Umnutzung und Restaurierung des Schulhauses Mauss in Mühleberg, Kanton Bern 2010 Denkmalpflegepreis 2011 Denkmalpflegepreis 2012 Denkmalpflegepreis Umnutzung und Restaurierung des Schulhauses Mauss in Mühleberg Aussenrestaurierung eines Wohnhauses in Hünibach bei Thun Innenumbau eines Reihenhauses in Wabern Impressum Herausgeber: Archithema Verlag AG Rieterstrasse 35 8002 Zürich, T 044 204 18 18 www.archithema.ch Denkmalpflege des Kantons Bern Münstergasse 32, 3011 Bern, T 031 633 40 30 www.be.ch/denkmalpflege Verleger: Emil M. Bisig [email protected] Chefredaktion: Britta Limper [email protected] Redaktion: Silvia Steidinger [email protected] Grafik: Evelyn Acker [email protected] Bildtechnik: Thomas Ulrich [email protected] Druck: AVD Goldach Sulzstrasse 12, 9403 Goldach © 2016 Archithema Verlag AG Jeder Nachdruck, auch auszugsweise, ist nur mit Erlaubnis des Verlages, der Redaktion und der Denkmalpflege des Kantons Bern gestattet. 2013 Denkmalpflegepreis 2014 Denkmalpflegepreis 2015 Denkmalpflegepreis Innenrestaurierung eines Bauernhauses in Cortébert Sanfte Sanierung eines Wohnhauses in Muri bei Bern Grosses Engagement und neue Nutzungen für eine Mühle bei Bern 16 Sonderpubli_Denkmalpflegepreis_2016_B_l_Report.indd 16 13.04.16 15:28