ETICA NELLA SCUOLA Ethik in der Schule Als ich vor vierzig Jahren meine erste Schulklasse unterrichtete, waren alle Schülerinnen und Schüler katholisch. Ausländische Kinder kamen meist aus Italien, Spanien und Portugal. Später kamen reformierte dazu. In dieser Zeit orientierte sich das Fach "Religion" an der Bibel, und es waren Absprachen mit den Pfarrern nötig. In meinen letzten Klassen waren zwar die verschiedenen christlichen Bekenntnisse in der Mehrheit. Zunehmend aber gab es Kinder mit islamischen Bekenntnissen, aus Sekten und Religionslose. di Franz Wille* * Ehemaliger Lehrer und Chef der Abteilung Volksschule des Kantons Aargau. 10 Diese gesellschaftliche Vielfalt führte in den letzten Jahren dazu, dass in vielen Kantonen der Schweiz das Fach "Religion" beispielsweise durch "Ethik und Religionen" ersetzt wurde. Dem liegen zwei Gedanken zu Grunde: Erstens ist es für das friedliche Zusammenleben wichtig, dass wir die verschiedenen Religionen verstehen lernen und dass wir zweitens erkennen, dass im Grossen Ganzen die verschiedenen Bekenntnisse gemeinsame ethische Grundsätze anerkennen. Der konfessionelle Religionsunterricht liegt in der Kompetenz der einzelnen Kirchen. Das Eingehen auf ethische Fragen in der Schule beschränkt sich natürlich nicht auf diese einzelnen Stunden, sondern zeigt sich in der Grundhaltung der Schule in der täglichen Unterrichts- und Erziehungsarbeit. Gemeinsame ethische Werte unserer Gesellschaft zeigen sich in den Geboten der einzelnen Religionen, die nicht so unterschiedlich sind, und in den Menschenrechten, wie sie die UNO formuliert hat. Beispielsweise müssen die jungen Menschen Folgendes lernen: Ich anerkenne, dass das Zusammenleben gemeinsame und vereinbarte Regeln braucht. Ich achte die Meinung und den Glauben des Anderen, auch wenn ich sie nicht teile. (Toleranz). Ich respektiere absolut die körperliche und sexuelle Integrität meiner Mitmenschen. Ich weiss, dass Menschen aller Rassen vor Gott und den Gesetzen gleich sind. Ich weiss, dass Mädchen und Knaben, Frauen und Männer, gleichwertig sind und gleiche Rechte haben. Ich beachte die begründeten Anweisungen von Eltern, Lehrpersonen und Vorgesetzten. Ich begegne andern Menschen mit Freundlichkeit und Offenheit. Ich rede und benehme mich anständig. il dialogo 1V/09 Ich achte und schütze das Eigentum der Anderen. Ich bemühe mich, stets die Wahrheit zu sagen. Ich trage Konflikte mit friedlichen Mitteln aus. Diskutieren statt streiten. Ich füge durch mein Verhalten anderen keinen Schaden zu. Ich schütze Natur und Umwelt vor Verschmutzung und Zerstörung. Ich lerne für mich und meine Zukunft und ich ermögliche durch meine Haltung und mein Benehmen ein positives Lernen in der Schule. Diese unvollständige Aufzählung zeigt eines mit aller Deutlichkeit: Ethik in der Schule ist kein Gegensatz zur Ethik in der Familie. Die ethische Erziehung in der Familie sollte ja längst vor dem Schulbeginn einsetzen. Gerade italienische Familien sind häufig gute Vorbilder in der Erziehung ihrer Kinder. Zu Krisen kommt es, wenn Schüler und Schülerinnen daheim nicht lernen, was die Einhaltung der Regeln des Zusammenlebens bewirken, oder erfahren, was ihre Missachtung bewirken kann. Die Schule kann nicht alles ausbaden oder korrigieren, was die Familie versäumt. Wie sollen Kinder sich beispielsweise an die ethischen Regeln des Zusammenlebens halten, wenn zu Hause geschlagen und misshandelt wird; wenn Knaben und Mädchen unterschiedlich behandelt werden; wenn Lügen, Sachbeschädigung, Diebstahl und kleine Gaunereien als nicht so schlimm betrachtet werden. Schule und Eltern sind verpflichtet, gemeinsam für eine ethische Erziehung und Bildung der Kinder und Jugendlichen zu sorgen, wobei der Vorrang bei der Familie liegen sollte. Wenn sich Eltern in die-sen Fragen durch die Schule nicht genügend unterstützt fühlen, sollten sie zuerst mit den Lehrpersonen und falls nötig mit der Schulleitung das Gespräch suchen. Andererseits sind die Eltern verpflichtet, an Gesprächen mit Lehrpersonen und Schulbehörden, zum Beispiel an Elternabenden teilzunehmen. Bei sprachlichen Problemen dürfen sie eine Hilfe mitnehmen. Die Erziehung unserer Jugend zu einem guten ethischen Verhalten ist eine grosse und schöne Aufgabe für Familie und Schule.