MitGefühl - Horizont

Werbung
31
REPORT
HORIZONT 28/2015
9. Juli 2015
www.horizont.net/report
DIGITAL MARKETING
QUALITÄT
Nachbessern, bitte!
ZUM THEMA
Mit Gefühl
ILLUSTRATION: COLOURBOX
Von Klaus Janke
Branchenweite Standards zur
Qualitätssicherung von Onlinewerbung lassen auf sich warten.
Vermarkter und Mediaagenturen
setzen auf hauseigene Lösungen
B
ereits 21 Jahre ist es her, dass der
amerikanische Telekommunikationskonzern AT&T den ersten Onlinebanner geschaltet
hat – und immer noch gibt es grundsätzliche Fragen, auf die verbindliche
Antworten fehlen: Ist mein Werbemittel
wirklich ausgeliefert worden? Wird es
wahrgenommen? Und wenn ja, von
wem? Die leidige Qualitätsdebatte hält
an, angefeuert vom Preisverfall und der
beunruhigenden Tatsache, dass mit steigendem Anteil von Real Time Advertising immer mehr Klicks von Robotern
erzeugt werden (Fraud).
Um Abhilfe zu schaffen, hatte der
Online-Vermarkterkreis (OVK) im
Bundesverband Digitale Wirtschaft
(BVDW) eigentlich mit dem „O-Wert“
die ganz große Lösung auf den Weg bringen wollen – ein Leistungsparameter für
die Wahrnehmungschance, der sich aus
einer ganzen Reihe von Faktoren wie
Sichtbarkeit, Größe und Platzierung zusammensetzen sollte. Im vergangenen
Jahr entschied man sich jedoch, zunächst nur die Arbeit am wichtigsten
Faktor, der Visibility, voranzutreiben. In
seiner Definition einer „visible impression“ folgt der OVK dem amerikanischen
50/1-Standard: Ein Werbemittel ist sichtbar, wenn es zu 50 Prozent eine Sekunde
lang im sichtbaren Bereich des Browsers
eingeblendet wurde. Aber wie soll die
Visibility technisch gemessen und ausgewiesen werden? Wer darf messen?
Mit der Erarbeitung von verbindlichen Standardkriterien beschäftigt sich
das Lab Visibility der Fokusgruppe Ad
Operations & Ad Technology im BVDW.
In diesem sind neben Vermarktern auch
weitere Marktteilnehmer wie Mediaagenturen, Mess-Dienstleister und Adserver-Anbieter vertreten. „Wir planen für
das 4. Quartal dieses Jahres die Veröffentlichung der Guideline mit eindeutig
definierten Messparametern sowie einer
einheitlichen und damit vergleichbaren
Ausweisung der Messergebnisse zur Visibility“, kündigt Björn Kaspring, stellvertretender Vorsitzender des OVK, an.
Eine Zertifizierung der Mess-Dienstleister sei jedoch aus dem BVDW heraus
nicht geplant, so Kaspring. Die Marktteilnehmer sollen sich freiwillig an der
Guideline orientieren können.
D
a verbindliche Qualitätskriterien für die meisten Faktoren
fehlen, bieten Vermarkter und
Mediaagenturen eigene Systeme zur
Qualitätssicherung bei Online- und insbesondere RTA-Kampagnen an – eine
willkommene Chance zur Profilierung.
So verspricht Zoja Paskaljevic, Deutschlandchef des Dentsu Aegis Network, seinen Kunden über das Tool „Scale“
Transparenz und Optimierungsmöglichkeiten (siehe Seite 34).
Speziell für programmatische Werbung hat die Mediaagentur Pilot die Initiative RTA
Gold gestartet (HORIZONT 36/2014). Sie be-
inhaltet standardisierte Qualitätsmerkmale für Sichtbarkeit, Inventarqualität,
Fraud und Brand Safety. Aktuell arbeitet
Pilot an einer zusätzlichen automatisierten Optimierung zur Vermeidung von
Ad-Clutter, der Überfüllung von Websites mit Werbung. „Der Großteil unserer
Kunden im Bereich Programmatic Branding nutzt die Qualitätsmerkmale“, erklärt Geschäftsführer Thorsten Mandel.
„Im Performance-Segment stellt sich
kampagnenindividuell die Frage, ob die
höheren Kosten für Qualität und Transparenz gerechtfertigt sind.“
Gemeinsam mit dem Mess-Dienstleister Meetrics hat Pilot auch ein Monitoring für Display-Kampagnen entwickelt,
das eine Gesamtbewertung der Auslieferungsqualität ermöglicht. Alle Tools
werden kontinuierlich weiterentwickelt.
„Den aktuell größten Handlungsbedarf
im Sinne Qualität sehen wir bei der Targeting-Güte“, sagt Mandel, „sowohl geografisch als auch soziodemografisch.“
Ebenfalls sehr wichtig: die Sichtbarkeitswerte, „mit starkem Fokus auf die Sichtbarkeitsdauer“, so Mandel.
Targeting optimieren, suchmaschinenrelevante Begriffe ermitteln, Werbung automatisiert ausspielen, Klickraten zählen,
Daten sammeln und verarbeiten – auf der
Jagd nach der Aufmerksamkeit der Mediennutzer ist viel Technik im Spiel. Kaum
taucht ein neuer Datensatz auf und wird
eine neue Rechenmethode entwickelt,
stürzen sich Digitalexperten darauf, wie
Fische auf den Köder. Aus dem Blick gerät
dabei vielleicht zu oft, dass Werbung, egal
nach welchen Kriterien sie versendet
wird, nicht auf Computer, sondern denkende Menschen trifft. Und die entscheiden nun einmal emotional, sprich nicht
bis ins Letzte vorhersehbar. Reagieren
und Konsumieren werden sie nur, wenn
die eigenen Synapsen anspringen. Und
dabei wirkt der klassische Ansatz von
Werbung, einfach eine gute Geschichte zu
erzählen, oft am besten.
Bettina Sonnenschein
Ressort Specials
INHALT
Vermarktung: Die Begriffe Qualitätsumfeld und Big Data schließen sich nicht aus. 32
Interview: Zolja Paskaljevic über die
Neuausrichtung von Dentsu Aegis.
34
Suchmaschinenmarketing: Google belohnt Qualität und Usability von Websites. 36
Targeting: Was profilbasierte Kampagnen
brauchen, um zu funktionieren.
38
Mobile: Worauf es bei Content auf dem
kleinen Screen ankommt.
40
Umfrage: Welche Herausforderung die
Smartwatch darstellt.
41
Anzeige
32 REPORT DIGITAL MARKETING
HORIZONT 28/2015
9. Juli 2015
Die Spreu
vomWeizen
Im Big-Data-Zeitalter müssen die klassischen Premiumvermarkter den Spagat zwischen
zwei Welten schaffen – und Automatisierung mit Qualität verbinden
Von Katrin Lang
M
„Ich sehe keinen
Widerspruch, sondern
eine Wertsteigerung
durch Big Data“
Holm Münstermann, Asmi
HORIZONTREPORT
ist ein Sonderteil von HORIZONT,
Zeitung für Marketing, Werbung und Medien
Chefredaktion: Dr. Uwe Vorkötter (V.i.S.d.P.),
Volker Schütz, Jürgen Scharrer
Ressortleitung: Dr. Jochen Zimmer
Telefon 069/7595-2695
E-Mail: [email protected]
Redaktion: Bettina Sonnenschein,
Karl Gattenlöhner
anche Diskussionen drehen
sich im Kreis – und das ist
gut so. Redaktionelle, qualitativ hochwertige Umfelder beispielsweise galten lange Zeit als
wertvolles Pfund in der Onlinevermarktung. Dann schien ihre Bedeutung zu
bröckeln, angesichts eines immer besseren Targetings, der programmatischen
Zielgruppenorientierung und der Macht
der großen Big-Data-Maschinen Facebook und Co (HORIZONT 23/2014). Mittlerweile ist klar: Das eine schließt das andere längst nicht mehr aus. „Gerade in
der Kombination von beidem sehen wir
eine wesentliche Stärke für unsere Vermarktung“, sagt etwa Christian Herp,
Geschäftsführer von IQ Digital Media,
der mit seinem Portfolio unter anderem
journalistische Marken wie „FAZ“ und
„Zeit“ vertritt.
Hand in Hand mit der Automatisierung geht auch Axel Springer Media Impact, und Holm Münstermann, General
Manager New Media Business, freut sich
über die zusätzliche Wertsteigerung
durch Big Data. Konkret stützt er sich mit
seinem Team unter der Marke „Datafactor“ auf Vermarktungsprodukte, die
auf Basis eigener Datenquellen programmatisch auf eigenem Inventar und bei Bedarf auch darüber hinaus ausgeliefert
werden können. „Wir sind der einzige
Vermarkter, der ein fünfstelliges Postleitzahlen-Targeting in Echtzeit ermöglicht“,
beschreibt der Springer-Mann. Die Kombination von „Bild“- und „Welt“-Umfeld
unter anderem mit exklusiven Daten diverser Springer-Beteiligungen verschaffe
dem Konzern „eine echte Alleinstellung“.
Auf das Beste aus beiden Welten setzt
auch Stefan Schumacher, Executive Director Digital bei Gruner + Jahr EMS. In
der Praxis sei deshalb der Großteil des
digitalen Inventars mittlerweile programmatisch zugänglich samt diverser Targeting-Optionen, andererseits biete G+J eine breite Palette an Native-AdvertisingFormaten, integriertem Storytelling und
Im Fokus: Kongress
Wie sieht die perfekte Mobile-Marketing-Strategie aus? Wie wichtig sind Social-Media-Kampagnen? Welchen Wert hat Content Marketing?
Und welche Anforderungen schließlich stellt die
laufende Digitalisierung an Agenturen? Antworten auf diese Fragen gibt es am 13. und 14.
Juli 2015. Dann präsentiert HORIZONT seine
Digital Marketing Days 2015 und verwandelt das
Steigenberger Hotel am Kanzleramt in Berlin zu
einem Mekka für Digital-Marketing-Interessenten. Unternehmensexperten wie Lars Lehne,
Marianne Dölz, Tina Beuchler und Thomas de
Buhr vertreten Marketing-Schwergewichte wie
Google, Facebook, Nestlè und Twitter. Als Vertreter der Digital Natives zeigt Nicolas Lindken,
der als Youtuber „Tense“ berühmt ist, einen
Einblick in seine digitale Welt.
Tag eins steht ganz im Zeichen von Vorträgen zu
Social Media, Mobile und Content Marketing.
Dazu soll ein Praxis-Check zeigen, ob die Agenturen den aktuellen Ansprüchen der Kunden
schon gerecht werden. An Tag zwei geht es noch
tiefer in die Materie: Mit Workshops zu den
Themen Online-Recht, New Visual Marketing,
Kundengewinnung und -bindung im digitalen
Raum sowie Mobile Marketing in der Praxis,
setzen sich die Teilnehmer mit den sich ständig
wandelnden Herausforderungen des Digitalen
auseinander. Zwischen Workshops und Vorträgen bleibt Zeit für Networking mit Größen der
Agentur-Szene. Die Anmeldung erfolgt online,
unter Conferencegroup.de, wo auch das komplette Programm sowie alle Referenten aufgeführt werden.
KARL GATTENLÖHNER
Kommunikationslösungen wie Word-ofMouth-Marketing.
„Ein gewisser Grad an Automatisierung bei der Abwicklung ist ein Muss,
allein schon aus Kapazitäts- und Effizienzgründen“, sagt Thomas Port, Geschäftsführer von Seven-One Media.
Dennoch plädiert er für Sorgsamkeit:
„Unsere Angebote und Umfelder müssen
weiterhin echte Menschen erreichen, um
wertvoll zu bleiben.“ Qualitätsumfelder
müssten unter den Marktteilnehmern
mehrheitlich kontrolliert und geschützt
in privaten Ökosystemen vermarktet
werden. Das gilt besonders beim Schließen neuer Partnerschaften: Seit Anfang
des Monats stärkt Pro Sieben Sat 1 mit
einem 51-Prozent-Anteil an Virtual
Minds/Yield Lab seine Kompetenzen im
Bereich Programmatic Advertising (HORIZONT 27/2015). Port: „Um den globalen
Playern gewachsen zu sein, werden wir in
Zukunft deutlich mehr Kooperationen
deutscher und europäischer Marktteilnehmer sehen.“ Ein Meilenstein auf diesem Weg sei die im Juni geschlossene
Partnerschaft von Ad Audience und Interactive Media (HORIZONT 26/2015).
D
eren Ziel, eine bessere Datenqualität sowie gemeinsam entwickelte hochwertige Targetingprodukte zu liefern, ist für Oliver Wolde,
Senior Vice President Sales/Publisher und
Mitglied der Geschäftsleitung von Interactive Media, Ausdruck der aktuell angesagten intelligenten Verzahnung von Programmatic Advertising und Branding.
Ihm zufolge ist vor allem die Konzeptvermarktung gefragt. „Wer heute seine Marke digital überzeugend inszenieren will,
muss einen individuellen Auftritt hinlegen.“ Und zum Zeitgeist gehörten eben
auch Real-Time-Advertising-Formate.
Matthias Dang, Geschäftsführer von
RTL-Vermarkter IP Deutschland, bestätigt die Entwicklung in beide Richtungen:
„Automatisierung auf der einen, Individualisierung auf der anderen – das ist kein
Widerspruch.“ Stattdessen hätten sowohl
Kunden als auch Vermarkter mehr Ressourcen für außergewöhnliche Werbelö-
sungen. Je höher aber die Automatisierung, desto deutlicher schwappt eine alte
Diskussion wieder an die Oberfläche.
„Durch die Aufdeckung von Fraud Impressions beispielsweise sind Kunden und
Agenturen gegenüber Qualität sensibilisiert“, sagt Martin Lütgenau, Geschäftsführer von Tomorrow Focus Media. „Ob
Direktverkauf, Programmatischer Einkauf, Umfeldplanung oder Rotationen mit
Targeting, die Basis der Planung ist immer
die Qualität des Inventars.“ Erfreulich sei,
dass diese mit technischen Mess-Systemen
mittlerweile quantifizierbar sei. Dadurch
trenne sich endlich die Spreu vom Weizen.
D
ie Entwicklung hat ihren Preis.
Die Zeiten, in denen Anbieter
Programmatic als neue Möglichkeit verkaufen, kostengünstig im Markt
zu agieren, sich die Kunden dann aber
über Werbemittel wundern, die in zweifelhaften Umfeldern ausgespielt werden,
sind laut den klassischen Premiumvermarktern, mit denen HORIZONT gesprochen hat, vorbei. „Im programmatischen
Bereich machen wir gerade die Erfahrung, dass die Zahlungsbereitschaft und
der Preis steigen, sobald das konkrete
Umfeld transparent ist“, sagt IQ-MediaChef Harp. Dirk von Borstel, Geschäftsführer der OMS, ergänzt: „Programmatic
„Unsere Angebote
müssen weiter echte
Menschen erreichen, um
wertvoll zu bleiben“
Thomas Port, Seven-One Media
heißt nicht billig.“ Im Gegenteil: „Wo früher Bulk-Impressions verkauft wurden,
herrscht heute aufgrund der viel genaueren Zielgruppenansprache rege Nachfrage nach jeder einzelnen Impression.“
Deshalb gilt es mittlerweile als wahrscheinlich, dass sich die Preise aufgrund
der immer größer werdenden Nachfrage
im Markt weiter stabilisieren werden. Dazu kommt, dass mehr Premiuminventar
und großformatige Flächen programmatisch verfügbar gemacht werden. Das
zeigt das Beispiel von P7S1-Vermarkter
Seven-One, der sich unter anderem mit
dem Multichannel-Netzwerk Studio 71
zusätzliche Wachstumsbereiche erschließt.
M
„Durch die Aufdeckung
von Fraud sind
Kunden gegenüber Qualität
sensibilisiert“
Martin Lütgenau, Tomorrow Focus Media
arco Barei, General Manager
Programmatic Advertising bei
Asmi, verweist außerdem auf
die Möglichkeit, durch die Nutzung von
User- oder Verhaltensdaten gezielte Impressionen zur effektiven Aussteuerung
von Kampagnen einzukaufen und Streuverluste zu reduzieren. Der Einzelkontakt
wird somit wertvoller, was sich positiv
auf den effektiven Tausender-Kontaktpreis auswirkt. „Diese Effizienzsteigerung
macht digitale Buchungen für Werbetreibende noch attraktiver“, prognostiziert Barei.
34 REPORT DIGITAL MARKETING
Z
HORIZONT 28/2015
Wir sind bereits sehr gut aufgestellt, neben den klassischen Mediaagenturen Carat und Vizeum haben wir mit Isobar eine
Agentur für digitales Marketing und digitale Kreation, aber auch besondere
Schlagkraft mit Explido iProspect, der
größten Performance-Marketing-Agentur in Deutschland. Darüber hinaus besetzen wir mit Spezialagenturen die Zukunftsthemen Outernet und Mobile, in
die wir zuletzt lokal wie international
stark investiert haben. Weitere Akquisitionen sind nicht ausgeschlossen.
Von Klaus Janke
oja Paskaljevic hat sich viel vorgenommen: Das Dentsu Aegis
Network soll unter seine Ägide
nicht mehr nur für Media stehen. Vielmehr soll es zum „Kommunikationsarchitekten“ werden, der alle relevanten Dienstleistungen aus einer Hand
anbietet – gestärkt vielleicht durch Zukäufe. Der Schlüssel für die ambitionierte
Positionierung: umfassende digitale Expertise und pralles Smart-Data-Wissen.
Wie weit wollen Sie auf das Feld der
klassischen Kreation vordringen?
Unser Kreativpotenzial bezieht sich auf
die digitale Welt der „Connected Audiences“. Hier entsteht neben der klassischen Kreation eine exponentielle Zunahme von Möglichkeiten, die Kunden
unserer Kunden während der Customer
Herr Paskaljevic, Sie wollen als neuer
Deutschlandchef des Dentsu Aegis Networks für Impulse sorgen. Wie soll das
aussehen?
Wir leben heute in einer Welt, die vom
Begriff „Vuca“ geprägt ist: „Volatile, uncertain, complex, ambiguous“. Eine Welt
also, in der es keine festen Regeln mehr
gibt. In der „Vuca“-Welt muss man auch
als großes Agentur-Netzwerk agieren wie
ein Start-up: schnell, flexibel und vor allem kreativ. Mit diesem Ansatz und der
Ansprache von „Connected Audiences“
sind Unternehmen wie Airbnb oder Uber
groß geworden. Daran müssen wir uns
für unsere Kunden orientieren.
Das Tool
Mit „Scale“ stellt das Dentsu Aegis Network seinen
Kunden eine Lösung zur Verfügung, die OnlineKampagnen leistungsfähiger und transparenter
machensoll.DasgemeinsammitdemDienstleister
Meetrics entwickelte Benchmarking-Instrument
liefert im kostenfreien Basispaket die relevantesten Leistungskennzahlen insbesondere zur Sichtbarkeit von Online-Werbemitteln. Die kostenpflichtige Premium-Version misst weitere KPIs, darunter auch Sonderformate wie Videowerbung.
Mit „Scale“ sollen Werbungtreibende ihre Kampagne noch während der Laufzeit auf individuell
definierte KPIs optimieren können.
Man bringt das Dentsu Aegis Network
damit nicht auf Anhieb in Verbindung.
Noch nicht, aber das sind genau die Impulse, die wir für uns und vor allem für
das zukünftige Geschäft unserer Kunden
brauchen, um uns diesen neuen Anforderungen zu stellen.
Der Manager
Und wie wird sich das Netzwerk künftig
positionieren? Auch als integrierter
Kommunikationsdienstleister mit großem Datenwissen, wie es viele Kollegen
aus anderen Häusern skizzieren?
Grundsätzlich ja, aber noch weit darüber
hinaus. Wir verfügen als internationales
Netzwerk schon heute über ein riesiges
Datenvolumen unter anderem aus eigenen weltweiten Studien, die wir nicht nur
mit weiteren Daten konsolidieren, sondern in digitale „Smart Data“ übersetzen.
Wir arbeiten als Netzwerk zudem in allen
kommunikativen Disziplinen und sind in
der Lage, unsere Erfahrung und Expertise
aus einer Hand zusammenzuführen. Mit
dieser integrierten, holistischen und
gleichzeitig spezialisierten Herangehensweise haben wir heute bereits einen Vorsprung und sind hervorragend aufgestellt, um in Zukunft weitaus mehr zu
sein als „nur“ ein Medianetzwerk. Unser
Ziel ist die Entwicklung hin zu „Kommunikationsarchitekten“, die die Kunden
über den gesamten Geschäftsprozess hinweg beraten. Digitale Expertise wird dabei der Schlüssel sein.
Können Sie wirklich alles aus dem eigenen Netzwerk anbieten? Oder sind
Zukäufe geplant?
„Agieren
wie ein
Start-up“
Mit dieser Positionierung ergeben sich
neue Verteilungskämpfe. Erwarten Sie
mehr Gegenwind von Werbeagenturen,
die zurzeit ihre digitale Expertise verbessern? Das Verhältnis zu den Mediaagenturen ist ja ohnehin nicht so toll.
Diesen Eindruck haben insbesondere die
Medien herbeigeschrieben und forciert.
Ich persönlich erlebe das Verhältnis zu
den Werbeagenturen als sehr positiv und
in der Zusammenarbeit für den Kunden
in der Regel lösungsorientiert. Als neue
Konkurrenten auf dem Feld der Kommunikationsdienstleistungen sehe ich vielmehr die großen Unternehmensberatungen, die zunehmend ihre Fühler in das
digitale Marketing ausstrecken.
Zoja Paskaljevic, seit Februar CEO
von Dentsu Aegis in Deutschland,
über die künftige Ausrichtung des
Netzwerks, Kooperationen und
Qualitätssicherung
FOTO: DENTSU AEGIS
Seit Februar steht Zoja Paskaljevic, 54, an der
Spitze des Dentsu Aegis Networks in Deutschland,
das über 1000 Mitarbeiter zählt. Zum Netzwerk
gehören unter anderem die Mediaagenturen Carat
und Vizeum, der Performance-Marketing-Dienstleister Explido iProspect und die digitale Marketingagentur Isobar. Paskaljevic begann seine Karriere als Sales Manager bei der Verlagsgruppe
Handelsblatt, bevor er ab 1988 für verschiedene
Mediaagenturen tätig war. Im Juni 2014 stieg er als
Executive Vice President für General Motors Europa beim Dentsu Aegis Network ein.
Journey zu begleiten und im entscheidenden Moment mit dem relevantesten Inhalt zur Transaktion zu bewegen. In diesem Zusammenhang ist es wichtig, Aufgaben ganzheitlich anzugehen, über das
traditionelle Vorgehen hinauszudenken
und dabei Bereiche wie Technologie und
Servicedesign auszubauen. Insofern
kümmern wir uns um einen sehr wesentlichen Bereich, der heute noch nicht aus
einer Hand angeboten wird: das entscheidende Feld des relevanten Content in Verbindung mit der dynamischen Aktivierung der vorliegenden klassischen Werbemittel, optimiert über alle Screens.
Und was ist mit Google und Facebook?
Die beiden Konzerne gelten als große
Gefahr für die Mediaagenturen und ihr
Geschäftsmodell.
Ich sehe die beiden weniger als „böse
Konkurrenten“, sondern als interessante
Kooperationspartner. Unser Netzwerk
unterhält diverse Partnerschaften mit den
großen US-Playern, unter anderem auch
Twitter. Dabei geht es nicht in erster Linie
um Konditionen, sondern vor allem um
Wissen und Mehrwert. Wir tauschen
Know-how aus, das wir wiederum im In-
9. Juli 2015
teresse unserer Kunden einsetzen können. In einigen Fällen haben wir bereits
gemeinsam proprietäre Produkte entwickelt. Einige befinden sich im Pilot, andere stehen kurz vor dem Rollout.
Bereits auf dem Markt ist das neue Produkt „Scale“ – eine technische Lösung,
die für mehr Qualität bei digitalen
Kampagnen sorgen soll.
Mit „Scale“ bieten wir unseren Kunden
eine Lösung, die digitale Kampagnen sowohl leistungsfähiger als auch transparenter macht. Diese Initiative liefert Werbungtreibenden ein unabhängiges Tool,
mit dem digitale Kampagnen noch während ihrer Laufzeit auf individuell definierte KPIs optimiert werden können.
Wir messen sie kontinuierlich – und zwar
jede einzelne Ad Impression, keine Stichproben – auf 13 Qualitäts-KPIs. Dazu gehören Visibility, Brand Safety, Fraud und
vieles mehr. Damit bieten wir unseren
Kunden den unschätzbaren Vorteil eines
kontinuierlichen Monitorings ihrer
Kampagne und damit auch die Möglichkeit, digitale Kampagnen noch während
der Laufzeit auf individuell definierte
KPIs zu optimieren. „Scale“ ist zudem
kein statisches Angebot. Wir werden die
Lösung regelmäßig und flexibel den Bedürfnissen des Marktes angleichen. Mit
„Scale“ sind wir „First Mover“. Es ist der
bislang strukturierteste und umfassendste Ansatz im Markt.
Finden das Ihre Kunden auch?
Die Resonanz ist auf jeden Fall sehr gut.
Wir haben das Angebot im April eingeführt, und es wird mittlerweile von der
Hälfte unserer Top-20-Kunden gebucht.
Warum ist der Handlungsbedarf in
puncto Qualitätssicherung bei Onlinekampagnen so groß?
Qualität und Transparenz sind im Markt
absolut zentrale Themen – Sie kennen die
Diskussionen um Sichtbarkeit oder
Fraud. Aber von einer fest definierten Visibility-Rate abgesehen gibt es in puncto
Qualitätskriterien bisher kaum etablierte
Standards. Diese brauchen wir aber dringend, um die Leistungswerte sowie die
Effektivität und Effizienz von Kampagnen besser vergleichen zu können. Diese
Vergleichbarkeit schaffen wir mit „Scale“.
Insbesondere für den Bereich Programmatic Advertising benötigt man eine Lösung, die die Qualität transparent macht.
Wird Programmatic ein wichtiges strategisches Wachstumsfeld für das Dentsu
Aegis Network sein?
Auf jeden Fall. Das Potenzial ist sehr groß,
wir müssen allerdings auch noch viel argumentative Aufbauarbeit leisten. Denn
gegenwärtig wird Programmatic in der
Regel rein auf Buying-Leistung beschränkt. Dabei ist Programmatic eine
komplexe Marketing- und Businessfrage.
Wir haben unter anderem für unser Angebot Amnet eine einheitliche Datenplattform namens Dentsu Aegis Data Lab
etabliert – ein riesiges Datenparkhaus,
das wir nutzen, um einzelne Daten-Garagen für unsere Kunden zu schaffen. Damit können wir nicht nur Real-TimeKampagnen planen und durchführen,
sondern unsere Kunden auch bei Business-Innovationen und bei der Implementierung eigener Systeme wie etwa
Data-Management-Plattformen (DMPs)
unterstützen. Vielleicht setzt sich Programmatic Advertising nicht so schnell
durch wie erwartet. Aber die Entwicklung
ist unausweichlich und birgt für unsere
Kunden einen enormen Mehrwert in
Form von integrierter Daten-Intelligenz.
36 REPORT DIGITAL MARKETING
HORIZONT 28/2015
9. Juli 2015
Mobile Politur
Konsequent sorgt Google dafür, dass Qualität und Nutzerfreundlichkeit von Websites
bei der Suche belohnt werden. Die alten SEO-Tricks haben ausgedient
E
Von Klaus Janke
ILLUSTRATION: PAVELIS / FOTOLIA
s war das erste Update des SuchAlgorithmus, das Google weit im
Vorfeld offiziell angekündigt hatte: Seit dem 21. April werden
Websites, die mobil optimiert sind, bei
der Suche per Smartphone und Tablet
bevorzugt behandelt. SEO-Apokalyptiker
fürchteten erdrutschartige Veränderungen in den organischen Ergebnislisten,
aber das vielbeschworene „Mobilegeddon“ kam nicht. „Der große Knall ist
ausgeblieben“, so Siwen Zhang, Director
SEO bei der Performance-Agentur Explido iProspect in Augsburg. Sogar Google
selbst hatte offenbar mehr Wirkung erwartet: Man sei erstaunt, wie wenige
Websites negativ betroffen sind, sagte
Google-Managerin Maile Ohye im Mai
auf einem Kongress in London.
Komplett folgenlos verlief die Umstellung allerdings nicht. „Veränderungen
gab es vor allem bei den generischen
Suchbegriffen“, so Zhang. Direkt abgestraft wurden nach Analysen des MessDienstleisters Searchmetrics natürlich in
erster Linie Websites, die noch gar keine
„mobile friendly“-Website haben, allen
voran Xing, das sich mobil auf seine
App konzentriert. Trotz mobil
optimierter Sites musste
unter anderem Wiwo.de Federn lassen.
Focus.de und Welt.de gehörten dagegen
zu den Gewinnern.
Die relativ geringen Auswirkungen
basieren vor allem darauf, dass die meisten großen Website-Betreiber Mobile
mittlerweile auf dem Schirm haben – immerhin kommt bereits fast die Hälfte der
Suchanfragen über mobile Endgeräte.
„Immer mehr Unternehmen verfolgen
eine ,Mobile First‘-Strategie“, sagt Zhang.
„Die mobile Website ist dabei die Basis,
die Desktop-Variante die Erweiterung.“
N
atürlich ist es nicht damit getan,
eine mobile Website einzurichten oder – die andere Möglichkeit – über Responsive Designs alle verschiedenen Endgeräte einzustellen. Zahlreiche weitere Faktoren sind zu berücksichtigen: „Besonders wichtige Kriterien
für die mobilen Ergebnislisten sind die
Performance der Website sowie die Darstellung auf den mobilen Endgeräten“,
erklärt Christian Vollmert, Geschäftsführender Gesellschafter der Kölner Agentur
Lunapark und Vorsitzender der Fachgruppe Search im Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW). „Google kann
zum Beispiel feststellen, dass zwei Buttons zu eng zusammenliegen und damit
auf einem Touch-Display mit dem Finger
nur schwer anzutippen sind.“ Auch die
Abbruchraten flössen stark in den Algorithmus ein.
Die SEO-Strategen müssen abwägen:
Auf der einen Seite belohnt Google hoch-
wertigen und informativen Content, andererseits dürfen Nutzer und Technik
nicht überfordert werden: „Auf mobilen
Sites müssen die Inhalte drastisch reduziert werden“, glaubt Andreas Nowak,
SEO-Professional bei der Stuttgarter
Agentur Hurra.com. Die meisten Unternehmen seien auf einem guten Weg, aber:
„Die echte Nutzerorientierung steckt in
Mobile noch in den Kinderschuhen.“
Was also gut für die Desktopversion ist,
muss für Mobile noch lange nicht gut
sein. „Das SEO-Geschäft wird noch komplexer werden“, prognostiziert Nowak.
„Ich rechne damit, dass sich Mobile-SEO
als separate Disziplin etablieren wird.“
Das Mobile-Update ist nur ein Teil der
großen, bereits seit Jahren laufenden Qualitätsoffensive von Google. Die Logik: Die
Suchergebnisse müssen noch besser, die
Nutzer noch zufriedener werden. Belohnt
werden vor allem aktuelle Inhalte auf den
Seiten, journalistisch geschriebene Texte,
häufig aktualisiert, angereichert mit Bildern und Videos, aber nicht exzessiv. „Mit
der deutlich gestiegenen Content-Ausrichtung ist SEO auf ein neues Level gehoben worden“, sagt Vollmert.
Damit wird die Arbeit anspruchsvoller: „Die Kunden suchen zunehmend Agenturen, die auch
inhaltlich denken und ge-
meinsam mit
den Unternehmen zum
Beispiel Themenpläne erarbeiten.“
Das heißt aber auch: Der Website-Betreiber muss seinen Teil beitragen. „Durch die
steigende Bedeutung des Content können
wir die Optimierung nicht mehr autonom
vom Kunden vornehmen, sondern müssen Hand in Hand arbeiten“, so ExplidoiProspect-Managerin Zhang, „auch wenn
sich das mancher Kunde anders vorstellt.“
Bei aller Professionalisierung: Nach
wie vor gibt es im Netz Sites, die alles
andere als optimiert sind. Laut Morten
Ebbesen, CEO und Gründer des Optimierungs-Dienstleisters
Siteimprove,
verlassen sich zu viele Website-Betreiber
auf die Technik: „Nur weil etwa das Content-Management-System
behauptet,
SEO-freundlich zu sein, bedeutet das
noch lange nicht, dass man seine Bemühungen einstellen kann, die Website zu
optimieren.“ Auch sei häufig zu beobachten, dass das Design von Websites schön,
aber nicht SEO-tauglich ist: „Natürlich ist
das Erscheinungsbild einer Site wichtig“,
so Ebbesen. „Wenn dies jedoch bedeutet,
dass Zugänglichkeit und Inhalt leiden,
kann man viel Zeit in die Optimierung
investieren, ohne sich zu verbessern.“
Daneben gibt es Betreiber, die nach
wie vor mit alten SEO-Tricks – inflationärer Linkaufbau oder Keyword-Wiederholungen bis zur Schmerzgrenze – durchkommen. Sie laufen allerdings Gefahr,
von Google abgestraft zu werden und erst
nach einiger Zeit überhaupt wieder im
oberen Bereich der Ergebnislisten aufzutauchen. Die Tricks seien daher „ein Aus-
laufmodell, das auch von Kundenseite
nicht mehr gewünscht ist“, glaubt Vollmert. Wer sichergehen will, eine sowohl
kompetente als auch „sauber“ arbeitende
Agentur zu beauftragen, kann sich an den
SEO-Zertifikaten orientieren, die der
BVDW vergibt. Dieses Jahr haben sich 24
Dienstleister um die Siegel beworben, 17
haben es nach Prüfung erhalten.
D
erweil dürfen sich die Dienstleister auf weitere Veränderungen
einstellen. Google testet, mobil
besonders langsam ladende Websites mit
einem „slow“-Label zu brandmarken.
Mehr Kopfschmerzen dürfte aber der
Ausbau der sogenannten „Direct Answers“ bereiten: Google platziert eigene
Informationen zu einer Suchanfrage im
oberen Bereich der Website und drängt
damit die organischen Ergebnisse zurück.
Diese müssen unter Umständen gar nicht
mehr angeklickt werden, weil die Frage
bereits beantwortet ist. Unter anderem
Wetterportale bekommen das bereits
schmerzlich zu spüren. Website-Betreiber
füttern den Wissensdurst von Google
selbst, indem sie für Programme leicht
lesbare, strukturierte Daten auf die Sites
stellen, die dann für die „Direct
Answers“ ge-
nutzt werden. Allerdings: „Obwohl die Gefahr besteht, dass Google
sie abgreift, raten wir unseren Kunden zu strukturierten
Daten“, so Zhang. „Die Click-ThroughRate der Suchergebnisse kann dadurch
deutlich erhöht werden.“
Eine ganz neue Herausforderung kündigt sich in weiter Ferne an: Was passiert,
wenn immer mehr Suchanfragen eingesprochen statt -getippt werden? Experten
erwarten dann einen Trend weg von einzelnen Keywords hin zu Fragesätzen –
man fragt Siri schließlich höflich und
wirft ihr nicht nur Wortbrocken hin.
Gewinner und Verlierer
Mobile Sichtbarkeit reichweitenstarker Websites in Such-Ergebnislisten seit Google-Update*
Bereinigte Veränderung seit Google-Update in Prozent***
Mobile Visibility**
2 323 410
Ebay.de
2 227 475
Chip.de
1 684 252
Focus.de
Spiegel.de
1 410 288
Computerbild.de
1 206 934
5,0
–7,6
2,0
–4,4
–11,9
Bild.de
987 865
–4,5
T-Online.de
959 888
–11,9
Chefkoch.de
427 896
Gutefrage.net
413 684
Web.de
371 523
1,0
7,0
–6,2
*Auswahl: die 10 reichweitenstärksten Werbeträger nach Agof Internet Facts 2015-01
**Score-Wert nach Berechnung durch Searchmetrics am 24. Juni 2015 (entsprechend von Searchmetrics entwickelter Score-Kalkulation)
***Um die Auswirkungen des Google-Update (21. April 2015) zu ermitteln, wurde die Veränderungsquote der mobilen Visibility um die
Veränderung der Sichtbarkeit auf dem Desktop bereinigt. Auf diese Weise wurden Einflussgrößen, die nicht auf das Google-Update
zurückzuführen sind, herausgerechnet (z.B. inhaltliche Veränderungen auf der Website, saisonale Schwankungen etc.). Wenn also zum
Beispiel die Sichtbarkeit mobil stärker steigt als auf dem Desktop, ist dies wahrscheinlich dem Update zuzurechnen.
Quelle: Exklusive Auswertung von Searchmetrics für HORIZONT
HORIZONT 28/2015
HORIZONT 28/2015
J
REPORT DIGITAL MARKETING 37
9. Juli 2015
Von Klaus Janke
an Josef Liefers und Axel Prahl erleben ganz schön viel auf ihrem Roadtrip, den Toyota unter dem Titel „Ein
Auto wie ein Freund“ im Web präsentiert (Kreation: Saatchi & Saatchi,
Düsseldorf). Sie haben dafür auch immerhin dreieinhalb Minuten Zeit, die
TV-Spots sind nur 40 Sekungen lang. Mit
dem witzigen Kurzfilm, der seit Mitte Mai
bei Youtube rund 1,7 Millionen Views
verzeichnet, setzt Toyota seine Storytelling-Offensive fort, die Teil einer umfassenden Content-Strategie ist. Die hybride
Devise: Unterhalten und Informieren,
aber gleichzeitig Werben – und das alles
optimiert auf möglichst viel Sichtbarkeit
im Internet.
Erstes Resultat der von der neuen
Marketingchefin Sevilay Gökkaya definierten Marschrichtung war die Kampagne zur Einführung des Aygo, dem CityFlitzer für die junge Generation (HORIZONT 39/2014). Über die Aygo-Website
waren zahlreiche witzige Videos abzurufen, unter anderem einen Clip mit einem
„pinkelnden Aygo“, der für viel Verblüffung bei ahnungslosen Passanten sorgte –
er wurde bis heute auf Youtube mehr als 2
Millionen Mal abgerufen. Die Botschaft:
Toyota nimmt sich nicht allzu ernst.
Nun ist das Toyota-Marketing dabei,
die gesamte digitale Präsenz der Marke
über mehr Content auf Klicks und Visibility auszurichten. Augenfälliges Beispiel: Um den RAV4 bei Google in Szene
zu setzen, hat Toyota eine umfangreiche
Website zum Thema „Kompakt-SUV“
gebaut und sie auf die Begriffe „Kompakt“ und „SUV“ optimiert. Gibt man
diese in die Suchmaschine ein, taucht die
Website sehr hoch in den organischen
Hybride
Geschichten
Toyota setzt konsequent auf Content – und sorgt damit für mehr
Sichtbarkeit in der organischen Google-Suche
Suchergebnissen auf, direkt an zweiter
Stelle hinter einer Kompakt-SUV-Marktübersicht von Autobild.de und noch vor
entsprechenden Themenseiten von Fo-
cus.de und Autozeitung.de. Ein näherer
Blick auf die Site, die als Untersite von
Toyota.de läuft, zeigt die Erfolgsfaktoren:
Das Angebot ist betitelt mit „Kompakt-
SUV – Der perfekte Allrounder“. In sachlichen Texten, angeordnet in kleinen Paketen, werden die Vorteile des Autotyps
dargestellt, illustriert mit Fotos. Dann
folgt eine Analyse, für welchen Käufertyp sich ein Kompakt-SUV gut eignen
würde. Erst relativ weit unten kommt
Toyota dann explizit auf den RAV4 zu
sprechen, auf seine Produkteigenschaften und Vorzüge.
Ä
hnlich, wenn auch etwas weniger
zwingend funktioniert es mit
dem Suchbegriff „Hybrid“. Hier
braucht es teilweise etwas Geduld, in der
organischen Suche von Google auf die
zweite Site zu wechseln, bis „Faszination
Hybrid“ auftaucht. Auf der ThemenWebsite zur alternativen Antriebstechnik
hält sich Toyota nicht so sehr mit direkter
Werbung zurück, doch es sind auch unterhaltsame Videos und redaktionell aufbereitete, journalistisch geschriebene
Porträts von Hybrid-Fahrern zu finden –
dankbare Inhalte für die neue GoogleLogik (siehe Seite 36). „Wir bewerben das
Thema Hybrid nicht über Umweltschutzoder Emissions-Argumentation“, erklärt
Marketingchefin Gökkaya. „Wir vermitteln den Spaß, den man hat, wenn man
ein Hybrid-Auto fährt.“
Themen-Websites „Kompakt-SUV“ (l.) und „Faszination Hybrid“: Produktwerbung spielt nicht die erste Geige
Anzeige
38 REPORT DIGITAL MARKETING
HORIZONT 28/2015
9. Juli 2015
ILLUSTRATION: ALEKSANDR BEDRIN / FOTOLIA
Wer landet die
bestenTreffer?
Methodik und Datenqualität sind beim
Targeting essenziell, damit die profilbasierte
Kampagnenaussteuerung funktioniert
Von Vera Günther
D
Gütesiegel Targeting
Ein neues Siegel des unabhängigen
Zertifizierungsdienstleisters ePrivacy prüft die Qualität von Targeting.
Als erster Anbieter wurde zum 1. Juli
United Internet Media ausgezeichnet. Die Zertifizierungskriterien
decken die im BVDWLeitfaden für QualitätsTargeting definierten
Bereiche ab: Daten,
Datenschutz, Zielgruppenmodellierung,
Targeting-Angebot/Möglichkeiten, Leistungswerte und Erfolgsmessung.
Wichtige Punkte sind dabei:
• Breite, Tiefe, Repräsentativität
und Aktualität der Datenbasis
• Vorliegen von Datenschutzsiegeln
• Fundierte Verfahren zur Modellbildung unter Einsatz entsprechender Standards sowie neuer Erkenntnisse aus der Forschung
• Regelmäßigkeit und Häufigkeit
der Modellüberprüfung
• Möglichkeit, individuelle Zielgruppen auf Basis kundenspezifischer Daten zu erstellen
• Integration von Erkenntnissen aus
vergangenen Targeting-Kampagnen und Studien
er Urlaub in Norwegen war
perfekt: Weite Fjorde, Sonne,
eine einsame Blockhütte, die
er über das Internet gefunden
hatte. Tagelange Recherchen auf verschiedenen Reiseportalen waren dem vorausgegangen, doch letztlich hatte der Anbieter den Urlauber gefunden – per OnlineAnzeige, just in dem Augenblick, als jener
gerade die Börsenkurse online studierte.
Behavioural Targeting sorgt dafür, dass
die Online-Werbung, die ein Nutzer im
Web erhält, genau auf sein vorangegangenes Surfverhalten abgestimmt wird –
ganz unabhängig davon, auf welchen
Websites er sich gerade bewegt.
Ob diese Art der Zielgruppenansprache funktioniert, hängt von der Methodik
und der Datenqualität ab. Letztere, so Armin Schroeder, Geschäftsführer der Düsseldorfer Mediaagentur Crossmedia, reiche heutzutage von gar nicht existent bis
extrem gut: „Während etwa Login-Daten
in der Regel eine sehr hohe Qualität haben, sind Targeting-Daten, die anhand einer Hochrechnung mit statistischen
Zwillingen arbeiten, meist nicht zu empfehlen.“ Seine Einschätzung macht
Schroeder an Ex-Post-Analysen fest.
„Werbungtreibende und Agenturen
verfolgen sehr genau, wie gut TargetingKampagnen die avisierte Zielgruppe auch
wirklich treffen. Aus solchen Analysen
wissen wir, welche Targeting-Systeme gute Ergebnisse erbringen, und wo es noch
Luft nach oben gibt“, bestätigt Plan.NetGeschäftsführer Manfred Klaus. Sein Fazit: Im Großen und Ganzen funktioniert
Targeting. In den allermeisten Fällen helfe die profilbasierte Aussteuerung von
Online-Werbung, Streuverluste zu vermindern. Bei der Bewertung der Datenbasis ist man laut Klaus aber auf die Angaben des Anbieters angewiesen: „Da fordern wir weitgehend Transparenz.“
Die will United Internet Media (UIM)
nun mit einem neuen Targeting-Zertifikat schaffen. Anhand eines umfangreichen Kriterienkatalogs überprüft der unabhängige
Zertifizierungsdienstleister
ePrivacy die Qualität des UIM-eigenen
Predictive Behavioural Targeting Systems
TGP. Das Gütesiegel bescheinigt dem
Vermarkter die Selbstverpflichtung zu
Qualitäts-Targeting. Selbstverpflichtung
deshalb, weil UIM die Prüfung selbst initiiert hat. „Mit dem Siegel wollen wir einerseits unsere eigene Marktposition
stärken, andererseits aber auch das Qualitätsbewusstsein und die Qualitätswahrnehmung des Themas Targeting im deutschen Online-Werbemarkt fördern“, sagt
Rasmus Giese, CEO bei UIM.
Die Selbstverpflichtung ist allerdings
keine neue Idee, sondern baut auf Vorarbeiten auf, die im Rahmen der einige
Jahre zurückliegenden und inzwischen
eingeschlafenen 4Q-Offensive von Interactive Media, UIM, Pilot und Plan.Net
erarbeitet wurde. Darüber hinaus lehnen
sich die Kriterien eng an den Leitfaden
zur Beurteilung von Targeting-Qualität
an, den die Fokusgruppe Targeting des
BVDW Ende 2014 veröffentlicht hat.
Einen Quasi-Standard hoffen auch
der Vermarkterverbund Ad Audience
und der Datenspezialist Xplosion Interactive zu etablieren. (HORIZONT 26/
2015). Im Rahmen einer strategischen
Partnerschaft bündeln die beiden ihre
Zielgruppendaten. „Wir fügen alle Daten,
die wir heute zur Profilbildung nutzen, in
einen Pool zusammen. Daraus entsteht
nicht nur eine deutlich erhöhte, sondern
auch eine einheitliche Datenqualität“, erläutert
Ad-Audience-Geschäftsführer
Stefan Krötz. Das heißt im Klartext: Für
jedes Nutzerprofil stehen nun mehr Datenpunkte zur Verfügung, um es einem
eindeutigen Targeting-Segment zuzuordnen. Je mehr Information pro Nutzerprofil zur Verfügung steht, desto besser ist
die Qualität des Targetings.
D
em Endgeräte-Hopping der
Nutzer steht aber auch Ad Audience nahezu hilflos gegenüber.
Um exakt aufeinander abgestimmte und
ineinander greifende Targeting-Kampagnen spielen zu können, bräuchte es Nutzerdaten, die über alle Bildschirme abgeglichen werden. „Aktuell ist dies nur
möglich, wenn sich ein Nutzer bei einem
einzelnen Anbieter registriert und den
dazugehörigen AGB zustimmt. Über den
dann folgenden Kundenlogin kann der
Nutzer beziehungsweise die daraus abgeleitete Zielgruppe Endgeräte-übergreifend angesprochen werden“, sagt Krötz’
Kollegin Meike Arendt, die das Thema als
stellvertretende Vorsitzende der Fokusgruppe Targeting im BVDW weiter vorantreiben will.
Facebook und Google haben hier mit
ihren Nutzerkennungen die Nase vorne.
Auch UIM bietet kanalübergreifendes
Targeting an. „Die getrennten Profile eines Users werden datenschutzkonform
zu einem Multi-Screen-Profil vereint.
Den Schlüssel zum Nutzer bildet der
pseudonymisierte Unique Key, über den
device-übergreifende Kampagnen synchronisiert und kontaktoptimiert über
alle Screens hinweg ausgesteuert werden
können“, beschreibt Giese. Ähnlich funktioniert das bei Microsoft Advertising.
Unter Windows 8 arbeitet der Vermarkter
mit einer eindeutigen Microsoft-ID.
Ist log-in-basiertes Targeting das bessere Targeting? „Auf den ersten Blick auf
jeden Fall“, sagt Crossmedia-Chef Schroeder. Er gibt aber zu bedenken: „Nicht
jedes Cross-Device-Targeting ist zu 100
Prozent deterministisch, also auf Identitätsdaten basierend, sondern beruht häufig auf einer statistischen Kombination
verschiedener technischer Daten.“ Der
deterministische Abgleich ist der genauere, bleibt aber auf den Werbekosmos des
jeweiligen Unternehmens beschränkt.
Um eine höhere Reichweite und Kontrolle zu erhalten, muss letztendlich eine Mischung aus beiden Ansätzen verwendet
werden. Darunter leidet dann natürlich
wieder die Genauigkeit.
Kritisch zu hinterfragen sei auch immer, ob es sich bei den Login-Daten um
wahrheitsgemäße Daten handelt, sagt
Matthias Oschatz, Leiter Product & Technology Data Driven Advertising bei Pilot
Hamburg. Und, ob sie aktualisiert wurden. Sowohl Behavioural Data als auch
Echtdaten verlieren, – falls sie nicht wie
Alter und Geschlecht – fortgeschrieben
werden können, früher oder später an
Gültigkeit, da sich die Lebensumstände,
die Interessen, der Job geändert haben
können. Zudem ist zu klären, so Oschatz,
ob es eine praktikable Reichweite für eine
Endgeräte-übergreifende Aussteuerung
gebe: „Eine große Menge an registrierten
Nutzern bedeutet nicht automatisch, dass
sich alle Nutzer auch für eine Endgeräteübergreifende Aussteuerung qualifizieren. Dies gilt nur für Nutzer, die sich in
der Vergangenheit mit mindestens zwei
verschiedenen Endgeräten jeweils zumindest einmal eingeloggt haben.“
L
og-In-basiertes Targeting ist also
auch nicht der Weisheit letzter
Schluss. Eine Alternative bietet
künftig vielleicht Ad Truth. Die Amerikaner mit Sitz im Silicon Valley arbeiten an
einem Ansatz, der den Verbraucher anhand einer großen Anzahl Messpunkte
wiedererkennt, wenn er sich auf einem
anderen Endgerät einloggt.
Einen etwas anderen Weg verfolgt das
Starnberger Unternehmen Nano Interactive. Anzeigen werden nur an Verbraucher ausgespielt, die gerade nach bestimmten Begriffen im Netz gesucht haben. Suchmaschinenbasiertes Targeting
spricht User an, die eben angefangen haben, sich für ein Produkt oder einen Service zu interessieren. „Dies geschieht völlig unabhängig davon, ob ein User bereits
auf der Website eines Kunden war oder
nicht“, erläutert Geschäftsführer Christian Geyer. Ein Partnernetzwerk – unter
anderem aus Publishern und Produktund Preisvergleichsseiten – liefert die nötigen Informationen.
Die gewonnenen Informationen werden als anonymisierte Profile in einem
Datenbanksystem abgespeichert. 500
Millionen Profile hat Nano nach eigenen
Aussagen auf diese Weise bereits erfasst.
Um die Anzeige passend zur Suche abzusetzen, liefern Werbekunden eine Liste
ihrer relevanten Keywords. Ein Beispiel:
Sucht ein User nach „Leasingrate SUV“,
ist dies ein relevantes Profil für einen
SUV-Hersteller. Völlig unabhängig davon, ob der User männlich oder weiblich
ist, oder wie alt er ist. Geyer betont: „Wir
erheben die Suche zum Targeting-Kriterium Nummer 1.“
HORIZONT 28/2015
REPORT DIGITAL MARKETING 39
9. Juli 2015
Die Mobile-Revolution
kommt ins Rollen –
aber worauf kommt es
bei Content auf dem
kleinen Screen an?
E
Von Tim Theobald
in Werbesprichwort, das man immer wieder auf weltweiten Marketing-Kongressen hört, lautet:
Content is King. So simpel wie das
geflügelte Wort es suggeriert, ist die junge
Disziplin Content Marketing freilich
nicht. Im Gegenteil. In Zeiten, in denen
Mobile der wichtigste, weil zukunftsträchtigste Kanal ist, sind die Anforderungen an
die Werbeformen gestiegen. Der Grund:
Das Smartphone ist das persönlichste Device, das es je gab. Der Nutzer hat es immer
dabei, kommt schneller an Informationen, kann mit wenigen Klicks einkaufen
und Dienstleistungen buchen. Im Umkehrschluss bedeutet das aber auch, dass er
das, was er nicht will, mit einem Wisch
beseitigen kann. Für die Werbung entsteht
genau an diesem Punkt die große Schwierigkeit: Wie kann man den Kunden in einer Zeit abholen, in der er jeden Tag hunderte Werbekontakte hat? Wie muss passgenauer Content in Mobile aussehen, damit er funktioniert?
Streaming-Architektur
Der kreative Kopf
Lukas Kircher ist Geschäftsführer Digital, Kreation und
Innovation bei C3 Creative
Code and Content, das 2014
aus der Fusion von Kircher
Burkhardt und Burda Creative
hervorging. Durch den Zusammenschluss ist der deutsche
Marktführer im Boommarkt
Content Marketing entstanden. Seine Karriere
begann der 44-Jährige als
Design Consultant für „Die
Presse“ und arbeitete danach
als Art Director für die „Berliner Zeitung“. Nach seiner
Station als Leiter Grafik beim
„Stern“ gründete er die
Agentur Media Group Berlin,
aus der später Kircher Burkhardt hervorging.
„Alles hängt von den Content-Stückgrößen und der Publishing-Geschwindigkeit
ab“, sagt Lukas Kircher, Geschäftsführer
bei Corporate-Publishing-Platzhirsch C3.
„In Mobile bewege ich mich in einer anderen Art der Content-Rezeption. Ich schlage Zeit tot in kurzen Pausen.“ Für die Taktung und Größe der Inhaltselemente ergebe sich im Zeitalter von Facebook, Twitter und Co deshalb die Abkehr von einer
Seiten- und Hierarchiearchitektur, zugunsten einer Streaming-Architektur. Der
moderne Leser swipt ständig und ist mittlerweile den „Endless Stream“ gewöhnt.
Aber: Der Stream ist nicht alles, wie Kircher betont: „Intelligenter Content funktioniert nur, wenn es auf der Seite kurz
und lang gibt, tiefsinnig und oberflächlich,
optisch und topografisch. Der Nutzer
braucht den Rhythmuswechsel.“
Navigation
Auf dem mobilen Screen zählt für den
Nutzer vor allem Bequemlichkeit. Navigation, tippen, URLs kopieren ist anstrengend. Deswegen ist eine Rückbesinnung
zu den Werten Einfachheit und Klarheit
unerlässlich. „Das wichtigste Navigationselement ist die Headline und nicht ein
Button, auf dem ‚Mehr dazu‘ steht“, so
Kircher. Der Nutzer bewege sich mit einer
Relevanzbrille durch ein Contentangebot
– und dementsprechend muss die Navigation auch aufgebaut sein.
Responsive Content
Für Inhalte auf dem Smartphone gilt: Katzen-Content und reißerische Headlines
sind kein Allheilmittel. Die Qualität muss
angehoben werden, weil es immer mehr
Angebote und Werbekontakte auf dem
kleinen Screen gibt. Die große Herausforderung ist es, mit Content herauszustechen und bei den Zielgruppen zu landen.
„Der Schlüssel ist Responsive Content.
Wir erklären den Unternehmen, dass es
bei Content Marketing nicht darum geht,
bestehende Botschaften durch Storytelling
aufzuhübschen, sondern um Monitoring
und gesunden Menschenverstand. Nur so
kommen wir zu Themenclustern, die eine
hohe Engagement-Affinität haben und die
Menschen wirklich interessieren.“ Die
Themen haben sich laut Kircher nicht so
sehr verändert: „Es geht immer noch um
die Lebenswelt der Nutzer, die mittlerweile
aber mit neuen Technologien unterfüttert
ist, mit neuen Strategien und Gedanken.“
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ILLUSTRATION: SHPILBERG STUDIOS / FOTOLIA / MONTAGE: HORIZONT
Alles im Stream
Kontextsensitivität
Ein großes Problem ist es, dass werblicher
Content auf dem Mobile-Screen den Nutzer grundsätzlich nervt – was schon seit
Jahren die Banner-Click-Through-Raten
und steigenden Adblocker-Nutzungszahlen belegen. Weil der Kontext des mobilen
Users immer zeitlich begrenzt und situationsgebunden ist, muss guter Content deshalb so geartet sein, dass er nicht als aggressiv und störend wahrgenommen wird.
Innovative Werbeformen müssen den
Nutzer heute mehr denn je „sinnvoll begleiten, ihm Service zur Verfügung stellen
und spannende Inhalte liefern“. Aus diesem Grund sei der Switch zu Content
Marketing für die Branche unvermeidbar.
Und klassisches Advertising wird mehr
und mehr abgelöst.
Real Time ist die Zukunft
Eine Disziplin, die die Anforderungen an
starke Inhalte mit dem Nutzer-Kontext sowie dem immer wichtiger werdenden Servicegedanken verbindet, ist Marketing in
Echtzeit: „Real Time gehört die Zukunft,
weil es den Empfänger wieder stärker in
den Mittelpunkt rückt und nicht nur
theoretisch über Sinusmilieus betrachtet.“
Organisatorisch stelle Real Time die Agenturen dabei allerdings vor neue Herausforderungen, „weil wir die PublishingProzesse eines klassischen Medienunternehmens mit einer Werberdenke und der
Strategiegetriebenheit einer modernen
Kommunikationsagentur verschmelzen
müssen“. Content, der den Kunden freiwillig erreicht, ist also tatsächlich King.
40 REPORT DIGITAL MARKETING
Technisch
brillant
HORIZONT 28/2015
Bettina Sonnenschein
Schnöde Banner waren gestern, heute
wissen Marketer und Kreative, dass
digitale Werbung in allen Phasen des
Kaufprozesses unterschiedlich wirkt
und entsprechend gestaltet sein muss.
Für Thomas Hartmann, Leiter Concepts & Creation bei Vermarkter Interactive Media, zählt in jedem Fall: „Die
Vorteile des digitalen Mediums sollten
in die Kreation miteinbezogen werden.“ Die Funktionalität von Mobilgeräten oder die Möglichkeiten des inter-
9. Juli 2015
aktiven Agierens zwischen User und
Content sind dabei nur zwei von vielen
Faktoren. „Wie viel spannender wird
eine Kampagne, wenn sie mobil nicht
nur als Banner ausgespielt wird, sondern sich zum Beispiel durch Neigen
des Geräts etwas verändert?“ sagt Hartmann. Für Kreative eine Herausforderung: Denn emotionale Ideen müssen,
entstanden abseits von Preisen und
Mediaplänen, trotzdem auf die Möglichkeiten von Digital abgestimmt sein
– Kreation hat so auch viel mit Technik
zu tun.
Welche Qualititäten und Funktionalität muss Kreation haben,
um digital zu funktionieren? HORIZONT stellt Beispiele vor
„Claras Casting“, Deutsche Telekom
„Mein Weg“, Techniker Krankenkasse
Der Traum von der Hockeykarriere –
mit einer Bewegung scheint er am
Ende. Die Patientin kämpft sich trotzdem zurück und wird Hockey-Nationalspielerin. Mit dieser und ähnlichen Geschichten hat die Techniker
Krankenkasse eine integrierte YoutubeKampagne gefüllt, die sich von dort
über die sozialen Netzwerke verselbstständigt hat und für die die Einreicher
(Fischer-Appelt, Fork Unstable Media,
Endemol beyond, Pilot Media) jüngst
einen New Media Award erhielten. Ein
Kriterium für den Erfolg scheint dabei
besonders entscheidend: die Möglichkeit, sich zu beteiligen. Dazu ist die
Geschichte prädestiniert. Denn vom
Unglück und dem anschließenden
Hochrappeln können viele erzählen,
die Technik hat jeder zuhause und die
digitalen Kanäle sorgen für schnelle
Verbreitung. Niedrige Einstiegshürden
verbunden mit dem Gefühl, anderen
Mut zu machen, verschaffen der Marke
viel Aufmerksamkeit.
KUNDE: Techniker Krankenkasse
AGENTUR: Fischer-Appelt
„Sieh’s mal neo“, ZDF neo
Selbst ein schlichtes Wallpaper kann vom ignorierten Werbemittel zum Hingucker werden – dank kreativem MediaEinsatz. Der Trick ist einfach: Nach dem Öffnen einer Website löst sich die Kampagne aus dem nebenstehenden Banner
und legt sich als Bewegtbild über das aufgerufene Angebot.
Bei Nichtgefallen kann der Spot zurück an seinen Randplatz
geklickt werden. Der Sympathiewert gegenüber einem unbeweglichen Pop-up ist jedoch durch den bewegten Content
ungleich höher, dazu kommt die Neugierde, was am Ende
des wenige Sekunden dauernden Spots geschehen wird. Die
Chance, dass er bis zum Ende gesehen wird, nimmt zu.
Storytelling ohne Ende: Damit könnte
man die Kampagnen-Episoden der
Deutschen Telekom für „Magenta Eins“
überschreiben. „Die Geschichten rund
um Familie Heins könnte man zum
einen ewig weitererzählen“, sagt Thomas Hartmann, Leiter Concepts &
Creation bei Interactive Media. „Zum
anderen lassen sich die Botschaften sehr
vielseitig hinsichtlich Content und
Context platzieren.“ Zum Beispiel in
Reiseportalen, wenn Vater Heins in
Spanien mit seiner daheimgebliebenen
Tochter telefoniert. Auch als Pre-Roll
auf Youtube funktionieren die Episoden sehr gut, nicht zuletzt, weil der Plot
in Sekundenbruchteilen angerissen
wird und genug Neugierde weckt, um
User bis zum Ende bei der Stange zu
halten. „Der Erfolg solcher Kampagnen
in Digital hängt zu einem großen Teil
von der Kreation ab“, sagt Hartmann.
„Die Betrachtungsdauer kann bis zu 30
Prozent steigen, wenn sie stimmt.“
KUNDE: Deutsche Telekom
AGENTUR: DDB (Kreation), Webgue-
rillas (Online, Social Media)
KUNDE: ZDF neo
MEDIA: Interactive Media
„How Animation works“, Indeed.com
Nicht einer, sondern eine ganze Menge
Kreativer sind notwendig, um einen
Animationsfilm zu erschaffen. Wie
viele, zeigt die US-amerikanische Jobsuchmaschine Indeed.com mit einem
animierten Werbespot, in dem sowohl
die vielen Einzelschritte der Produktion
vom Storyboard bis zum fertigen Film
optisch erkennbar als auch die beteiligten Berufsgruppen eingeblendet
werden. Der 30-Sekünder ist ein Ausschnitt aus einem einminütigen Kurzfilm von House Special, Portland. In
Zusammenarbeit mit der Agentur
Mullen wurde der Film zum Spot umgewandelt, inhaltlich reduziert, mit
Information gefüllt und in die Kampagne „How the World works“-Kampagne integriert. Im Zusammenspiel
ergibt sich ein ausbalancierter Spot, der
bestimmt nicht weggeklickt wird.
KUNDE: Indeed.com
AGENTUR: Mullen
André Gebel, Vorstand Beratung & Strategie, Coma, über die Anforderung an Kreation für digitale Werbung
1. Mit der Explosion beginnen
Was beim Film ein K.-o.-Kriterium ist, sollte bei
digitaler Werbung beherzigt werden: Wer die Aufmerksamkeit des endlos scrollenden Users erlangen
will, hat maximal 3 Sekunden Zeit, um beachtet zu
werden. Von daher sollten vor allem Videos mit einem
Knalleffekt starten. Ein deutlicher Paradigmenwechsel
zum Gelernten „das Beste zum Schluss“.
2. Reine Klicks zählen nix
Der große Vorteil digitaler Werbung ist die Messbarkeit. Doch mobile Klicks entstehen heute meist
aufgrund zu großer Finger, die auf zu kleine Bildschirme mit winzigen Close-Buttons stoßen. Das
Resultat: Frust und Reaktanz beim Anwender. Der
Marketing-Manager hat somit, trotz grandioser KlickRaten, genau das Gegenteil erreicht. Eine Werbebotschaft darf nicht stören, sie muss vielmehr so
interessant sein, dass sie die Aufmerksamkeit des Users
eigenständig erzielt. Von daher sind Native-Advertising-Formate, die sich mobil an die Gegebenheiten
der Werbeträger-Seite anpassen erfolgreicher, als
Micro-Banner.
breitet werden. Werbung sollte unterhalten,
inspirieren, amüsieren und diskutabel sein.
Alles was emotionslos durchrutscht, verliert sich im Long Tail des World Wide
Web. Also lieber nochmal auf der Idee
herumkauen, die Marke vielleicht subtiler
integrieren oder den ein oder anderen Euro
mehr investieren, um Involvement innerhalb
der Zielgruppe zu erzeugen.
3. Entertainment ist alles
4. Die Renaissance der Vernetzung
Digitale Werbung ist nicht nur Facebook. Doch was
uns das größte soziale Netzwerk gelehrt hat, ist die Art
und Weise, wie Werbebotschaften heute viral ver-
Noch vor fünf Jahren war integrierte Kommunikation
das Schlagwort. Danach hat Social Media zunächst alle
Marketingentscheider verängstigt und anschließend
so angefixt, dass gute mobiltaugliche
Websites und Bannerkampagnen völlig
vom Erdboden verschwanden. Heute
ist wieder Kontext gefragt. Jede Plattform hat ihre Daseinsberechtigung
und will individuell bedient werden.
Der Markenkern bleibt, doch die Inszenierung ist stets eine andere. Emotional mit Longcopy auf der responsiven
Website, schnell und involvierend auf Facebook,
bildgewaltig auf Instagram und „native“ auf den
Werbeplattformen. Immer anders, doch am Ende
entsteht ein Gesamtbild beim User. So muss digitale
Werbung heute funktionieren.
HORIZONT 28/2015
REPORT DIGITAL MARKETING 41
9. Juli 2015
Hautnah interagieren
Vom PC zum
Smartphone zur
Smartwatch – die
Bildschirmgröße
wird immer
geringer. HORIZONT
fragt nach den
Herausforderungen
W
elche Anforderungen an die
Kreation von
digitaler Werbung stellen
die kleinen Bildschirme
von Smartwatches, um
ansprechende, hochwertige Kampagnen zu
entwickeln?
Michael Behrens, Jung von Matt
Thomas Fellger, Iconmobile
Florian Gmeinwieser, Serviceplan
Sascha Martini, Razorfish
M
D
I
G
it der Apple Watch werden
Wearables Mainstream. Ob
man als Marke dabei eine Rolle
spielen sollte, ist keine Frage – welche
Rolle, aber schon. Nützliche, mit Marke
und Produkt eng verzahnte Anwendungen, werden erfolgreich sein, klassisch
gedachte Werbung hingegen nicht. Durch
eine einfache Portierung vorhandener
iPhone-Apps auf die Watch ist nichts
gewonnen. Wer die Watch aber als Digital
Companion begreift und Features wie das
haptische Feedback oder den Herzfrequenzsensor klug nutzt, kann auf sehr
persönliche Art punkten. Die geringe
Display-Größe ist aus meiner Sicht dabei
überhaupt kein Problem: Apples Watch
OS sowie viele gut darauf zugeschnittene
Apps belegen, dass das Display am Handgelenk gut funktioniert. Warum sollte das
für Apps aus Marketing-Abteilungen nicht
gelten? Voraussetzungen sind System- und
Technik-Verständnis und Durchhaltevermögen beim Perfektionieren der Usability. In der Apple Watch steckt großes
Potenzial – allerdings auch zum Scheitern,
wenn man nur beantwortet, wie die Werbung auf das kleine Display kommt.
urch Geräte wie die Apple-Watch
werden Agenturen gezwungen,
sich mehr mit der User Experience auseinanderzusetzen. Und das liegt
nicht vorrangig an kleineren Screens.
Marken können Kunden so nah wie nie
zuvor kommen und Teil ihres Lebens
werden. Mit Kernprodukten entstehen
digitale Services, die künftig zum Teil des
Produktes werden. Angebote Dritter
können besser in die User Experience
integriert und attraktivere Angebote
gestaltet werden. Dass dabei eine Vielzahl
von Daten entstehen, ist mehr als nur ein
Nebeneffekt. Es ist der Anfang neuer
Business-Modelle. Sharing- und Subscription-Services werden schneller wachsen als herkömmliche Produktangebote.
Ein Beispiel ist die vernetzte Oral-B Zahnbürste, die Iconmobile für P&G entwickelt
hat. Durch die Verzahnung von Produkt
und digitalen Services verschwimmen die
Grenzen zwischen Produkt, R&D, Supply
Chain und Marketing. User Experience
wird Teil der Corporate Strategy. Unser
Gewinn eines Lion in Cannes zeigt, wie der
digitale Wandel fortschreitet und den
Werbemarkt verändert.
m Grunde hat sich der digitale Werbemarkt vom analogen abgeleitet, aus
der Anzeige wurde ein Banner. Genauso ging die Werbung auf Smartphones, doch spätestens bei Smartwatches
stößt das System „Display Advertising“ an
seine Grenzen. Wer seine Markenkommunikation dort integrieren will, muss
alle Spielregeln des Mobile Marketings
beherrschen. Denn die Interaktion mit
der Marke wird immer auf dem
Smartphone, der Verlängerung der
Watch, stattfinden. Agenturen müssen
hochgradig interaktive Kampagnen erschaffen. Ein Beispiel: Angenommen, ein
Kunde, der ein Diätprogramm anbietet,
möchte die Smartwatch bedienen. Er
könnte ein Banner bauen und per Adserver auf einer Smartwatch-App ausspielen. Er könnte aber auch anbieten, die
persönlichen Vitaldaten ein paar Tage lang
via Smartwatch zu erheben und anschließend ein individualisiertes Angebot machen. Sorgen macht mir allerdings, dass
viele Unternehmen vollmundig über die
neue Wunderwaffe sprechen, aber ihre
Hausaufgaben in Sachen mobiler Markenpräsenz noch nicht gemacht haben!
enerell ist natürlich auch auf
kleinen Displays Werbung möglich. Doch ist die Apple Watch
das geeignete Medium dafür? Ich meine
nein. Statt eine Smartwatch für Werbung
zu nutzen, sollte sie vielmehr dazu beitragen, den Konsumenten mehr Nutzen
und Unterhaltung zu bieten. Und genau
hier liegt aus meiner Sicht die große
Chance für Marketingverantwortliche.
Wer es schafft, die Träger der Apple
Watch für Interaktionen mit ihr zu begeistern, wird letztlich zu den Gewinnern
zählen.Weil die Apple Watch nur wenig
Fläche bietet, geht es darum, ganz neue
Herangehensweisen für die Kundenzufriedenheit aufzubauen. Man kann
hier keine auf Unterbrechung basierte
Technologie einsetzen. Vielmehr gilt es,
kontextbezogene Benachrichtigungen zu
entwickeln. Oder anders gesagt: Wenn
das Auge auf einen kleineren Screen trifft,
müssen sich die Marketing Best Practices
daran ebenfalls anpassen.
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