thun!_3-2006.qxd 15.6.2006 18:05 Uhr Seite 18 PLANUNG Hanspeter Liechti: «Das Stadtbild soll bewahrt und gepflegt, aber auch entwickelt und erneuert werden.» Wer sorgt in Thun dafür, dass neue oder umgebaute Gebäude ins Gesamtbild der Stadt passen? Wer gewährleistet, dass das Ortsbild nicht «verschandelt» wird? Die meisten Baugesuche und Anfragen werden, bevor das Bauinspektorat über eine Bewilligung entscheidet, dem «Fachausschuss Bauund Aussenraumgestaltung» (FBA) vorgelegt. Im Gespräch mit «thun! DAS MAGAZIN» erläutert Hanspeter Liechti, Beauftragter für Städtebau der Stadt Thun, wie sich der Ausschuss für ein gutes Stadtbild einestzt. Hanspeter Liechti, Beauftragter für Städtebau der Stadt Thun. Hanspeter Liechti, wie steht es aus Sicht des Experten um das Ortsbild und die Schönheit der Stadt Thun? Thun hat mit Schloss, Kirche und Altstadt ein einmaliges und weit herum präsentes Stadtbild, das es zu bewahren und pflegen, aber auch sorgsam zu entwickeln und erneuern gilt. Bewahren und doch erneuern, sagen Sie. Ist das nicht sehr widersprüchlich? Nein, denn Gebäude sind Zeugen ihrer Zeit. Deshalb spiegeln sie die wechselnden Werte der Gesellschaft und werden dadurch zum Kulturgut. Sie geben einem Ort eine eigene Identität, schaffen eine spezielle Atmosphäre und werden Teil des Ortsbildes. Eine lebendige Stadt wächst und muss sich erneuern, dies hat aber behutsam und qualitätsvoll zu erfolgen. 18 Gerade moderne Gebäude werden von vielen als hässlich empfunden. Wie entscheiden Sie, was schön ist? Was man als schön empfindet, ist Geschmackssache. Darüber lässt sich nicht streiten, sagt der Volksmund. Damit hat er aber nicht ganz recht: Qualität ist zwar nicht messbar, aber durch Erfahrung und Argumente kann man Qualität erkennen und beschreiben. Bauqualität ist zudem immer auch abhängig von den örtlichen Gegebenheiten und der Umgebung. Dies klingt aber recht diffus. Gibt es denn kein Reglement, das klipp und klar sagt, was ästhetisch in Ordnung ist und was nicht? Aus den erwähnten Gründen lassen sich nur schlecht Regeln und Vorschriften finden, die Qualität garantieren. Die Praxis hat gezeigt, dass flexible Verfahren eine höhere Qualität gewährleisten als starre Vorschriften. Unser städtisches Baureglement macht bewusst nur allgemeine Aussagen. «Bauten und Anlagen sind so zu gestalten, dass zusammen mit ihrer Umgebung eine gute Gesamtwirkung entsteht», heisst es. Besonderes soll situationsbezogen erarbeitet werden. Wie gehen denn die Behörden bezüglich Ortsbildverträglichkeit vor, wenn jemand ein Baugesuch einreicht? Ganz wichtig ist, dass sowohl der Bauherr wie auch die Baubewilligungsbehörde das Umfeld des Bauvorhabens gemeinsam analysieren und den städtebaulichen sowie thun!_3-2006.qxd 15.6.2006 18:05 Uhr Seite 19 PLANUNG architektonischen Gestaltungsspielraum verantwortungsbewusst interpretieren. Dabei hilft ihnen der Fachausschuss Bau- und Aussenraumgestaltung, kurz FBA genannt, dem ich beratend angehöre. Es ist ein fünfköpfiges, durch den Gemeinderat ernanntes Fachgremium unter dem Vorsitz von Gemeinderätin Ursula Haller. Dem FBA werden gemäss Reglement Bauvoranfragen und Baugesuche vorgelegt, «wenn sie für das Strassen-, Orts- und Landschaftsbild von Bedeutung sind oder spezielle baugestalterische Fragen aufwerfen.» Und letztlich entscheidet dann der Fachausschuss, ob etwas – vom Ortsbild her beurteilt – gebaut werden darf? Nein, der FBA entscheidet nicht, sondern empfiehlt. Der Entscheid ist Sache der Baubewilligungsbehörde. Der FBA nimmt jedoch die öffentlichen Interessen zum Schutz von Ortsbild, erhaltenswerten Gebäuden und für eine gute Baugestaltung bei Um-, Aus- oder Neubauten wahr. Wie gelangt denn der Fachausschuss konkret zu seinen Empfehlungen? Wir treffen uns monatlich, prüfen die Voranfragen oder Baugesuche anhand von Plänen, Modellen und ProjektVorstellungen. Meist wird ein Augenschein vor Ort vorgenommen – gemeinsam mit Bauherr und Projektverfasser. Danach diskutiert der Ausschuss unter sich und formuliert eine schriftliche Empfehlung. Eckt der Ausschuss nicht dauernd bei den Bauherrschaften an? Natürlich ecken wir ab und zu an. Dies ist unvermeidlich, denn wir sind quasi das «städtebauliche Gewissen» der Stadt Thun. Ob ein Bauprojekt Chancen hat, hängt massgeblich von der Gewissenhaftigkeit und der Sensibilität der Projektverfassenden ab. Zudem hat sich her- ausgestellt, dass eine frühzeitige Kontaktaufnahme für beide Seiten von Vorteil ist. Die Architekten entwerfen dann nicht Projekte, die letztlich nicht bewilligt werden können. Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass der FBA nicht Bauen verhindert, sondern in viel Kleinarbeit gewissenhaft gutes Bauen fördert und zur Pflege des Stadt- und Landschaftsbildes beiträgt. Können Sie aktuelle Beispiele nennen, die der Fachausschuss wesentlich beeinflusst hat? Beispielsweise hat sich der FBA grundsätzlich gegen eine Aareqerung in Form einer Brücke im unteren Seebecken ausgesprochen. Er hat für den Neubau des Gebäudes im Bälliz 26, die Wohnsiedlung «Soleil» im Schorendörfli und für das moderne Wohnhaus auf dem Inseli gegenüber der Schiffländte am Bahnhof Überarbeitungen verlangt, nachdem die zuerst eingereichten Projekte nicht zu befriedigen vermochten. Dies hat zu wesentlich besseren Resultaten geführt. M Interview: Jürg Alder – Bilder: Hans Mischler INFO Ausschuss besteht seit mehr als 25 Jahren Letztes Jahr feierte der FBA (s. Interview) sein 25-jähriges Bestehen. Im März 1980 hielt der neu gewählte «Fachausschuss für Architektur und Ortsbildschutz», wie er damals hiess, seine erste Sitzung ab. Seither sind an mehr als 200 Sitzungen über 500 Projekte begutachtet worden. Die Gesuche betreffen so verschiedene Projekte wie Autoabstellplätze in Vorgärten, Reklamen in der Altstadt, Umbauten in Erhaltungs- und Entwicklungsgebieten, Neubauten anstelle erhaltenswerter Gebäude, Spezialbaugebiete und Aussenraumgestaltungen. Der FBA berät den Gemeinderat auch bei stadteigenen Planungen und Bauvorhaben. Die Mitglieder des Fachausschusses heute: Ursula Haller, Gemeinderätin, Vorsteherin der Direktion Bildung und Entwicklung (Vorsitz), die Architekten Magdalena Rausser, Bern, Hanspeter Bysäth, Meringen, Beat Gassner, Thun, sowie Simon Schöni, Landschaftsarchitekt, Bern, und Matthias Wehrlin, Architekt und Planer in Wünnewil. Beratend nehmen Teil: der Bauinspektor und der Beauftragte für Städtebau. Weitere Infos Telefon 033 225 83 76 oder [email protected] DAS MAGAZIN 19