Paternalisierung – Depaternalisierung: Töchter als Seismographen

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Paternalisierung – Depaternalisierung: Töchter als Seismographen in der Literatur
Das Ergebnis des väterlichen Wunsches
nach einem Sohn ist … eine Tochter.
Von diesem Augenblick an datiert das multidisziplinäre Modell der Auseinandersetzung von
Töchtern mit ihren Vätern sowie deren Bedeutung als grundlegendes Wahrnehmungsmuster
innerhalb
literarhistorischer
Dimension.
Töchter
und
Väter
als
schicksalhafte
Familienbindung wie hochgradig anfällige Struktur eröffnen einen privilegierten Zugang zu
anthropologischen Konfliktkategorien und begründen in ihrer heterogen-asynchronen
Zusammengehörigkeit eine exklusive Beziehungskonstellation jenseits des Duovirats SohnVater. Der Fokus der angestrebten Untersuchung liegt daher insbesondere auf literarischen
Vatertöchtern, die vor einem signifikanten „Vaterhintergrund“ agieren und sich einem
diametralen Wechselverhältnis aussetzen, das mit der eigens für dieses Phänomen
konstruierten Begriffspaarung der Paternalisierung und Depaternalisierung umrissen wird.
Paternalisierung steht dabei für eine Tochtersozialisation im Rahmen patrozentrischer
Ordnungsgefüge, die als maßgebende Instanzen für das Tochterleben verstanden werden.
Unter den Vorzeichen seiner eigenen Negation entwickelt sich aus dem Umstand der
Paternalisierung ein gegenläufiges Prinzip, das als Depaternalisierung benannt wird und in
dessen Moment der Zäsur die Tochter die väterlich-restriktive Prägung zugunsten der
Validierung
eigener
Identitätsansprüche
verlässt.
In
der
Zusammenschau
bzw.
Gegenüberstellung beider Bewegungsrichtungen zeigt sich, dass diese Phänomenologie per
se kein eindimensionales Konstrukt repräsentiert, da beide Pole alternieren und sich in ihrer
Dynamik
wechselseitig
bedingen.
Das
Tochterselbst konstituiert
sich
aus
beiden
Stoßrichtungen heraus, indem Töchter gleichermaßen paternalisieren wie depaternalisieren.
Literatur als (Re-)Produktionsort jener ambivalenten töchterlich-väterlichen Existenzformen
erscheint in ihrer polyvalenten Qualität als seismografisches Medium, das Tochterfiguren
zeigt, die wiederum ihrerseits seismische „Vaterwellen“ indizieren: Väter werden zu
Ereignissen, die den „Ausschlag geben“!
Diese Vielgestaltigkeit der Vaterereignisse entspricht mannigfaltigen Texten, die den Prozess
der (De-)paternalisierung – die kontrahierte Schreibweise trägt der immanenten Struktur der
Alternation Rechnung – jenseits von Gattungs- und Epochengrenzen variantenreich
durchspielen. Es erfolgt ein systematischer Zugriff auf Texte, die verschiedene Möglichkeiten
des (De-)paternalisierungsdiskurses kennzeichnen und sich unter konzeptionell aufgeladene
Blöcke subsumieren. Die Analyse spannt eine Skala mit zwei Enden auf, die ausgehend vom
bürgerlichen Trauerspiel bis zum Roman der Gegenwart einen Spannungsbogen realisiert,
der die persistente Tendenzrichtung von Paternalisierung und Depaternalisierung als
Problemgegenstand literarischer Gestaltung manifestiert.
Nina Benkert
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