Impulsreflektometrie 1. Einleitung 2. Abtast-Oszilloskop

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HFT-Praktikum I
Impulsreflektometrie
IMP/1
Impulsreflektometrie
(engl. time-domain reflectometry )
1. Einleitung
Die Impulsreflektometrie ist ein Messverfahren, mit dem von einer Störstelle (z.B. Steckerübergang oder Leitungsstoßstelle) neben der Größe des Reflexionsfaktors auch ihre örtliche Lage
bestimmt werden kann.
Prinzip: Ein auf die zu untersuchende Schaltung gegebener Spannungssprung wird an jeder
Diskontinuität (Störstelle, z.B. Stecker mit Reflexion, Leitungsübergang mit anderem Leitungswellenwiderstand. . . ) mehr oder weniger stark reflektiert. Das Eintreffen des reflektierten Spannungssprungs wird am Eingang der Schaltung mit einem Oszilloskop verfolgt. Aus der Laufzeit lässt sich
der Ort der Diskontinuität und aus der Form, Größe und Polarität des reflektierten Signals die Art
der Diskontinuität und die Größe ihres Reflexionsfaktors bestimmen.
2. Abtast-Oszilloskop und Impulsreflektometer (TDR)
Die Zeit- und damit die Ortsauflösung des TDR-Verfahrens ist abhängig von der Flankensteilheit des Spannungssprungs und von den Bandbreiten des zu messenden Systems. Die obere
Frequenzgrenze üblicher Breitbandoszilloskope liegt bei einigen
100 MHz; eine größere Bandbrei-
te und außerdem eine höhere Übersteuerungsfestigkeit besitzt das sog. Abtastoszilloskop (engl.
sampling oscilloscope), bei dem nicht das gesamte Signal gemessen wird, sondern immer einzelne Zeitpunkte des Signals in regelmäßigen Abständen abgetastet wird, was eine periodische
Wiederholung des Signals voraussetzt.
2.1. Prinzip des Abtastoszilloskps
Das zu messende Signal muss sich immer wiederholen und wird von einem Abtastimpuls sehr
geringer Dauer T in jeder Periode einmal abgetastet. Der Abtastzeitpunkt wird folgendermaßen
festgelegt (siehe Abb. 1): Aus dem zu messenden Signal wird ein Triggerimpuls abgeleitet, der
seinerseits einen schnellen Sägezahn auslöst. Stimmt die Spannung dieses schnellen Sägezahns
mit einer Referenzspannung überein, wird der Abtastimpuls ausgelöst. Hat diese Referenzspannung eine Rampen- oder Treppenform, wird der Abtastimpuls von Periode zu Periode um einen
konstanten Betrag verschoben. Der abgetastete Wert wird gespeichert und dem Vertikalverstärker
des Oszilloskops zugeführt. Die Einhüllende der abgetasteten und gehaltenen Spannungswerte
stellt dann das abzubildende Signal in einem transformierten Zeitmaßstab dar.
Die obere Frequenzgrenze des Abtastverfahrens ist abhängig von der Breite und vom genauen
zeitlichen Einsatz des Abtastimpulses (z.Z. lassen sich mit Lawinentransistoren zur Rechteckimpulserzeugung und mit Speicherschaltdioden zur Formung der Pulsflanken Abtastimpulse mit einer Breite von ca.
25 ps erzeugen, woraus eine Grenzfrequenz von 18 GHz resultiert).
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Impulsreflektometrie
IMP/2
Bild 1: Prinzip des Abtastoszilloskops.
2.2. Prinzip der Abtast-Halte-Schaltung
1
C
+ U
R
1
D
1
1
E
D
-U
C
C
2
2
R
A
3
2
2
Bild 2: Prinzip der Abtast-Halte-Schaltung (engl. sampling and hold).
Das Prinzip der Abtast-Halte-Schaltung ist in Bild 2 gezeigt. Sie besteht aus schnellen Schaltdioden D1 und D2 (Schottky-Dioden), Koppelkondensatoren C1 und C2 , Widerständen R1 und R2
und der Speicherkapazität C3 . Das abzutastende Signal wird auf den Eingang E gegeben. Die
Abtastdioden D1 und D2 sind im Ruhestand gesperrt. Zum Abtastzeitpunkt wird auf die Impulseingänge 1 und 2 jeweils ein sehr schmaler negativer bzw. positiver Impuls gegeben, so dass die
Dioden kurzzeitig durchschalten. Damit wird über R1 und R2 der Haltekondensator C3 auf einen
der Eingangsspannung proportionalen Wert aufgeladen, der dann am Ausgang A anliegt.
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2.3. Prinzip des Sprungfunktionsgenerators:
Der steile Spannungssprung (engl. step function) wird nach Bild 3 mit einer Tunneldiode erzeugt.
Bild 3: Erzeugung eines steilen Spannungssprungs.
Dargestellt ist in der Mitte die statische Kennlinie einer Tunneldiode, die einen Teil mit negativer
Spannung aufweist. Die Tunneldiode ist mit einem Lastwiderstand beschaltet, so dass sich bei
einem bestimmten Ruhestrom der Arbeitspunkt A mit der Spannung UD1 einstellt. Fließt zum Zeitpunkt t
=t
0
der Triggerstrom IT zusätzlich durch die Tunneldiode, springt die Spannung für I > IP
sehr schnell auf den Wert UD2 (Arbeitspunkt B ), die sich nach dem Abschalten des Triggerstroms
auf den Wert UD3 (Arbeitspunkt C ) vermindert. Mit einem negativen Triggerstromimpuls kann der
Arbeitspunkt A wieder erreicht werden. Der sehr schnelle Spannungssprung von A nach B (etwa
20 ps sind erreichbar) wird in einem Sprungfunktionsgenerator ausgenutzt.
2.4. TDR
Das Blockschaltbild eines Impulsreflektometers mit einem Abtastoszilloskop ist in Bild 4 gezeigt.
Es enthält einen Triggergenerator, der einerseits das Abtastoszilloskop triggert, andererseits über
eine Verzögerungsschaltung den Sprungfunktionsgenerator steuert. Die abgegebene Sprungspannung gelangt zum einen auf die Abtast-Halte-Schaltung, zum anderen nach der Laufzeit t1 auf
das Messobjekt. Die am Messobjekt reflektierte Spannung addiert sich dann an der Abtastschal-
2
tung nach der Laufzeit t1 zu der anliegenden Sprungspannung.
Das Abtastoszilloskop besteht aus der Abtast-Halte-Schaltung und dem Vertikalverstärker sowie
Baugruppen für die Zeitbasis und die Abtastimpulserzeugung. Die Zeitbasis enthält den langsamen und schnellen Sägezahngenerator sowie den Komparator, der bei Spannungsgleichheit den
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Abtastimpulsgenerator triggert. Die Ausgangsspannung des langsamen Sägezahngenerators wird
dem x-Verstärker des Oszilloskops zugeführt.
Bild 4: Blockschaltung eines Impulsreflektometers.
3. Reflexionsmessungen mit dem Impulsreflektometer
Die folgenden Beispiele sollen zeigen, wie die vom Impulsreflektometer gelieferten Reflexionsoszillogramme zu deuten sind.
3.1. Verlustlose Leitung mit dem Wellenwiderstand ZL , Abschluss mit einem
beliebigen reellen Widerstand R
Eine verlustlose Leitung mit dem Wellenwiderstand ZL soll mit einem beliebigen reellen Widerstand R abgeschlossen sein (Bild 5).
= 0 wird ein Spannungssprung U =2 erzeugt, der sich
r (c = 3 10 m/s, "r : Permittivitätszahl des Kabeldielektrikums)
auf der Leitung ausbreitet. An der Stelle z = l wird die Welle mit dem Reflexionsfaktor
(R ZL)
r =
(1)
(R + ZL)
reflektiert. Die reflektierte Welle Ur = r U =2 addiert sich zur hinlaufenden Uh , so dass sich in der
Anschlussebene des Abtastoszillographen der in Bild 5 unten dargestellte Spannungsverlauf u (t )
Durch Schließen des Schalters S zur Zeit t
p
mit der Geschwindigkeit v = c = "
0
8
0
zeigt.
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z u m
R
U
G e n
= Z
IMP/5
A b ta s to s z illo s k o p
L
S
u (t)
0
Z L ,A
R
r
z = l
z = 0
u (t)
( U 0 / 2 ) .( r + 1 )
U 0/2
2 t1
t= 0
t
Bild 5: Sprungfunktion auf einer Leitung.
3.2. Verlustlose Leitung mit dem Wellenwiderstand ZL , abgeschlossen mit einem
beliebigen komplexen Widerstand z
Der genaue Verlauf des Reflexionsoszillogramms lässt sich für beliebige Abschlusswiderstände
() ()
rechnerisch durch Multiplikation von r s [r s : Reflexionsfaktor des Abschlusswiderstandes in
Abhängigkeit von der komplexen Kreisfrequenz s
= + j !] mit der Laplace-Transformierten des
Sprungimpulses und anschließender Rücktransformation dieses Produktes in den Zeitbereich ermitteln. Für die Serienschaltung von Spule L und Widerstand R nach Bild 6 lässt sich das Reflexionsoszillogramm folgendermaßen berechnen:
()
Die Ausgangsspannung des Impulsgenerators u1 t
(2)
( ) = U2 (t )
mit (t ) = 0 für t < 0 und (t ) = 1 für t >= 0 ergibt sich durch Laplacetransformation folgende
Gleichung 3:
U
1:
U (s ) =
(3)
2 s
Damit ergibt sich die Spannung am Abtasttor U (s )
u (t ) = u (t ) + ur (t )
(4)
U
1 1 + r (s ) e t s
U (s ) =
(5)
2 s
sL R Z
mit r (s ) = sL R ZLL wie folgt im s -Bereich


R Z
s+ L L
U
1
t s

U (s ) =
:
(6)
2 s + s (s + R LZL ) e
Im Zeitbereich ist u (t ) damit


"
#
U
R ZL
2ZL
t t =

(t
2t )
(7)
u (t ) =
2 (t ) + R + ZL + R + ZL e
0
u1 t
0
1
1
0
2 1
+
+ +
0
2 1
+
0
(
2 1)
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mit Impulsreflektometrie
IMP/6
= R LZL
+
L
u (t)
Z
R < Z
L
L
R
z = 0
z = l
u (t)
U 0
U
U
æ
çç 1 +
0
2 è
R - Z
R + Z
/2
0
ö
÷÷
L
L
ø
t = 0
t
2 t1
Bild 6: Reflexionsoszillogramm für Reihenschaltung von Spule und Widerstand.
Die Reflexionsoszillogramme für verschiedene Abschlusswiderstände sind in Bild 7 zusammengefasst.
3.3. Verlustlose Leitung mit mehreren Stoßstellen
Nun soll die verlustlose Leitung mehrere Stoßstellen (mit reellen Reflexionsfaktoren) aufweisen
(Bilder 8 und 9).
In diesem Fall ist nur die Reflexion r1 der ersten Stoßzelle direkt angezeigt. Zur Berechnung des
zweiten Reflexionsfaktors r2 dient das Gitterdiagramm nach Bild 9.
1 kommt auf die erste Stoßstelle ZL , ZL und wird mit
(ZL ZL )
r =
(8)
(ZL + ZL )
reflektiert. Die Amplitude der weiterlaufenden Welle ist mit 1 + r gegeben. In Folge der zweiten
Fehlanpassung ZL , Z wird sie mit
(Z ZL )
r =
(9)
(Z + ZL )
Eine Welle mit der normierten Amplitude
0
1
1
0
1
0
1
1
1
2
2
2
1
2
1
reflektiert. Nach erneuter Teilreflexion an der ersten Stoßstelle beträgt die Amplitude der zweiten,
rücklaufenden Teilwelle
r20
=r 1
2
r12 :
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(10)
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Bild 7: Verlauf der reflektierten Spannung.
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Z
Z
L 0
L 1
IMP/8
R
r '2
U
1 + r
1
1
t
Bild 8: Spannungsverlauf für Mehrfachreflexionen.
1
r
1
2
r 2(1 -r 1 )
2
r 2)
-r 1r 2 (1 - 1
1 + r
1
r 2(1 + r 1)
-r1r2(1 +
r1)
2
r )
-r 1r 2 (1 + 1
R e fle x io n
Z L0
Z
L 1
Z
2
Bild 9: Gitterdiagramm für Mehrfachreflexion.
Dieser Wert wird auf dem Reflexionsoszillogramm in Bild 8 angezeigt. Da sich r1 und r20 aus Bild
8 ablesen lassen, ist somit auch r2 bekannt.
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A. Aufgaben
A.1. Vorbereitungsaufgaben
1. Berechnen Sie für die beiden gezeigten Anordnungen in Bild 10 die Sprungantwort, und
stellen Sie diese graphisch dar.
Bild 10: Verschiedene Leitungsabschlüsse.
A.2. Messungen
1. Messen Sie die mechanische Länge eines Koaxialkabels. Bestimmen Sie mit Hilfe des TDR
Gerätes die Permittivitätszahl "r des Kabeldielektrikums.
2. Messen Sie die Eigenanstiegszeit tr des Gerätes. Die Definition von tr ist in Bild 11 gezeigt:
tr ist die Zeit, die ein Impuls benötigt, um von
10% auf 90% relativer Amplitude zu steigen.
U
1
0 ,9
0 ,1
0
tr
t
Bild 11: Definition der Anstiegszeit tr .
3. Bestimmen Sie die Sprungantwort eines Widerstands mit langen Anschlussdrähten, skizzieren Sie den Kurvenverlauf und bestimmen Sie aus dem Endwert und der Zeitkonstante t die
Größen L und R.
4. Messen Sie die Sprungantwort einer Wellenleiterverzweigung und vergleichen Sie die Ergebnisse mit der Theorie aus der Vorbereitungsaufgabe (b).
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