Anhang C Magnetismus als atomares Phänomen Die nachfolgenden Ausführungen entstammen mit geringfügigen Veränderungen dem folgenden Buch: Tipler, Paul A.: Physik (1994), Spektrum Akademischer Verlag (Heidelberg). Noch lange bevor man jegliches Verständnis für die atomare bzw. molekulare Struktur der Materie entwickelt hatte, führte Ampère die Magnetisierung auf mikroskopische Kreisströme innerhalb des magnetisierten Materials zurück. Vereinfacht gesagt, werden diese Kreisströme durch die Elektronen auf ihrer “Bahn” um die Atomkerne verursacht; hier ist es ausreichend, wenn wir annehmen, dass dieser Bewegung geladener Teilchen geschlossene Kreisbahnen entsprechen.1 Jedes Atom wird so selber zu einem kleinen sogenannten Elementarmagneten, welcher sich in externen Magnetfeldern ausrichten kann. In Abb. C.1 sehen wir einen magnetisierten Zylinder mit atomaren Kreisströmen, deren innere Magnetfeldrichtungen parallel zur Zylinderachse stehen (und im Bild rechts ins Blatt hinein zeigen). Setzen wir eine homogene Struktur des Zylinders voraus, dann ist der Strom im Innern des Körpers überall null, da die Kreisströme sich gegenseitig aufheben. Nur auf der Oberfläche fliesst ein Strom, der rings um den Zylinder läuft. Dieser Strom wird Ampère’scher Strom genannt und entspricht dem Strom in den Wicklungen einer zylinderförmigen Spule. Abbildung C.1: Im Innern eines magnetisierten Zylinders heben sich die atomaren Kreisströme gegenseitig auf, nur an der Zylinderoberfläche existiert der Ampère’sche Strom, welcher wie bei einer Spule das Magnetfeld des Gegenstandes erzeugt. 1 Diese Erklärung ist aus heutiger Sicht nicht ganz richtig. Auf die korrektere quantenmechanische Formulierung können wir hier aber nicht eingehen. Wir begnügen uns mit den zwar überholten, aber irgendwie anschaulichen kreisförmigen Elektronenbahnen des Bohr’schen Atommodells. Ferromagnetismus Die makroskopisch stärkste Art von Magnetismus ist der sogenannte Ferromagnetismus. Die im Kapitel 6 beschriebenen Phänomene gehören allesamt hierzu. Daneben gibt es schwächere Formen von Magnetismus, z.B. Paramagnetismus und Diamagnetismus, welche sich allesamt ebenfalls atomar erklären lassen. Ich habe mich im Skript aber bewusst auf den Ferromagnetismus beschränkt, da dieser im Alltag die einzige relevante Form von Magnetismus darstellt. Ferromagnetische Materialien reagieren sehr stark auf externe Magnetfelder, indem sie sich ihnen anzupassen versuchen und damit zu einer Verstärkung des vorhandenen Feldes beitragen.2 Schon mit schwachen Magnetfeldern lässt sich ein hoher Grad an Ausrichtung der Elementarmagnete erreichen, und in einigen Fällen bleibt die Orientierung nach Abschalten des äusseren Feldes sogar erhalten. Da die Wechselwirkung benachbarter Elementarmagnete sehr stark ist, richten sich diese in kleinen Raumbereichen untereinander aus, auch ohne äusseres Feld. Diese Raumbereiche werden magnetische Domänen, Weiss’sche Bezirke oder Weiss’sche Bereiche genannt. Sie sind von mikroskopischer Grössenordnung (vgl. Abb. C.2). Innerhalb dieser Weiss’schen Bezirke sind alle Elementarmagnete ausgerichtet. Da sich die Richtung der Orientierung allerdings von Bezirk zu Bezirk unterscheidet, ist die Probe makroskopisch nicht magnetisch. Die sogenannte Austauschwechselwirkung, die diese Art der Orientierung erzeugt, wird durch die Quantentheorie vorhergesagt, kann aber nicht durch die klassische Physik erklärt werden. Oberhalb einer kritischen Temperatur, Curie-Temperatur genannt, wird die thermische Bewegung so stark, dass die Orientierung der Elementarmagnete verschwindet. Das Material ist dann nicht mehr ferromagnetisch. Wenn wir den ferromagnetischen Stoff in ein äusseres Magnetfeld bringen, verändern sich einerseits die Grenzen zwischen den Weiss’schen Bezirken, andererseits wird ihre Orientierungsrichtung geändert, sie werden “umgeklappt”. Man kann dieses Umklappen als sogenanntes Barkhausen-Rauschen sogar mit einem einfachen Mikrophon hörbar machen. Nach dem Umklappen liegt eine grosse, messbare Magnetisierung in Feldrichtung vor. Abbildung C.2: Links eine schematische Darstellung von Weiss’schen Bezirken. Innerhalb der Bezirke sind die Elementarmagnete ausgerichtet. Die Richtung ändert sich von Bezirk zu Bezirk, sodass das Material makroskopisch nicht magnetisch erscheint. Rechts zu sehen sind die Weiss’schen Bezirke auf der Oberfläche eines Fe-3%SiKristalls. Das Bild wurde mit einem Raster-Elektronen-Mikroskop bei gleichzeitiger Polarisationsanalyse vorgenommen. Die Graustufen entsprechen möglichen Orientierungen der Weiss’schen Bezirke. 2 In dieser Formulierung steckt auch die Aussage, dass magnetisierbare Gegenstände durch Permanentmagnete stets so magnetisiert werden, dass eine anziehende Kraftwirkung entsteht.