Werbung in Maß(ss)en Vorwort Der Einsatz von Werbung Werbung als Spiegelbild der Gesellschaft Der Verbraucher im Zielgebiet Werbemaßnahmen im Vergleich Wie meßbar ist Werbung wirklich? Werbewirksamkeit Ist Werbung gleich Marketing? Neue Werbefelder Zurück in die Vergangenheit Das Aus für die Werbung Resumee Begriffe, Formeln, Fakten Beispiele eingesetzter Werbung 1 Werbung in Maß(ss)en 2 Vorwort: Werte Leserschaft, in diesem Buch geht es nicht vorrangig darum, mittels Wissenschaft etwas zu beweisen, was dieser seit Jahrzehnten bis heute noch nicht gelungen ist. Vielmehr bietet es einen Streifzug durch die weite, bunte Werbewelt. Dieser sollte Sie als Werber(in) oder auch als Beworbene(r) unterhalten und für die Werbung vielleicht ein klein wenig sensibilisieren. Wenn es Sie darüber hinaus noch hier und da zum nachdenken anregt, hat es seinen Zweck erfüllt. Sie werden vergeblich nach Dutzenden von Statistiken und Tabellen suchen, die letztlich nichts anderes Aussagen würden, als „Der Werber hat immer Recht!“ Mit etwas Ironie und natürlich auch Selbstironie möchte dieses Buch gemeinsam mit Ihnen eine Antwort auf die Frage „Wieviel Werbung muß sein?“ suchen. Darüber hinaus, möchte es Werbeinteressierten, welche vielleicht selbst Werber werden möchten einen Überblick über die Möglichkeiten bieten. Anhand einer frei erfundenen Fallstudie werden diese kurz erläutert und ggf. durch Beispiele vorhandener Werbung ergänzt. Auf den letzten Seiten bietet sich Ihnen ein kleines Nachschlagewerk über die wichtigsten Begriffe und Formeln der Werbung. Angenehme Kurzweil wünscht Ihnen bei der Lektüre Thomas J. Hoffmann Werbung in Maß(ss)en 3 Der Einsatz von Werbung Bereits solange Produkte und Wissen geschaffen werden, wird auch zum Vertrieb der selben die Werbung eingesetzt. Beworben wurden und werden dabei jeweils Produkte, ♦ welche neu in die Märkte integriert werden müssen ♦ die im Absatz abgenommen haben oder stagnieren ♦ auf welche die Aufmerksamkeit des Verbrauchers gelenkt werden sollen Dabei ist das Produkt nicht zwingend etwas greifbares wie ein Ge- oder Verbrauchsgut, sondern kann auch eine Idee, ein Gedanke, Wissen oder eine zu besetzende freie Arbeitsstelle sein. Manchmal einfach auch nur ein Hirngespinst. Natürlich wirbt gleichfalls auch jeder Mensch für sich selbst, um „in einem guten Licht dazustehen“ in der Gesellschaft, bei seinem(r) Chef(in) oder bei dem/der Angebeteten. Wir beschäftigen uns jedoch in diesem Buch in erster Linie mit der Werbung an den Endverbraucher, denn wie Sie für Ihre eigene Person werben, kommt ohnehin letztlich auf Ihre ganz eigenen persönlichen Neigungen Wünsche und Vorstellungen an. So wurde für den Glauben ebenso geworben wie für die Wehrmacht oder die Bundeswehr. Für nützliche Produkte wie Waschmittel, Nahrungsmittel und Kleidung, ebenso wie für weniger nützliche Produkte wie das Tamagochi, das 500. Waschmittel und den 250. Allzweckreiniger. Werbung diente schon immer dazu den Gedankengang des Verbrauchers zu verändern. So geschehen unter anderem in Kriegs- und Nachkriegszeiten. Zu dieser Zeit wäre es nicht sinnvoll gewesen, für normale Produkte des täglichen Gebrauchs oder Verbrauchs zu werben, die es ja ohnehin nicht gab. Entscheidender war vielmehr die Produkte die es gab, als gleichwertigen Ersatz für nicht vorhandene, in den Köpfen der „Kunden“ zu positionieren. So wurde die Margarine in diesen Zeiten dem Verbraucher nicht nur als gleichwertiges Produkt mit der bekannten Butter angepriesen, sondern darüber hinaus sogar als das bessere, wertigere und vor allem gesündere. Einen Teil dieser Werbung in Maß(ss)en 4 meinungsbildenden Maßnahme finden wir heute noch in unseren Köpfen wieder, aber Wissenschaftlich betrachtet sind beide Produkte in Maßen genossen ein wichtiger Bestandteil unserer Ernährung. Interessant zu beobachten waren dann auch die Bemühungen, alles wieder umzukehren, als der Absatz von Margarine florierte und der Butterberg ständig wuchs. Um das Gleichgewicht wieder herzustellen wurde nun die „Butter aus deutschen Landen“ wieder als Qualitätsprodukt zu Markte getragen. Ungeachtet dieser Werbemaßnahmen ist letztlich jedem Verbraucher selbst überlassen, wofür er sich beim Kauf entscheidet. Der einem ständigen Wechsel unterliegende Verbraucher informiert sich natürlich auch über Presse und Medien, und bekommt dabei immer neue Skandale über Nachrichten und sogenannte „Verbrauchertests“ zugetragen. Schreckensmeldungen, welche einem suggerieren, daß man manchmal besser an Hunger sterben sollte, als sich den Gelüsten der Speisen hinzugeben. Auch dies ist eine Art der Werbung, wenn auch nicht gerade die anzuratende. Beinahe stünde dabei die Überlegung nahe, sich insbesondere bei Lebensmitteln nicht von der Werbung beeinflussen zu lassen, sondern besser seinen Arzt oder Apotheker zu befragen, welche Speisen und Getränke derzeit die geringste Menge an Schadstoffen enthalten. Gleichwohl bieten Hersteller und Vertrieb ständig neue Produkte feil, deren Bestandteile wohl nur dem bekannt sind, welcher diese zusammen gemixt hat. Dies bleibt zumindest zu hoffen. Von Omas „Fondor-Würfel“ zu Verfeinerung von Suppen über Mutters Soßenhilfen haben wir es heute geschafft, ganze Gerichte und Speisenfolgen direkt von der Packung in Topf, Pfanne oder Microwelle einbringen zu können, um in wenigen Minuten deren Verzehr genießen zu können... oder vielleicht doch den direkten Weg vom Topf in den Biomüll vorzuziehen. Es obliegt weder diesem Buch, noch mir zu beurteilen ob diese Speisen nun schädlich oder gar gesund sind, aber was die Werbung diesbezüglich verspricht, ist in jedem Fall insbesondere von der Geschmacksseite aus betrachtet mit Vorsicht zu genießen. Über Geschmack läßt sich ja bekanntermaßen ohnehin streiten. Werbung in Maß(ss)en 5 Was dem Speisenhersteller Recht ist, kann dem Getränkemarkt nur billig sein. Fernab der selbst, frisch gepreßten Säfte und angesetzten Limonaden scheinbar tiefster Vergangenheit, kredenzen uns pfiffige Werbeleute voller Kreativität immer neue Muntermacher, Gesundheits- und Schlankheitsdrinks und was Man(n) und Frau sonst noch so für einen beschwingten Tag braucht. Wem nun letztendlich der süße Powerdrink mit Gummibärchengeschmack die Flügel verleiht ist fraglich, denn wer dies einmal probiert, wird sich von seinem Absturz so schnell nicht wieder erholen. Wie soll auch eine einzige Dose dieses „Zaubertrankes“ die Schwerkraft für eine Person, ungeachtet deren Aerodynamik oder Eigengewichtes aufheben können. Zumindest findet sich auf der Verpackung keinerlei Hinweis darauf, bis zu welchem Gewicht ich welche Menge an Dosen zu mir nehmen muß, damit meine Flügel die richtige Spannweite bekommen und sich meinem Körperbau anpassen. Wenn fliegen so einfach ist, dann sollte diese bahnbrechende Erfindung doch viel häufiger genutzt werden, um die ohnehin überfüllten Straßen zu befreien. Aber möglicherweise geht es in dieser Werbung überhaupt nicht um den „König Kunde“, sondern will uns vielmehr Danksagen dafür, daß sich der Erfinder dieser Brause mit Hilfe unseres Wahnwitzigen Konsums nun endlich seinen lang ersehnten eigenen Jet leisten kann. Ihm hätte sie dann zumindest besagte Flügel verliehen. Was nun den Konsumenten angeht, der noch immer froher Erwartung auf seine Flügel wartet, kann der sich ja nun freuen und umsteigen auf Handy und Pager, die ihm heute das Fliegen ermöglichen. Allerdings allenfalls um an Stelle des guten alten Wählscheibentelefones seinen Flug im Flugzeug damit zu buchen. Genießen kann er diesen Flug dann - zumindest laut deren Werbeaussagen ganz sicher mit jeder Fluglinie. Dort kann er sich dann mit eben den vorgenannten bekannten Speisen aus Dose, Becher oder Tüte verwöhnen lassen, denn Omis Hausmannskost oder Mammi‘s Stullen im Flugzeug ginge ja dann doch zu weit. Werbung in Maß(ss)en 6 Genug der Plauderei. Sie sehen schon jetzt, daß bereits die Gebrüder Grimm ihre helle Freude an den Werbe(r)geschichten gehabt hätten. Schade nur, daß sie uns diese nicht auch präsentieren. Wobei wir heute dank Fritz Egner’s -witzigsten Werbespots der Welt- „unsere Werbung“ erst so richtig genießen können. Werbung in Maß(ss)en 7 Werbung als Spiegelbild der Gesellschaft Gerade im Bereich der Fernsehwerbung, kann man durch das Verfolgen der jeweiligen Werbung sehr bald erkennen, wie sehr sich die jeweilige gesellschaftliche Entwicklung widerspiegelt. Vergleicht man die erstmaligen Werbefilme aus den sechzigern mit den Spots der nachfolgenden Jahrzehnte, ist neben den jeweiligen Mode- und Frisurtrends auch deutlich der Umschwung der Gesellschaft zu erkennen. So zeigen insbesondere die Werbefilme für Kaffee aus den sechzigern die schöne Zweisamkeit Zuhause, bei der sich die Frau gemäß der damaligen Zeit dem Mann in gewisser Weise unterordnet. Sie kümmert sich um den Haushalt und er sich um Einkommen und natürlich seine Freizeit. Auch in den Folgenden Jahren ist die Domäne der Frau in der Werbung stets der Haushalt und die damit verbundenen „Probleme“. Während gerade in den Anfangsjahren galt, Frauen wissen in Ihrer Domäne am besten Bescheid, zeigte schon Ende der siebziger Persil, daß die Männer die Ahnung haben, die Frauen dürfen aber natürlich sich weiterhin mit der Wäsche abgeben. Er gibt nur vor, mit welchem Waschmittel – wahrscheinlich auch mit welcher Maschine. Es hat Jahrzehnte gebraucht, um diese Domäne der Frau zu durchbrechen, aber in der Werbung von heute, könnte man beinahe den Umkehrschluß erwarten. Die Frauen sind beruflich aktiv, selbstständig und selbstbewußt geworden (zumindest wenn man sich den Spot von Jacobs Krönung Light betrachtet). Gerade die eben genannte Kaffee-Werbung läßt mich nahezu vor Neid erblassen. Immerhin scheint die darin gezeigte junge, attraktive Frau nicht nur unermüdlich, sondern auch die Erfinderin des 28-Stunden-Tages zu sein. Leider konnte ich bei meinen Recherchen kein entsprechendes Patent ausfindig machen. Wären wir nicht alle so manchen schönen Tages dankbar für ein paar Stündchen mehr? Gleich ob zum ausschlafen, zum Feiern oder um die liegengebliebene Arbeit zu erledigen – „darf’s ein bischen mehr sein?!“ Der Mann hingegen ist anscheinend zum „Weichei“ mutiert. Er darf jetzt beweisen, daß er auch in Hauswirtschaft aufgepaßt hat. Er kocht, wäscht und kümmert sich um die Windeln für’s Kind. Werbung in Maß(ss)en 8 Insbesondere in der Kinderpflege und deren Betreuung scheint er sich mehr und mehr zu perfektionieren. Wer möchte Angesichts dieser „Tatsachen“ nicht daran glauben, daß wir Kurz vor dem Durchbruch stehen, als Männer die Kinder auch noch zu gebären? Als Belohnung für soviel Aufopferung und Mütterlichkeit verspricht uns Milka dann auch noch eine wahrlich herzliche Süßigkeit. Geht er damit dahin? Der vermeintlich urtypische, dickbäuchige Mann, dessen liebstes ein herzhaftes Bier im Biergarten oder ein Kräftiger Korn im Hafen war. Schaffen wir damit den Sprung von einem stämmigen „Walter Sedlmeier“ (Paulaner Weißbier) über den Juppi-Alki (Diebels Alt) hin zum Kaffeekränzchen haltenden Übermuttisupermann? Vor allem, was wird dann aus den Frauen? Werden Sie künftig mit Ihren Lockenwicklern in den Haaren ein Bier nach dem anderen vor dem Fernseher „köpfen“? Lassen wir es auf uns zukommen. In wie weit dies den Tatsachen in der Gesellschaft entspricht, vermag ich nicht zu sagen, tendiere jedoch zu der Ansicht, daß sich diese tatsächlich in diesem Sinne bereits ein Stück gewandelt hat. Das übrige wird die Werbung tun, indem Sie derartiges vorspielt. Diesen Wandel in Werbung und Gesellschaft nachzuvollziehen fällt vergleichsweise leicht, betrachte man hingegen die derzeitigen Fernseh- und Kinospots für „Softdrinks“ und „Video-Games“. Hier flimmern einem innerhalb weniger Sekunden eine beinahe unangenehme Vielzahl von Bildern vor den Augen, deren Aussage ich in den meisten Fällen nicht erforschen kann. Ob gerade die Jugend, die eben diese Werbung ansprechen soll, in der Lage sind diese Bilder derart schnell in sich aufzusaugen wage ich zu bezweifeln. Sollte dies wirklich so sein, kann ich den deutschen Lehranstalten diese Methode für die Vermittlung von Unterrichtsstoff nur empfehlen. Die Unterrichtsstunden könnten damit auf ein Minimum reduziert werden. Das Bildungsniveau sichtlich steigen und alle Welt wäre zufrieden. Vielleicht liegt es ja gerade daran, daß dieses Bildungsniveau in zunehmendem Maße sinkt. Die Lehrer vermitteln den Stoff zu langsam, die Schüler langweilen sich zusehends und sehen sich außer Stande den entfernten Worten des Lehrkörpers zu folgen. Werbung in Maß(ss)en 9 Möglicherweise steht uns in gar nicht allzu Ferner Zukunft wirklich noch die auf Werbung basierende Unterrichtsführung bevor. Während in Mathematik Levels von Videospielen oder die Anzahl der geschluckten Powerdrinks der Subtraktion und Addition dienen finden wir auch im Deutschunterricht entsprechende Möglichkeiten. Neben gut lesbaren Werbeanzeigen wird zukünftig vielleicht an Stelle von Göthe und Schiller der Verpackungsaufdruck von Keksen und Butter zum Lesen verwandt. Gerade der Englischunterricht gestaltet sich Angesichts der Entwicklung zum Neudeutsch in der Werbung sichtlich einfach. Gerade die Unterhaltungs- und Computerbranche bringen nahezu täglich neue Worte ins „Spiel“. Heute unterhält man sich nicht mehr einfach so, heute chattet man rund um den Globus. Brieffreundschaften sind sowas von Out, seit es die tolle E-Mail gibt. Von Schallplatten und dem Programmwechsel beim Fernsehen spricht ohnehin kein Mensch mehr, im „Zeitalter“ von Compact-Disc und der ZapperGeneration. Aber vergessen wir dabei nicht – wer heute „no future“ sagt lebt in der Vergangenheit. Zeigt uns doch die Werbung jeden Tag auf’s neue das die Zukunft schon Vergangenheit ist, da sie begonnen hat. Für mich stellt sich bei all dem ständigen Wechsel und Wandel nur eine Frage: „Werbung als Spiegelbild der Gesellschaft“ oder „die Gesellschaft als Spiegelbild der Werbung?“ Werbung in Maß(ss)en 10 Der Verbraucher im Zielgebiet. Glaubhaftigkeit der Werbung hin oder her, die beste Werbung bringt garantiert keinen Erfolg, wenn sie den Verbraucher nicht erreicht. Aber wohin soll der geneigte Werber seine kreativen Werbebomben abfeuern um damit auch den richtigen zu treffen. Die Werbewelt könnte so schön sein, dachte sich sicherlich schon so mancher Werbeleiter, Werbeagenturleiter oder auch Grafiker; hätte doch jeglicher Konsument eine Werbefachausbildung genossen. Wäre dies nicht wundervoll, wenn er damit den „Wert“ der Werbeleistung erst so richtig schätzen lernen könnte? Den ganzen Schweiß der Arbeit riechen und die irrwitzigsten Gedankengänge aus den unzähligen Brainstorming-Sitzungen life miterleben und nachvollziehen könnte? Warum eigentlich nicht? Betrachten wir diesen Gedankengang doch mal aus der Nähe. Was hätten wir für eine interessante Unterhaltung. ♦ Das making-off des Krönung-Light Werbespots als Highlight der Samstag Abends könnte nicht weniger Einschlafwirkung erzielen als ständige Wiederholungen der schlechtesten Spielfilme der letzten zehn Jahre. ♦ Als besonderes Schmankerl an Stelle der ohnehin Ergebnislosen Politdiskussionsrunden das Original-Life-Brainstorming des neuen Waschmittel-Spots mit Lifeschaltung in Omas Waschküche und eingerichteter Talkline für die Einbringung des heimlichen Kreativen Konsumenten. (Natürlich auch via Internet) ♦ Für den Werbejunkie unabdingbar der Spartensender „Spot4U“ mit vierundzanzig Stunden Werbung am Stück. Für die Pinkelpausen oder Nahrungsaufnahme unterbrochen durch fünfminütige Spielfilmeinblendungen. Aber kein Weg dorthin, ohne eine vernünftige Vorbildung, denn Werbung will gelernt sein. Schließlich ist doch so ein aufwendiger Werbespot für den Werbung in Maß(ss)en 11 Durchschnittskonsumenten von heute, schon ein wenig „Perlen vor die Säue“ oder? Finden Sie nicht? Dann überlegen Sie doch einfach einmal, mit welcher „Ignoranz“ sie dem wohlgemeinten Werbespot gegenüber stehen. Tausende und Abertausende von DM, Dollar, Schilling etc. und demnächst dann auch Euros werden dafür ausgegeben, damit sie das nette Mädel mit den Gläsern und den eminent wichtigen Nachbarschaftsproblemen bedauern können, weil es wieder einmal nicht geklappt hat. Ganz ehrlich, unter uns, fiebern sie nicht dennoch ein klein wenig mit, ob sie sich jemals kriegen werden? Um dann den neuen Jacobs-Krönung Werbespot zu zieren. Es gibt ja schließlich keine bessere Möglichkeit für Recycling von Kaffeeverpackung, als daraus Verlobungsringe zu basteln. Schade nur, daß noch immer keine Bastelanleitung auf der Verpackung zu finden ist und ich noch immer keinen Graveur dafür gefunden habe. Aber zurück zu unserem ungeschulten Konsumenten, der einfach wie es ihm beliebt die Kaffeesorte ebenso wechselt wie das Schampoo, oder die Unterwäsche. Wenn ich nun nicht nur an geschulte Werbefachleute mit meinem Produkt herantreten will, ist es gar nicht so einfach, den richtigen Konsumenten für meine glänzende Idee zu begeistern. Geht es dem doch vermeintlich ohnehin nur um den Inhalt seiner Geldbörse oder Brieftasche... oder vielleicht doch nicht? Den Verbraucher im Sucher haben schon seit Jahren die sogenannten Konsumforscher wie GFK und Nielsen um nur zwei zu nennen. Mit immer neuen Methoden, Techniken und schier unzählig erscheinenden Fragen bemühen sie sich täglich darum, herauszufinden was „König Kunde“ nun eigentlich wirklich bereit ist zu kaufen. Hierfür werden unter anderem in sog. Panels freiwillige Personen erfasst, welche dann nach jedem Einkauf notieren, was sie wann, wo und zu welchem Preis erstanden haben. Und das schöne daran ist, die haben auch noch ihre „eigene Werbung“. Während wir als Otto-Normal zum zweitausendsden mal uns von Boris Becker erzählen lassen wie toll und lecker er seine Nutella findet, Werbung in Maß(ss)en 12 sitzen die in der ersten Reihe und dürfen sich die selbe Geschichte von Deutschlands neuem Liebling, Michael Schumacher erzählen lassen. Beneidenswert, aber wenn diese dann ihre Nutella dank Michael wirklich kaufen, dann kommen bestimmt auch wir bald in den Genuß des „neuen“ Spots. Wenn nicht? Dann kommt dieser nicht etwa zur Vernichtung oder zum Sondermüll, sondern zu den vielen, vielen anderen in das riesige Werbespotarchiv, auf das Agent Mulder (Akte X) in irgendeinem vermeintlichen Atombunker einmal stoßen wird. Falls nicht vorher ein besonders pfiffiger, aber leider unkreativer Werber den Weg dorthin findet, und uns diese ungefragt voller Euphorie kredenzt. Wer weiß, es ist nicht auszuschließen, daß dieser wider aller Erwartung mehr Erfolg bringt, als der von den „freiwilligen Panel-Test-Personen“ gewählte Spot mit Flipper. Der ist wohl ganz toll gemacht und so richtig nett und niedlich, aber deswegen Nutella kaufen muß man noch lange nicht. Aber die Zukunft klopft schon an Ihre Tür oder sollte ich besser sagen an Ihren Fernseher? Vielleicht gehört das Panel schon bald zur Vergangenheit und Sie sind immer Live dabei wenn es die Entscheidungsfindung in Programmen und Fernsehspots geht. Wer hat noch nicht von „Miles and More“ gehört? Vom vielfliegenden Manager der für alles seine geschäftlichen oder auch nicht geschäftlichen Flüge kostenlose „Freimeilen“ erhält bewegen wir uns geradewegs auf den Vielkucker zu. Ganz gleich ob Sie Arbeitslos, Rentner oder einfach Fernsehfan sind, schon bald kann dies auch für Sie Reichtum und Ruhm bedeuten. Der Fernsehbutton macht es möglich. Sie kleben einfach auf einen angezeigten Punkt am Bildschirm Ihren persönlichen Chip-Button auf und dieser speichert Ihre persönlichen Fernsehmeilen. Ungeachtet des Sinnes oder Unsinnes einer solch Bahnbrechenden Erfindung stellen sich mir zwei entscheidende Fragen. Was spielt sich während der Sendung hinter meinem Button ab? Wer putzt mir meinen vollends verklebten Fernseher? Das wird nicht das letzte sein, was uns erwartet und sicherlich weiß schon bald jeder, wann wir welche Werbung sehen. Vergessen Sie dann nicht, Ihr Telefon am Fernseher zu plazieren, damit Sie auch erreichbar sind, wenn Sie Live und Online zum soeben gesendeten Spot befragt werden. Werbung in Maß(ss)en 13 Als Werber sei Ihnen gesagt: „Nur wer mitmacht kann gewinnen! – oder?“ Nun, Sie wissen noch immer nicht wie Sie Ihren Konsumenten erreichen? Nachdem Sie nun Ihren Werbespot haben testen lassen und einen berauschenden Erfolg erzielt haben, können Sie Ihr Produkt zumindest schon einmal im Testgebiet des Konsumforschers so richtig an den Mann/die Frau bringen. Sie packen Ihre neu kreierte Erdbeerbutter, die noch nicht einmal eine Erdbeere gesehen hat, in das extra für Sie vorbereitete Supermarktregal im Testgebiet und harren aus, wer nun Ihr tolles Produkt so richtig zu schätzen weiß. Zu hoffen bleibt, daß diese(r) nicht nur gerne Versuchskaninchen spielt, nachdem er/sie clever wie er/sie nun mal ist festgestellt hat, daß es diese Butter nur in „seinem“ Markt zu kaufen gibt. Ja, vielleicht sogar gleich einen ganzen Karton kauft, weil er sie als „einzigartiges Präsent“ an all seine Bekannten und Verwandten senden möchte, um diese von seiner persönlichen Wichtigkeit zu überzeugen. Natürlich stellen Markt- und Konsumforscher Ihnen alle wichtigen Daten, gegen einen nicht ganz geringen Obulus zur Verfügung und wenn Ihr Produkt wirklich so scheußlich schmeckt wie es aussieht, wird dort sehr schnell festgestellt, daß niemand Ihre tolle Kreation ein zweites mal gekauft hat. Jedem hat Ihr Spot gefallen, und er hatte die besten Testergebnisse, aber so richtig kaufen wollte dann doch niemand? War denn alles umsonst? Nicht zwangsweise, vielleicht war es nur die pinkfarbene Verpackung, die dem ratlosen Konsumenten wohl schier ins Auge springt und selbigen beinahe zum erblinden bringt, jedoch wohl lediglich kindliche Gemüter zum Kauf anregt. Aber möglicherweise waren Sie ja der/die clevere und haben vor dem Spot erst einmal Ihre Verpackung testen lassen und genau dies feststellen dürfen. Nun, die Verpackung ist sicherlich nicht alles, aber in jedem Fall für einen Erstkauf ein ganz entscheidender Faktor. Sie wählen ja schließlich auch Ihre Bekleidung mit Bedacht dem jeweiligen Anlaß entsprechend aus, und gehen nicht etwa im Jogging-Anzug zu einem Empfang oder einer Hochzeit. Falls doch, sollte Sie dies möglicherweise überdenken und sich nicht wundern, wenn erneute Einladungen ausbleiben. Werbung in Maß(ss)en 14 Am aufwendigsten sind wohl Parfumerieartikel verpackt, denn hier werden Glaskünstler zu Höchstformen getrieben um den Duft der Anziehung verspricht zu vertreiben. Ob nun in Form eine Tropfens, eines Bauwerkes oder einer schlichten Perle, der Flakon eines Duftwässerchens scheint für dessen Abverkauf eminent wichtig. Nicht jeder ist schließlich gewillt, sich mit unzähligen Düften einnebeln zu lassen oder sich selbst zu besprühen um seinen Speziellen für sich herauszufinden. So animiert häufig der Name, das Aussehen, oder nicht zuletzt der mit Glamour und Erfolg verbundene Name derer Persönlichkeiten, welche den im Chemielabor kreierten Duft es Präsentieren; wie Pricilla Presley, Gabriella Sabatini, Hugo Boss oder Karl Lagerfeld. Wer möchte diesen Erfolg schließlich nicht teilen. Nun, zurück zu den Lebensmitteln und Ihrer Erdbeerbutter. So schön leuchtend und glänzend Ihre pinkfarbene Verpackung auch ist, so befremdend und deplaziert wird Sie dem ein oder anderen Konsumenten erscheinen, der dahinter wohl eher einen neuen Kinderkaugummi vermuten mag. Gleichwohl könnten Sie Ihre Butter natürlich zwischen den Süßigkeiten für Kinder plazieren um dort den gewünschten Erfolg zu erzielen, was aber der Haltbarkeit und dem Geschmack nicht unbedingt zuträglich sein wird. Selbstverständlich gibt es auch für Ihre Verpackung Testmärkte und Spezialisten, sofern Sie sich bei deren Wahl nicht einfach auf den gesunden Menschenverstand verlassen möchten. Wer sich bei nachfolgendem Beispiel für diese Verpackung aus welchem Grunde entschieden hat, vermag ich nicht zu sagen - was ich jedoch sagen kann ist: Diese Verpackung hat mit dem darin enthaltenen Produkt nichts gemein. Sehen Sie sich selbst diese Verpackung an und denken Sie kurz darüber nach, was Sie damit assoziieren. Werbung in Maß(ss)en 15 Nun, werte Leserschaft, wofür haben Sie sich entschieden? Ich kann Ihnen schon jetzt verraten, daß Sie zu 90 % daneben liegen werden, was auch immer Ihre Assoziation gewesen sein mag. Ich persönlich hatte mich für Damenbinden oder andere Hygeneartikel entschieden. Anzunehmen wäre das auch Ihre Gedanken in diese Richtung geschweift sein mögen. Wenn dem so ist, haben Sie Gelegenheit noch einmal kurz darüber nachzusinnen, bevor Ihnen die Gedankengänge des Erschaffers dieser Verpackung zuteil werden. Wundern Sie sich nicht, sondern nehmen Sie es gelassen hin. Wer hätte das gedacht? Werbung in Maß(ss)en 16 Von besonderer Phantasie beflügelt muß der einer sein, der dies erraten konnte. Ein Lob dafür gebührt ihm/ihr. All den anderen sei gesagt: Wie Phantasiereich eine Verpackung auch gestaltet sein mag, daß Produkt dabei noch zu erkennen sollte in jedem Falle die höchste Maxime sein. Für vorgezeigte ist von einer Nachahmung abzuraten. Bevor Sie nun für jedes Detail einen Spezialisten aufsuchen, dem natürlich auch an der eigenen Vermarktung liegt sollten Sie in jedem Fall erst einmal den Ihnen gegebenen gesunden Menschenverstand befragen und die wichtigsten Eckwerte für sich selbst festlegen, den auch der Spezialist ist letztlich nur so gut, wie die Ihm zur Verfügung gestellten Informationen und Vorgaben. So sollten Sie erst einmal selbst damit beginnen, neben Ihrem Produkt, welches Sie ja kennen wie kein anderer, nach möglichen Konsumenten Ausschau zu halten. Im Fachjargon auch als Zielgruppendefinition bezeichnet. Dabei können Sie es sich am Anfang einfach und allen anderen schwer machen wie z. B. mit folgender Definition. Werbung in Maß(ss)en 17 ♦ Meine Zielgruppe ist zwischen 6 und 88 Jahren alt, weiblich oder männlich, der Spezies der Menschen zuzuordnen und im Besitz eines Kurzwellenempfängers. Offen gestanden werden auch Sie es damit sehr schnell schwer haben, da Sie damit nahezu jeden als Ziel sehen und damit Unsummen für Werbemaßnahmen ausgeben können. Der Werber wird es Ihnen danken, und Sie für Ihre „gespendeten“ Millionen bestimmt zu einem kleinen Urlaub auf Hawaii einladen. Zugegeben, ein sehr kostspieliger Urlaub, aber wenn er Ihnen das Wert ist. Vielleicht aber möchten Sie Ihren Urlaub dann doch lieber selbst finanzieren und auf die großzügige Einladung verzichten indem Sie Ihre Zielgruppe genauer definieren. Damit kosten Ihre Werbemaßnahmen ganz sicher noch immer Geld, aber garantiert weniger. Grenzen Sie Ihre Zielgruppe sorgfältig ein. Wenn Sie nach der Eingrenzung feststellen, daß Ihre Zielgruppe ausschließlich Ihre Schwiegermutter enthält, wäre es ratsam, ein paar Gedanken daran zu verschwenden, ob für Ihr Produkt überhaupt ein Markt vorhanden ist. Aber dies haben Sie ja ohnehin schon beobachtet und festgestellt: „Eigentlich jeder der ein zufriedenes, ausgeglichenes und glückliches Leben führen möchte, benötigt dafür eben genau Ihre Erdbeerbutter.“ Sie wissen das, Ihr Werbeleiter oder Ihr Werbeberater weiß es nun auch von Ihnen, aber schließlich soll es der Konsument, unser aller König wissen. Und bei näherem überlegen ist Ihre tolle Kreation vielleicht doch nicht so das Ideale für den Veganer, oder nicht ganz nach dem Geschmack von Oma und Opa Meier. Vielleicht aber auch hätten gerade die beiden genau Ihre Butter gekauft, haben aber vom Arzt den Genuß der selben verboten bekommen. Sie sehen also, eine genauere Betrachtung ist in jedem Fall Ihr Vorteil. Sehen wir uns also Ihre Zielgruppe einmal an. ♦ Der Spezies Mensch, wird sie wohl angehörig sein. Werbung in Maß(ss)en 18 ♦ Sie ist weiblich oder männlich (das hatten wir ja auch schon) ♦ Sie hat ein alter zwischen 14 und 45 Jahren (das heißt nicht etwa, daß jüngere oder ältere Ihr Produkt nicht kaufen dürfen, sondern lediglich, daß Ihre Werbemaßnahmen insbesondere diese Menschen ansprechen soll. Wenn Oma ihrem Enkel ihre Butter auf die Stulle für den langen Flug streichen möchte, tut sie dies dann nicht weil sie ihr so gut schmeckt, sondern weil Ihre Werbung Ihr suggeriert, daß diese dem Enkel schmeckt.) ♦ Sie hat ein geregeltes Einkommen über dem Mindestsatz zum überleben. (Schließlich will Ihr Produkt ja auch bezahlt sein, und der Erdbeergeschmack ist natürlich nicht kostenlos zugeführt. Darüber hinaus ist nicht unbedingt davon auszugehen, daß der 14-jährige Max sein Taschengeld in Butter anlegt.) ♦ Sie besteht bevorzugt aus jungen Familien mit Kindern (Der junge Max ißt zwar Ihre Butter wahnsinnig gern, aber selbst kaufen will er Sie dann doch nicht. Also muß Mammi beim Einkauf dran glauben.) ♦ Sie verzehrt auch bisher schon Butter, am besten auch schon abgewandelte Formen wie gesalzene, Kräuterbutter oder Knoblauchbutter und hat damit schon einen entscheidenden Bezug zu Ihrem Produkt (Affinität im Werberdeutsch). Natürlich können Sie letztlich abgrenzen und eingrenzen wie es Ihnen beliebt, aber dies sollte in jedem Fall in einem gesunden Maß geschehen. Die Zielgruppe seinem Werbebudget von zweitausend Mark/Jahr anzupassen wäre dabei sicherlich nicht der beste Weg. Dann ist es wohl doch ratsamer, einfach nur Verwandte und Bekannte zu beliefern und auf Mundpropaganda umzustellen. Für die zweitausend DM können Sie dann eine Party geben, bei der Sie Ihr Produkt kredenzen.