14 3. Folgen 3.1. Definition. (a) (b) (c) Eine Folge reeller bzw. komplexer Zahlen ist eine Vorschrift, die jedem k 2 N eine reelle bzw. komplexe Zahl ak zuordnet. Eine Folge schreibt man meist (a1 , a2 , . . .) oder (ak )1 k=1 oder kurz (ak ). Sind n1 < n2 < n3 < . . . Elemente von N, so heißt (an1 , an2 , . . .) Teilfolge von (ak ). Es sei (ak ) eine Folge in R oder C und a 2 R bzw. C. Wir sagen (ak ) konvergiert gegen a oder (ak ) ist konvergent mit Grenzwert a falls zu jedem " > 0 ein n0 2 N existiert mit |ak a| < " f ür alle k n0 . k!1 (d) Wir schreiben lim ak = a oder ak ! a und nennen a den Grenzwert. Eine Folge, die keinen Grenzwert hat, heißt divergent. Eine Folge heißt Cauchy-Folge, falls gilt: Zu jedem " > 0 existiert ein n0 2 N mit |ak al | < " f ür alle k, l n0 . Die Existenz eines Grenzwerts wird hier nicht gefordert. 3.2. Satz. Jede konvergente Folge ist eine Cauchy-Folge. Beweis. Es sei xk ! x und " > 0. Wähle n0 so, dass |xk x| < "/2 für alle k k, m n0 : |xk xm | |xk x| + |x xm | < "/2 + "/2 = ". n0 . Dann ist für C 3.3. Beispiele. ⇣ ⌘ (a) Die Folge 1 konvergiert in R gegen 0. k (b) Die Folge (ik )k in C ist divergent. Beweis. (a) Es sei " > 0 vorgelegt. Wir müssen ein n0 finden mit |1/k Dazu wähle n0 2 N mit n0 > 1/".1 Dann gilt für k n0 : 1 1 1 <" | |= k k n0 für alle k 0| < " für alle k n0 . n0 . (b) Gäbe es einen Grenzwert z in C, so gäbe es zu " = 1/4 ein n0 mit |ik und somit |ik il | = |ik 1 für k 4 n0 1 für k, l n0 . 2 1 für beliebiges k 2 N, ist |i4k i4k+2 | = 2. Widerspruch. C z+z Da jedoch i4k = 1 ist und i4k+2 = z| il | |ik z| + |il z| 3.4. Satz. Der Grenzwert ist eindeutig: Konvergiert eine Folge gegen a und a0 , so ist a = a0 . Beweis. Sei " > 0. Dann existiert ein n1 : |ak a| < "/2 für alle k n1 und es existiert ein n2 mit |ak a0 | < "/2 für alle k n2 . Dann gilt für n0 max{n0 , n1 } : |a a0 | |a an0 |+|an0 a0 | < ". Also ist |a a0 | = 0 bzw. a = a0 . C 1Wieso gibt es eine solche Zahl? Nehmen wir an, die Menge der natürlichen Zahlen wäre nach oben beschränkt. Dann hätte sie ein Supremum s. Nach Definition des Supremums existierte ein n 2 N mit n > s jedoch n + 1 2 N mit n + 1 > s. Widerspruch! 1/2. Dann wäre 15 3.5. Satz. Es sei (zk ) eine Folge komplexer Zahlen, zk = xk + iyk und z = x + iy 2 C. Dann gilt ⇢ xk konvergiert gegen x, und zk konvergiert gegen z () yk konvergiert gegen y. Beweis. )“ Es sei zk konvergent gegen z = x + iy und " > 0. Dann existiert ein n0 mit |zk ” für alle k n0 . Also |xk |yk x| = |Re zk y| = |Im zk Re z| = |Re (zk Im z| = |Im (zk z)| |zk z)| |zk z| < " z| < "; z| < ". (“ Es sei " > 0 vorgelegt. Dann existiert ein n1 mit |xk x| < "/2 für alle k n1 und es ” existiert ein n2 mit |yk y| < "/2 für alle k n2 . Setze n0 = max{n1 , n2 } und z = x+iy. Dann gilt für k n0 |zk z| = |xk x + iyk iy| |xk x| + |yk y| < ". C 3.6. Lemma. Ist die Folge (xk ) konvergent, so ist sie auch beschränkt, d. h. 9C 0 : |xk | C f ür alle k 2 N. Beweis. Zu " = 1 existiert ein n0 mit |xk x| < 1 für k n0 . Damit ist |xk | |xk x|+|x| 1+|x| für alle k n0 . Für C = max{|x1 |, . . . , |xn0 1 |, |x| + 1} ergibt sich die Behauptung. C 3.7. Satz: Rechenregeln für Grenzwerte. Es seien (xk ), (yk ) Folgen in K (K = R oder K = C), x, y 2 K. (a) (b) Aus xk ! x und yk ! y folgt xk + yk ! x + y und xk yk ! xy. Gilt xk ! x und x 6= 0, so ist xk 6= 0 für alle hinreichend großen k, und es gilt Insbesondere gilt dann yk /xk ! y/x für jede Folge yk ! y. 1 xk ! x1 . Die Umkehrung der Aussage in (b) gilt nicht! Beweis. (a) (Additivität) Es sei " > 0 vorgelegt. Dann existieren n1 , n2 mit |xk k n1 und |yk y| "/2 8k n2 . Für k n0 := max{n1 , n2 } folgt |(xk yk ) (x y)| |xk x| + |yk x| "/2 für alle y| < ". (Multiplikativität) Nach Lemma 3.6 existiert ein C 0 mit |yk | C für alle k. Zu " > 0 wähle n1 und n2 so, dass " |xk x| < für alle k n1 , und 2C " |yk y| < für alle k n2 . 2|x| + 1 Für k max{n1 , n2 } folgt |xk yk xy| = |xk yk xyk + xyk |xk yk xyk | + |xyk xy| |xk x| |yk | + |x| |yk y| " " < C + |x| ". 2C 2|x| + 1 xy| 16 (b) Zu |x| = |xk |x| 2 Wähle n0 > 0 existiert ein k0 mit |xk x| < = |x| 2 für k x| |x|/2 für k k0 . Sei " > 0 vorgelegt. Nun ist |xk 1 x 1 | = |x k0 so, dass |x 1 xk | < |xk 1 xk )xk 1 | |x| (x x " 2 2 |x| 1 |< für k 1 |xk | 1 |x k0 . Dann ist |xk | xk |. n0 . Dann ist 1 2 " 2 |x| ". |x| |x| 2 C Einige Besonderheiten reeller Folgen. 3.8. Definition. Eine Folge (xk ) in R heißt monoton wachsend, falls streng monoton wachsend, falls monoton fallend, falls streng monoton fallend, falls 8k 8k 8k 8k. xk+1 xk xk+1 > xk xk+1 xk xk+1 < xk 3.9. Satz. Monoton wachsende, nach oben beschränkte Folgen reeller Zahlen sind konvergent: Gibt es ein C 2 R mit xk xk+1 C für alle k, so gilt xk ! x = sup{xk }. Beweis. Es sei " > 0 vorgelegt. Nach Definition des Supremums existiert ein n0 mit xn0 > x Für alle k n0 gilt also x und somit |x ". xk | < ". " < xn0 xk x C 3.10. Folgerung. Ist die Folge (xk ) monoton fallend und nach unten beschränkt, so ist (xk ) ebenfalls konvergent. (Betrachte ( xk )!) 3.11. Satz. Stabilität des Grenzwerts. Es seien (xk ), (yk ) Folgen in R mit xk yk für alle k. Gilt: xk ! x und yk ! y, so folgt x y. Beweis. Annahme: x > y. Setze " = x y > 0. Dann existieren n1 , n2 mit |xk k n1 bzw. |yk y| < "/2 für alle k n2 . Für k max{n1 , n2 } gilt xk > x "/2 = y + "/2 > yk . x| < "/2 für alle Widerspruch! C 3.12. Satz. Schachtelungssatz. Es seien (ak ), (bk ), (xk ) Folgen in R und a k x k bk für alle k 2 N. Gilt ak ! x und bk ! x, so ist auch (xk ) konvergent, und xk ! x. Beweis. Es sei " > 0 vorgelegt. Dann existieren n1 , n2 mit |ak x| < "/3 für k für k n2 . Setze n0 = max{n1 , n2 }. Dann gilt |xk x| |xk |bk |bk ak | + |ak x| ak | + |ak x| x| + |x ak | + |ak n1 , |bk x| < "/3 x| < ". 3.13. Satz. In R ist jede Cauchy-Folge konvergent. Eine Menge, in der jede Cauchyfolge einen Grenzwert hat, nennt man vollständig. C 17 Beweis. Es sei (xk ) eine Cauchy-Folge. Wir definieren zwei neue Folgen ik = inf{xj : j k} und sk = sup{xj : j k}. Dann gilt ik xk sk für alle k (ik ) monoton wachsend und beschränkt (ik s1 für alle k) ) (ik ) konvergiert gegen ein i 2 R. (sk ) monoton fallend und beschränkt (sk i1 für alle k) ) (sk ) konvergiert gegen ein s 2 R. Zeige: i = s. Ist " > 0 vorgelegt, wähle n0 so groß, dass |xj xk | < "/5, i ik < "/5, sk s < "/5 für j, k n0 . Ferner existieren j0 , k0 n0 mit xj0 > sn0 "/5 und xk0 < in0 + "/5. Dann ist s i = |s i| |s sn0 | + |sn0 xj0 | + |xj0 xk0 | + |xk0 in0 | + |in0 i| < ". C Mit 3.12 folgt die Behauptung. 3.14. Folgerung. C ist vollständig. Beweis. Sei (zk ) eine Cauchy-Folge in C. Dann sind (Re zk ) und (Im zk ) Cauchy-Folgen in R nach 3.5. Mit 3.13 folgt, dass (Re zk ) und (Im zk ) Grenzwerte in R haben, und schließlich mit 3.5, dass (zk ) einen Grenzwert in C hat. C 3.15. Definition und Bemerkung. Man sagt, eine Folge (ak ) reeller Zahlen divergiere bestimmt gegen +1 und schreibt lim ak = +1, falls gilt: 8M > 09n0 : ak > M 8k n0 . Dies ist äquivalent dazu, dass ab einem festen Index n1 gilt ak > 0 und lim a1k = 0. (Wieso?) Ebenso: lim ak = 1, falls lim( ak ) = +1, d.h. falls 8M > 09n0 : ak < 3.16. Beispiele. ⇣ ⌘ (a) Die Folgen 1j , j = 1, 2, 3, . . . konvergieren in R gegen 0. k (b) Ist z 2 C mit |z| < 1, so ist die Folge (z k ) eine Nullfolge. (c) Für z 2 C mit |z| < 1 und r 2 N ist lim k r |z|k = 0. p k (d) k ! 1. p (e) Es sei a > 0. Dann gilt k a ! 1. p k (f) k 2 + k + 2 ! 1. p k (g) ( k!) divergiert bestimmt gegen +1. M 8k n0 . Beweis. (a) (b) Wir wissen, dass 0 k1j k1 für k 2 N und j = 2, 3, . . . Also folgt die Behauptung aus 3.3 und dem Schachtelungssatz. Es sei " > 0 vorgelegt. Wir haben zu zeigen, dass ein n0 existiert mit |z k | < " für alle k n0 bzw., äquivalent dazu, dass |z1k | > 1" für alle k n0 . 1 1 Es ist |z| > 1. Setze := |z| 1. Wähle n0 so groß, dass n0 > 1" . Dann gilt für k n0 nach der Bernoullischen Ungleichung: ✓ ◆n 0 Bernoulli 1 1 1.11 1 1 1 n0 = = = (1 + ) 1 + n0 > . |z|n0 |z| " |z k | |z|k (c) (1) Setze bk = k r |z|k . Dann gilt: bk+1 (k + 1)r |z|k+1 = = bk k r |z|k ✓ 1 1+ k ◆r |z|. Aus lim(1 + k1 )r = (lim(1 + k1 ))r = 1 und |z| < 1 folgt, dass ein 0 C < 1 existiert mit bk+1 Cbk für k k0 , k0 geeignet. Mit vollständiger Induktion folgt 0 bk0 +m C m bk0 ! 0, für m ! 1. Also bk ! 0. 18 (d) (e) (f) (g) Zeige: Zu " > 0 existiert ein n0 mit p k k 1 < ": ⇣ ⌘k ⇣ ⌘k 1 1 1 Es ist 0 < 1+" < 1. Somit ist nach (c) lim k 1+" = 0. Es folgt k 1+" < 1 bzw. p k 1 < k < (1 + ")k für k n0 , also auch 1 < k < 1 + " für k n0 . Für a 1 folgt dies aus dem Schachtelungssatz, weil für alle k a gilt: p p k 1 a k ) 1 k a k ! 1. q 1 k 1 Für a < 1 betrachte 1/a: p k a = a ! 1. p p p p p k Schachtelungssatz und Rechenregeln: 1 k k 2 + k + 2 4k 2 = k 4 k k k k ! 1. p Zu zeigen: Zu M > 0 existiert n0 mit M k /k! < 1 bzw. k k! > M für alle k n0 . Nun ist für k k0 2M : Mk M k0 M M M k0 k0 = · ... · 2 k! k0 ! k0 + 1 k k0 ! | {z } (k k0 ) Faktoren 1/2 für hinreichend großes k nach (c). k <1 C 3.17. Satz von Bolzano-Weierstraß. In R und C hat jede beschränkte Folge eine konvergente Teilfolge. Beweis. 1.Fall: Folge in R. Auf Grund der Beschränktheit gibt es ein Intervall [a1 , b1 ], a1 < b1 , 1 in dem alle Folgenglieder liegen. Wir halbieren es und erhalten zwei Teilintervalle [a1 , a1 +b 2 ] 1 und [ a1 +b 2 , b1 ]. In einem davon (evtl. in beiden) liegen unendlich viele Glieder. Wir nennen es [a2 , b2 ]. Schrittweise erhalten wir eine ineinander geschachtelte Folge von Intervallen Ij = [aj , bj ], deren Länge bj aj gegen Null konvergiert. In ihrem Durchschnitt liegt genau ein Punkt x (Übungsaufgabe). Wählt man Folgenglieder xkj 2 Ij mit k1 < k2 < . . . so hat man die gesuchte (gegen x) konvergente Teilfolge. 2. Fall: Folge in C. Ebenso mit Real- und Imaginärteil. C