Im Schutz des Kollektivs? Reflexionen zu einem an der Abteilung für

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Im Schutz des Kollektivs? Reflexionen zu einem an der Abteilung für Musikpädagogik
der Universität Mozarteum durchgeführten Forschungsprojekt
(Referat im Rahmen der MFÖ-Tagung an der Universität Mozarteum Salzburg im April
2013)
Eine Szene aus einem Bauerntheater? Bedrückend, ja erdrückend erscheint für ein junges
Mädchen das Kollektiv der Familie, ein wortloses Gemeinsam, bestimmt von Alltagsklängen
wie dem Klappern von Geschirr, dem Rascheln der Zeitung…. Der Ausbruch des
Individuums, die Flucht in eine wiederum hermetisch abgeschlossene Gemeinschaft
Gleichaltriger, die Auflehnung des Individuums einerseits und dessen Bestreben eine
gewohnte Ordnung wiederherzustellen andererseits. Familie, Beheimatung als bedrohliche
Kräfte, die Entwicklung, ja ein Atem-Schöpfen der Einzelpersönlichkeit verhindern?
Das Materialangebot Individuum ↔ Collectivum, das der slowenische Komponist
Vinko Globokar in einer in den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts erstellten Sammlung
anbietet, als Einladung, einen ganz persönlichen improvisatorischen Zugang zu finden,
inspirierte die Schülerinnen und Schüler der 7A-Klasse des BORG-Nonntal Salzburg vorerst
nicht zum freien Experiment mit Klängen, sondern zur Erzählung einer plakativ anmutenden
Geschichte. In diese wurden gleichsam ‚retrospektiv‘ einzelne Übungen, die der Komponist
vorschlägt, eingebettet.
Sehr verehrte Damen und Herren. Es wäre wohl das Ideal von für Forschungsprojekte
Verantwortlichen, ein bis ins kleinste Detail stimmiges Ergebnis vorstellen zu können. Das
wird uns in unserem Zwischenbericht eines vom Bundesministerium für Wissenschaft und
Forschung geförderten Sparkling Science Projekts unter dem Titel Individuum ↔
Collectivum nicht gelingen, zu überraschend gestalteten sich manche Prozesse innerhalb eines
prinzipiell klar abgesteckten Rahmens.
Wir geben vorerst einen kurzen Einblick in die Projektkonzeption, kommen dann auf
die Rolle der in den Prozess Eingebundenen zu sprechen und werden schließlich das bislang
Geschehene kritisch reflektieren und in einen größeren Kontext einbinden.
Zunächst ein paar Worte zur Konzeption unseres auf zwei Jahre ausgerichteten, im
Spannungsfeld von Wissenschaft und Kunst sowie an der Schnittstelle zwischen Schule und
Universität angesiedelten Forschungsprojektes. In Anlehnung an die impulsgebende, ab 1979
verfasste Materialsammlung des zeitgenössischen Komponisten Vinko Globokar ist dieses mit
dem programmatischen Titel Individuum ↔ Collectivum überschrieben.
Basierend auf seiner Philosophie des „selbstverantwortlichen Musikers“ bietet der
Komponist Modelle offenen Charakters, die Ausführende zur Improvisation sowohl alleine
als auch in der Gruppe anregen und ihnen den Zugang zu Neuer Musik über den Schritt des
Selbst-Tuns erleichtern sollten. Globokar in einem Interview: „Weniger durch das Spielen
kann man junge Leute an Neue Musik heranführen als durch Erfindung. Das macht sie
toleranter gegenüber Neuer Musik, neuer Kunst im Allgemeinen“.
Besonders zwei Aspekte ließen das Material zum Zeitpunkt der Projektkonzeption als
geradezu prädestiniert für die Arbeit im schulischen Umfeld erscheinen: Zum einen die
Tatsache, dass Globokar die von ihm entwickelten Modelle in drei Notationsvarianten
anbietet und damit sowohl Profis als auch notenunkundigen Ausführenden eine
Auseinandersetzung ermöglicht. Zum anderen erweist sich die Intention des Komponisten,
wonach die Vorschläge sowohl zum kreativen „Akt“ selbst als auch zu einer Reflexion über
daraus resultierende ästhetische und soziale Prozesse anregen sollten, als idealtypischer
Anknüpfungspunkt für unser Konzept, zielt doch das Projekt global gesprochen auf eine
Synthese aus kreativ-künstlerischer Arbeit und Reflexion auf verschiedenen Ebenen ab.
Eine erste Ebene dieser Reflexion findet bereits „im Klassenraum“ statt. Die
Schülerinnen und Schüler sind aufgefordert, ausgehend von Globokars Material nicht nur ein
künstlerisches Produkt zu kreieren, sondern den gestalterischen Prozess ebenso wie die
sozialen Interaktionen zu reflektieren. Der Bogen spannt sich hierbei von prozessbegleitenden
Reflexionen wie Tagebucheinträgen, Facebook-Statements etc. über retrospektive
Überlegungen in Form der inhaltlichen Booklet-Gestaltung der von der Aufführung
produzierten DVD bis hin zur angeleiteten Reflexion via Interview und Fragebogen.
Basierend auf dem Material der Schülerinnen und Schüler, den Unterrichtsbeobachtungen
eines Studierendenteams und ausführlichen Interviews mit den involvierten Lehrenden aus
den Bereichen Musik, Bildnerische Erziehung und Deutsch kommt es durch das
wissenschaftliche Team zu einer weiteren Form der Reflexion und im nächsten Schritt zu
einer Evaluation, für die sich folgende Fragen als zentral erweisen:
• Wie lassen sich die musiktheatralisch-künstlerischen Prozesse als ästhetische und
soziale Phänomene beschreiben?
• Welche Methoden erweisen sich als besonders geeignet, um ästhetische Prozesse
fassbar zu machen?
• Welche Rückschlüsse ergeben sich aus der Beobachtung und Analyse dieser Prozesse,
um in Folge ästhetische Kompetenzen im Musikunterricht gezielt fördern zu können?
Der Mehrwert für die involvierte Klasse liegt zunächst in der Möglichkeit, nicht nur kreativ
zu agieren, sondern das individuelle und kollektive künstlerische Tun kritisch zu reflektieren.
Die Auswertung dieser Reflexionen im Zusammenspiel mit den Beobachtungen der
Studierenden wird auch Rückschlüsse auf die sozialen Interaktionen innerhalb des
Klassenverbandes geben, die im Idealfall relevant für die Bewältigung des Schulalltages
abseits derartiger Projekte sein können.
Vielfältige Individuen, aber auch unterschiedliche Kollektive treffen aufeinander: Das
dem Antrag angeschlossene Organigramm hat leichte Modifikationen erfahren – Fragen zum
Rollenverständnis der in den Prozess Involvierten sind in vorerst nicht vorhergesehener
Intensität in den Fokus unserer Aufmerksamkeit gerückt:
ORGANIGRAMM
Projektleitung
Koordination des Forschungsprojekts
Moderation des Workshops
Zusammenführung der Ergebnisse
Gedankenaustausch auf nationaler und
internationaler Ebene
Wissenschaftliche
Mitarbeiter
§
§
§
§
§
§
§
§
§
Kontaktaufnahme mit
dem Komponisten und
Betreuung im Rahmen
des
Einführungsworkshops
Protokollierende
Begleitung der
Gestaltungsprozesse
Qualitative
Inhaltsanalyse
Durchführung von
Leitfadeninterviews
Redaktionelle Betreuung
der Publikationen
Impulse im Workshop
(Bedeutung sozialer
Interaktionen)
Begleitung des Prozesses
Beratung von
Mentorinnen,
Lehrenden,
Schülerinnen/Schülern
in
Supervisionsgesprächen
Schülerinnen/Schüler der
7A-Klasse des BORGNonntal
§
Mentorinnen/Mentoren
Künstlerische
§
§
Künstlerinnen/Künstler
Wissenschafterinnen/Wissenschafter
Impulsgeber im Rahmen des
Einführungsworkshops
Impulsgeber im Rahmen des
Begleitung des vorerst
in Kleingruppen
stattfindenden
Gestaltungsprozesses
als
Beraterinnen/Berater
Protokollierung der
Beobachtungen im
Rahmen des
Gestaltungsprozesses
Hilfestellungen in der
Analyse des Materials
Lehrende der 7A-Klasse
am BORG-Nonntal
§
Kontakt mit der
Projektleitung
§
§
§
Realisierung der
Partitur
Beobachtung,
Beschreibung, und
Analyse des
Gestaltungsprozesses
Reflexion des Prozesses
in seiner Bedeutung für
ein schulisches Leitbild
Multi-MediaPräsentation
Arbeitsprozesses
§
§
§
§
Begleitung des
Prozesses in beratender
Funktion
Moderation
Reflexion des Prozesses
in seiner Bedeutung für
ein schulisches Leitbild
mit den
Schülerinnen/Schülern
Unterstützung der
Schülerinnen/Schüler
bei der Multi-MediaPräsentation
Veränderungen haben sich insbesondere im Rollenverständnis der den Prozess begleitenden
Mentorinnen und Mentoren ergeben. Aus der gegenwärtigen Perspektive erscheint es
sinnvoll, den Terminus Mentor durch Beobachter zu ersetzen, denn: Um Trennschärfe zu
gewährleisten, ein Vermischen der Aufgabenstellungen zu verhindern, wurde davon Abstand
genommen, die Mitglieder des Forschungsteams als Impulsgeberinnen und Impulsgeber
kreativen Gestaltens in den Prozess einzubinden. Vielmehr wurde die eigene Aufgabe auf die
Beobachtung vorweg klar definierter Aspekte ästhetischen und sozialen Handelns der Klasse
beschränkt. Diese Entscheidung verlangte den als Beobachterinnen und Beobachter tätigen
Lehramtsstudierenden der Schulmusik ein hohes Maß an, ich möchte es übersteigert als
Leidensfähigkeit beschreiben, ab. Anders als in einem in Wien von Wilfried Aigner
durchgeführten Projekt, konnten sie trotz ihrer Vorerfahrungen im Umgang mit
experimenteller Musik keine persönlichen Impulse setzen. Diskrepanzen des von den
Schülerinnen und Schülern Gestalteten mit eigenen ästhetischen Vorstellungen mussten
ebenso ertragen werden wie Zeiträume, in denen scheinbar ‚nichts weiterging‘. Die Tatsache,
dass die Schülerinnen und Schüler sich nur sehr sparsam der eigens eingerichteten
Faccebook-Plattform bedienten, kaum auf die aus der Position der Beobachterinnen und
Beobachter gestellten Fragen eingingen, musste akzeptiert werden. Es waren dies
Erfahrungen, die sicher auch Erwartungen der Studierenden an die Gestaltung von
Forschungsprozessen in Frage stellten. Anders, als in einem klar strukturierten, an
Einzelschritten orientierten Setting ließ die für alle Beteiligten hohe Komplexität der
Aufgabenstellung Erfolg im Sinn von Erkenntnisgewinn zumindest vordergründig nicht
augenfällig werden. Dass sehr wohl wesentliche Denkanstöße für weitere
Forschungsvorhaben gegeben wurden, darauf werden wir am Ende zurückkommen. Der Blick
soll sich jedoch zuerst den schulischen Individuen und Kollektiva, den Lernenden und
Lehrenden zuwenden.
Die erste Aufgabe des Lehrerteams ist die organisatorische Planung und Durchführung
des Projekts. Dabei ist schulintern der Zeitrahmen abzustecken, Räume für die Probenarbeit
sind festzulegen. Im konkreten Projekt war natürlich auch die Kommunikation mit der
wissenschaftlichen Betreuungsgruppe des Mozarteums und mit dem Veranstalter Salzburg
Biennale wichtig.
Die zweite und m.E. wesentlich umfangreichere Aufgabe besteht darin, den kreativen
Prozess in der Klasse in Gang zu bringen uns unterstützend zu begleiten. Ausgangsmaterial
waren einige ausgewählte Passagen aus Vinco Globokars Individuum ↔ Collectivum, mit
denen die Klasse konfrontiert wurde, konkret mit den Nummern 28 bis 30 aus dem dritten
Heft. Manche der Konzepte wurden im Musikunterricht ausprobiert und diskutiert. Bald
stellte sich jedoch heraus, dass die Jugendlichen einen anderen Zugang zu dem
Grundgedanken Individuum und Kollektiv suchten und eine sehr viel konkretere Darstellung
anstrebten. Die Produktion sollte eine durchgehende Geschichte haben, die in logischer
Szenenabfolge dargestellt wird. Demgegenüber steht die doch viel abstraktere Konzeption
Globokars.
An diesem Punkt waren wir als betreuende Lehrpersonen mit der Entscheidung
konfrontiert, in welcher Form und wie stark wir eingreifen sollten. Einerseits manifestierte
sich der Wunsch der Klasse ziemlich stark, andererseits waren da die Vorgaben und
Erwartungen seitens der Salzburg Biennale.
Wir haben relativ wenig in den eigentlichen kreativen Prozess eingegriffen. Was die
Auswahl und Gestaltung der Szenen betrifft, waren die Vorstellungen der Jugendlichen
ziemlich konkret und detailliert. In der eigentlichen Probenarbeit waren allerdings alle
beteiligten Lehrpersonen gefordert um die angestrebte Qualität in Text, Bild, Darstellung und
Klang zu erreichen. Seitens der Musik wurde das Konzept Globokars mehrmals
hineinmoniert. Übrig geblieben sind die Idee einer Montage unterschiedlicher Musikstile
(nach 28b), die Verwendung vorher aufgenommener Naturgeräusche (29a und b) und in
rudimentärer Form die Verwendung von Alltagsgegenständen als Musikinstrumente
(entspricht 30b).
Fazit: Will man kreatives Arbeiten der Jugendlichen ermöglichen, so braucht es
einerseits konkrete Anregungen, andererseits den Mut zuzulassen, dass die Dinge sich anders
entwickeln als ursprünglich geplant. Die Begleitung durch die jeweiligen Lehrpersonen ist
aber notwendig, um einer Beliebigkeit der künstlerischen Mittel ggf. Einhalt zu gebieten.
Interessant war für mich auch die Beobachtung, dass die Schülerinnen und Schüler
sich zwar sehr genau überlegen, was sie spielen wollen, sich über die Wirkung auf das
Publikum kaum Gedanken machen. Auch hier muss man sie gelegentlich anleiten, sich auch
in die Position eines Zusehers zu versetzen.
Freiheit im künstlerischen Ausdruck ist notwendig, genauso aber auch immer die
beratende Begleitung. Das richtige Maß wird wesentlich im Austausch zwischen Schüler- und
Lehrergruppe bestimmt und ist somit ein wichtiger kommunikativer Aspekt eines solchen
Projekts.
Betrachtet man das Projekt, so scheint oberflächlich gesehen der Gewinn auf eine sehr tief
greifende Evaluierung, die gerade für die Lehrenden und die Direktorin der Schule
Aufschlüsse über weitere Gestaltungen der Polyästhetischen Werkstätte geben könnte,
beschränkt. Ein enges kommunikatives Netzwerk wurde insbesondere durch die vielfältigen
Interviews aufgespannt. Eine qualitative Inhaltsanalyse verspricht hier Aufschlüsse: einerseits
in ästhetischer Hinsicht – etwa reflektiert in der Sehnsucht der Lernenden nach einer
konkreten Geschichte, in ihrer anfänglichen Ablehnung von Globokars experimentellem
Zugang; andererseits in sozialer Hinsicht, z.B. in der Analyse der Gründe, die die Klasse
vorerst als in sich geschlossenes, auch von ihren Lehrenden abgeschottetes Kollektiv auftreten
ließen. Handelt es sich hier aber nicht um mit dem Mikroskop herangezoomte Details, deren
Analyse den doch sehr großen Aufwand nur bedingt lohnt?
Ich durfte Stadien im Entstehungsprozess dieses Projekts in zwei Großtagungen
präsentieren, einerseits im November bei einer internationalen Tagung in Quebec,
andererseits im Februar beim EAS-Kongress in Leuwen. Was für mich im Rahmen beider
Veranstaltungen augenfällig wurde war die Tatsache, dass sich unser auf einen so engen
Rahmen beschränktes Anliegen überraschend einfügt in Gedanken, die sich gegenwärtig
offensichtlich als bedeutsam für Beschreibungen und Analysen von Musikunterricht erweisen.
Denkanstöße, entstanden in der Zusammenschau von zentralen Überlegungen im
internationalen wissenschaftlichen Diskurs mit unseren Einblicken, scheinen die Begrenzung
des ‚kleinen Einzelprojekts‘, das allein aus sich selbst seine Berechtigung erfahren kann, zu
durchbrechen.
In Quebec wurde durch die Themenstellung „Music Learning: Benefits for the 21stcentury-learner“ die Perspektive der Lernenden in den Brennpunkt des Interesses gestellt. Die
Forderungen der kanadischen Keynote-Sprecherin Susan O’Neill, den Wert künstlerischer
Gestaltungen durch Jugendliche anzuerkennen, Freiräume für kreatives Gestalten zuzulassen
und Prozessen des selbstgesteuerten Lernens mit Wertschätzung zu begegnen, mögen platt
und selbstverständlich wirken: Dennoch, betrachtet man unser Projekt, so entstand eine
zentrale Belastungsprobe im Ausloten dieser offenen Räume in ganz unterschiedlichen
Erwartungen an Musik durch Lernende und ihre Lehrenden. Wo hat in diesem Kontext
ästhetische Erziehung anzusetzen? Erscheint es sinnvoll, sich als Lehrender vorerst tatsächlich
in die Rolle des Beobachters zurückzuziehen? Oder aber, wird hier Stillstand riskiert, in
einem selbstverliebten, praktizistischen Werkeln der Schülerinnen und Schüler? Wie ist in
diesem Kontext der absolut berechtigte Einwand von Hans Schneider im Anschluss an die
Klassenpräsentation zu verorten, dass gewisse künstlerische Kriterien etwa auch im Einbezug
von Popularmusik gewährleistet werden müssen? Es sind dies Fragen, die m.E. nicht
generalisierend beantwortet werden können, in denen vielfältige Facetten im Netzwerk
individueller und kollektiver Ansprüche ins Spiel kommen. Dennoch sollten sie immer wieder
aufs Neue gestellt werden, in Reflexionen von Unterricht einfließen, gerade auch vor dem
Hintergrund von Lehrwerken, die ein Step by Step Vorgehen befürworten und damit
ausgehend von der These, dass ästhetischen Prozessen ein gerütteltes Maß an Vergleichbarem
innewohnen muss, ein sehr eng gefasstes Korsett im Prozess des Musik-Lernens und MusikLehrens befürworten.
In Leuwen wurde sowohl in Keynotes als auch in vielfältigen Beiträgen practiceresearch in den Mittelpunkt gerückt und damit deutlicher die Perspektive des Lehrenden
mitgedacht. Unser Ansatz integriert die Sichtweise der in den Gestaltungsprozess involvierten
Lehrenden an zentraler Stelle. Diese wurden in Leitfadeninterviews im Verlauf des
künstlerischen Entstehungsprozesses befragt, nun – nachdem das Stück der Jugendlichen im
Rahmen der Salzburg Biennale 2013 einer Öffentlichkeit präsentiert wurde – soll eine zweite
Befragung stattfinden. Die unterschiedlichen Schattierungen in der Betrachtung der
Erarbeitungsphase, der teilweise fast divergent anmutende Umgang mit der Spannung
zwischen persönlichen ästhetischen Erwartungen und den künstlerischen Entscheidungen des
Klassenkollektivs legen nahe, dass die Perspektive des Außenstehenden, des
Interviewpartners, einen nicht unwesentlichen Rahmen für ein Sich-Mitteilen darstellen kann
und dass gerade im Vergleich der Sichtweisen sich ein befruchtendes Potenzial für
Revisionen in der Gestaltung weiterer Projekte ergeben kann. Überlegungen, die in diesem
Zusammenhang aufgeworfen wurden, könnten dann auch ein Gerüst für künftige Reflexionen
des eigenen Lehrens darstellen.
Ein weiterer Themenkomplex, der sorgsame Umgang mit Zeit, kann hier nur
angerissen werden: Kommunikation braucht Zeit. Wir dürfen dank einer Förderung ein
gerütteltes Maß an Zeit in die Analyse von Leitfadeninterviews, die Notizen, die in
Unterrichtsbeobachtungen entstanden, in Tagebuchaufzeichnungen und Facebook-Einträge
verwenden. Wir durften viel Zeit miteinander verbringen, in Diskussionen,
Nachbesprechungen… Wir mussten die Begrenzungen von Zeit durch Stundentafeln,
Schulglocken erfahren – ein künstlerischer Prozess hat sich, ob vieler Fragmentierungen
durch den Schulalltag vielleicht über einen zu langen Zeitraum zwischen Oktober und März
erstreckt. Wir waren gezwungen zu lernen auch Spannen zu akzeptieren, in denen aus der
Perspektive der Beobachtenden Zeit durch die Jugendlichen vergeudet wurde, oder vielleicht
doch nicht?
Ihnen danken wir für die Zeit, die Sie aufgewendet haben, uns zuzuhören.
Michaela Schwarzbauer, Julia Hinterberger, Reinhold Kletzander
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