Technik Melita Tuschinski Baubestand EU-weit im Blick Die Europäische Gebäuderichtlinie 2010 fordert energieeffiziente Altbauten und verstärkt die Rolle des Energieausweises im Baubestand E s ist soweit: Seit dem 8. Juli 2010 gilt die neugefasste EU-Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden – Englisch: Energy Performance of Buildings Directive (EPBD). Nach ihrem Zeitplan und ihren Vorgaben muss auch Deutschland seine Gebäudevorschriften aktualisieren, wie die­ Energieeinsparverordnung (EnEV 2009). Die Richtlinie zielt verstärkt auf den Baubestand. Die EU verspricht sich erhebliche Energieeinsparungen, wenn die Eigentümer ihre Altbauten energieeffizient modernisieren. Dieser Artikel beschreibt, welche Anforderungen sich durch die EU-Richtlinie für Bestandsgebäude in Deutschland ändern könnten und welche Fragen auch weiterhin ungelöst bleiben. Wer im Altbau sitzt … Zuerst nur gute Nachrichten Das besondere Flair von Altbauten schätzen sowohl ihre Besitzer als auch potenzielle Käufer und Mieter. Wer sein unsaniertes Wohnhaus, Bürogebäude oder seine sonstige Immobilie durch bauliche und anlagentechnische Maßnahmen energetisch verbessert, senkt seine Nebenkosten auf lange Sicht, schafft behagliche Innenräume und entlastet die Umwelt von Heizungsabgasen. Als Sanierer kann man ggf. auch staatliche Fördergelder wahrnehmen, als geschenkte Zuschüsse oder als kostengünstige Darlehen für einzelne Modernisierungsmaßnahmen. Mit dem 26 Energieausweis des energetisch sanierten Gebäudes überzeugt der Eigentümer potenzielle Käufer oder Neumieter, dass sie im energieeffizienten Bestandsgebäude auch keine hohen Heizkosten befürchten müssen. Soweit die guten Nachrichten. Die andere Seite der Medaille Wer einen Altbau besitzt, muss allerdings zahlreiche Vorschriften kennen und rechtzeitig beachten, weil ihm sonst schlimmstenfalls erhebliche Bußgelder drohen. Die bundesweite Energieeinsparverordnung (EnEV 2009) fordert beispielsweise, dass Eigentümer von bestehenden Bauten ggf. folgende Maßnahmen durchführen: die oberste Geschossdecke oder das ungedämmte Dach über den beheizten Räumen dämmen, die Heizung erneuern, die Leitungen und Armaturen dämmen sowie fehlende Regelungen einbauen, die Klimaanlagen regelmäßig von qualifizierten Fachleuten inspizieren lassen, die EnEV-Anforderungen einhalten, wenn sie mehr über zehn Prozent der Fläche eines Außenbauteils – Außenwand, Dach, Fenster oder Decke – in einer gewissen Weise verändern, ersetzen oder neu einbauen, den Neubau-Standard für den betroffenen Gebäudeteil einhalten, wenn sie große Anbauten oder Ausbauten planen, den Energieausweis zeigen, wenn potenzielle Käufer oder Neumieter ihn verlangen, den Energieausweis in großen, öffentlichen Dienstleistungsgebäuden aushängen, wenn zahlreiche Bürger darin ein und aus gehen usw. EnEV 2012 bereits angekündigt Die aktuelle Energieeinsparverordnung (EnEV 2009) gilt seit dem 1. Oktober 2009. Sie hat die EnEV 2007 abgelöst, die genau zwei Jahre lang in Kraft war und die erste Europäische Gebäuderichtlinie 2003 hierzulande umsetzte. Im November 2008 veröffentlichte die EU-Kommission einen ersten Vorschlag für eine Neufassung der besagten EURichtlinie 2003. Das bedeutet, dass unsere deutschen Gremien die weiteren Absichten der EU bereits kannten, als sie die EnEV 2007 in Richtung EnEV 2009 novellierten. Dazu kamen auch die weitreichenden Pläne des Integrierten Energie- und Klimaschutzprogramms der Bundesregierung für den Baubereich. Die Folge war, dass die Bundesregierung mit der verschärften EnEV 2009 auch die nächste EnEV 2012 bereits anpeilte. Hatte die EnEV 2009 in einem ersten Schritt die Anforderungen an die Energieeffizienz im Baubereich verschärft, soll die künftige EnEV 2012 die Messlatte nochmals um 30 Prozent erhöhen. Noch energieeffizientere Gebäude bedeuten noch weniger Primärenergiebedarf für behagliche Innenräume und noch weniger Wärmeverluste durch die Gebäudehülle. Bausubstanz 3 | 2010 Technik EU-Gebäuderichtlinie 2010 Umwelt länderübergreifend entlasten Die Europäische Union hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2020 die Energieeffizienz von Gebäuden zu steigern und den Einsatz von erneuerbaren Energien für Heizung, Warmwasser und Klimatisierung zu erhöhen. Damit will sie die Umwelt entlasten, denn Gebäude verbrauchen 40 Prozent der gesamten Energie in den EU-Ländern. Die Gemeinschaft soll auch unabhängig von Energieimporten werden und verstärkt erneuerbare Energiequellen in Gebäuden nutzen. Nicht zuletzt sollen diese Maßnahmen auch dazu beitragen, die Energieversorgung in der Gemeinschaft zu sichern und die technologische Entwicklung zu fördern. 36 Gründe für eine RichtlinienNovelle Warum hat die EU die Gebäuderichtlinie neu gefasst? Warum sollen die Mitgliedsstaaten diese Richtlinie befolgen? Was bewirken energieeffizientere Gebäude und Energieausweise im Bestand? Diese und weitere Fragen beantwortet die EU-Richtlinie in der ausführlichen Begründung, welche dem Richtlinientext vorangeht. Zum Vergleich: Die EU-Richtlinie 2003 führte lediglich eingangs 23 Gründe auf. Dass die Richtlinie neu gefasst wurde kann man nur begrüßen, denn nur verkündete Änderungen der vorhergehenden Richtlinie sind schwer nachvollziehbar, wie wir es bei der Verkündung der EnEV 2009 – als Änderungsverordnung der EnEV 2007 – erleben konnten. EU-Novelle in Deutschland umsetzen Die Neufassung der EU-Gebäuderichtlinie betrifft nicht den einzelnen Eigentümer oder Bauherrn direkt. Die Richtlinie verpflichtet die Regierungen Bausubstanz 3 | 2010 der EU-Mitgliedstaten, die Energieeffizienz im Baubereich zu erhöhen, indem sie entsprechende Verordnungen, Gesetze und Vorschriften erlassen. In Deutschland regeln zurzeit folgende bundesweite Vorschriften die Energieeffizienz im Baubereich: EnEG 2009 – Energieeinsparungsgesetz, EnEV 2009 – Energieeinsparverordnung, EEWärmeG 2009 – ErneuerbareEnergien-Wärmegesetz. Energieeffizientere Gebäude Die Vorgaben der EU-Richtlinie Die novellierte EU-Richtlinie 2010 will die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden stärken und dabei das äußere und innere Klima sowie die Kostenwirksamkeit der notwendigen Maßnahmen berücksichtigen. Dafür gibt sie den allgemeinen Rahmen für eine Rechenmethode für die Energieeffizienz von Gebäuden an. Sie fordert, dass die Mitgliedsstaaten Mindeststandards anwenden bezüglich der Gesamtenergieeffizienz des ganzen Gebäudes und der Gebäudeteile. Ein ›Gebäudeteil‹ ist gemäß der Novelle ein »Gebäudeabschnitt, eine Etage oder eine Wohnung innerhalb eines Gebäudes, der bzw. die für eine gesonderte Nutzung ausgelegt ist oder hierfür umgebaut wurde.« Auch sollen die Mitgliedsländer: Energieausweise für Gebäude oder Gebäudeteile ausstellen, Heizungs- und Klimaanlagen in Gebäuden regelmäßig inspizieren, ein unabhängiges Kontrollsystem für Energieausweise und Inspektions­ berichte einrichten, Die Richtlinien-Novelle betont ausdrücklich, dass sie nur Mindestanforderungen umfasst. Die Mitgliedstaaten können auch höhere Anforderungen beibehalten oder einführen. Allerdings müssen sie diese ggf. der EU-Kommission notifizieren. Mindeststandards für Energieeffizienz festlegen Die EU-Länder müssen für Gebäude oder Gebäudeteile energetische Standards vorschreiben, damit ein ›kostenoptimales Niveau‹ erreicht wird. Gemeint ist »das Gesamtenergieeffizienzniveau, das während der geschätzten wirtschaftlichen Lebensdauer mit den niedrigsten Kosten verbunden ist«. Was sich hinter den Begriffen verbirgt, erklärt die Richtlinie im Artikel 2 »Begriffsbestimmungen« unter Punkt 14: »Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet … ›kostenoptimales Niveau‹ das Gesamtenergieeffizienzniveau, das während der geschätzten wirtschaftlichen Lebensdauer mit den niedrigsten Kosten verbunden ist, wobei 1. die niedrigsten Kosten unter Berücksichtigung der energiebezogenen Investitionskosten, der Instandhaltungsund Betriebskosten (einschließlich der Energiekosten und -einsparungen, der betreffenden Gebäudekategorie und gegebenenfalls der Einnahmen aus der Energieerzeugung) sowie gegebenenfalls der Entsorgungskosten ermittelt werden und 2. die geschätzte wirtschaftliche Lebensdauer von jedem Mitgliedstaat bestimmt wird. Sie bezieht sich auf die geschätzte wirtschaftliche Restlebensdauer eines Gebäudes, wenn Gesamtenergieeffizienzanforderungen für das Gebäude insgesamt festgelegt werden, oder auf die geschätzte wirtschaftliche Lebensdauer einer Gebäudekomponente, wenn Gesamtenergieeffizienz­ anforderungen für Gebäudekomponenten festgelegt werden. 27 Technik Das kostenoptimale Niveau liegt in dem Bereich der Gesamtenergieeffizienzniveaus, in denen die über die geschätzte wirtschaftliche Lebensdauer berechnete Kosten-Nutzen-Analyse positiv ausfällt«. Mindeststandards für Außenbauteile vorschreiben Die Mitgliedstaaten müssen auch für die Bauteile der wärmeabgebenden Gebäudehülle Mindestanforderungen an ­ihre Gesamtenergieeffizienz festgelegen, insbesondere für diejenigen Außenbauteile, deren Nachrüstung sich erheblich auf die Energiebilanz des Gebäudes auswirkt. Allerdings müssen die EU-Länder keine Mindestanforderungen an die Gesamtenergieeffizienz vorschreiben, wenn sie über die geschätzte wirtschaftliche Lebensdauer der Außenbauteile nicht kosteneffizient sind. Die Standards sollen die Staaten regelmäßig, mindestens alle fünf Jahre, überprüfen und ggf. aktualisieren, um den technischen Fortschritt in der Bauwirtschaft zu berücksichtigen. Bestimmte Gebäudekategorien ausnehmen Wer sich die möglichen Ausnahmen der Richtlinien-Novelle ansieht, erkennt die Gebäudetypen, die auch unsere aktuelle EnEV 2009 von ihren Anforderungen verschont. Es sind zunächst die Baudenkmäler, welche die Novelle beschreibt als »Gebäude, die als Teil eines ausgewiesenen Umfelds oder aufgrund ihres besonderen architektonischen oder historischen Werts offiziell geschützt sind, soweit die Einhaltung bestimmter Mindestanforderungen an die Gesamtenergieeffizienz eine unannehmbare Veränderung ihrer Eigenart oder ihrer äußeren Erscheinung bedeuten würde« sowie 28 kirchliche Gebäude für Gottesdienste oder andere religiöse Zwecke, Ferienhäuser, kleine Gebäude unter 50 m² usw. Energieeffizient modernisieren Im Baubestand sollen die EU-Staaten nach wie vor nur bei größeren Änderungen die Mindeststandards einhalten. Dabei bestimmt jedes Land selbst, was es als ›größere Renovierung‹ eines Gebäudes anerkennt. Die Novelle bietet ihnen folgende zwei Optionen zur Auswahl an: Die Gesamtkosten der Arbeiten an der Gebäudehülle oder den gebäudetechnischen Systemen übersteigen 25 Prozent des Gebäudewerts – allerdings ohne den Wert des Grundstücks, auf dem das Gebäude errichtet wurde. Über 25 Prozent der Oberfläche der Gebäudehülle wird renoviert. Unsere aktuelle EnEV 2009 greift bei Modernisierungen der Gebäudehülle nur dann, wenn die sanierte Bauteilfläche – Außenwand, Fenster, Dach, Decke – zehn Prozent der gesamten entsprechenden Bauteilfläche des Gebäudes übersteigt und wenn die Art der Renovierung in der Anlage 3 »Anforderungen bei Änderung von Außenbau­ teilen« gelistet ist. Erneuerbare Energien auch im Altbau nutzen Die Umwelt wird am effizientesten entlastet, wenn Gebäude möglichst wenig Heizung benötigen und sie die benötigte Wärme aus erneuerbaren Quellen decken. Als ›Energie aus erneuerbaren Quellen‹ erkennt die EU-Richtlinie Wind, Sonne, aerothermische, geothermische, hydrothermische Energie, Meeresenergie, Wasserkraft, Biomasse, Deponiegas, Klärgas und Biogas an. Alternative, hocheffiziente, technische Systeme listet die EU-Richtlinie im Artikel 6 »Neue Gebäude« im ersten Absatz auf: dezentrale Energieversorgungssysteme auf der Grundlage von Energie aus erneuerbaren Quellen, Kraft-Wärme-Kopplung, Fern-/Nahwärme oder Fern-/Nahkälte, insbesondere, wenn sie ganz oder teilweise auf Energie aus erneuerbaren Quellen beruht sowie Wärmepumpen. Jedoch sollen sich auch bei größeren Renovierungen die Mitgliedsstaaten nach dem Willen der EU dafür einsetzen, dass die Sanierer auch die gelisteten alternativen Systeme in Betracht ziehen und berücksichtigen, »sofern dies technisch, funktionell und wirtschaftlich realisierbar ist.« In Deutschland gilt das bundesweite ErneuerbareEnergien-Wärmegesetz (EEWärmeG 2009) vorrangig für Neubauten. Bauherren müssen seit Anfang des Jahres 2009 einen Teil der Wärme für ihre Neubauten über erneuerbare Energien Bausubstanz 3 | 2010 Technik decken oder die Energieeffizienz mit anerkannten Ersatzmaßnahmen erhöhen. Die Forderung der EU-Richtlinie zielt darauf hin, dass auch bei der Bestands-Modernisierung künftig der Einsatz von erneuerbaren Energiequellen geprüft und ggf. anwendet wird. Energieausweis im Bestand Verkäufer und Vermieter müssen Energieausweis zeigen Wer in Deutschland ein Gebäude oder eine Gebäudeeinheit kauft oder neu mietet, sollte den Energieausweis verlangen. Erst dann verpflichtet die EnEV 2009 den Verkäufer oder Vermieter, dem potenziellen Kunden unverzüglich einen gültigen Energieausweis zu zeigen – oder wie es in der Verordnungssprache heißt: ›zugänglich zu machen‹. Die Novelle der EURichtlinie verlangt nun, dass die EUMitgliedsstaaten die Verkäufer und Vermieter direkt verpflichten, einen Energieausweis ausstellen zu lassen und ihn den Kunden zu zeigen sowie ihnen eine Kopie davon zu überreichen. Im Artikel 12 »Ausstellung von Ausweisen über die Gesamtenergieeffizienz« fordert die EU-Richtlinie im zweiten Absatz: »Die Mitgliedstaaten schreiben vor, dass bei Bau, Verkauf oder Vermietung von Gebäuden oder Gebäudeteilen der Ausweis über die Gesamtenergieeffizienz oder eine Kopie dieses Ausweises dem potenziellen neuen Mieter oder Käufer vorgelegt und dem neuen Mieter oder Käufer ausgehändigt wird.« Energieausweis in Verkaufs- und Vermietungs-Anzeigen Es ist tatsächlich soweit: Die EURichtlinie 2010 verlangt, dass in den kommerziellen Medien bei Anzeigen für Verkauf- und Vermietung auch der Energieausweis und die entsprechenden Kennwerte der Gebäudeeffizienz genannt werden. Allerdings beschränkt sich die Novelle auf solche Gebäude und Gebäudeteile, bei denen bereits ein gültiger Energieausweis vorliegt. Das würde in Deutschland auf einen Schlag alle diejenigen Neubauten betreffen, die vor weniger als zehn Jahren erbaut wurden – soweit man sie in kommerziellen Anzeigen anbietet. Ihre Energie-Nachweise gelten gemäß unserer EnEV 2009 auch zehn Jahre lang als Energieausweise im Bestand bei Verkauf, Neuvermietung und öffentlichem Aushang. Die Energieausweise im Bestand sollen auch nach der EU-Novelle weiterhin zehn Jahre lang gültig bleiben, ab dem jeweiligen Ausstellungsdatum. Energieausweis schlägt die Brücke zur Energieberatung Nach wie vor sollen die Energieausweise auch Modernisierungsempfeh- Bausubstanz 3 | 2010 lungen beinhalten. Unsere EnEV 2009 definiert sie im § 20 »Empfehlungen für die Verbesserung der Energieeffizienz« als »kurz gefasste fachliche Hinweise (Modernisierungsempfehlungen)«. Der Anspruch der EU-Novelle geht nun allerdings ganz klar in Richtung einer Energieberatung: »Die Empfehlungen des Ausweises über die Gesamtenergieeffizienz müssen an dem betreffenden Gebäude technisch durchführbar sein und können eine Schätzung der Amortisationszeiträume oder der Kostenvorteile während der wirtschaftlichen Lebensdauer enthalten.« Bei öffentlichen Energieausweisen sollen diese Empfehlungen jedoch nicht auch für das Publikum ausgehängt werden. Behörden sollen allerdings innerhalb der zehnjährigen Geltungsdauer des Energieausweises die Modernisierungsempfehlungen umsetzen, wenn sie die Eigentümer des entsprechenden Bestandsgebäudes sind. Damit sollen sie ihrer Vorreiterrolle gerecht werden. Energieausweis im Hotel, Kino und Einkaufszentrum aushängen Unsere aktuelle EnEV 2009 setzt die vorhergehende EU-Gebäuderichtlinie von 2003 um. Wenn eine Behörde in einem Gebäude über 1 000 m² Fläche nutzt und zahlreiche Bürger sie besuchen, muss der Gebäudeeigentümer seit Mitte des Jahres 2009 einen Energieausweis für das Publikum gut sichtbar aushängen. Die Novelle der EU-Richtlinie senkt die maßgebliche Nutzfläche auf 500 m². Ab 9. Juli 2015 wird diese Fläche nochmals auf 250 m² halbiert. Auch andere Gebäude mit regem Publikumsverkehr (Hotel, Kino, Kaufhaus, Krankenhaus usw.) sollen gemäß der Novelle einen Energieausweis aushängen, wenn folgende Bedingungen beide zutreffen: Die Gesamtnutzfläche des Gebäudes 29 Technik umfasst über 500 m² und es wurde bereits ein gültiger Energieausweis augestellt. Allerdings betont die EURichtlinie in diesem Zusammenhang, dass man die Modernisierungsempfehlungen nicht auch mit aushängen muss. In Deutschland würde diese Regelung auf einen Schlag all die­jenigen Hotels, Kinos, Einkaufszentren usw. betreffen, für die in den letzten zehn Jahren entweder ein Energieausweis oder ein älterer EnEV-Nachweis ausgestellt wurde, der auch als Energieausweis bei Verkauf, Neuvermietung oder Aushang gilt. Energieausweis wird rechtsverbindlich Nach wie vor sollen für Bestandsbauten die Energieausweise auf der Grundlage des berechneten Energiebedarfs oder des gemessenen Energie­ verbrauchs möglich sein. Leider hat sich an diesem kritischen Grundsatz nichts geändert. Für Käufer und Neumieter wird es nach wie vor sehr schwierig sein, die Angebote auf dem Immobilienmarkt anhand von Bedarfs- und Verbrauchsausweisen zu vergleichen. Der Energieausweis im Bestand soll allerdings nach der EU-Novelle nicht mehr wie bisher nur informieren. Die viel zitierte, wohlbekannte Passage »Der Energieausweis dient nur der Information« wurde restlos gestrichen. Stattdessen schreibt die EU-Novelle im Artikel 12 »Ausstellung von Ausweisen über die Gesamtenergieeffizienz« unter Punkt 7 folgende Regelung fest: »Mögliche Rechtswirkungen der Ausweise über die Gesamtenergieeffizienz bei etwaigen Rechtsstreitigkeiten bestimmen sich nach den nationalen Rechtsvorschriften.« Was es in der Praxis bedeuten wird, werden wir erleben, wenn es soweit ist … Fachliche Fragezeichen bleiben Wer sich die Stellungsnahmen der beruflichen Verbände der Architekten und Ingenieure zum Entwurf der EU-Richtlinie ansieht, kann sich nur wundern, welche fachlichen Fehler dennoch in der EU-Novelle verblieben sind. Hier zwei Beispiele: Energiebedarf ist gleich Energieverbrauch Die ›Gesamtenergieeffizienz eines Gebäudes‹ definiert die Novelle als »die berechnete oder gemessene Energiemenge, die benötigt wird, um den Energiebedarf im Rahmen der üblichen Nutzung des Gebäudes (u. a. Heizung, Kühlung, Lüftung, Warmwasser und Beleuchtung) zu decken.« Mit anderen Worten: Die Novelle sieht den Energiebedarf und den Energieverbrauch eines Gebäudes als gleichwertig an. Man kommt nicht umhin an den ›Vergleich von Äpfeln mit Birnen‹ zu denken. Den beiden Energiekennwerten liegen völlig unterschiedliche Daten und Ermittlungswege zugrunde: Den Energiebedarf für ein Gebäude berechnet der Fachmann anhand von normierten Standard-Bedingungen für die Nutzung des Gebäudes. Der Energieverbrauch hingegen berücksichtigt die erfassten Energiemengen, die aufzeigen, wie viel Energie die Nutzer in einem bestimmten Zeitrahmen verbraucht haben. Dass diese Größe von der Anzahl der Personen im Gebäude, die Anwesenheit und dem speziellen Nutzerverhalten abhängt, dürfte allen klar sein. Energetische Gebäudeeigenschaften Kaum zu glauben, doch die neue Richtlinie spricht in der Anlage I von den »tatsächlichen thermischen Eigenschaften des Gebäudes«. In den 30 Bausubstanz 3 | 2010 Technik Begriffsbestimmungen ist leider nicht erläutert, was die EU-Richtlinie damit konkret meint. Wahrscheinlich sind damit die Eigenschaften des fertiggestellten Gebäudes ins Visier genommen. Zu den energetischen Eigenschaften des Gebäudes zählt die Novelle auch die ›Isolierung‹ auf in einer Reihe mit der ›Wärmekapazität, Wärmebrücken‹ usw. Gemeint ist höchstwahrscheinlich eher der Wärmeschutz der Gebäudehülle. Auch wie die EU-Novelle die ›Gebäudehülle‹ definiert, wird manchen EnEV-erfahrenen Fachmann wundern. Die Richtlinie definiert die Gebäudehülle als »die integrierten Komponenten eines Gebäudes, die dessen Innenbereich von der Außenumgebung trennen«, dabei sollte wohl eher die wärmeabgebende Außenhülle gemeint sein, welche das beheizte Volumen des Gebäudes umgibt. Fazit: Chance für Sanierer, Fachleute und Umwelt Energieeffiziente, sanierte Bestandsgebäude eröffnen neue Chancen für ihre Eigentümer und für spezialisierte Fachleute. Der EnEV-Standard, die -Berechnungsmethoden und -Nachweise gelten nicht nur bei Modernisierung, An- und Umbauten, sondern auch bei Förderanträgen für die Sanierung im Bestand wie beispielsweise für die Programme der KfW-Förderbank (www.kfw-foerderbank.de) oder des Bundeswirtschaftministeriums (www. bafa.de). Dieses wird auch für künftige EnEV-Fassungen gelten, gemäß der neugefassten EU-Richtlinie 2010. Wer sich spezialisiert und die EnEV-bezogenen Leistungen und Nachweise anbietet, eröffnet sich vielfache Aufgaben und Auftragschancen. Bausubstanz 3 | 2010 Literatur Publikationen zum Thema EnEV 2009: Verordnung zur Änderung der Energieeinsparverordnung EnEV vom 29. April 2009, Bundesgesetzblatt, Bundesanzeiger Verlag, Köln, Jahrgang 2009, Teil I, Nr. 23, Seite 954-989, www.enev-online.org EnEG 2009: Drittes Gesetz zur Änderung des Energieeinsparungsgesetzes, vom 28. März 2009, Bundesgesetzblatt, Bundesanzeiger Verlag, Köln, Jahrgang 2009, Teil I, Nr. 17, Seite 643-645, www.bundesgesetzblatt.de EU-Richtlinie 2003: Richtlinie 2002/91/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2002 über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden, Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften, 4. Januar 2003, L 1, Seite 65-71, www.enev-online.de/epbd/ EU-Richtlinie 2010: Richtlinie 2010/31/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Mai 2010 über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden (Neufassung), Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften, 18. Juni 2010, L 153, Seite 13-35, www.enev-online.de/epbd/ EEWärmeG: Gesetz zur Förderung Erneuerbarer Energien im Wärmebereich (Erneuerbare-EnergienWärmegesetz – EEWärmeG) vom 7. August 2008, verkündet im Bundesgesetzblatt, Bundesanzeiger Verlag, Jahrgang 2008, Teil I, Nr. 36, am 18. August 2008. Das EEWärmeG ist seit dem 1. Januar 2009 in Kraft, Internet: www.bundesgesetzblatt.de, www.enev-online.de/eewaermeg Info/Kontakt Dipl.-Ing./UT Melita Tuschinski Freie Architektin Seit 1996 selbstständig als Freie Architektin in Stuttgart tätig, Schwerpunkt »Energieeffiziente Architektur in Neubau und Bestands-Sanierung mit Internet-Medien«. Seit 1999 Herausgeberin und Autorin des führenden Fachportals zur Energieeinsparverordnung www.enev-online.de Institut für Energie-Effiziente Architektur mit Internet-Medien, Melita Tuschinski, Dipl.-Ing.UT, Freie Architektin Bebelstraße 78 70193 Stuttgart Tel.: 0711 6154926 Fax: 0711 6154927 E-Mail: [email protected] Internet: www.tuschinski.de 31