Botschaft von Japan . Neues aus Japan Nr.37 Dezember 2007 Globale Gesundheit und Japans Außenpolitik: Von Okinawa nach Toyako Vortrag von Außenminister Masahiko Koumura vor dem Tokyo International Forum am 25. 11. 2007 Meine sehr verehrten Damen und Herren, im nächsten Jahr wird Japan als Gastgeber von zwei großen internationalen Konferenzen wirken, nämlich der 4. Tokyo International Conference on African Development (TICAD IV) und des G8-Gipfeltreffens in Toyako auf Hokkaido. An diesem bedeutenden außenpolitischen Meilenstein ruft Japan die internationale Gemeinschaft zu einem noch stärkeren Engagement im Bereich Globale Gesundheit auf ein Thema, dem die Menschheit auf ihrem Weg in die Zukunft nicht ausweichen darf. Ich möchte Ihnen meine Ansichten darüber mitteilen, wie sich die internationale Gemeinschaft im Bereich Globale Gesundheit einsetzen und welche Rolle Japans Außenpolitik dabei spielen sollte. Von Okinawa nach Toyako Im Jahr 2000 rief Japan anlässlich des G8-Gipfels auf Kyushu/Okinawa die „Okinawa-Initiative gegen Infektionskrankheiten“ ins Leben und warb um internationale Zusammenarbeit. Dies führte zur Einrichtung eines Globalen Fonds zur Bekämpfung der drei gefährlichsten Infektionskrankheiten, nämlich AIDS, Tuberkulose und Malaria. Der Millenniumsgipfel der Vereinten Nationen im Jahr 2000 legte die Grundlagen für die Millennium-Entwicklungsziele einschließlich der Ziele im Gesundheitsbereich, die bis 2015 erreicht werden sollen. Im selben Jahr wurde eine historische Erklärung herausgegeben, in der die Ausrottung der Kinderlähmung in der Region Westpazifik verkündet wurde. Seitdem sind sieben Jahre vergangen. Die internationale Aufmerksamkeit in Bezug auf die Notwendigkeit des Kampfes gegen Infektionskrankheiten hat seitdem weiter zugenommen. Der Globale Fonds zur Bekämpfung von AIDS, Tuberkulose und Malaria rettet heute tagtäglich mehr als 3000 Menschen das Leben; bis jetzt sind dies 1,5 Mio. Menschenleben. Nichtsdestotrotz sterben jedes Jahr sechs Millionen Menschen an diesen drei Krankheiten. Gleichzeitig stehen wir im Bereich Gesundheit von Schwangeren, Neugeborenen und Kindern vor großen Herausforderungen. In den Ländern Afrikas südlich der Sahara sterben 166 von 1000 Kindern vor ihrem fünften Geburtstag; das ist zwanzigmal mehr als in den Industrieländern. Eine von sechzehn Müttern stirbt während der Schwangerschaft oder bei der Geburt. Damit tragen Frauen in den Ländern Afrikas südlich der Sahara ein zweihundertmal größeres Risiko als Frauen in den Industrieländern. Angesichts dieser Zahlen muss ich eingestehen, dass wir die Millennium-Entwicklungsziele wahrscheinlich nicht erreichen werden. 1/4 Das kommende Jahr markiert die Mitte der Zeitspanne bis zur Erreichung der MillenniumEntwicklungsziele im Jahr 2015. Japan beabsichtigt, im Rahmen der TICAD IV das Thema Gesundheit in Afrika sowie im Rahmen des G8-Gipfels das weiter gefasste Thema Globale Gesundheit aufzugreifen. Ziel ist es, eine Reihe einheitlicher Rahmenwerke für das gemeinsame Vorgehen der Staatengemeinschaft zu gestalten. Ich lade alle wichtigen Akteure, darunter Regierungen, internationale Organisationen und Vertreter aus Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft dazu ein, sich an der Gestaltung dieser Rahmenwerke zu beteiligen, um die Aufgaben anzugehen, die ich heute vorstelle. Die Balance zwischen zwei Entwicklungen herstellen: krankheitsspezifischer Ansatz und umfassender Ansatz einschließlich Ausbau des Gesundheitssystems Welchen Weg sollte die internationale Gemeinschaft nun einschlagen? Ich möchte hier die Bedeutung von „Human Security“ hervorheben, eines Konzepts, dem bei der Zusammenarbeit im 21. Jh. große Bedeutung zukommt. Es ist ausgesprochen wichtig, dass wir uns nicht nur auf die Gesundheit und den Schutz des einzelnen Menschen konzentrieren, sondern uns auch dafür einsetzen, die Einzelnen sowie die Gemeinschaften durch den Ausbau des Gesundheitssystems zu unterstützen. Bis jetzt konzentrieren sich die internationalen Anstrengungen im Gesundheitssektor vor allem auf Maßnahmen gegen Infektionskrankheiten als dringende Aufgabe. Von nun an ist es wichtig, einen umfassenden Ansatz voranzutreiben, um das Problem bei der Wurzel zu packen; dies schließt die Förderung von Forschung und Entwicklung sowie den Ausbau der Gesundheitssysteme inklusive Entwicklung der Humanressourcen und ihre Erhaltung mit ein. Es ist Realität, dass in den Staaten Afrikas südlich der Sahara 11% der Weltbevölkerung leben und dass dort 25% der durch Infektionskrankheiten bedingten weltweiten Lasten anfallen, während gleichzeitig nur 3% der weltweiten Mitarbeiter im Gesundheitsbereich dort tätig sind. Dies macht in hohem Maße die große Bedeutung von Entwicklung und Erhaltung erheblicher humaner Ressourcen deutlich. Der „krankheitsspezifische Ansatz“ und der „umfassende Ansatz“ ergänzen einander. Eine ausgewogene Balance zwischen beiden Ansätzen herzustellen, wird daher im Mittelpunkt des internationalen Engagements bei der Gestaltung der verschiedenen Rahmenwerke stehen, die wir in Toyako gestalten wollen. Ein Vorschlag auf der Grundlage Japans eigener Erfahrungen Die Effektivität des Zusammenführens zweier sich überschneidender Ansätze wurde bereits durch Japans eigene Erfahrungen unter Beweis gestellt. Das Nachkriegsjapan konzentrierte sich auf die Förderung der Gesundheit von Schwangeren und Kindern, während gleichzeitig Infektionskrankheiten wie etwa Tuberkulose bekämpft wurden. Handbücher über die Gesundheit von Schwangeren und Kindern trugen zur Verbreitung von grundlegendem Wissen über Gesundheit bei den Müttern bei. Die weitere Verbreitung dieses Wissens zusammen mit dem Ausbau des gemeinschaftlichen Gesundheitssystems führte zu einem erheblichen Rückgang der Todesfälle bei Schwangeren und Neugeborenen. Die Bekämpfung von Infektionskrankheiten war nicht allein Aufgabe der Krankenhäuser, Ärzte und Krankenschwestern. Es wurde vielmehr ein ganzheitlicher Ansatz verfolgt, der die Verbreitung von Impfungen sowie regelmäßige Gesundheitsuntersuchungen in Gesundheitszentren und Schulen, das Vermitteln von Wissen über gesunde Ernährung sowie das 2/4 Bereitstellen von Schulspeisungen umfasste und auf diese Weise zu konkreten Resultaten führte. Es waren Anstrengungen in diesen beiden Bereichen, die zur Verbesserung der Gesundheit der japanischen Bevölkerung insgesamt beitrugen. Japan hat seine Erfahrungen an die Entwicklungsländer weitergegeben, beispielsweise durch die Verteilung von Handbüchern für die Gesundheit von Schwangeren und Kindern in Indonesien. Dies geschah, als ein indonesischer Arzt diese Handbücher während seiner Ausbildung durch die Japan International Cooperation Agency (JICA) in die Hand bekam. Diese Werkzeuge zur Unterstützung der Mütter gelangten dann über das Meer und haben auch andere Länder in Asien sowie weitere Regionen in der Welt einschließlich Palästina erreicht. Ein sich überschneidender Ansatz und die internationale Zusammenarbeit Das vorzuschlagende Rahmenwerk für das Vorgehen in diesem Bereich kann nicht allein von Gesundheitsexperten gestaltet werden. Vielmehr müssen Experten aus unterschiedlichen Bereichen in diesen Prozess mit einbezogen werden. Ein entscheidender Aspekt von Gesundheit ist „Wasser“. In einem Industrieland wie Japan haben 99% der Menschen Zugang zu sauberem Trinkwasser. In den Ländern Afrikas südlich der Sahara fällt diese Quote jedoch auf 56%. Und wenn man sich den Zugang zu angemessenen sanitären Einrichtungen einschließlich Toiletten ansieht, dann verfügen hierüber zwar 99% der Menschen in den Industrieländern, aber nur 37% der Menschen in den Ländern Afrikas südlich der Sahara. Die Entwicklung und Erhaltung der Humanressourcen ist für den Unterhalt der Gesundheitssysteme unabdingbar. Grundlegender Bildung und Gleichberechtigung der Geschlechter kommt ebenfalls entscheidende Bedeutung zu, da sie die eigentlichen Voraussetzungen dazu sind. Auch der Ausbau des Straßennetzes ist wichtig. Patienten müssen rasch transportiert werden, und auch Ärzte sowie Krankenschwestern müssen zusammen mit ihrer Ausrüstung schnell dort sein, wo sie gebraucht werden. Solange es keine ausreichenden Straßen- und Brückenverbindungen gibt, gelangen die medizinischen Dienstleistungen nicht zu den Menschen. Darüber hinaus müssen wir Kommunikationsnetze gestalten, die umgehend einsatzbereit sind. Und schließlich sind in den letzten Jahren mit der fortschreitenden globalen Erwärmung unterschiedliche Auswirkungen des Klimawandels zu beobachten, etwa die Ausbreitung malariaverseuchter Gebiete. Das vorzuschlagende Rahmenwerk für das Vorgehen in diesem Bereich kann nicht allein von der Regierung von Japan vorangetrieben werden. Es ist unerlässlich, dass weitere Akteure sich daran beteiligen. Die Entwicklungsländer einschließlich der Länder Afrikas müssen sich die Gesundheitsagenda zu eigen machen. Der „Hideyo-Noguchi-Afrikapreis“ unterstützt in diesem Zusammenhang verschiedene Anstrengungen in Afrika und wird erstmals im Rahmen der TICAD IV verliehen werden. Die führenden Industriestaaten einschließlich der G8 und die internationalen Organisationen müssen deutlich ihren politischen Willen unter Beweis stellen, dass sie die Anstrengungen der Entwicklungsländer als Partner unterstützen. In diesem Sinne begrüße ich die Gesundheitsinitiativen, die in diesem Jahr von Großbritannien, Norwegen, Deutschland und Kanada angekündigt wurden. Ich lade zudem weitere Länder, die als neue Geberländer auftreten, dazu ein, sich unserem 3/4 Engagement im Rahmen der sogenannten Süd-Süd-Zusammenarbeit anzuschließen. Ebenso wichtig ist es, Nichtregierungsorganisationen, die sich unmittelbar vor Ort engagieren, zu mobilisieren. Auch andere Akteure aus Wirtschaft und privaten Stiftungen sowie Personen mit entsprechendem Wissen sind eingeladen, sich zusammen mit ihren vielfältigen Kenntnissen und Ressourcen zu beteiligen. Die TICAD IV und der G8-Gipfel im kommenden Jahr bilden für die internationale Gemeinschaft eine ausgezeichnete Gelegenheit, ihre Zusammenarbeit zu verstärken und ein Rahmenwerk zu gestalten, das einem auf ihre Teilnahme ausgerichteten Ansatz verfolgt, der dem 21. Jh. angemessen ist. Japan als Vorsitzender der G8 und als Gastgeber der TICAD IV wird sich hierfür einsetzen. [...] Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. 4/4