Markenführung durch einen sich stets neu erfindenden Markt

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» Luxusmarkenentwicklung – Markenführung
durch einen sich stets neu erfindenden Markt «
Der Luxusmarkt ist im Aufwind. Aber gerade dort finden sich auch viele Turbulenzen, Luftlöcher und
andere Unwägbarkeiten. Über die Herausforderungen bei der weltweiten Entwicklung einer Luxusmarke
sprechen Inga Hofmann, Marketingleiterin bei Louis Vuitton in Deutschland, und Sebastian Huber, Leiter des weltweit größten Concept Store von Montblanc in Beijing.
MRSG: Wir blicken auf ein turbulentes Jahr 2011 zurück und stellen fest: Während USA und Europa von der Krise geschüttelt wurden, wuchs der Luxusmarkt erneut um rund 10 %. Wie passt das
zusammen? Was steckt dahinter?
Hofmann: Dies ist meiner Meinung nach auf zwei Entwicklungen
zurückzuführen:
In Zeiten der Krise, der Unruhe und der Unsicherheit kommt es
immer wieder auch zu einer Neubesinnung. Sind wir nicht alle
wieder auf der Suche nach den wahren Werten, nach Halt, nach
Sicherheit und Beständigkeit? Während dies ganz verschiedene
Trends hervorruft, bekommen die „echten“ Luxusmarken einen
Aufschwung. Sie bieten neben Qualität, savoir-faire und Wertsteigerung auch eine gewisse Zugehörigkeit und Sicherheit. Das ist
vielleicht eine sehr „idealistische“ Ansicht – aber für Europa und
USA bestimmt eine zutreffende.
Die Ansicht gegenüber dem Luxus – l‘attitude – hat sich gewandelt. Der Kunde hat ein intensives Wissen über die Produkte und
hohe Erwartungen an eine Luxusmarke. Die Qualität, die Materialien, die Verarbeitung, die Funktion bis hin zur Kommunikation
und zum sozialen Engagement lassen den Kauf leichter begründen. Somit kommen neben einem gewissen show-off – oft bei
neueren Luxuskunden – bei erfahrenen Luxuskunden auch ein
Verständnis und die Erkenntnis für funktionalen Luxus hinzu.
Dies lässt echte Luxusmarken auch in Zeiten der Krise entsprechend wachsen.
Huber: Wenn die Aussichten unsicher sind, werden Kaufentscheidungen bewusster getroffen. Luxusmarken können dabei ihre Stärken
der Langlebigkeit und Qualität ihrer Produkte gut zur Geltung bringen. Zudem findet sich insbesondere in den USA und in Europa eine
etablierte Käuferschicht, die ziemlich unabhängig von wirtschaftlichen Entwicklungen über Einkommen und Vermögen verfügen
kann. Dieses luxusaffine Segment wächst zwar nicht in gleichem
Maß wie in neueren Märkten, beispielsweise in Asien. Es bietet aber
eine solide Wachstumsbasis – auch in Zeiten der Krise. Die von Frau
Hofmann angesprochene Rückbesinnung auf die wahren Werte
beobachte ich auch als Gegentrend zur zunehmenden Kommoditisierung von Konsumgütern: Ihre unmittelbare Verfügbarkeit, die
ständige Suche nach dem günstigsten Preis und ihre Kurzlebigkeit
lassen den Unterschied zu Luxusprodukten besonders deutlich hervortreten und beeinflussen die Kaufentscheidungen in Krisenzeiten.
China war vor 20 Jahren noch nicht auf der Luxusweltkarte zu finden, in zehn Jahren führt es diese voraussichtlich an. Was bedeutet das für europäische Marken?
Huber: Die Dynamik des chinesischen Marktes – nicht nur für
Luxusgüter – ist in der Tat beeindruckend. Neueste Prognosen
Inga Hofmann
ist Marketingleiterin von Louis Vuitton in Deutschland. Zuvor sammelte sie als Marketingleiterin der
Porsche Design Group und als Head of Communication bei Louis Féraud umfassende Erfahrung im Marketing von Luxusartikeln. In den Jahren 2010 und
2011 wurden durch Inga Hofmann geleitete Marketingprojekte mit Auszeichnungen des DDC und dem
World Luxury Award prämiert. Vor ihrer beruflichen
Karriere hat sie an der International Business School
and Florida Atlantic University studiert. Neben ihrer
Begeisterung für Luxusartikel und -marken interessiert sich Inga Hofmann für Architektur, Design und
Fotografie.
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Marketing Review St. Gallen
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gehen sogar davon aus, dass China bereits dieses Jahr zur Nummer
Eins im Luxussegment aufsteigen wird. Für europäische Marken
ist diese Entwicklung an erster Stelle eine große Chance, eine im
Schnitt deutlich jüngere und dem Luxus sehr zugewandte Klientel
für sich zu gewinnen. Während sich zu Beginn des Booms nur
wenige Marken auf die größten Städte (Beijing, Shanghai, Guangzhou) fokussierten, gestaltet sich der Markt inzwischen wesentlich
komplexer. Um die Chance des chinesischen Marktes auch nutzen
zu können, sind lokale Investitionen in Distribution, Marketing,
Ausbildung und eine dedizierte China-Strategie unerlässlich.
Hofmann: Ich sehe ebenfalls für europäische Luxusmarken den chinesischen Markt immer noch als eine große Herausforderung. Während heute schon Flagship Stores als fantastische architektonische
Meisterwerke auf extrem großen Flächen die europäischen Luxusmarken noch besser und größer wirken lassen als im Ursprungsland,
gibt es doch im Service und auch in der Umsetzung der Marketingstrategien bei vielen Marken noch einiges nachzuholen. Einige
erfolgreiche Luxusmarken haben dies allerdings schon hervorragend
gemeistert, indem sie auf Know-how vor Ort zugreifen und dieses
auch lokal weiterbilden. Denn darin liegt die Stärke einer wahren
Luxusmarke: kein einfaches Kopieren von Konzepten, sondern eine
wahre Kenntnis des Marktes vor Ort zu erlangen, um somit auf die
Wünsche und Erwartungen der lokalen Kunden eingehen zu können.
Können junge Luxusmarken (auch aus China) den etablierten
Marken ernsthafte Konkurrenz machen?
Huber: Der chinesische Luxuskonsument ist im Durchschnitt deutlich jünger als sein europäischer Counterpart und hat einen ungezwungeneren Zugang zu europäischen Marken und zum Luxus im
Allgemeinen. Oft sind nur wenige Kenntnisse zur Herkunft und den
Alleinstellungsmerkmalen einer Marke bekannt, wodurch sich chinesische Konsumenten mehr durch kurzfristige Trends leiten lassen.
Gerade für jüngere oder ausgefallenere Marken ist dies erstmals eine
Chance für einen Einstieg in China. Jedoch entwickelt sich in den
drei bis vier größten Städten inzwischen eine Käuferschicht, die –
ähnlich der europäischen Klientel – sehr gut über die verschiedenen
Marken informiert ist und sich nicht länger nur von Trends leiten
lässt. Eine junge Marke muss also schnell beweisen können, dass sie
in Sachen Qualität, Handwerkskunst und Herkunft einer authentischen Luxusmarke entspricht und ihre Preispunkte rechtfertigen
kann. Um die attraktiven Märkte anderer Regionen Chinas zu
erschließen, fehlen jungen Marken oft die nötigen Strukturen und
Investitionsmöglichkeiten, um die Größe und Komplexität des chinesischen Marktes in Distribution und Marketing zu bewältigen.
Aus Sicht einer gut etablierten Marke erhöht sich der Wettbewerb
durch neue und jüngere Marken, wenngleich aktuell der Wettbewerb vor allem unter den großen Marken zu spüren ist.
Ob demnächst auch chinesische Marken ins Luxussegment einsteigen werden, ist nochmals eine ganz andere Frage. Wenngleich erste
Versuche (bspw. die von Hermès initiierte Luxusmarke ShangXia)
erkennbar sind, würde ich persönlich vermuten, dass uns eine Entwicklung ähnlich wie in Japan bevorsteht: Aktuell fehlt in der Kundenwahrnehmung noch jegliche Assoziation chinesischer Herstellung mit Luxus in den typischen Kategorien, wie beispielsweise Uhren,
Autos oder Hotels. Erst wenn die chinesische Klientel selbst an
Luxusprodukte aus China glaubt, werden auch chinesische Unternehmen in diesem Segment lokal und international eine Chance haben.
Hofmann: Da bin ich ganz Ihrer Meinung. Solange die Chinesen
nicht selbst an Ihre Handwerkskunst und Produktionsqualität im
Land glauben, wird dies ein langer Weg sein, eine Luxusmarke im
lokalen Markt aufzubauen. Die Entwicklung von ShangXia ist dennoch ein wichtiger Schritt und unter der Obhut von Hermès wird
diese bestimmt auch erfolgreich wachsen. Fraglich ist, ob sich auch
andere europäische Luxusmarken an die Förderung chinesischer
Luxusproduktionen trauen – oder wird es irgendwann nicht mehr
unumgänglich sein? Dies ist mit Vorsicht zu beobachten, denn die
Größe des Marktes und die schnelle Lernbereitschaft wie auch die
vorhandene Manpower sollten auf keinen Fall unterschätzt werden.
Was müsste eine neue Marke mitbringen, um sich auf dem Luxusmarkt zu etablieren, ohne als ein vorübergehendes „One-HitWonder“ zu enden?
Sebastian Huber
leitet zur Zeit den größten Flagship und Concept Store
der Luxusmarke Montblanc in Beijing, China. Zuvor hat
er weltweit Managementprojekte als Referent im
Auftrag des Vorstands von Montblanc implementiert.
Frühere Stationen seiner Karriere umfassten Business
Development, Marketing- und Vertriebsverantwortung
bei Alibaba.com sowie regionale Marketingverantwortung für Zentral- und Osteuropa für die IT-Dienstleistungsgesellschaft InterSystems. Hubers akademische
Ausbildung umfasst einen MBA der Universität Hamburg/Fudan University Shanghai, China sowie einen
Abschluss in International Business Management der
Fachhochschule Basel/L’Université de Haute-Alsace.
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Hofmann: Eine echte Luxusmarke braucht, neben exzellenten Produkten mit hoher Qualität und savoir-faire, meiner Meinung nach
heutzutage eine Berechtigung, einen echten Markenkern und eine
Historie, die sie von anderen unterscheidet. Es muss ein gewisser
Mythos geschaffen werden, der durch savoir-faire und Echtheit richtig kommuniziert werden muss. Eine „neue“ Marke ohne Historie
kann es hierbei schwer haben, zu bestehen. Auch wenn Innovation
manchmal hilft, fehlt doch oft ein echter Markenkern, der sich aus
der Historie aufgebaut hat. Die Chance liegt in der Individualität, der
Einzigartigkeit und der ständigen Weiterentwicklung der Produkte
und Produktgruppen. Auch eine historisch gewachsene Luxusmarke
kann oft in der Gegenwart schnell verstaubt wirken. Daher bleibt es
für beide – ob neu oder mit langer Geschichte – immer wieder eine
große Herausforderung, im Marketing sowie in der Produktentwicklung im Luxusbereich langfristig zu bestehen.
Huber: Absolut. Die Verbindung von Tradition und Innovation,
das fortwährende Streben nach neuen Grenzen der Handwerkskunst und Kreativität muss einhergehen mit der steten Rückbesinnung auf die Herkunft und die Ursprünge einer Luxusmarke. Das
in der Handwerkskunst verankerte, oft über Jahrzehnte vom Meister auf den Lehrling weitergereichte Wissen ist nur schwer in kurzer Zeit zu erschaffen. Weitreichende Bekanntheit genügt für
Luxus schon lange nicht mehr. Es gilt, dem Kunden die individuellen Werte der Marke ständig durch Produkte, Kommunikation
und das Verkaufserlebnis nahe zu bringen.
Ist das Wachstum in China ein Feigenblatt für die eher schwache
Entwicklung des Luxusmarkts in Europa und den USA?
Huber: Die letzten Jahre waren sicher von sehr unterschiedlichen
regionalen Entwicklungen gekennzeichnet, die zu einer deutlichen
Verschiebung in Richtung China und Asien im Allgemeinen geführt
haben. Inzwischen haben sich aber auch die Märkte in Europa und
USA wieder erholt und zeigen generell gute Wachstumsraten. Die
im Vergleich zu USA und Europa relativ „sanfte“ Krise in China hat
tatsächlich viele Marken von drastischen Maßnahmen in den Jahren 2008 bis 2010 verschont. Die etablierten Heimmärkte in Europa
und USA werden für Luxusmarken jedoch weiterhin ein wichtiger
Pfeiler bleiben, während Asien und insbesondere China mit stärkerem Wachstum weiter an Bedeutung gewinnen werden.
Hofmann: Ich denke, hier muss man zwei wichtige Entwicklungen
beobachten: zum einen die Entwicklung in China, mit einem ständig wachsenden lokalen Luxusmarkt und weiterhin wachsendem
Potenzial. Zum zweiten die stark wachsende Anzahl an Chinesen,
die in den wichtigsten Luxusstädten außerhalb Chinas weiterhin verstärkt reisen und konsumieren werden. Schon heute wird geschätzt,
dass ein Chinese im Durchschnitt das Siebenfache eines Europäers
oder Amerikaners konsumiert. Und dann führen noch die extrem
hohen Preisunterschiede von 35 bis 40 % auf Luxus- und Premiumprodukte im eigenen Land dazu, dass sie häufig auf Reisen – dann
auch im hochpreisigen Segment – konsumieren. Daher wird heute
geschätzt, dass Chinesen 20 % der globalen Luxusverkäufe ausmachen. Und diese Zahl wächst. Damit kann man schon von einer extrem wichtigen Säule des Luxusmarkts sprechen, besonders wenn es
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auch um travel retail und duty free geht. Chinesen bilden somit einen
der wichtigsten Anteile im Wachstum des Luxusmarkts.
Heute sind Luxusmarken global verfügbar und in vielen Produktkategorien und nahezu jeder Preisklasse erreichbar. Tauschen
Luxusmarken im Wachstum betriebswirtschaftliche Relevanz
gegen Exklusivität?
Hofmann: Luxus muss heutzutage nicht mehr nur exklusiv sein, er
besteht nicht nur aus raren und einzigartigen Produkten. Luxus ist
für mich auch nicht in Preisklassen erklärbar. Was viele als Demokratisierung des Luxus empfinden, sehe ich eher als Einstieg in eine
Luxuswelt, der heutzutage vielen ermöglicht wird. Wichtig ist, dass
die Qualität und die Berechtigung bei allen Produkten stimmen. So
kann ein Parfum einen berechtigten Einstieg in eine Luxuswelt und
eine Markenzugehörigkeit bieten, auch wenn die exklusivsten Produkte der gleichen Marke für viele unerreichbar bleiben. Eine Luxusmarke, die heute nicht wächst und sich neuem öffnet, kann sich auch
nicht weiterentwickeln und damit langfristig nicht überleben.
Huber: Die Definition von Luxus ist eine sehr persönliche. Entsprechend unterschiedlich sind die Wünsche der heutigen Luxusklientel. Während sich der eine Kunde mit einer exklusiven Uhr
belohnt, ist für einen anderen der zweiwöchige Treck durch den
Himalaya der pure Luxus. Ich stimme Ihnen zu, dass Luxus nicht
über den Preis erklärbar ist und das Eintauchen in eine ganz andere
Welt als Teil des Luxusverkaufserlebnisses genauso dazugehört. So
lassen sich heute unter dem Dach einer Marke ganz unterschiedliche Segmente ansprechen, die durch das individuelle Luxuserlebnis des Kunden mit dieser Marke in Einklang stehen.
Man kann Luxusqualität in großen Mengen sicherstellen, Luxusmarken weltbekannt machen – hier unterscheiden sich Luxusmarken kaum mehr von Massenmarken. Aber die häufig vom
Ursprungsland gekennzeichnete In-Store-Luxus-Experience
kann man nicht einfach replizieren und damit zum Beispiel eine
europäische Experience nach China transferieren. Wie begegnen
Luxusmarken diesen Wachstumsproblemen?
Huber: Es gilt, die richtige Balance zwischen einer globalen Marke
und einer lokalen Kundenbeziehung zu finden. Es ist durchaus
wichtig, den Ursprung und die Herkunft einer Marke an jedem
Verkaufspunkt erlebbar zu machen. Ein chinesischer Kunde soll
erfahren, welche europäische Handwerkskunst hinter den Produkten von Montblanc steht; gleichzeitig soll er in seiner Sprache
bedient werden und die ihm aus seiner Kultur vertrauten Verkaufsvorgänge wiederfinden. Die ideale Balance gibt es nicht, und sie
verschiebt sich auch mit dem sich verändernden Kundenprofil und
den zunehmenden Luxuskauferfahrungen der chinesischen Klientel. Diese Gleichzeitigkeit ist ein fortwährendes Thema, das sich
nicht nur in China stellt, sondern tatsächlich auf globaler Ebene.
Hofmann: Ist es nicht auch gerade die lokale Besonderheit des Verkaufserlebnisses, die noch einen Unterschied macht. Die Architektur der Stores, individuelle Kundenansprache, lokale Events wie z.B.
die Zusammenarbeit mit lokalen Künstlern und vieles mehr. Teilweise muss sogar das Produktprogramm angepasst werden bzw. gibt
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Der Autor
Hendrik Wolber ist Marketing- und Kommunikationsexperte. Er absolvierte in der Agentur für
Event-Marketing und Live Kommunikation VOK DAMS eine werbekaufmännische Ausbildung.
Seitdem war er als PR- und Event-Manager in unterschiedlichen Stationen sowohl auf Agenturals auch auf Unternehmensseite für die Konzeption und Realisation unzähliger Marketingveranstaltungen und unterschiedlicher Kommunikationsprojekte verantwortlich. Hendrik Wolber
ist in der internationalen Wirtschaft ein gefragter Beraterzum Thema interne und externe Unternehmenskommunikation. Er lebt in Hamburg und ist Vorstandsmitglied der sxces Communication AG, einer weltweit agierenden Agentur für Unternehmenskommunikation.
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es Sonder-Editions für verschiedene Länder und zu bestimmten
Anlässen. Natürlich liegt die große Herausforderung darin, immer
im Einklang mit der Marke, aber unter Berücksichtigung und mit
dem Respekt für die lokalen Kunden zu agieren. Dies ist auf der einen
Seite eine große Herausforderung, bewirkt aber auch den ständigen
Austausch zwischen den Märkten und der europäischen Zentrale.
Hier erhält meiner Meinung nach die Länderorganisation ihre Wichtigkeit, besonders was die detaillierte Umsetzung vor Ort angeht. Das
Ziel sollte sein, den europäischen Luxuslevel nicht nur zu halten und
das Erlebnis einer europäischen Luxusmarke zu verkörpern, sondern
dies noch mit lokalen Details zu verstärken. Ein wichtiger Punkt ist
hierbei das ständige Training vor Ort in der lokalen Sprache und die
Weiterentwicklung des Store-Personals im Servicebereich.
Die große Herausforderung, In-Store-Experience mit Erreichbarkeit und Verfügbarkeit zu verknüpfen, sieht man beispielsweise im
zögerlichen Umgang der Luxusbranche mit digitalen Medien. Was
bedeutet das für die langfristige Weiterentwicklung der Industrie?
Hofmann: Die digitale Herausforderung ist da und rückt bei vielen Luxusmarken auch endlich ganz klar in den Vordergrund. Eine
neue Generation sieht es als selbstverständlich an, alles online
erwerben zu können und in der Community ihre Experience zu
teilen. Die Übertragung des „touch&feel“, der individuellen Beratung und der Produktpräsentation, muss meiner Meinung nach
noch viel besser in die neue Welt und über die neuen Medien übertragen werden. Nicht, um diese zu ersetzen, sondern das Erlebnis
zu erweitern. Internet und E-Commerce gelten als wichtige
Recruiter für alle, die die Hemmschwelle eines riesigen Flagship
Stores auf den Luxusmeilen dieser Welt nicht überwinden wollen,
und als Informationsplattform mit unendlichen Möglichkeiten.
Auch hier ist die Herausforderung, dem Markenkern treu zu
bleiben, anders zu sein und dem User ein echtes innovatives Luxuserlebnis zu bieten. Eine echte Herausforderung, die bisher noch
nicht viele gemeistert haben, die aber in der Zukunft des „digital
luxury“ zum wichtigen Erfolgsfaktor werden wird.
Auch ich, die ich immer wieder von der Architektur der Flagship
Stores überall auf der Welt begeistert bin, mich stundenlang über
alle Details in Luxusläden freuen kann, das Visual Merchandising
und Shopfit bewundere und den touch&feel der Produkte in vollen Zügen genieße, sowie die Verkaufsberater bis aufs letzte Detail
ausfrage – auch ich möchte es nicht vermissen, am Sonntag um 22
Uhr doch noch ein ganz wichtiges neues Luxus-Accessoire zu
erwerben, das in der Luxusstadt meiner Wahl schon ausverkauft
war. Welten, die sich ergänzen und hoffentlich nie ersetzen werden.
Huber: Wie in anderen Branchen ergänzen sich auch im Luxussegment online und offline. In der Marketingkommunikation zeigt sich
bereits, wie die Übergänge verschmelzen: Die neuesten Bilder von
Events finden sich online, über Social Media erfährt die Kundschaft
von Produktneuheiten, mobile Anwendungen führen zum nächsten Flagship Store. Der Mythos vom offline-affinen Luxuskonsumenten ist schnell verflogen; viele Luxuskonsumenten sind sogar
ganz besonders aktiv in den neuen Medien und teilen ihre Markenund Kauferlebnisse mit ihrem Freundeskreis. Während sich die
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Marken-Kunden-Kommunikation in vielen Bereichen digitalisieren wird, kann sich der Besuch in einer Flagship-Boutique oder gar
einer Luxusmanufaktur durch seinen ganz persönlichen Touch und
das individuelle Erlebnis aber nie ganz virtualisieren. Nur in der
bewussten Kombination von offline und online liegt die Zukunft.
Basierend auf diesen Gedanken – wo sehen Sie die wertvollsten
Potenziale für europäische Luxusmarken in den kommenden
zehn Jahren?
Huber: Aus makroökonomischer Sicht stellen die heranwachsenden
Mittelschichten in den BRIC-Staaten (Brasilien, Russland, Indien,
China) sowie in weiteren asiatischen Märkten, dem Mittleren Osten
und Lateinamerika große Wachstumspotenziale dar. Sie werden
» Die Ansicht gegenüber dem Luxus (…)
hat sich gewandelt. Der Kunde hat ein
intensives Wissen über die Produkte und
hohe Erwartungen an eine Luxusmarke. «
womöglich eine ähnliche Entwicklung durchlaufen, wie wir sie in
den letzten Jahren in Asien beobachteten, und können mit ähnlichen
Strategien erschlossen werden. Luxus wird aber auch in etablierten
Märkten und Käuferschichten neue Segmente erschließen. Während
sich Luxus im Kerngeschäft treu bleibt, wird er sich auch zunehmend
weg von reinen Produkten zu einem umfassenden Erlebnis entwickeln. Persönliche, für den einzelnen Kunden individuell angefertigte Kreationen, verbunden durch einen engen Austausch zwischen
der Marke und ihrem Kunden sowie das Einkaufserlebnis selbst,
werden Käuferschichten begeistern, die auf rein materieller Ebene
schon alles besitzen, was die Welt zu bieten hat.
Hofmann: Neben den schon beschriebenen Entwicklungen sehe ich
eine große Herausforderung darin, dass sich die Luxusmarken der
Zukunft in ihren Werten und der Qualität treu bleiben und trotzdem unerwartet und innovativ sind, um den wandelnden Zeitgeist
zu treffen. In der Zukunft wird auch der individuelle Service immer
wichtiger werden und den wahren Unterschied aufzeigen. Das Einkaufserlebnis ist nur der erste Teil dazu, die Kundenbetreuung auch
nach dem Einkauf muss zu einem einzigartigen personalisierten
Erlebnis werden und die Zugehörigkeit zur Marke stärken. Hierbei
gilt es, kreativ zu sein und Überraschendes zu bieten. Denn wie
schon beschrieben, ist Luxus auch in der Zukunft als ein Gesamterlebnis zu sehen und nicht nur als materieller Besitz. Und hier sollte
auch das Marketing der Zukunft ansetzen: beim bereits bestehenden sowie beim neuen Luxuskonsumenten. Denn der Wunsch nach
wahren Werten und der echten Qualität wird auch in zehn Jahren
noch lange nicht vorbei sein, sondern sich eher verstärken.
Das Interview führte Benjamin Berghaus, M.A.
Marketing Review St. Gallen
1 | 2012
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