S t rahlent elex mit ElektrosmogReport Fachinformationsdienst zur Bedeutung elektromagnetischer Felder für Umwelt und Gesundheit 20. Jahrgang / Nr. 1 Epidemiologie Hirntumore in Schweden durch Funktelefone Diese Fall-Kontroll-Studie untersuchte die Beziehung zwischen Nutzung von Funktelefonen (Handy und Schnurlostelefone) und dem Auftreten von Hirntumoren. Erhöhte Risiken ergeben sich vor allem für Nutzungszeiten von mehr als 20 Jahren. Damit werden frühere Ergebnisse und die Hypothese bestätigt, dass die Strahlung von Mobil- und Schnurlostelefone an Initiation und Wachstumsbeschleunigung von Tumoren beteiligt ist. Die nordischen Länder waren mit die ersten, in denen Funktelefone weite Verbreitung fanden. In den frühen 1980er Jahren kamen die ersten analogen 450 MHz- (bis 2007) und 900-MHz-Funktelefone (1986–2000) auf. Die digitalen bei 900 und 1800 MHz gibt es ab 1991 (2. Generation = 2G) und sie sind überwiegend bis jetzt in Gebrauch. Die 3. Generation (UMTS 1900/2100 MHz) wurde 2001 in Schweden eingeführt. Dazu kommen die 4G-Telefone (800 und 2600 MHz) und TETRA-Funk (380–400 MHz) in Schweden und anderen europäischen Ländern. Weltweit sind etwa 5,9 Mrd. Mobiltelefone im Einsatz, in Schweden gibt es mehr Mobil- als Festnetztelefone. DECT-Schnurlostelefone gibt es in Schweden seit 1988, zuerst 800–900 MHz, Anfang der 1990er Jahre kam 1900 MHz dazu. Die Telefone senden mit 1–2 W, Schnurlose mit 250 mW, nur wenige regulieren die Leistung je nach Entfernung von der Basisstation. Typisch sind 50–60 mW, regulierte arbeiten heute durchschnittlich mit 10 mW. Seit 2003 ist ein starker Anstieg der Nutzung zu verzeichnen. Hier wurden Personen von 18–75 Jahren untersucht, die die Diagnose Hirntumor zwischen 2007 und 2009 erhielten. Nur noch lebende Personen wurden einbezogen. Erfasst wurden bös- und gutartige Tumore, hier werden aber nur die Ergebnisse der bösartigen vorgestellt. Die Tumorarten wurden mit Gewebeuntersuchungen bestätigt. Die meisten der 814 gutartigen waren Meningeome (709), die separat veröffentlicht wurden. Die Kontrollen wurden passend zu den Fällen in Geschlecht und Alter in 5-Jahres-Abstufung ausgesucht. Die Teilnehmer bekamen Fragebögen zu Dauer der Nutzung, Begleitumständen gestellt und welches Ohr die Telefonierseite ist (Blindstudie für die Interviewer). Von insgesamt 1334 wurden 683 Fälle statistisch ausgewertet, 593 (87 %) beantworteten die Fragebögen (350 Männer und 243 Frauen). Von den Kontrollpersonen nahmen 1368 (85 %, 564 Männer und 804 Frauen) an der Beantwortung der Fragebögen teil. Das Durchschnittsalter betrug 52 Jahre bei den Fällen und 55 bei den Kontrollen. Meningeome waren bei 200 Männern und 509 Frauen diagnostiziert worden, das durchschnittliche Alter betrug 57 Jahre. Die meisten Fälle der bösartigen Tumore waren Gliome (Astrozytome, Januar 2014 Oligodendrogliome u. a.); Astrozytome hatten 415 Personen, das sind 76 % der Gliome. Das errechnen der Risikofaktoren ergab für analoge Telefone einen Wert von 1,8 bei Kurzzeitnutzung, der bei > 25 Jahren Nutzung auf 3,3 stieg. Für digitale 2G-Mobiltelefone ergab sich ein Gesamtwert von 1,6, bei Nutzung 1–5 Jahre 1,8 und bei 15–20 Jahren einen Anstieg auf 2,1. Bei 5–10 und 10–15 Jahren Nutzung waren die Risikofaktoren geringer. Die Risikofaktoren für digitale 3G-Handys betrugen 1,6 bei 5–10 Jahren (neue Technologie, deshalb keine Langzeitnutzung und wenige Fälle). 1 Fall und keine Kontrolle berichteten, ausschließlich ein 3G-Telefon zu benutzen. Bei den Schnurlostelefonen war der Faktor insgesamt 1,7 und bei Nutzung 15–20 Jahre 2,1. Nur 6 Fälle und 13 Kontrollen hatten das Schnurlostelefon > 20–25 Jahre benutzt, deshalb sind die Ergebnisse nicht sehr zuverlässig. Digitale Funktelefone zusammen (2G- und 3G-Handys und Schnurlostelefone) ergaben damit schon bei Nutzung 1–5 Jahre einen erhöhten Risikofaktor, der in den folgenden Jahren geringer, dann wieder höher war bei 15–20 Jahren. Für Tumore auf der Telefonierseite (ipsilateral) war bei analogen Telefonen der Faktor mit 2,3 höher als contralateral (1,4); bei 2G-Handys betrug er ipsilateral 1,7 und contralateral 1,4; Werte bei den Schnurlosen: ipsilateral 1,9 und contralateral 1,6. Die kumulativen Werte betrugen: für analoge Telefone 7,7 (geringe Anzahl), für digitale 2G-Handys 3,2, UMTS (3G) 5,1 (geringe Anzahl), Schnurlose 3,1. Schnurlose zusammen ergaben einen Risikofaktor von 2,5 bei 2376 Stunden. Pro 100 Stunden stiegen alle Risikofaktoren signifikant an außer UMTS (3G) mit Grenzsignifikanz. Alle drahtlosen Telefone zusammen berechnet ergeben einen erhöhten Risikofaktor von 1,7 mit einem Anstieg auf 2,6 in der kürzesten Latenzperiode (> 1–5 Jahre) und anschließender Verminderung in den mittleren Perioden, dann gab es wieder einen Anstieg mit dem höchsten Risikofaktor 3,0 bei Nutzung > 25 Jahre. Höhere Risiken wurden errechnet für bösartige Tumoren im Temporal- und angrenzenden Hirnlappen gegenüber dem Gesamtrisiko: Bei Handys > 25 Jahre 4,8 gegenüber 2,9 insgesamt, Schnurlostelefone 20–25 Jahre 3,3 im Temporallap- Weitere Themen Entwicklungsstörungen durch 900 MHz, S. 2 900-MHz-Strahlung führt zu verzögerter Entwicklung der Embryonen in Hühnereiern. Im wiederholten Anrufmodus sind die frühen Stadien der Entwicklung beeinträchtigt. Mobilfunk und Hirntumore, S. 3 Die Einstufung von Mobilfunkstrahlung der IARC als „möglicherweise Krebs erregend“ (2011) steht, wie es scheint, auf dem Prüfstand. Wichtige neue Ergebnisse epidemiologischer Studien, die keinesfalls Entwarnung anzeigen, werden jedoch nicht berücksichtigt. 2 pen gegenüber der Gesamtheit 1,5 (geringe Zahl). Bei drahtlosen insgesamt war der höchste Risikofaktor in der längster Nutzungsperiode: > 25 Jahre 5,1 für Tumoren im Temporallappen. Alle Nutzer analoger Telefone hatten auch andere Telefontypen benutzt. Wenn die Tumorpatienten nur einen Telefontyp benutzt hatten, ergaben sich Risikofaktoren von 1,7 bis 3,4 je nach Typ und Dauer der Nutzung. Die separate Berechnung der meisten bösartigen Tumore, der 546 Gliom-Fälle, ergab ähnliche Werte wie die für die gesamte Gruppe der bösartigen Tumore. Bei Mobilfunknutzung > 25 Jahre betrug der Risikofaktor 2,8. Für Schnurlostelefone war er ähnlich wie das Gesamtergebnis: > 15–20 Jahre 1,9. Kurz gesagt ergab die kumulative Berechnung das höchste Risiko nach der höchsten Nutzungszeit. Das weist auf eine Beteiligung der Strahlung an der Initiation und Promotion der Tumore hin. Eine Stärke dieser Arbeit ist, dass Patienten von 18–75 Jahre (Interphone nur 30–59 Jahre) einbezogen wurden. Gliome sind die häufigsten bösartigen Hirntumore, und von denen sind Astrozytome als Untergruppe am häufigsten. Am häufigsten treten sie von 45–75 Jahre auf mit 80 % über 50 Jahre. Deshalb konnte die Interphone-Studie das erhöhte Risiko bei Langzeitnutzung nicht angemessen erfassen. Wenn als Referenz Meningeome genommen werden, zeigen sich ähnliche Werte wie bei den Bevölkerungskontrollen. Weitere Stärken: Nur lebende Patienten wurden einbezogen, so kamen die Antworten aus erster Hand und nicht von Angehörigen oder Betreuern (z. B. an welcher Seite das Telefon gehalten wird). Es wurden nur Fälle mit histologischer Bestätigung ausgewählt, es gab hohe Rücklaufquoten von 87 bzw. 85 % (Interphone nur 64 bzw. 53 %). Eine Schwäche: Es gab keine Daten der Telefonanbieter über die Nutzung. Zu den biologischen Mechanismen: Freie Radikale schädigen die DNA und erzeugen Strangbrüche. Wasserstoffperoxid wird konvertiert in freie Hydroxyl-Radikale, die starke Zellgifte sind. Diese Reaktion wird durch Eisen katalysiert. Hohe Konzentrationen von Eisen findet man in stoffwechselaktiven Zellen wie Krebszellen und sich abnorm vermehrenden Zellen, aber auch in Nervenzellen. Gliazellen könnten durch DNA-Schädigung zu Krebszellen werden. Man weiß wenig über die Entstehung von Gliomen, aber sie brauchen Dekaden von der Entstehung bis zur klinischen Diagnose. Hochfrequente elektromagnetische Felder scheinen eine Wirkung auf spätere Phasen der Tumorentwicklung zu haben (Promotion) und deshalb ist es noch zu früh, um diese Wirkung in Krebsregistern zu sehen. Zusammengefasst besagt die Studie, dass frühere Ergebnisse bestätigt werden: Es gibt einen Zusammenhang zwischen der Nutzung drahtloser Telefone und bösartigen Hirntumoren. Die höchsten Risiken bestehen an der Seite, an der das Telefon gehalten wird und für Tumoren im Temporallappen. Das gilt für die Initiation des Tumors bei analogen Telefonen und Initiation und Promotion des Tumors durch digitale Funktelefone. Die Studie wurde durch die unabhängigen Institutionen Pandora-Stiftung München und der Schweizerischen Interessengemeinschaft Elektrosmog-Betroffener gefördert. Quelle: Hardell L, Carlberg M, Söderqvist F, Hansson Mild K (2013): Case-control study of the association between malignant brain tumours diagnosed between 2007 and 2009 and mobile and cordless phone use. International Journal of Oncology 43, 1833–1845 Elektrosmog-Report 20 (1) – Januar 2014 Mobilfunkforschung Verzögerte Entwicklung bestrahlter Hühnereier Je nachdem, welcher Modus eines 900-MHzMobiltelefons eingeschaltet ist, verläuft die Embryonalentwicklung in Hühnereiern unterschiedlich. Eine signifikante Entwicklungsverzögerung wurde im AnrufModus bei wiederholten Anrufen beobachtet. Die Embryonalentwicklung kann durch Umweltfaktoren, Stoffwechsel oder genetische Faktoren gestört werden, möglicherweise auch elektromagnetische Felder, wobei verschiedene molekulare Prozesse beteiligt sind. Die Entwicklungsphasen des Nervensystems sind bei menschlichen Embryonen ähnlich wie bei Hühnerembryonen, deshalb kann man an ihnen die Wirkung von Mobilfunkstrahlung auf das Neuralrohr (ein in der frühen Entwicklung von Embryonen sich bildendes Gewebe, das später das Nervensystem ausbildet) untersuchen und Schlüsse für den Menschen ziehen. Eine wichtige Phase in der frühen Entwicklung ist die Bildung der 3 Keimzellschichten Ektoderm, Mesoderm und Endoderm und des Notochords (Chorda dorsalis). Dann beginnt die Differenzierung der Zellen, die danach zu Geweben und Organen heranwachsen. Das Nervensystem (ZNS), als erstes angelegt und als letztes fertig, entsteht aus dem Ektoderm. Bei den Entwicklungsprozessen spielt Apoptose (programmierter Zelltod) eine wichtige Rolle, es ist ein genetisch festgelegtes Programm zum sicheren Entfernen von nicht mehr benötigten, alten, geschädigten und irregulär entstandenen oder genetisch veränderten Zellen. Die Ursachen für die Zellschädigung, durch die häufig eine Apoptosereaktion ausgelöst wird, kann auch von außen kommen, z. B. durch Strahlung, Entzündungsreaktionen (Zytokine), Stress, Stoffwechsel, oxidativen und mechanischen Stress. Es gibt viele Studien, die auch Mobilfunkstrahlung als auslösenden Faktor für Zellschäden gefunden haben, bis hin zur Schädigung der DNA. Nicht nur während der Embryonalentwicklung, sondern während der gesamten Entwicklung vielzelliger Organismen spielt Apoptose eine fundamentale Rolle in normalem, homöostatischem Gewebe. Ein Defekt im Apoptoseprozess führt zu schadhaften Prozessen. Charakteristisch für die Apoptose sind u. a. Chromatinkondensation, DNA-Fragmentierung in den Nukleosomen und Aktivierung der Caspasen. Letztere sind Enzyme, die außer bei der Entwicklung auch in Aktion treten, wenn Zellschäden vorliegen oder Virusinfektionen stattfinden. Die Caspasen 8 und 9 initiieren die Apoptose, Caspase-3 ist ein Effektor, der u. a. dafür sorgt, dass DNA gespalten und abgebaut wird. Deshalb wurde an Hühnereiern mithilfe der Apoptose untersucht, wie sich Mobilfunkstrahlung auf diese Prozesse auswirkt. Es gab 4 Gruppen mit je 50 befruchteten Hühnereiern: unbestrahlte Kontrolle (1), Einwirkung von Mobiltelefonstrahlung im Stand-by- (2), im Anruf- (3) und Gesprächs-Modus (4). Im Anruf-Modus klingelte das Telefon alle 30 Minuten für 10 Sekunden, die „Gespräche“ fanden alle 60 Minuten statt und dauerten 10 Minuten. Die Bestrahlung erfolgte mit einem 900-MHz-Handy (pers. Mitteilung, die Frequenz ist in der Arbeit nicht angegeben) mit 0,77 W/kg SAR. Von jeder Gruppe wurden nach 30, 48 und 72 Stunden Proben entnommen, die mikroskopisch und über die Aktivität von Caspasen auf die Apoptoserate untersucht und mit verschiedenen Methoden bestätigt wurden (Blindproben). Nach 30 Stunden war bei allen Embryonen das Neuralrohr noch offen und im oberen Bereich waren apoptotische Zell-