Klimatrends des 20. Jahrhunderts Jörg Rapp und Christian-Dietrich Schönwiese Grimma (Sachsen) nach dem Muldehochwasser vom August 2002 – Teile der Uferbefestigung wurden z.T. bis zur Stadtmauer weggerissen (Aufnahme Sept. 2002). Ein besonderer Aspekt der Klimavariabilität ( Beitrag Jacobeit/Hupfer, S. 60) sind relativ langfristige Trends, wobei aufgrund der Auswirkungen der Niederschlag und die Temperatur von besonderem Interesse sind. Niederschlagstrends So wichtig die Veränderungen des Niederschlags für Aussagen über Klimatrends sein mögen, so problematisch ist gerade dieses Klimaelement wegen seiner Messfehlerbelastung und ausgeprägten räumlichen Variabilität. Dennoch ist feststellbar, dass die Jahresniederschlagsmenge zwischen 1896 und 1995 (somit in einem 100-jährigen Zeitraum) im Westen Deutschlands verbreitet um 10-20% des Mittelwertes (entspricht ca. 50 bis 150 mm) zugenommen hat. Diese Veränderung resultiert im Wesentlichen aus dem Trend im Winterhalbjahr mit Werten, die regional sogar eine Zunahme um 30% übersteigen , insbesondere im Westen bzw. Südwesten von Deutschland. Dabei ist es schwierig, die regionalen Muster, die u.a. orografisch (durch Luv und Lee an Gebirgen) beeinflusst sind, ursächlich zu erklären. Im Sommerhalbjahr sind die Niederschlagtrends wesentlich weniger ausgeprägt, obwohl – insbesondere in den östlichen Regionen – Abnahmen bis etwa 10% erkennbar sind . Diese saisonal unterschiedliche Entwicklung be- 56 deutet, dass der Anteil des Winterniederschlags am Gesamtjahresniederschlag in den letzten rund 100 Jahren deutlich angestiegen ist, und zwar um etwa 2-4%. So sind am Ende des 19. Jhs. nur in den Gipfellagen der Gebirge 25% oder mehr als Winterniederschlag gefallen, während dies 100 Jahre später für fast den gesamten westdeutschen Mittelgebirgsraum gilt. Aus dem Blickwinkel des veränderten Jahresgangs des Niederschlags ist somit das Klima vor allem im Westen Deutschlands im Laufe der letzten 100 Jahre offenbar maritimer geworden. In den letzten Jahrzehnten sind die Niederschlagstrends aufgrund der hohen zeitlichen Variabilität und kürzeren Bezugsperiode kaum signifikant, jedoch in ihren Beträgen nicht unerheblich. So hat 1966-1995 wiederum vor allem der Winterniederschlag zugenommen, und zwar um bis zu 30% . Mit Ausnahme des äußersten Ostens steht diesem Niederschlagsüberschuss ein sommerliches Defizit gegenüber, das örtlich sogar signifikant ist und maximal eine Veränderung von -20% beträgt . Auch gemittelt für ganz Deutschland zeigen sich deutliche Niederschlagszuwächse, besonders im Winter, aber auch in den anderen Jahreszeiten, besonders, wenn man nur die Entwicklung seit 1971 betrachtet. . Eine wichtige Frage in diesem Zusammenhang ist, ob zunehmender Niederschlag mit häufigeren und intensiveren Extremereignissen verknüpft ist. Während extreme Sommerniederschläge bisher eher selten und im Allgemeinen auch relativ kleinräumig sind, gibt es für den Winter einige Indizien für eine derartige Entwicklung. Eine mögliche Konsequenz ist ein häufigeres Auftreten von Hochwasser ( Foto). Temperaturtrends Aufgrund der hohen räumlichen Repräsentanz der Monatsmittelwerte der Lufttemperatur lässt sich die Beschreibung der Temperaturtrends stärker generalisieren als das beim Niederschlag möglich ist. Die Temperaturtrends zeigen daher nur wenig regionale Struktur. Dies legt die Betrachtung einer einzigen Zeitreihe der Lufttemperatur für ganz Deutschland nahe. Die günstige messtechnische Situation erlaubt darüber hinaus auch relativ gut gesicherte Aussagen für das 18. und das 19. Jh. Der Temperaturverlauf in Deutschland seit der Mitte des 18. Jhs. kann in zwei Zeitabschnitte aufgeteilt werden : Zwischen 1761 und etwa 1890 ist neben den ausgeprägten Variationen von Jahr zu Jahr nur ein sehr geringer Abkühlungstrend erkennbar (statistisch nicht signifikant). Dabei markieren die Nationalatlas Bundesrepublik Deutschland – Klima, Pflanzen- und Tierwelt drei relativ kalten Episoden (ca. 1800 bis 1815, 1835 bis 1860 und zuletzt um 1890) das Ende der so genannten kleinen Eiszeit. Danach, d.h. etwa ab 1890, hat eine deutliche (und daher auch statistisch signifikante) Erwärmung eingesetzt, die mit ihrem Trend von rund 0,7 °C/100 Jahre dem globalen Trend sehr ähnlich ist. Dabei ist im Jahr 2000 mit einem Anomaliewert von einer Zunahme um 1,6 °C (entspricht einem Durchschnittswert von 9,9 °C) das Maximum der gesamten Zeitspanne seit 1761 eingetreten. Zeiten besonders intensiver Erwärmung sind für ca. 1890-1945 und seit ca. 1980 belegt. Die einzelnen Jahreszeiten tragen ganz unterschiedlich zu dieser Entwicklung bei. Dabei war in den letzten 100 Jahren der Temperaturanstieg im Herbst am intensivsten, in den letzten 20 Jahren jedoch im Winter. Die Trends aller Jahreszeiten im Zeitraum 1981-2000 bzw. 1961-1990 zeigen dies deutlich: die höchsten Anstiege fanden im Winter statt, gefolgt vom Frühjahr, während im Herbst in diesen Zeitspannen fast gar keine Entwicklung mehr zu verzeichnen war. Setzt man die Temperaturdifferenz zwischen Sommer und Winter zu Beginn und am Ende des betrachteten Zeitraums in Beziehung, erhält man Informationen über den Trend der Kontinentalität bzw. Maritimität. Danach ist das Klima im Norden und in der Mitte Deutschlands in den letzten Jahrzehnten thermisch ausgeglichener und somit maritimer, im Süden dagegen et- Niederschlagtrends 1961-1990 und 1971-2000 in Prozent 30 20 10 0 Herbst -10 Frühling Sommer 1961-1990 in°C Winter 1971-2000 Temperaturtrends 1961-1990 und 1981-2000 2 1 0 Frühling Sommer * Herbst 1961-1990 Winter 1981-2000 * fast kein Trend © Leibniz-Institut für Länderkunde 2003 was kontinentaler geworden. Dies deckt sich zum Teil mit den ansteigenden Niederschlagstrends, wobei der markanteste Klimatrend Deutschlands im milder und niederschlagsreicher werdenden Winter zu sehen ist. Ob dies auch mit einem Trend zu häufigeren Winterstürmen einhergeht, ist noch unklar. Jährliche Variationen des Gebietsmittels der Lufttemperatur in Deutschland 1761-1999 Anomalie der Lufttemperatur in °C 2 1,5 +2 s 1 0,5 0 -0,5 -1 -1,5 -2 s -2 -2,5 -3 1760 1780 1800 1820 Abweichungen vom Mittelwert 8,3°C der Periode 1961-1990. © Leibniz-Institut für Länderkunde 2003 1840 1860 1880 1900 geglätteter Verlauf Trend 1920 1940 1960 1980 2000 Jahr Werte außerhalb der doppelten Standardabweichung Lineare, relative Trends der Niederschlagshöhe Sommerhalbjahr 1896-1995 1896-1995 und 1966-1995 Sommerhalbjahr 1966-1995 Mai bis Oktober Mai bis Oktober Kiel Kiel Schwerin Hamburg Elb e Müritz Hamburg Plauer See 10 0 Potsdam Magdeburg Lau sitzer 10 10 10 le Linearer, relativer Trend der Niederschlagshöhe 10 Dresden Sa a 0 Regensburg Do u na 0 au Do n Freiburg i.Br. 10 Zunahme (feuchter) Abnahme (trockener) hochsignifikante Zunahme signifikante Abnahme Chiemsee 10 0 0 Do nau au Chiemsee Starnberger See 10 Bodensee Inn München Ammersee Freiburg i.Br. hochsignifikante Abnahme Winterhalbjahr 1896-1995 Regensburg Stuttgart signifikante Zunahme 0 0 0 Signifikanz des Trends der Niederschlagshöhe Inn Nürnberg Saarbrücken keine Veränderung München Ammersee Ma in n Do 30 20 10 0 10 20 Saarbrücken Stuttgart Frankfurt a.M. Mainz Prozent des Mittelwertes der Beobachtungsperiode 0 Nürnberg Rhe in We 10 Mainz Bodensee Erfurt 10 Ma in Wiesbaden Mo sel Frankfurt a.M. Rhe i n Wiesbaden Fu lda 20 a Fuld l se be Neiß e Köln a itze r Kassel Dresden rra rra Sa Leipzig El We 0 10 Erfurt La u s Do. Essen Düsseldorf El be 10 Mo in he Kassel Köln eiße Leipzig 0 Magdeburg R N le Düsseldorf Potsdam Hannover Bielefeld a Sa in he Dortmund er BERLIN We ser W ese r 10 Bielefeld 0 Od er BERLIN R Essen Müritz Schwerin Plauer See 0 Elb e Bremen Od Hannover Kummerower See Schweriner See le Bremen Kummerower See 0 10 Ro. 10 Rostock Winterhalbjahr 1966-1995 November bis April 30 November bis April Kiel Kiel Müritz Potsdam Magdeburg Mo sel 20 50 75 100 km 0 25 Maßstab 1: 6000000 Freiburg i.Br. 10 Regensburg Stuttgart Rhe in Chiemsee 0 20 0 Nürnberg 20 D Do n au Inn AmmerMünchen see au on 20 10 Bodensee München Starnberger See le Fu lda ale 30 30 n Rh ei Inn Freiburg i.Br. a Autoren: J.Rapp, Ch.-D.Schönwiese Bodensee Starnberger See © Leibniz-Institut für Länderkunde 2003 Grenzüberschreitende Kooperationsräume 57 Neiß e 10 Ammersee Sa 10 Do nau Dresden 10 Erfurt Main Saarbrücken 20 30 itze r Mainz 10 Nürnberg We Frankfurt a.M. Regensburg Stuttgart e Wiesbaden La u s 20 lb E 10 Saarbrücken Köln 20 20 Kassel 20 in Ma Frankfurt a.M. Düsseldorf Leipzig rra Wiesbaden Mainz 30 Dresden er Magdeburg Dortmund Essen eiße l se N BERLIN Potsdam Hannover Sa rra Fuld a Mo 10 We e 10 Erfurt Köln Elb Kassel 30 Düsseldorf Leipzig R in he in he Dortmund Essen Od Bielefeld 30 Lau sitzer R Plauer Müritz See 20 20 W ese r er BERLIN Hannover Kummerower See Elbe We ser 20 Od Bielefeld Schwerin Bremen Elbe Bremen Hamburg 20 10 Schwerin Plauer See 0 Hamburg Rostock Schweriner See Kummerower See 10 10 Rostock