Wichtigste Ressource oder Engpassfaktor: der Nachfolger Qualifikation - Vorbereitung - Bezahlung: wie viel Investition in die Person des Nachfolgers ist richtig, wie viel ist notwendig, wie viel ist zu viel? (Artikel für den Newsletter von consensis und Family Business Partner, April 2005) Investition: darunter verstehen mittelständische Unternehmer überwiegend Sachanlagen, Technik und Betriebsmittel. Langfristig spielt jedoch der gezielte Aufbau von Humankapital eine deutlich größere Rolle für die Erringung von dauerhaften Wettbewerbsvorteilen und für die Zukunftssicherung des Unternehmens. Am deutlichsten wird dies bei der Person des Nachfolgers selbst - er wird eines Tages buchstäblich über Sein oder Nichtsein der Firma entscheiden. Keine andere Personalgruppe in der Wirtschaft wird derart unterschiedlich behandelt wie die familieninternen Übernehmer. Das Spektrum reicht vom bereits 40-jährigen Nachfolger, der seit seiner Lehre im elterlichen Unternehmen „Mädchen für alles“ sein darf, nichts zu melden hat, alle ungeliebten Arbeiten auf´s Auge gedrückt bekommt und dafür einen Lohn weit unterhalb jeglicher Tarifstufe erhält - von der Möglichkeit für Weiterbildung und Qualifikation gar nicht erst zu reden. Dass diese Behandlung sich bitter rächen wird, ist selbsterläuternd. Auf der anderen Seite gibt es auch Nachfolger, die bereits beim Eintritt in den Betrieb mit Anfang 20 den Porsche als Dienstwagen bekommen, dazu ein fürstliches Salär, Freizeit für Seminare nach eigenem Gusto etc. etc. Diese Nachfolger können sich im Unternehmen fast alles erlauben - und tun dies dann auch meistens. Hier gilt: weniger wäre mehr. Aber wo liegt die „richtige“ Mitte, wie sollen Nachfolger von den Senioren behandelt und bezahlt werden? Eine Frage, die endlose Diskussionen in der Familie erzeugen kann, wie viele Berater wissen. Für die leidige Gehaltsfrage ist immer der Fremdvergleich ein probates Mittel: wie viel bekommt eine vergleichbar ausgebildete Nachwuchsführungskraft, wie viel würde man einem Familienfremden für diese Tätigkeit bezahlen? Auf dieser Grundlage lässt sich - eine entsprechende Entemotionalisierung vorausgesetzt - meist eine für alle Seiten tragbare Regelung finden. Schwieriger sind dagegen die indirekten, längerfristigen Investitionen in Personen. Auch wenn das Gehalt stimmt, sorgt das in den meisten Unternehmerfamilien gelebte Arbeitsethos dafür, dass Nachfolger immer das Gefühl haben, sich beweisen zu müssen - oft wird dabei der Weg über die Ausweitung der Arbeitszeit gewählt. Freiräume für eine fortlaufende berufsbegleitende Weiterqualifizierung sind folglich eher knapp bemessen, was aus längerfristiger Perspektive zumindest schade ist. Auch in diesen Fragen können Unternehmer die Latte des Fremdvergleichs anlegen. Aus einer systemischen Perspektive können drei Gründe für eine Investition in den Nachfolger differenziert werden: 1) Als Personalentwicklung Familieninterne Nachfolger haben sich in den letzten Jahren zur äußerst knappen Ressource entwickelt, wie einschlägige Studien zeigen. Umso mehr sollte Unternehmern, die eigene Kinder im Unternehmen haben, daran liegen, diese auch dort zu halten. Der Drittvergleich würde also die Frage stellen: wie würde ich denjenigen Mitarbeiter behandeln, dessen Weggang die Zukunft der Firma in Frage stellen kann? 2) Als Beitrag zu den „Investor Relations“ Konzerne geben viel Geld aus, um ihre Geldgeber, ihre Aktionäre und Banken bei der Stange zu halten. Dies reicht von entsprechenden PR-Kampagnen, Info-Mailings, Fundraising und Werbeaktivitäten bis hin zu ausgefeilten Berichtswegen. Im Gegensatz dazu sehen viele Familienunternehmer die künftigen Gesellschafter aus der Familie als disponible Masse. Hierzu zählen insbesondere auch Erben, die zwar an der Firma beteiligt werden sollen, aber nicht darin arbeiten. Es erfordert viel Hintergrundwissen, Motivation und Engagement, um eine Rolle als Gesellschafter qualifiziert wahrzunehmen. Umso mehr gilt dies für mitarbeitende Gesellschafter. 3) Als Investition in die Wohlfahrt der eigenen Familie Dies ist naturgemäß der Bereich, in dem ein Fremdvergleich sehr schwer fällt, denn in unserer Kultur wird die Familie als höchst privater Bereich gesehen. Dennoch stellt sich die Frage: welche (finanziellen) Mittel werden sinnvollerweise für die Familie freigegeben und eingesetzt. Sowohl übertriebene Sparsamkeit wie auch zu freigebiger Umgang mit Luxusgütern werden in der Prägung der Kinder ihre Spuren hinterlassen. Eine vernünftige Geldpolitik, damit die potenziellen Nachfolger einen angemessenen Umgang mit den materiellen Aspekten lernen und üben können, zahlt sich Jahrzehnte später buchstäblich aus. Vor diesem Hintergrund zeigt sich deutlich, dass die Ressourcen der Familie für das Unternehmen, die bislang oft ohne Nachdenken mobilisiert wurden, nicht unbegrenzt zur Verfügung stehen. Anstatt Raubbau an der Familie zu betreiben, investiert der langfristig denkende Unternehmer in sie. Dazu zählen natürlich finanzielle Aspekte. Viel wichtiger ist jedoch die Zeit und Aufmerksamkeit, die er ihr schenkt oder nicht schenkt. Die „Nachfolgerkrise“ mit einem ständig sinkenden Anteil von familieninternen Nachfolgekandidaten ist hier lediglich die Spitze des Eisbergs, das sichtbarste Artefakt der bisherigen Entwicklung. Autor: Prof. Dr. Armin Pfannenschwarz, consensis Unternehmer-Beratung