Streiflichter aus der Zeit zwischen 1933 und 1945

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Streiflichter aus der Zeit zwischen
1933 und 1945
© Text von H.Hetz 2002, Be 5.1.2009
Sicher gehört die Zeit zwischen 1933 und 1945 zu den dunkelsten Kapiteln unserer
Geschichte, und deshalb hinterfragen wir heute sehr kritisch die damaligen Ereignisse. Aber
dies soll nicht der Ort sein, diejenigen zu beurteilen oder gar zu verurteilen, die in diesen
Jahren an der Achimer Mittelschule gelehrt und gelernt haben. Vielmehr soll einfach nur
streiflichtartig einiges von damals erzählt werden.
Nach der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler im Januar 1933 begannen die Nationalsozialisten
sogleich, das öffentliche Leben auf ihre Ideologie und ihre Ziele auszurichten. Dieser
„Gleichschaltung" konnte sich auch die Achimer Mittelschule nicht entziehen. Als im März 1933
auf dem Schulgebäude neben der schwarz-weiß-roten Fahne die Hakenkreuzfahne gehisst wurde,
war dies ein sichtbares Zeichen dafür, dass die neuen Machthaber unmittelbaren Einfluss auf Schule
und Schulleben ausüben wollten.
Wie überall in Deutschland war auch die Achimer Jugend in der „Hitlerjugend" organisiert, und für
ihren Dienst beanspruchte sie aufgabenfreie Nachmittage bzw. einen freien Unterrichtstag. Die
wenigen Schüler, die nicht in der Hitlerjugend waren, erhielten an diesem Tag stundenlang
Unterricht in „Erblehre", einem nationalsozialistischen Hauptfach. Oft fehlten einzelne Schüler,
weil sie zu Schulungen abkommandiert waren oder dienstliche Aufträge für die HJ auszuführen
hatten. Weiterhin gab es während der Schulzeit Filmvorführungen staatspolitischer Art, die sich
mehrten und immer größeren Stellenwert erhielten. In den Kriegsjahren brachte der Schulrundfunk
Kriegsberichte und „Sondermeldungen", die gehört werden mussten.
Dieser Krieg hatte bereits 1938 einen Schatten vorausgeworfen, als eine Luftschutzordnung für
Schulen erlassen worden war. Ein Lehrer wurde zum Luftschutzobmann ernannt und die Schüler
der 10. Klasse als Melder und Helfer in ihr Amt eingewiesen.
Nach Ausbruch des Krieges 1939 stellte sich der Mittelschule die Aufgabe, alle eingezogenen
„Ehemaligen" postalisch zu betreuen. Die Schüler spendeten monatlich Beiträge für Zigaretten und
kleine Bücher, und in den Deutschstunden wurden Briefe geschrieben. Diese Aktion fand solchen
Anklang, dass der Schule für die kommenden Jahre die Betreuung aller aus Achim eingezogenen
Soldaten übertragen wurde.
Mehr und mehr wurde die Schule zu Aufgaben herangezogen, die mit Unterricht und Erziehung
eigentlich nichts zu tun hatten. Dabei hatten die Beteiligten den Eindruck, als würden diese
Aufgaben zu Hauptaufgaben der Schule. Im Spätherbst 1939 gab es plötzlich Karten für
Lebensmittel und Kleider, die von den Mittelschülern schlagartig ausgetragen wurden, so dass
niemand noch schnell horten konnte. In der Landwirtschaft mussten die Schüler in den kommenden
Jahren ebenfalls aushelfen. Weil seit Kriegsbeginn Arbeitskräfte fehlten, setzte man die älteren
Schüler der Mittelschule unter Führung eines Lehrers bei der Hackfruchternte sowie im Frühjahr
beim Spargelstechen ein. Im August 1940 begann auf Anordnung des Landrates eine
Kartoffelkäfersuchaktion. 15 bis 20 Schüler wurden einer Lehrerin bzw. einem Lehrer zugeteilt mit
der Aufgabe, jede Woche einmal ein bestimmtes Feld abzusuchen.
Immer wieder wurden Sammlungen durchgeführt. Am 11. März 1941 verfügte der Landrat, dass
neben Schrott und Buntmetall auch Papier, Lumpen und Knochen gesammelt werden sollten. Für
besonders gute Sammelleistungen gab es Bücherprämien, Schulaufgabenfreiheit und Schulausflüge
für die beste Sammelklasse. Sehr gefragt waren Heil- und Teekräuter (z.B. Holunderblüten,
Hagebutten, Kamille, Johanniskraut, Schafgarbe). Zwei Kilo Trockengut sollte jeder Schüler
abliefern. Um dieses hohe Soll zu erreichen, erhielten die Schüler einmal in der Woche die beiden
letzten Stunden frei.
1941 brachte der Schule eine weitere Aufgabe: die Seidenraupenzucht. Von einer Spinnhütte in
Celle bekam die Schule 80 Gramm Brut geliefert. Ein Bodenraum wurde als Brutraum eingerichtet,
und staunend beobachtete man die rasche Entwicklung der Larven. Nun galt es, bündel- und
säckeweise Maulbeerblätter heranzuschaffen, was nicht leicht war, da es in Achim nur wenige
Maulbeerhecken ab. Jeden Tag, auch bei Sturm und Regen, transportierten die Schüler auf den
Gepäckträgern ihrer Fahrräder die Nahrung für die Seidenraupen heran.
1944 begann die große Papierknappheit, die sich bis zur Währungsreform noch steigern sollte. Auf
legalem Wege gab es nur gegen Ablieferung von vier oder fünf alten Heften ein neues Heft, das
allerdings nicht tintenfest war. Also musste die Altpapiersammlung energisch betrieben werden,
obwohl im Haushalt das wenige Papier dringend benötigt wurde. Um an Papier heranzukommen,
waren jetzt Beziehungen gefragt. Ein früherer Schüler, der in Bremen einen Großhandel mit
Lehrmitteln betrieb, zweigte für seine alte Schule ab, was er entbehren konnte: Hefte,
Zeichenblöcke, Federn, Bleifedern usw. Der Vater eines Ehemaligen hatte einen Großhandel in
Tüten. Er gab der Schule ab und zu einen Ballen Papier, das allerdings nicht ganz weiß und auch
nicht mehr tintenfest war. Die hiesige Kartonfabrik hatte gerade noch rechtzeitig einen Waggon
Packpapier für ihren Versand erhalten können. Davon erhielt die Schule ein paar Rollen, graubraun,
aber mit Bleifedern beschreibbar. Eine Bremer Druckerei hatte gutes Papier in einer Achimer
Scheune ausgelagert. Da das Dach durch Beschuss und nachher durch das Abdecken gelitten hatte,
war das Papier zum Drucken nur noch bedingt zu gebrauchen. Daher konnte eine größere Mengen
erworben werden, und in der Schule wurde das Papier wie bei den vorherigen Lieferungen in
Eigenarbeit ordnungsgemäß geschnitten und zu Heften und Blöcken verarbeitet.
Mit zunehmender Kriegsdauer verstärkten sich die Angriffe auf Bremen, und so geriet auch Achim
in das Fadenkreuz alliierter Bomber. Das galt besonders für die Schule, da das Gebäude aus der
Luft leicht für eine Kaserne gehalten werden konnte. Bei Alarm musste die Schule sehr schnell
geräumt werden. Soweit möglich, liefen die Kinder nach Hause. Entfernt und auswärts Wohnende
mussten einen Keller in der Nähe der Schule aufsuchen, jedes Kind immer denselben. Nach
Entwarnung mussten die Kinder in die Schule zurück, wenn die letzte Stunde noch nicht begonnen
hatte. Bei Nachtangriffen galt als Regel: Erfolgte die Vorentwarnung vor 24 Uhr, begann der
Unterricht um 7 Uhr, wenn später, um 8 Uhr. Doch dann dauerte der Unterricht bis 13.30 Uhr. Man
kann sich gut vorstellen, dass die Kinder häufig nervös und unausgeschlafen zur Schule kamen.
Für den Fall, dass mit einem plötzlichen Angriff zu rechnen war und die Schule nicht rechtzeitig
geräumt werden konnte, wurden ab 1943 auf dem Schulhof an der Ostseite von den großen
Schülern Splittergräben in Zickzackform angelegt. Ferner sollte der untere Schulflur als Bunker
hergerichtet werden. Man verstärkte die Klassentüren durch Bohlen, die Gewölbe durch Balken und
Ständer.
Am 20.9.1943 wurden die Jungen des Jahrgangs 1927 als Marine-Flakhelfer nach Borkum
eingezogen. Unterricht sollte neben dem Dienst als Soldat herlaufen. Ihnen folgten im Januar 1944
die Jungen des Jahrgangs 1928, gerade einmal 15 Jahre alt.
Ende 1944 wurde immer mehr Tieffliegerangriffe auf die Züge geflogen, und deshalb durften die
Schulkinder aus Mahndorf und Arbergen (diese beiden Orte gehörten damals zum Kreis Achim) nur
bei ausdrücklicher Genehmigung durch die Eltern die Eisenbahn benutzen. Da sich die Angriffe
auch während der Schulzeit mehrten und oft ganz schnell nach der Warnung einsetzten, beschloss
der Gemeinderat auf Antrag der Schulen (Volksschule und Mittelschule, die beide im Gebäude der
heutigen Marktschule untergebracht waren), im landrätlichen Garten vor der Schule (heute der
Bereich von der Bücherei bis zum Amtsgericht) zwei Tiefbunker zu bauen, für jede Schule einen.
Sträucher und Bäume wurden entfernt, Bagger wühlten gewaltige Löcher, und in tiefe Löcher
wurden spitzbogige Gewölbe aus Beton gebaut. Die Fertigstellung der Bunker zog sich aber wegen
Mangel an Material und Arbeitskräften bis zum Ende des Krieges hin.
Gegen Ende des Jahres 1944 musste in der Schule Platz geschaffen werden für evakuierte
Holländer, Greise, Frauen, Kinder, Kleinkinder, Kranke, Menschen, die in den Niederlanden mit
den Nationalsozialisten kollaboriert hatten. Die Klassen wurden ausgeräumt, die Bänke auf den
Fluren hochgetürmt, Stroh in die Klassenzimmer geschüttet, in denen die Menschen mit Sack und
Pack regelrecht hausen mussten. Der Unterricht ging in der Zeit weiter, schichtweise. Als die
Holländer vor dem Einzug der Engländer abtransportiert waren, belegte vorübergehend ein
Ersatzbataillon vom Regiment „Groß-Deutschland" die Schule. Auf dem Schulhof standen ihre
schweren Geschütze, und in der Turnhalle lagen allerlei militärische Ausrüstungsgegenstände.
Im Frühjahr 1945 erfolgten Angriffe auf Achim selbst: auf den Bahnhof, auf das Gaswerk, und
immer mehr Tieffliegerangriffe. Als die Schule, aus der Luft einer damaligen Kaserne nicht
unähnlich, plötzlich einem Tieffliegerangriff ausgesetzt war, ohne dass die Kinder in Deckung
gehen konnten, und als Schüler auf ihrem Schulweg von Tieffliegern angegriffen wurden, musste
die Schule geschlossen werden. Ein Befehl von oben erfolgte nicht. Aber als gesagt wurde „Wenn
eure Eltern euch morgen nicht zur Schule schicken, dann seid ihr entschuldigt", erschien am
folgenden Tag niemand mehr.
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