POLITISCHER BERICHT AUS GRIECHENLAND Polixeni Kapellou Leiterin der Verbindungsstelle Athen Nr. 8 / 2014 – 29. April 2014 IMPRESSUM Herausgeber Copyright 2014, Hanns-Seidel-Stiftung e.V., München Lazarettstraße 33, 80636 München, Tel.: +49 (0)89 1258-0, E-Mail: [email protected], Online: www.hss.de Vorsitzender Prof. Dr. h.c. mult. Hans Zehetmair Staatsminister a.D., Senator E.h. Hauptgeschäftsführer Dr. Peter Witterauf Verantwortlich Ludwig Mailinger Leiter des Büros für Verbindungsstellen Washington, Brüssel, Moskau / Internationale Konferenzen Hanns-Seidel-Stiftung e.V. Tel.: +49 (0)89 1258-202 oder -204 Fax: +49 (0)89 1258-368 E-Mail: [email protected] Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung, Verbreitung sowie Übersetzung, vorbehalten. 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Dieser Arbeitsbesuch wurde von der griechischen Öffentlichkeit im Vorfeld der Kommunal- und Europawahlen als demonstrative Unterstützung des Reformkurses von Ministerpräsident Antonis Samaras gewertet. Bundeskanzlerin Angela Merkel äußerte sich vor der Presse sehr lobend über die Spar- und Konsolidierungsbemühungen der griechischen Regierung und gratulierte Athen zum erfolgreichen Staatsanleihen-Verkauf. Sie betonte ferner, dass Griechenland bereits viel erreicht habe und das griechische Volk schwierige Zeiten habe bewältigen müssen. Die deutsche Bundeskanzlerin traf in Athen auch mit zahlreichen Vertretern der Wirtschaft und insbesondere mit jungen griechischen Unternehmern zusammen. Ferner wurde die Gründung eines griechischen Investitionsfonds vereinbart, an dem sich die deutsche Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) mit 100 Mio. Euro beteiligen wird. Aus diesem Fonds sollen kleinere und mittlere Unternehmen günstige Kredite für Investitionen erhalten. Rückkehr auf den Kapitalmarkt Einen Tag zuvor war es der griechischen Regierung erstmals wieder gelungen, auf dem internationalen Kapitalmarkt erfolgreich eine fünfjährige Staatsanleihe in Höhe von drei Milliarden Euro (Zinssatz 4,95 Prozent) zu platzieren. Die Anleihe ging rasend weg und wurde mehrfach überzeichnet, was als Indikator dafür zu werten ist, dass die internationalen Kapitalmärkte wieder Vertrauen zu Griechenland fassen. Die griechische Regierung zeigte sich über diese Entwicklung hoch erfreut, ist sie doch eine Voraussetzung dafür, dass Griechenland sich zumindest mittel- und langfristig wieder aus eigener Kraft finanzieren kann. Ministerpräsident Samaras wertete dies als ein deutliches Signal, „dass das Vertrauen in die griechische Wirtschaft wächst und es mit dem Land bald wieder aufwärts gehen könnte.“ Der Vorsitzende der größten griechischen Oppositionspartei SYRIZA, Alexis Tsipras, sprach hingegen von einer „politischen Täuschung“, während der Fraktionssprecher des Linksbündnisses, Panagiotis Lafazanis, der Regierung Samaras vorwarf, die Rückkehr an die internationalen Kapitalmärkte für ihre Wahlkampagne zu instrumentalisieren. Kommunal-und Europawahlen Um bei den Kommunal- und Europawahlen 2014 erfolgreich abzuschneiden ist die fragile griechische Regierungskoalition dringend auf wirtschaftliche Erfolge angewiesen. So kam die am 23. April von der europäischen Statistikbehörde EUROSTAT veröffentlichte offizielle Feststellung gerade recht, dass Griechenland im vergangenen Jahr einen primären Haushaltsüberschuss in Höhe von 3,4 Milliarden Euro erwirtschaftet habe. Auch in Griechenland hat der Wahlkampf für die Europawahlen am 25. Mai bereits begonnen. Die regierende konservative Nea Dimokratia (ND) setzt hierbei auf Erneuerung und politische Öffnung, die sich dadurch zeigt, dass auf ihrer Kandidatenliste auch Journalisten, Musiker, Sportler und Gewerkschafter sowie ehemalige Mitglieder der rechtskonservativen Partei LAOS vertreten sind. Was sich in der politischen Landschaft Griechenlands in den vergangenen Jahren abspielte, kann reichlich Lehrstoff für Soziologen, Politologen und Publizisten liefern. Die seit 2008 andauernde, größte griechische Wirtschaftskrise seit dem Zweiten Weltkrieg rief ein politisches Erdbeben hervor, wie es in kaum einem anderen europäischen Land zu verzeichnen war. Innerhalb von nur wenigen Jahren fielen Volksparteien, wie z.B. die sozialistische PASOK, wie Kartenhäuser zusammen, während Kleinparteien wie das radikale Linksbündnis SYRIZA zu potentiellen Regierungsparteien aufwuchsen. Seit dem Ausbruch der Krise wurden in Griechenland nicht nur mehr als 30 neue Parteien gegründet, sondern es kam auch zu einem bedenklichen Anwachsen von politisch extremistischen, vor allem rechtsextremen Strömungen. Jüngstes Beispiel dafür, dass sich die politische Landschaft nach wie vor im Fluss befindet, ist die neueste Parteigründung „ To Potami „ (zu deutsch „Der Fluss“). Diese linksradikale Partei, gegründet vom Fernsehmoderator Stavros Theodorakis konnte in kurzer Zeit bereits einen erstaunlichen Einfluss auf die Wähler gewinnen und erscheint bei Umfragen nunmehr als drittstärkste politische Kraft. Die Verdrossenheit der Bürger gegenüber den etablierten Parteien ist so groß, dass bei den Kommunalwahlen parteifreie Kandidaten wie z.B. der Bürgermeister von Athen, Jorgos Kaminis, und der Bürgermeister von Thessaloniki, Jannis Boutaris, die besseren Wahlchancen haben. Diese beiden Bürgermeister haben nach den vorliegenden Wahlumfragen bei den Kommunalwahlen am 18. Mai bereits einen großen, vielleicht sogar einen uneinholbaren Vorsprung gegenüber ihren Rivalen erreicht. Das Kopf-an-Kopf Rennen zwischen Nea Dimokratia und SYRIZA hält in den Umfragen weiter an. Das Zünglein an der Waage könnten die unentschlossenen Wähler sein, deren Anteil laut einer jüngsten Meinungsumfrage 15% beträgt. Ministerpräsident Antonis Samaras wird in den kommenden Tagen seine Wahlkampagne beginnen und in möglichst vielen Regionen Griechenlands Wahlkampfkundgebungen abhalten. Unterstützt wird er dabei auch vom EVP-Spitzenkandidaten für das Amt des Kommissionspräsidenten, Jean Claude Juncker, der auch in Griechenland aktiv in den Wahlkampf eingreifen wird. ***