Soziale Verantwortung und ethishe Urteilsbildung

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Soziale Verantwortung & ethische Urteilsbildung
in Wirtschaft, Politik und Zivilgesellschaft
Ethisch begründete Zielvorstellungen
Entgegen einer Sicht, die gesellschaftliche Vorgänge als gegeben hinnimmt und die Frage nach
Werturteilen ausblendet, besteht Ethik darin, zu fragen, ob das, was (in einer Gruppe, Institution, in
der Gesellschaft vorgegeben oder üblich) ist, (meinen/unseren Überzeugungen/Werten nach) so sein
soll und darum (von mir/uns) verantwortet werden kann.
Die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen, steht in der Spannung von Verantwortlichkeit und
Zuständigkeit: nicht alle sind in gleicher Weise für alles zuständig. Verantwortung erfordert
selbstkritisches Urteil und Zivilcourage, da Handeln wie auch Unterlassen, konformes wie
widerständiges Verhalten begründet und verantwortet werden müssen.
In Auseinandersetzung mit den mehrdeutigen Phänomenen gesellschaftlicher Problemlagen besteht
soziale Verantwortung zunächst in der Orientierung an richtungweisenden Zielvorstellungen. Solche
erstrebenswerten Ziele werden aus der Reflexion von individuellen wie kollektiven Wert-Erfahrungen
formulierbar.
Soziale Verantwortung
1. Ethik = Frage nach dem SOLLEN
zu entscheiden nach Kriterien (Werten)
Verantwortung = entsprechende Antwort auf
Herausforderungen (Probleme)
2. Soziale Verantwortung = Verantwortung in gesellschaftlichem
(= sozialen) Kontext = Haltung
- die im Verhalten Ausdruck findet
- die in der Gestaltung der Verhältnisse wirksam wird
3. Lehrgangsziel ist die Entwicklung von Haltungen,
Verhaltensmöglichkeiten (Kompetenzen) und Verhältnissen
Rahmenbedingungen, Institutionen, Verfahren)
Aufmerksamkeit für Strukturen
Ethische Urteilsbildung darf sich nicht auf die Frage nach verantwortlichem Verhalten von Einzelnen
oder Gruppen (als Ausdruck persönlicher Werthaltungen) beschränken. Sie muss auch die Frage
nach der Verantwortung für die entsprechenden Verhältnisse (als Gestaltwerdung von Werten in
strukturellen Zusammenhängen) stellen. Wertorientiertes Verhalten braucht Verhältnisse, die es
unterstützen und nicht verunmöglichen.
Erfahrung und Dialog
Die Wahrnehmung der gesellschaftlichen Wirklichkeit ist zeit-, standort- und interessenbedingt und
bedarf zur Urteilsbildung der Reflexion und des Dialogs.
Angesichts der Komplexität der Gesellschaft und der Pluralität von Erfahrungen und ihrer Reflexion
bedarf es deshalb eines differenzierten Dialogs, an dem auf je spezifische Weise Betroffene, ExpertInnen
wie EntscheidungsträgerInnen zu beteiligen sind. Solche Beteiligung ist entscheidend für die
Akzeptanz und Verbindlichkeit ethischer Urteile.
Ein ethischer Diskurs, der zu Akzeptanz und Verbindlichkeit führt, erfordert neben der eigenen Reflexion
von Erfahrung und ihres Austauschs im KollegInnenkreis auch die Auseinandersetzung mit den in der
Öffentlichkeit herrschenden Meinungen sowie die Austragung interessens- wie
gesellschaftspolitischer Fragen im politischen Prozess.
Für eine verantwortungsvolle gesellschaftliche Entwicklung ist besonders auf den Dialog zwischen
den Bereichen Wirtschaft, Politik und Zivilgesellschaft zu achten. Im Perspektivenwechsel des
Aufeinander Hinhörens kann ein entsprechendes Verständnis für die „Logik“, die Rationalität, die
Anliegen und Interessen der jeweils anderen entstehen. Dies ist entscheidende Voraussetzung für
das Zustandekommen von Lösungen, die im offenen Gespräch entwickelt und dann auch von allen
Bereichen mitgetragen werden können.
Entscheidung und Engagement
Ethische Aussagen erhalten ihre Glaubwürdigkeit durch ein entsprechendes Handeln in
Entscheidungssituationen.
Um Ver-Antwort-ung für eine Entwicklung in Richtung der formulierten Ziele zu ergreifen, bedarf es
sowohl des „Nein“ im Widerstand gegen destruktive Vorgänge wie des „Ja“ im Engagement für
entsprechende Initiativen. Dabei kommt „Zeichenhandlungen“ experimentelle wie
bewusstseinsbildende Bedeutung zu.
Kultivierung von Ethik
Damit ethische Standards nicht aus kurzfristigen Interessen umgangen werden, bedarf es der Pflege
der ihnen entsprechenden Werthaltungen durch Reflexion von Erfahrung und Bewusstseinsbildung.
Die ständige Auseinandersetzung mit neuen gesellschaftlichen Problemsituationen ist eine
Herausforderung für die Entwicklung des Wirklichkeits- und Möglichkeitssinnes und für die innovative
Kraft der Ethik.
Autor:
P. Alois Riedlsperger SJ, Sozialethiker, Leiter der ksoe; im Leitungsteam des Lehrgangs „Soziale Verantwortung“
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