1. Einführung Aus der Neugierde des Menschen entwickelte sich das Interesse die ihn umgebende Welt zu verstehen. Um die Vielfalt der Beobachtungen (Ereignisse) zu ordnen haben sich unterschiedliche Herangehensweisen entwickelt, z.B. die • • Religion Naturwissenschaft Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 1) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 1 Unter Naturwissenschaft versteht man • • die gesammelten Erkenntnisse über die uns umgebende materielle Welt, den Vorgang der Erkenntnisgewinnung der sich durch Systematik und Rationalität auszeichnet. Gewöhnlich teilt man die Naturwissenschaft in voneinander abgrenzbare Disziplinen ein. • Biologie (untersucht lebende Organismen) • Chemie (handelt von der Wechselwirkung der Elemente und Verbindungen) Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 1) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 2 • Geologie (befasst sich mit dem Aufbau der Erde) • Astronomie (untersucht das Sonnensystem, Sterne, Galaxien und das Universum als Ganzes) • Physik In der Physik geht es um • • • Materie und Energie Prinzipien der Bewegung von Teilchen und Wellen Eigenschaften von - Gasen, Flüssigkeiten und Festkörpern - Molekülen, Atomen, Atomkernen (ausgedehnte Systeme) d.h. um die unbelebte Natur. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 1) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 3 Die Physik gliedert sich je nach Arbeitsweise in die • Theoretische Physik (mathematische Entwicklung und Zusammenfassung der Naturgesetze) • Experimental Physik (Herleitung von Gesetzen aus der unmittelbaren Erfahrung und experimentellen Bestätigung neuer Zusammenhänge, die von der theoretischen Physik gefunden wurden) • Angewandte / Technische Physik (beschäftigt sich mit Problemstellungen mit hohem Anwendungsbezug, die (noch) keiner bestimmten Technik zugeordnet werden können) Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 1) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 4 1.1 Physikalische Größen und Einheiten Die physikalischen Gesetze formulieren Zusammenhänge zwischen physikalischen Größen wie • • • • • Länge Zeit Kraft Energie Temperatur Als Forderung an die Physik ergibt sich daraus die Notwendigkeit physikalische Größen eindeutig zu definieren und genau zu messen. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 1) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 5 Messen einer physikalischen Größe bedeutet eine genau definierte Einheit für diese Größe mit der zu vermessenden physikalischen Größe zu vergleichen. Beispiel: Abstandsmessung zweier Punkte durch vergleichen mit einer Einheit der Länge. Die Einheit der Länge sei z.B. das Meter, dann bedeutet die Aussage die Strecke ist „25 Meter“ lang, dass ihre Länge 25mal größer als die der Einheit Meter ist. Der Zahlenwert vor der Einheit gibt an, wie oft der Vergleichsmessstab des Meters angelegt werden kann. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 1) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 6 Somit ist jede physikalische Größe das Produkt aus einem Zahlenwert (quantitative Aussage) und einer Einheit (qualitative Aussage). Es gilt also wobei G = {G}[G ] G : die physikalische Größe {G}: den Zahlenwert (Maßzahl) [G ] : die Einheit (Maßeinheit) bezeichnet. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 1) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 7 Die Einheiten aller physikalischen Größen lassen sich auf 7 sogenannte Basiseinheiten zurückführen. Die Wahl dieser Einheiten bestimmt damit ein gesamtes System von Basis- und abgeleiteten Einheiten. Das am weitesten verbreitete System bilden die SI-Einheiten (SI-Einheiten steht für Système International d´Unités) Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 1) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 8 Basisgrößen Basiseinheiten Symbol Länge Meter m Zeit Sekunde s Masse Kilogramm kg elektrische Stromstärke Temperatur Ampère A Kelvin K Lichtstärke Candela cd Stoffmenge Mol mol Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 1) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 9 Definition einiger Basisgrößen: Meter 1m ist die Länge der Strecke, die Licht im Vakuum während der Zeitspanne von 1/299.792.458 Sekunden durchläuft. (wurde früher durch ein in Sèvres aufbewahrtes Urmeter definiert) Sekunde 1s ist die Dauer von 9.192.631.770 Perioden der beim Übergang zwischen den beiden sogenannten Hyperfeinstrukturniveaus des Grundzustands von Cäsium-133 ausgesendete Strahlung. (wurde früher über die Drehung der Erde als 1/(60 ⋅ 60 ⋅ 24) des mittleren Sonnentags festgelegt) Kilogramm 1kg ist die Masse des internationalen in Sèvres aufbewahrten Kilogrammprototyps (Urkilogramm). Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 1) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 10 Kelvin 1K ist der 273,16te Teil der Temperatur des Tripelpunktes von Wasser bezogen auf den absoluten Nullpunkt, bei 1013,25hPa. Mol 1mol ist die Stoffmenge eines Systems, das aus ebenso vielen Einzelteilchen besteht, wie Atome in 12/1000 kg des Kohlen23 stoffnuklids 12C enthalten sind, nämlich 6,0221367 ⋅10 . Avogadro-Konstante 6,0221367 ⋅10 23 6,0221367 ⋅10 26 = NA = 1mol 1kmol Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 1) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 11 Häufig vorkommende abgeleitete SI-Einheiten besitzen eigene Bezeichnungen mit Namen von bedeutenden Physiker wie z.B. kg m s2 kg der Druck : 1 Pascal = 1Pa = 1 m s2 kg m 2 die Leistung : 1 Watt = 1W = 1 3 s die Kraft : Hochschule Bremen 1 Newton = 1N = 1 Technische Physik (Kapitel 1) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 12 Vorsilben für dezimale Vielfache von Einheiten Vielfaches 1018 1015 12 10 109 6 10 103 2 10 1 10 1) Vorsilbe Exa Peta Tera Giga Mega Kilo 1) Hekto 1) Deka Abkürzung E P T G M k h d Hekto und Deka sind keine Potenzen von 103. Sie werden nur noch in Ausnahmefällen, z.B. 1hPa, benutzt. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 1) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 13 Vorsilben für dezimale Bruchteile von Einheiten Vielfaches 10-1 10-2 10-3 10-6 10-9 10-12 10-15 10-18 1) Vorsilbe Dezi1) Zenti1) Milli Mikro Nano Piko Femto Atto Abkürzung d c m µ n p f a Dezi und Zenti sind keine Potenzen von 103. Sie werden nur noch in Ausnahmefällen, z.B. 1cm, benutzt. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 1) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 14 1.2 Messgenauigkeit und Messfehler Messen ist der experimentelle Vorgang durch den ein spezieller Wert (Messwert) einer physikalischen Größe (Messgröße) als Vielfaches einer Einheit ermittelt wird. Messungen sind immer mit Messfehlern behaftet. ⇒ Messergebnisse sind Schätzwerte des wahren Wertes der Messgröße Die Güte der Schätzwerte (Messgenauigkeit) hängt von • • den Fähigkeiten des Experimentators der verwendeten Messapparatur ab. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 1) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 15 Bei Messfehlern unterscheidet man zwischen • systematischen Fehlern (treten bei wiederholten Messungen in gleicher Weise auf, Ursache z.B. mangelhaft kalibrierte Messgeräte) • zufälligen Fehlern (treten bei wiederholten Messungen in unterschiedlicher Weise auf, Ursache z.B. Schwankungen der Versuchsbedingungen, Zufallscharakter der Messgröße) Zufällige Messfehler können durch wiederholtes Messen mit anschließender Mittelwertberechnung reduziert werden. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 1) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 16 Es seien x1 , x2 , … , xn Messwerte aus wiederholten Messungen Arithmetisches Mittel der Messwerte ∑ n 1 x= n xi = i =1 1 (x1 + x2 + n + xn ) (Schätzwert für den Erwartungswert) Standardabweichung der Messwerte ∑ n 1 n −1 sx = (xi − x )2 i =1 (Maß für die Streuung der Messwerte um den Erwartungswert) Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 1) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 17 Standardabweichung des arithmetischen Mittels sx = sx n ∑ n 1 n(n − 1) = (xi − x )2 i =1 (Maß für die Streuung des arithmetischen Mittels um den Erwartungswert) Normalverteilung (Gauß-Verteilung) Messwerte können häufig durch eine Normalverteilung mit Wahrscheinlichkeitsdichte ⎧ ( x − μ )2 ⎫ exp⎨− f ( x) = ⎬ 2 2 2 σ 2πσ ⎩ ⎭ 1 modelliert werden. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 1) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 18 Parameter der Normalverteilung 0.4 68% der gesamten Fläche unterhalb des Graphen 0.35 0.3 0.25 Das arithmetische Mittel ist ein Schätzwert für μ mit lim x → μ n →∞ 0.2 0.15 0.1 0.05 0 0 1 2 μ -σ 3 μ 4 μ +σ 5 6 μ : Erwartungswert σ : Standardabweichung Hochschule Bremen Die Standardabweichung der Messwerte ist ein Schätzwert für σ mit lim s x → σ n →∞ Technische Physik (Kapitel 1) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 19 Fehlerfortpflanzungsgesetz von Gauß Es seien x1 , … , xm Messwerte von m Messgrößen die in eine Formel eingesetzt die interessierende physikalische Größe liefern y = f ( x1 , … , xm ) Mit den Standardabweichungen s x1 , … , s xm ergibt sich die Standardabweichung von y zu ⎞ ⎛ ∂f ⎜ sy = ∑ sx j ⎟ ⎟ ⎜ j =1 ⎝ ∂x j ⎠ m 2 wobei ∂f ∂x j die partielle Ableitung von f nach x j bezeichnet. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 1) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 20 Beispiel: Bestimmung eines ohmschen Widerstandes aus Spannungs- und Strommessungen R = f (U , I ) = U I ; U = 10,01 V; s U = 0,03 V; I = 9,98 A; s A = 0,02 mA; Mit den partiellen Ableitungen nach I und U ∂f U ∂f 1 =− 2; = ; ∂I I ∂U I ergibt sich die Standardabweichung von sR zu Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 1) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 21 Beispiel (Fortsetzung): 2 ⎛ sU ⎞ ⎛ U ⎞ 2 ⎛ sU ⎞ 2 ⎛ sI ⎞ s R = ⎜ ⎟ + ⎜⎜ s I 2 ⎟⎟ = R ⎜ ⎟ + R ⎜ ⎟ ⎝I ⎠ ⎝U ⎠ ⎝ I ⎠ ⎝ I ⎠ 2 2 2 2 2 ⎛s ⎞ ⎛s ⎞ = R ⎜ U ⎟ + ⎜ I ⎟ ≅ 3,6 Ω ⎝U ⎠ ⎝ I ⎠ mit Hochschule Bremen U R = ≅ 1003 Ω I Technische Physik (Kapitel 1) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 22 Lineare Regression Temperatur- und Spannungsmessung an einem Thermoelement Messwerte ϑk , U k ; k = 1,… , n Regressionsgerade 60 Thermospannung [mV] 50 40 30 20 10 0 0 200 400 600 800 1000 Temperatur ϑ [°C] Hochschule Bremen 1200 1400 U k = mϑk + b Kleinste-Quadrate-Schätzung ⎫ ⎧n min ⎨∑ (U k − mϑk − b) 2 ⎬ m ,b ⎭ ⎩ k =1 Technische Physik (Kapitel 1) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 23 1.3 Dimension physikalischer Größen Die Dimension einer physikalischen Größe gibt die Abhängigkeit dieser Größe von den Basisgrößen, z.B. der • • • Länge Zeit Masse an. Die Dimension ist unabhängig von den verwendeten Einheiten. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 1) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 24 Beispiel: 1) Die Fläche eines Rechteckes mit den Seiten x und y ist A = x ⋅ y . Unabhängig von der verwendeten Einheit m oder km besitzt die Fläche die Dimension Länge × Länge = L2 2) Die Geschwindigkeit eines Gegenstandes besitzt die Dimension Länge L = Zeit T Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 1) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 25 Die Dimension erlaubt ein schnelles Überprüfen von physikalischen Gleichungen Beispiel: Eine Strecke x sei gegeben durch die Beziehung x = vt + 12 at [L] wobei v die Geschwindigkeit a die Beschleunigung t die Zeit [L / T ] [L / T ²] [T ] bezeichnet. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 1) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 26 Beispiel (Fortsetzung): [L] = [L / T ]⋅ [T ] + [L / T ²]⋅ [T ] [L ] [L / T ] Da der Summand 12 at die falsche Dimension hat kann die Formel x = vt + 12 at nicht stimmen. Bei physikalischen Größen die als Produkt anderer physikalischer Größen dargestellt werden können, kann man die Dimension dazu benutzen, die Formel bis auf einen Proportionalitätsfaktor zu raten. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 1) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 27 Beispiel: Die Schwingungsdauer eines Pendels sei ausschließlich eine Funktion der • • • Masse m [kg] Fadenlänge l [m] Erdbeschleunigung g [m/s²] die multiplikativ verknüpft sind. Mit dem Produktansatz t ∝ mα ⋅ l β ⋅ g γ erhält man für die Dimensionen [T ]1∝ [M ]α ⋅ [L]β ⋅ [L / T ²]γ Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 1) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 28 Beispiel (Fortsetzung): und nach Umformen [T ]1∝ [M ]α ⋅ [L]β +γ ⋅ [T ]−2γ ⇒ α = 0, γ = − 12 , β = 1 2 Damit lautet der Ansatz l g der bis auf den Proportionalitätsfaktor 2π mit der richtigen Formel l t = 2π g übereinstimmt. 1 2 t ∝l ⋅g Hochschule Bremen − 12 = Technische Physik (Kapitel 1) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 29 1.4 Rechnen mit physikalischen Größen Physikalische Größen können stets als Produkt aus Zahlenwert und Einheit dargestellt werden. Einheiten können wie gewöhnliche Faktoren behandelt, d.h. ausgeklammert und gekürzt, werden. Exponentialdarstellung physikalischer Einheiten Beispiele: m m Lichtgeschwindigkeit = 300.000.000 = 3 ⋅ 108 s s Abstand Erde/Sonne = 150.000.000.000 m = 1,5 ⋅ 1011 m Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 1) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 30 Umwandlung physikalischer Einheiten Beispiel: m km Geschwindigkeit von 1 = ? s h Mit den Umwandlungsfaktoren 1km 1km = 1000m ⇔ =1 1000m und 3600s 1h = 3600s ⇔ =1 1h erhält man m m 3600s 1km km 1 =1 ⋅ ⋅ = 3,6 s s 1h 1000m h Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 1) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus Gültige/signifikante Stellen Beispiele: Die Zahl 2,50 " 2,503 " 0,00103 = 1,03 ⋅ 10 -3 31 hat 3 gültige Stellen hat 4 " hat 3 " Gültige Stellen nach Addition und Subtraktion Das Ergebnis einer Addition oder Subtraktion zweier Zahlen besitzt keine gültigen Stellen jenseits der letzten Dezimalstelle, an der beide Zahlen eine gültige Stelle haben. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 1) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 32 Gültige Stellen nach Multiplikation und Division Die Zahl der gültigen Stellen beim Ergebnis einer Multiplikation oder Division ist gleich der kleinsten Zahl gültiger Stellen in allen Faktoren. Beispiele: Berechnen einer Kreisfläche Durch abschreiten wurde ein Radius von 8m bestimmt. ⇒ A = π ⋅ r 2 = π ⋅ 64 m 2 = 201,0619298 m 2 Die Genauigkeit der Radiusmessung liegt bei ca. ±0,5m 2 = 176,7145868 m 2 ⎫ Amin = π ⋅ rmin 2 2 00 m = ⇒ A ⎬ 2 = 226,9800692 m 2 ⎭ Amax = π ⋅ rmax Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 1) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 33 Größenordnung (grobe Abschätzungen, runden auf 10er Potenzen) Beispiele: Eine Ameise ist etwa 8·10-4m lang. ⇒ Die Größenordnung der Länge einer Ameise beträgt 10-3m. Menschen besitzen eine Körpergröße der Größenordnung 100m. ⇒ Die tatsächliche Körpergröße liegt näher bei 1m als bei 10m oder 0,1m. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 1) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 34 2. Mechanik 2.1 Kinematik Die Kinematik beschäftigt sich mit der Beschreibung von Bewegungen ohne dabei deren Ursachen zu hinterfragen. Zur Vereinfachung der Betrachtungen sei die Position der sich bewegenden Gegenstände durch die Angabe der Koordinaten eines Punktes beschreibbar. Einen Gegenstand mit dieser Eigenschaft nennt man – – Teilchen oder Massenpunkt und meint damit einen idealisierten Körper dessen Masse in einem Punkt konzentriert ist. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 35 2.1.1 Bewegung in einer Dimension Von eindimensionalen Bewegungsabläufen spricht man, wenn die Bewegung entlang einer geraden Line verläuft. Beispiel: Ein Auto das auf einer ebenen, geraden und schmalen Straße fährt. Durchschnittsgeschwindigkeit Anschaulich ist die Durchschnittsgeschwindigkeit definiert durch Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 36 Durchschnittsgeschwindigkeit = zurückgelegte Strecke benötigte Zeit Beispiel: Ein Fahrzeug legt in 5 Stunden 200 km zurück. ⇒ v= 200km km = 40 5h h oder in SI-Einheiten 1000 m 1 m v = 40 ⋅ = 11 9 3600 s s Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 37 Bei der Bestimmung der Durchschnittsgeschwindigkeit wird die Richtung der Bewegung üblicherweise nicht berücksichtig. Zur Vorbereitung auf mehrdimensionale Bewegungen soll im folgenden die Richtung mit einbezogen werden. Hierzu führt man auf der Fahrstrecke ein Koordinatensystem ein. Δx 0 x1 = x(t1 ) Hochschule Bremen x2 = x(t 2 ) Fahrstrecke x(t ) Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 38 Die Positionsveränderung des Massenpunktes nennt man Verschiebung Δx mit Δx = x2 − x1 Mit dem Zeitintervall Δt = t 2 − t1 ergibt sich die Durchschnittsgeschwindigkeit zu v= Hochschule Bremen Δx x2 − x1 = Δt t 2 − t1 Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 39 Verschiebung und Durchschnittsgeschwindigkeit können sowohl – positive Werte, d.h. x2 > x1 ⇒ Bewegung nach rechts als auch – negative Werte, d.h. x2 < x1 ⇒ Bewegung nach links annehmen. Beispiel: Ein Fußgänger sei zu den Zeiten t1 = 2s und t 2 = 7s am Ort x1 = x(t1 ) = 20m und x2 = x(t 2 ) = 12m Δx 12m − 20m − 8m = = −1,6 ms = −5,76 km = ⇒v= h 7s − 2s 5s Δt Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 40 Beispiel: Ein Radfahrer sei zu den Zeiten t1 = 5s, t 2 = 10s und t3 = 12s am Ort x1 = 20m, x2 = 50m und x3 = 41m mit Vorzeichen (physikalische Herangehensweise) Δx = ( x3 − x2 ) + ( x2 − x1 ) = x3 − x1 ⎫ Δx 21m = = = 3 ms v ⎬ Δt = (t3 − t 2 ) + (t 2 − t1 ) = t3 − t1 Δt 7s ⎭ ohne Vorzeichen (Alltagsverständnis) ⎫ s 39m = = 5 74 ⎬ v= Δt 7s Δt = (t3 − t 2 ) + (t 2 − t1 ) = t3 − t1 ⎭ s = x3 − x2 + x2 − x1 Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus m s 41 Geometrische Deutung der Durchschnittsgeschwindigkeit Weg-Zeit-Diagramm Δt = t 2 − t1 x P2 = (t 2 , x2 ) x2 x2' ( P2' = t 2' , x2' ) Δx = x2 − x1 ϕ x1 P1 = (t1 , x1 ) t1 Hochschule Bremen t 2' t2 Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus t 42 Die Durchschnittsgeschwindigkeit entspricht der Steigung der Geraden (Sekante) Δx = tan ϕ m= Δt durch die Punkte P1 = (t1 , x1 ) und P2 = (t 2 , x2 ) . Die Durchschnittsgeschwindigkeit hängt bei nicht konstanter Geschwindigkeit von der Wahl des Zeitintervalls ab, z.B. gilt für die vorangegangene Abbildung v p1 , p2 < v p ' 1, p 2 Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 43 Momentangeschwindigkeit x P2'' ''' 2 P Δx P2' P2 P2'''' '' Δ x ' Δ x Δ x ''' Δ x '''' P1 t 2'''' t1 Tangente an P1 t 2''' t 2'' t 2' t2 t Δ t '''' Δ t ''' Δ t '' Δt ' Δt Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 44 Die Momentangeschwindigkeit für einen bestimmten Zeitpunkt ist die Steigung der Tangente an die WegZeit-Kurve in diesem Punkt. Demzufolge kann die Momentangeschwindigkeit mathematisch durch den Grenzwert Δx v = lim Δt →0 Δt ausgedrückt werden. Der Grenzwert wird in der Differentialrechnung als Ableitung von x nach t bezeichnet und durch Δx dx = =x v = lim Δt →0 Δt dt symbolisiert. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 45 Entsprechend der Steigung dx ≥0 x dt oder dx <0 dt kann die Momentangeschwindigkeit v≥0 oder v<0 sein. Hochschule Bremen v<0 v=0 v>0 Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus v=0 v<0 46 t Ableitung der Potenzfunktion Die Potenzfunktion ist definiert durch x = C ⋅tn wobei C ∈ und n ∈ beliebige Konstanten sind. Die Ableitung von x nach t lautet dx d = C ⋅ t n = n ⋅ C ⋅ t n −1 dt dt Beispiel: dx n = 1: x = C ⋅t ⇒ =C dt dx n = 2: x = C ⋅t2 ⇒ = 2⋅C ⋅t dt ( Hochschule Bremen ) Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 47 Beweis für n = 1 dx x(t + Δt ) − x(t ) = lim dt Δt →0 Δt C ⋅ (t + Δt ) − C ⋅ t C ⋅ Δt = lim = lim =C Δt →0 Δt →0 Δt Δt und n = 2 2 dx x(t + Δt ) − x(t ) C ⋅ (t + Δt ) − C ⋅ t 2 = lim = lim Δ t → 0 Δt →0 Δt Δt dt C ⋅ t 2 + 2 ⋅ C ⋅ t ⋅ Δt + C ⋅ (Δt ) 2 − C ⋅ t 2 = lim Δt →0 Δt = lim 2 ⋅ C ⋅ t + C ⋅ Δt = 2 ⋅ C ⋅ t Δt →0 Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 48 Weg-Zeit-Diagramm Geschwindigkeit-Zeit-Diagramm v x m x = 10 sm2 t 2 v3 > v2 > v1 600 200 80 40 v1 = 40 ms t1 2 v3 = 120 ms v2 = 80 ms t2 v = x = 20 sm2 ⋅ t s 120 t3 400 m 4 Hochschule Bremen 6 8 t s 2 4 6 Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus t s 8 49 Durchschnittsbeschleunigung Massenpunkte deren Momentangeschwindigkeit sich mit der Zeit ändert unterliegen einer Beschleunigung. Die Durchschnittsbeschleunigung ist definiert als Durchschnittsbeschleunigung = Geschwindigkeitsänderung benötigte Zeit und kann mathematisch durch a= Δv v(t 2 ) − v(t1 ) v2 − v1 = = Δt t 2 − t1 t 2 − t1 ausgedrückt werden. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 50 Geometrische Deutung der Durchschnittsbeschleunigung Geschwindigkeit-Zeit-Diagramm Δt = t 2 − t1 v P2 = (t 2 , v2 ) v2 Δv = v2 − v1 P1 = (t1 , v1 ) v1 t1 Hochschule Bremen t2 t Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 51 Die Durchschnittsbeschleunigung entspricht der Steigung der Geraden die durch die Punkte P1 = (t1 , v1 ) und P2 = (t 2 , v2 ) geht. Die Durchschnittsbeschleunigung hängt bei zeitabhängiger Beschleunigung von der Wahl des Zeitintervalls ab. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 52 Momentanbeschleunigung v Tangente an P1 P2 Δv Δv ' Δ v '' Δ v ''' Δ v '''' P2' P1 t1 P2'''' Δt '''' P2''' t 2'''' P2'' t 2'' t 2''' t 2' t2 t Δ t ''' Δ t '' Δt ' Δt Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 53 Für einen bestimmten Zeitpunkt ist die Momentanbeschleunigung durch die Steigung der Tangente an die Geschwindigkeit-Zeit-Kurve in diesem Punkt gegeben. Die Momentanbeschleunigung ergibt sich mathematisch als Grenzwert Δv a = lim Δt →0 Δt und somit als die Ableitung der Geschwindigkeit v oder als die zweite Ableitung des Ortes x nach der Zeit, d.h. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 54 dv d ⎛ dx ⎞ d 2 x a=v= = ⎜ ⎟= =x dt dt ⎝ dt ⎠ dt 2 Beispiel: Ein Auto beschleunige in 5s von 0km/h auf 90km/h. Wie groß ist die Durchschnittsbeschleunigung? Mit 1 m/s = 3,6 km/h gilt a= Δv 90 km/h 1 m/s = ⋅ = 5 sm2 ≈ 12 g Δt 5s 3,6 km/h wobei g die Erdbeschleunigung angibt. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 55 Übungsaufgabe 1: Das Weg-Zeit-Verhalten eines Massenpunktes sei durch x = Ct3 gegeben, wobei die Konstante C die Einheit m/s3 besitze. Ermitteln Sie die Geschwindigkeit und die Beschleunigung als Funktion der Zeit! Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 56 Bewegung mit konstanter Beschleunigung Aus dem vorangegangenen ist bekannt differenzieren differenzieren x(t ) ⎯⎯ ⎯ ⎯⎯→ v(t ) ⎯⎯ ⎯ ⎯⎯→ a (t ) Gesucht ist nun die Umkehrung a(t ) ⎯integriere ⎯ ⎯⎯n → v(t ) ⎯integriere ⎯ ⎯⎯n → x(t ) Integration Die Beschleunigung a (t ) sei bekannt. Ziel ist es nun eine Geschwindigkeit v(t ) zu finden, deren Ableitung der Beschleunigung a (t ) entspricht. v(t ) bezeichnet man dann auch als Stammfunktion von a (t ) . Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 57 Bei konstanter Beschleunigung a (t ) ≡ a gilt dv =a dt und damit für die Geschwindigkeit v = v0 + a ⋅ t da dv dv0 d (a ⋅ t ) = + , dt dt dt 0 a wobei v0 eine Konstante ist, die die Anfangsgeschwindigkeit zur Zeit t = 0 angibt. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 58 Da die Ableitung des Ortes x(t ) die Geschwindigkeit dx = v = v0 + a ⋅ t dt ergibt, kann bei analoger Vorgehensweise wie zuvor 1 x = x0 + v0 ⋅ t + a ⋅ t 2 2 gefunden werden, da ( dx dx0 d (v0 ⋅ t ) 1 d a ⋅ t 2 = + + dt dt dt 2 dt 0 Hochschule Bremen v0 ) a⋅t Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 59 Anfangsbedingungen Die als Integrationskonstanten bezeichneten Konstanten x0 und v0 sind durch den Ort und die Geschwindigkeit des Massenpunktes zu einem bestimmten Anfangszeitpunkt, z.B. bei t = 0 gegeben. Anfangswertproblem Gegeben sei a (t ) bestimme x(t ) . Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 60 Stammfunktion der Potenzfunktion Die Stammfunktion von f (t ) = C ⋅ t n mit a ∈ R und n ∈ Z \ {− 1} lautet F (t ) = C n +1 t +D n +1 Beispiel: a (t ) = C ⋅ t 3 ⇒ v(t ) = Hochschule Bremen C 4 C 5 t + D ⇒ x(t ) = t + D ⋅t + E 4 20 Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 61 Konstante Beschleunigung • kommt in der Natur häufig vor, z.B. Gegenstände fallen mit einer konstanten Erdbeschleunigung m g = 9,81 2 s nach unten (Luftwiderstand vernachlässigen). • die Steigung der Geschwindigkeit-Zeit-Kurve ist konstant, d.h. die Geschwindigkeit nimmt linear mit der Zeit zu. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 62 Zur Zeit t = 0 befinde sich der Massenpunkt am Ort x0 und besitze die Geschwindigkeit v0 . Abhängigkeit der Geschwindigkeit von der Zeit bei konstanter Beschleunigung v = x0 + a ⋅ t Abhängigkeit des Ortes von der Zeit bei konstanter Beschleunigung 1 x = x0 + v0 ⋅ t + a ⋅ t 2 2 Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 63 Durchschnittsgeschwindigkeit bei konstanter Beschleunigung Δx x − x0 v= = t −0 Δt v = v0 + a ⋅ t v0 ⋅ t + 12 a ⋅ t 2 = v t 1 = v + a ⋅t v 0 2 1 v0 = v0 + (v − v0 ) 2 t 0 1 = (v0 + v ) 2 Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 64 Abhängigkeit der Geschwindigkeit vom Ort bei konstanter Beschleunigung Aus 1 x = x0 + v0 ⋅ t + a ⋅ t 2 2 folgt nach einsetzen von t= v − v0 , da a v = v0 + a ⋅ t , der Ausdruck v − v0 1 ⎛ v − v0 ⎞ + a⎜ x = x0 + v0 ⎟ 2 ⎝ a ⎠ a Hochschule Bremen 2 Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 65 Multiplizieren mit a auf beiden Seiten liefert 1 2 a ⋅ x = a ⋅ x0 + v0 (v − v0 ) + (v − v0 ) 2 1 = a ⋅ x0 + v0 ⋅ v − v02 + (v 2 − 2v ⋅ v0 + v02 ) 2 1 = a ⋅ x0 + (v 2 − v02 ) 2 und nach v aufgelöst schließlich v 2 = v02 + 2 a ( x − x0 ) = v02 + 2 a ⋅ Δx Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 66 Übungsaufgabe 2: Ein Gegenstand werde mit der Anfangsgeschwindigkeit von 30 m/s senkrecht nach oben geworfen. Gleichzeitig erfährt er eine Erdbeschleunigung von g ≈10 m/s2 nach unten. 1) Wie lange braucht der Gegenstand bis zu seinem höchsten Punkt ? 2) Welche Strecke legt der Gegenstand bis zu seinem höchsten Punkt zurück? 3) Wie lange ist der Gegenstand insgesamt in der Luft? Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 67 2.1.2 Bewegung in zwei oder drei Dimensionen Geschwindigkeitsvektor Ein Massenpunkt bewege sich entlang einer beliebigen Kurve (Trajektorie) im Raum y y1 P1 = ( x(t1 ), y (t1 )) Δs = ( x1 , y1 ) Δr = r2 − r1 r1 P2 = ( x(t 2 ), y (t 2 )) y2 = ( x2 , y 2 ) r2 x1 Hochschule Bremen x2 Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus x 68 Ortsvektor r = x ex + y e y + z ez , wobei die Vektoren ex , e y , ez y die Einheitsvektoren in einem rechtwinkligen Koordinatensystem bezeichnen. ry = y e y y r = x ex + y e y + z ez ey x x rx = x ex ex ez z z Hochschule Bremen rz = z ez Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 69 Vektoraddition r1 + r2 = (x1 ex + y1 e y + z1 ez ) + (x2 ex + y2 e y + z 2 ez ) = ( x1 + x2 ) ex + ( y1 + y2 ) e y + ( z1 + z 2 ) ez Hierbei sind r1 = x1 ex + y1 e y + z1 ez und = r (t1 ) = x(t1 ) ex + y (t1 ) e y + z (t1 ) ez r2 = x2 ex + y2 e y + z 2 ez = r (t 2 ) = x(t 2 ) ex + y (t 2 ) e y + z (t 2 ) ez die Ortsvektoren an die Trajektorie zu den Zeitpunkten t1 und t 2 . Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 70 Der Verschiebungsvektor ist die Differenz der beiden Ortsvektoren, d.h. Δr = r2 − r1 = Δx ex + Δy e y + Δz ez = ( x2 − x1 ) ex + ( y2 − y1 ) e y + ( z 2 − z1 ) ez Vektor der Durchschnittsgeschwindigkeit Das Verhältnis zwischen Verschiebungsvektor Δr und Zeitintervall Δt = t 2 − t1 entspricht der vektorwertigen Durchschnittsgeschwindigkeit, d.h. v= Δr Δx Δy Δz ex + = ey + ez = v x ex + v y e y + v z ez Δt Δt Δt Δt Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 71 Vektor der Momentangeschwindigkeit Δt → 0 ⇒ Δr = Δs und die Richtung von Δr nähert sich der Richtung der Tangente im Punkt P1 y P2′′ P1 Δr ′′ P2′ Δr ′ r1 Δr P2 x Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 72 Die vektorwertige Momentangeschwindigkeit ist definiert als Grenzwert der vektorwertigen Durchschnittsgeschwindigkeit für Δt gegen null, d.h. Δr Δy Δz ⎞ ⎛ Δx = lim ⎜ ex + ey + ez ⎟ Δt →0 Δt Δt →0 Δt Δ t Δ t ⎝ ⎠ Δx Δy Δz = lim ex + lim e y + lim ez Δt →0 Δt Δt →0 Δt Δt →0 Δt dz dx dy = ex + e y + ez dt dt dt dr = x ex + y e y + z ez = =r dt v = lim Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 73 Betrag der Momentangeschwindigkeit 2 2 dr ⎛ dx ⎞ ⎛ dy ⎞ ⎛ dz ⎞ v = = ⎜ ⎟ +⎜ ⎟ +⎜ ⎟ dt ⎝ dt ⎠ ⎝ dt ⎠ ⎝ dt ⎠ = (dx )2 + (dy )2 + (dz )2 dt = 2 ds dt wobei s den entlang der Kurve zurückgelegten Weg angibt. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 74 y Δs′′ Δy P1 Δs Δr P2′′ P2′ r1 P2 x Δx Δr = Hochschule Bremen (Δx )2 + (Δy )2 + (Δz )2 ≈ Δs Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 75 Übungsaufgabe 3: Ein Segelboot besitze zur Zeit t1 = 0 s die Anfangskoordinaten P1= (x1, y1) = (100m, 200m) und zur Zeit t2 = 12 s die Koordinaten P2 = (x2, y2) = (124m, 212m). 1) Wie groß sind die Komponenten und der Betrag der vektorwertigen Durchschnittsgeschwindigkeit? 2) Welche Richtung besitzt die vektorwertige Durchschnittsgeschwindigkeit? Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 76 Beschleunigungsvektor Vektor der Durchschnittsbeschleunigung Die vektorwertige Durchschnittsbeschleunigung ist definiert als das Verhältnis aus Momentangeschwindigkeitsänderung Δv und Zeitintervall Δt , d.h. a= Δv v2 − v1 v (t 2 ) − v (t1 ) = = t 2 − t1 Δt t 2 − t1 Vektor der Momentanbeschleunigung Die vektorwertige Momentanbeschleunigung ergibt sich als Grenzwert der Durchschnittsbeschleunigung für Δt → 0 zu v (t + Δt ) − v (t ) dv Δv = lim = =v Δt →0 Δt Δt →0 dt Δt a = lim Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 77 Mit v = v x ex + v y e y + v z ez = dx dy dz ex + e y + ez = x ex + y e y + z ez dt dt dt ergibt sich die Momentanbeschleunigung zu dv y dv x dv ex + e y + z ez dt dt dt d2y d 2z d 2x = 2 ex + 2 e y + 2 ez = x ex + y e y + z ez dt dt dt a= Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 78 Von Beschleunigung spricht man, wenn – – der Betrag und/oder die Richtung des Geschwindigkeitsvektors variiert. Ein wichtiges Beispiel für eine beschleunigte Bewegung mit einer Geschwindigkeit von konstantem Betrag und variierender Richtung ist die gleichförmige Kreisbewegung. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 79 Übungsaufgabe 4: Ein Auto durchfahre in 5 s eine 90°-Kurve mit einer Geschwindigkeit von 60 km/h. Welche Durchschnittsbeschleunigung erfährt das Auto während der Kurvendurchfahrt? Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 80 Wurfbewegungen Das wichtigste vx ⎯ ⎯→ Merkmal der Wurfbewegung ist, dass die horizontalen und vertikalen Komponenten unabhängig voneinander sind. Hochschule Bremen Δt 2Δt 3Δt 4Δt Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 81 Schräger Wurf Wir betrachten die Bewegung eines Balls in einem Koordinatensystem mit horizontaler x -Achse und vertikaler y -Achse. Für die Komponenten des Beschleunigungsvektors gilt ax = 0 und a y = − g ( g =Erdbeschleunigung) Der Ball werde im Ursprung mit der Anfangsgeschwindigkeit v0 = | v0 | und einem Winkel ϕ zur horizontalen abgeworfen. Der Vektor der Anfangsgeschwindigkeit besitzt dann die Komponenten v0 x = v0 cos ϕ Hochschule Bremen und v0 y = v0 sin ϕ . Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 82 Aus a x = 0 folgt v x = v0 x Für die y -Komponente erhält man mit a y = − g v y = v0 y + a ⋅ t = v0 y − g ⋅ t Die Komponenten der Verschiebung lauten Δx = v0 x ⋅ t (x = x0 + v0 x ⋅ t ) 1 Δy = v0 y ⋅ t − g ⋅ t 2 2 1 ⎛ 2⎞ = + ⋅ + ⋅ y y v t a t ⎜ ⎟ y 0 0y 2 ⎝ ⎠ Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 83 Übungsaufgabe 5: Ein Ball werde unter einem Winkel ϕ = 37° zur Horizontalen mit einer Anfangsgeschwindigkeit v0 = 50 m/s in die Luft geworfen. 1) Wie lange ist der Ball in der Luft? 2) Welche horizontale Entfernung R (Reichweite) hat der Ball zurückgelegt? Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 84 Die allgemeine funktionale Abhängigkeit zwischen y und x , d.h. y (x) , ergibt sich durch Einsetzen von Δx (Δx = v0 x ⋅ t ) t= v0 x in 1 Δy = v0 y ⋅ t − g ⋅ t 2 2 zu 2 ⎛ Δx ⎞ 1 ⎛ Δx ⎞ ⎟⎟ − g ⎜⎜ ⎟⎟ Δy = v0 y ⎜⎜ ⎝ v0 x ⎠ 2 ⎝ v0 x ⎠ bzw. ⎛ v0 y ⎞ 1⎛ g ⎞ 2 ⎜ ⎟ ⎜ ⎟ ( ) ( ) y = y0 + ⎜ − − − x x x x 0 0 ⎟ ⎜ v2 ⎟ v 2 ⎝ 0x ⎠ ⎝ 0x ⎠ Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 85 y m 50 vy ey 40 vx ex vy ey vx ex vy ey 30 vx ex vx ex 20 vy ey vy ey 10 vx ex 40 vx ex 80 120 160 200 240 x m vy ey Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 86 Reichweite eines Projektils Für den Spezialfall identischer Anfangs- und Endhöhe kann eine allgemeine Formel für die Reichweite hergeleitet werden. x0 = 0, y0 = 0, y = 0 ⎛ v0 y ⎞ 1 ⎛ g ⎞ 2 ⎧⎛ v0 y ⎞ 1 ⎛ g ⎞ ⎫ ⎟⎟ x − ⎜⎜ 2 ⎟⎟ x = ⎨⎜⎜ ⎟⎟ − ⎜⎜ 2 ⎟⎟ x ⎬ x ⇒ 0 = ⎜⎜ 2 ⎝ v0 x ⎠ ⎝ v0 x ⎠ ⎩⎝ v0 x ⎠ 2 ⎝ v0 x ⎠ ⎭ Lösungen der quadratischen Gleichung sind x = 0 (Anfangsbedingung) und v0 x v0 y ⎛ v0 y ⎞ 1 ⎛ g ⎞ v02x v0 y ⎜ ⎟ ⎜ ⎟ 0=⎜ ⎟ − 2 ⎜ v2 ⎟ x ⇒ x = 2 g ⋅ v = 2 g v 0x ⎝ 0x ⎠ ⎝ 0x ⎠ Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus Einsetzen von v0 x = v0 cos ϕ und 87 v0 y = v0 sin ϕ sowie Umbenennen von x in die Reichweite R liefert 2v02 sin ϕ cos ϕ R= . g Nach Ausnutzen des Additionstheorems sin (ϕ1 + ϕ 2 ) = sin ϕ1 cos ϕ 2 + sin ϕ 2 cos ϕ1 für ϕ1 = ϕ 2 = ϕ , d.h. sin (2ϕ ) = 2 sin ϕ cos ϕ erhält man schließlich v02 R = sin (2ϕ ) . g Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 88 Aufgrund von sin (2(45° − Δϕ )) = sin (2(45° + Δϕ )) ist die Reichweite von Projektilen identisch, wenn ihr Abwurfwinkel um denselben Winkel nach oben oder unten von 45° abweicht. y 1' 2' 3' 3 2 1 x Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 89 Liegt der Auftreffpunkt eines Projektils niedriger als der Abwurfpunkt, so wird die Reichweite bei einem Winkel maximal, der kleiner als 45° ist. y 45° Wurfparabel flachere Wurfparabel Anfangshöhe x Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 90 Kreisbewegungen Zentripetalbeschleunigung Ein Satellit bewege sich mit der Geschwindigkeit v auf einer Kreisbahn mit dem Radius r um die Erde. Hochschule Bremen P1 , t = 0 v ⋅t r P2 ' P2 , t r Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus h 91 • Ohne Zentripetalbeschleunigung würde sich der Satellit in der Zeit t von Punkt P1 nach P2 bewegen. • Aufgrund der Beschleunigung bleibt der Satellit auf der Kreisbahn und erreicht in der Zeit t den Punkt P2 ', d.h. der Satellit „ fällt“ gewissermaßen um die Strecke h in Richtung des Kreismittelpunkts zurück. • Ursache dafür ist die Zentripetalbeschleunigung, die im folgenden hergeleitet wird. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 92 Aus der vorangegangenen Abbildung entnimmt man (r + h )2 = (vt )2 + r 2 r 2 + 2 r h + h 2 = v 2t 2 + r 2 h (2r + h ) = v 2t 2 Da für sehr kleine t auch h sehr klein und somit h << r ist, kann h gegenüber r in der Klammer vernachlässigt werden, so dass 2rh ≈ v 2t 2 oder nach h umgeformt 1 ⎛ v2 ⎞ 2 h ≈ ⎜⎜ ⎟⎟ t 2⎝ r ⎠ gilt. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 93 Da der Satellit auf einer Kreisbahn gehalten wird, muss andererseits eine betragsmäßig konstante zum Kreismittelpunkt gerichtete Beschleunigung vorliegen, d.h. 1 h = a zp t 2 2 Gleichsetzten der beiden Gleichungen liefert schließlich nach Umformen den Betrag der Beschleunigung v2 a zp = r (bei Verdoppelung von v bzw. r vervierfacht bzw. halbiert sich die Beschleunigung) Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 94 Übungsaufgabe 6: Ein Auto fahre um eine Kurve, deren Radius r = 30 m Beträgt. Durch Reibung trete eine maximale Zentripetalbeschleunigung von amax = 4,8 m/s2 auf. Mit welcher maximalen Geschwindigkeit kann das Auto die Kurve durchfahren? Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 95 Allgemeine Herleitung der Zentripetalbeschleunigung P1 Δr r1 Δs P2 Δϑ Δϑ v1 v1 v2 Δv r2 v2 Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 96 Der Geschwindigkeitsvektor v1 bzw. v2 steht im Punkt P1 bzw. P2 senkrecht auf dem Ortsvektor r1 bzw. r2 , d.h. v1 ⊥ r1 und v2 ⊥ r2 . ( v1 bzw. v2 ist Tangente an den Kreis im Punkt P1 bzw. P2 ) ⇒ Δϑ = ∠ (r1 , r2 ) = ∠ (v1 , v2 ) Somit gilt Δϑ = Δv Δs Δr ≈ = r r v wobei r = r1 = r2 den Radius des Kreises und v = v1 = v2 den Betrag der Geschwindigkeit bezeichnet. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 97 Beachtet man noch, dass Δs = v ⋅ Δt so erhält man v ⋅ Δt Δv Δϑ = ≈ r v oder Δv v2 ≈ Δt r oder nach Grenzübergang Δv v2 a zp = lim = Δt → 0 Δt r Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 98 Tangential- und Normalbeschleunigung y v at a x ex r a y ey a an ey x ex Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 99 Die Bewegung eines Massenpunktes auf einer beliebigen Bahn kann abschnittsweise, d.h. in kurzen Zeitintervallen, als Bewegung auf Kreisbögen aufgefasst werden. Der Vektor der Momentanbeschleunigung kann alternativ zur kartesischen Komponentendarstellung a x ex und a y e y in die normal Komponente an mit dem Betrag v2 v= v , r= r an = an = , r und die Tangentialkomponente, die die zeitliche Veränderung des Betrages der Geschwindigkeit beschreibt, d v dv at = = dt dt zerlegt werden. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 100 2.2 Grundgesetze der Dynamik In dem vorangegangenen Abschnitt zur Kinematik habe wir die Bewegung von Massepunkten geometrisch-analytisch beschrieben. • Wir wissen also, wie sich ein Massenpunkt bewegt. • Die Fragen nach den Ursachen können wir jedoch noch nicht beantworten. • Dieser Fragestellung widmet sich die Dynamik Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 101 2.2.1 Erstes Newtonsches Axiom Erstes Newtonsches Axiom (Trägheitsprinzip) Ein Körper bleibt in Ruhe oder bewegt sich mit konstanter Geschwindigkeit (Betrag und Richtung) weiter, wenn keine resultierende Kraft auf den Körper einwirkt. Die Eigenschaft eines Körpers seinen Bewegungszustand beizubehalten, bezeichnet man als Trägheit. Daher bezeichnet man das erste Newtonsche Axiom auch als Trägheitsgesetz. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 102 Früher (vor Galilei) nahm man an, dass stets eine Kraft wirken muss um einen Körper in Bewegung zu halten. Alltagserfahrung Ein gezogener Schlitten gleitet nach dem Loslassen ein Stück weiter und bleibt schließlich stehen. Galilei und Newton erkannten aber, dass sich der Schlitten aufgrund von Reibung nicht kräftefrei bewegt. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 103 Galilei Experiment (motiviert 1tes Newtonsches Axiom) h ϑ ϑ' Die Bälle bewegen sich unabhängig vom Neigungswinkel der Schräge fast wieder bis zu ihrer ursprünglichen Höhe h . Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 104 1) Je kleiner der Neigungswinkel ϑ wird, um so weiter rollt der Ball nach rechts. 2) Bei Vernachlässigung der Reibung wird der Ball auf einer horizontalen Ebene, d.h. ϑ = 0 , für immer und ohne Geschwindigkeitsänderung weiterrollen. Dieser Sachverhalt motivierte die Formulierung des ersten Newtonschen Axioms. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 105 Bezugssystem, Inertialsystem Das 1te Newtonsche Axiom unterscheidet nicht zwischen einem ruhenden und einem sich gradlinig gleichförmig, d.h. mit konstanter Geschwindigkeit (Betrag und Richtung), fortbewegenden Körper. Ob ein Körper ruht oder sich mit konstanter Geschwindigkeit bewegt, hängt von dem für die Betrachtung der Bewegung gewählten Koordinatensystem ab. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 106 Gedankenexperiment y' S' Eisenbahnwaggon Gegenstand Luftkissentisch O' a) x' Der Gegenstand befindet sich in dem Koordinatensystem S ', dessen Ursprung O' mit dem Waggon verbunden ist, in Ruhe. Hochschule Bremen y S Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 107 y' S ' v O' x' O b) x Der Gegenstand befindet sich relativ zum Waggon, d.h. relativ zum Bezugssystem S ' in Ruhe. Die Geschwindigkeit v wird relativ zum Koordinatensystem S , das mit den Schienen verbunden ist, gemessen. Relativ zum Bezugssystem S bewegt ich der Gegenstand mit der selben Geschwindigkeit v wie der Waggon nach rechts. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 108 y S y' ' S ' ' F a O' ' x' ' O c) x Der Eisenbahnwaggon starte zur Zeit t = 0 aus einer Ruheposition heraus. Der Gegenstand erfahre wegen des Luftkissens keine Reibung und bleibe relativ zum Bewegungssystem S in Ruhe, während sich der Luftkissentisch zusammen mit dem Waggon unter ihm hinwegbewegt. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 109 Im beschleunigten Bezugssystem S ' ' wird der Gegenstand mit − a nach hinten beschleunigt, d.h. er unterliegt ohne Krafteinwirkung einer horizontalen Beschleunigung. Um den Gegenstand im Bezugssystem S ' ' in Ruhe zu halten, ist die horizontale Kraft F nötig. ⇒ Das erste Newtonsche Axiom gilt nicht in beschleunigten Bezugssystemen. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 110 • Ein Bezugssystem heißt genau dann Inertialsystem, wenn das erste Newtonsche Axiom gilt. • Ein Bezugssystem, das sich relativ zu einem Inertialsystem mit konstanter Geschwindigkeit (Betrag und Richtung) bewegt, ist selbst auch ein Inertialsystem. • Ein mit der Erdoberfläche verbundenes Bezugssystem kann wegen der Erdbewegung genaugenommen kein Inertialsystem sein. • Ist die Erddrehung im Vergleich zum Zeitablauf eines Experiments vernachlässigbar langsam, so kann ein mit der Erdoberfläche verbundenes Bezugssystem in guter Näherung als Inertialsystem angesehen werden. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 111 2.2.2 Zweites Newtonsches Axiom Zweites Newtonsches Axiom (Aktionsprinzip) Die Beschleunigung eines Körpers ist umgekehrt proportional zu seiner Masse und direkt proportional zur resultierenden Kraft, die auf ihn wirkt, d.h. a= bzw. F m F = ma Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 112 • Eine Kraft ist die Größe, die einen Körper dazu bringt, seine Geschwindigkeit zu ändern, d.h. zu beschleunigen. • Die Kraft und die von ihr verursachte Beschleunigung zeigen in dieselbe Richtung. • Der Betrag der Kraft ist das Produkt aus der Masse und dem Betrag der Beschleunigung. • Wirken mehrere Kräfte gleichzeitig auf einen Körper ein, so beobachtet man, dass der Körper nur in eine Richtung beschleunigt wird, so als ob auch nur eine resultierende Kraft an ihm angreife. • Um die resultierende aus mehreren Teilkräften zu finden, setzt man diese unter Parallelverschiebung aneinander. Die Resultierende ist dann der Schlusspfeil des gebildeten Kraftecks. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 113 F' Beispiel: F2 F1 F2 F'' Fres F3 F1 Resultierende zweier Kräfte Hochschule Bremen Fres F4 Geometrische Addition von Kräften Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 114 F2 F3 F1 F1 F2 F3 Fres F4 Geometrische Addition von Kräften (das Krafteck) Hochschule Bremen Drei Kräfte im Gleichgewicht Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 115 Die Masse (genauer träge Masse) ist die jedem Körper innewohnende Eigenschaft, sich einer Beschleunigung zu widersetzen. Das Verhältnis zweier Massen kann wie folgt definiert werden. Eine Kraft F wirke auf zwei Körper der Masse m1 bzw. m2 und erzeuge die Beschleunigung a1 bzw. a2 , d.h. F = m1a1 und F = m2 a2 Gleichsetzen liefert F = m1a1 = m2 a2 und nach Umformen die Definition der Masse m1 a2 = m2 a1 Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 116 Mit diesem Gesetz können Massen verglichen, z.B. aus m2 = 2m1 und m3 = 4m1 ⇒ m3 = 2m2 , und eine Massenskala mittels eines Standartkörpers, dessen Masse man als Masseneinheit festlegt, definiert werden. Die Einheit der Kraft ist 1 Newton [N] und entspricht jener Kraft, die benötigt wird, um einen Körper der Masse 1kg mit 1m/s 2 zu beschleunigen. Aus den Definitionen der zuvor eingeführten Begriffe der Kraft und Masse folgt direkt das 2te Newtonsche Axiom dv d 2r =m 2 F = ma = m dt dt Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 117 Das 2te Newtonsche Axiom verbindet die • dynamischen Größen - Masse und Kraft mit den • kinematischen Größen - Beschleunigung, Geschwindigkeit und Verschiebung Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 118 Impuls Der Impuls ist definiert als p = mv Newton hat das 2te Axiom selbst etwas allgemeiner formuliert. Wenn eine Kraft auf einen Körper wirkt, so ändert sich sein Impuls. dp d (mv ) dm dv = = F= v +m dt dt dt dt Ist die Masse keine Funktion der Zeit, so gilt dp dv F= =m = ma dt dt Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 119 Übungsaufgabe 7: An einem Massenpunkt der Masse m = 0,4 kg greifen die Kräfte F1 = 2 N ex − 4 N e y und F2 = −2,6 N ex + 5 N e y an. Wo befindet sich der Massenpunkt bei t = 1,6 s und welche Geschwindigkeit besitzt er dann, wenn der Massenpunkt bei t = 0 s im Ursprung aus der Ruhe heraus startet? Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 120 Gewichtskraft Die Gewichtskraft FG eines Körpers ist die Gravitationskraft zwischen dem Körper und der Erde. Sie ist proportional zur Masse m und zur Erdbeschleunigung g , durch die das Gravitationsfeld der Erde definiert wird und die mit der Beschleunigung des freien Falls übereinstimmt, d.h. FG = m g Die Gewichtskraft ist keine körpereigene Eigenschaft. Sie ist wie die Beschleunigung ortsabhängig. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 121 2.2.3 Drittes Newtonsches Axiom Drittes Newtonsches Axiom (Reaktionsprinzip) Kräfte treten immer paarweise auf. Wenn ein Körper A eine Kraft auf einen Körper B ausübt, so wirkt eine gleich große, aber entgegengesetzt gerichtete Kraft von Körper B auf Körper A. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 122 Im Zusammenhang mit dem 3ten Newtonschen Axiom werden häufig die Begriffe • • Kraft und Gegenkraft verwendet, d.h. wenn ein Körper A eine Kraft auf einen Körper B ausübt, dann wird die Kraft, mit der B umgekehrt auf A einwirkt, als Gegenkraft bezeichnet. Kraft-Gegenkraft-Paar Körper FT ' Kraft Gegenkraft FG FT Hochschule Bremen FG ' Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 123 Die Gewichtskraft FG ist die Kraft, die von der Erde auf den Körper ausgeübt wird. Eine gleich große, aber entgegengesetzt gerichtete Kraft FG ' = − FG wirkt als Gegenkraft vom Körper auf die Erde. Der Tisch wiederum übt eine Kraft FT auf den Körper aus, da sonst der Körper nach unten beschleunigt würde. Der Körper wirkt seinerseits mit der Gegenkraft FT ' = − FT auf den Tisch ein. Kraft und Gegenkraft wirken auf verschiedene Körper, so dass sich diese Kräfte niemals gegeneinander aufheben können. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 124 2.2.4 Kräfte und Scheinkräfte Fundamentalkräfte Alle Kräfte, denen wir in der Natur begegnen, können durch vier grundlegende Wechselwirkungen erklärt werden. • Gravitationswechselwirkung • elektromagnetische Wechselwirkung • starke Wechselwirkung (Protonen und Neutronen, die den Zusammenhalt des Atomkerns bewirken) • schwache Wechselwirkung (zwischen Elektron und Proton oder Neutron) Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 125 Die meisten Kräfte, die auf makroskopische Gegenstände des Alltags einwirken, wie die Kontaktkräfte, die von Federn, Seilen oder Oberflächen ausgeübt werden, beruhen auf molekularen Kräften. Sie sind letztlich eine Folge elektromagnetischer Wechselwirkungen. Für die meisten Anwendungen ist eine empirische Beschreibung des makroskopischen Verhaltens hinreichend. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 126 Kontaktkräfte Federkraft (Rückstellkraft) Ein zusammengedrückte oder auseinandergezogene Feder nimmt nach dem Loslassen ihre ursprüngliche Form an, vorausgesetzt, die Stauchung oder Dehnung war nicht zu groß. Bei zu großen Auslenkungen, d.h. oberhalb einer gewissen Grenze, wird die Feder dauerhaft verformt. Experimentell beobachtet man, dass bei kleinen Auslenkungen Δx die Federkraft proportional zu Δx ist und entgegen der Auslenkungsrichtung wirkt. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 127 Dieser Sachverhalt ist als Hooksches Gesetz Fx = −c ( x − x0 ) = −c Δx bekannt, wobei die Proportionalitätskonstante c als Federkonstante bezeichnet wird. Körper x = x0 Fx = 0 x a) Wenn die Feder weder gedehnt noch gestaucht ist, übt sie auch keine Kraft auf den Körper aus. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 128 Δx Fx = −c Δx ist negativ da Δx positiv Fx x x = x0 b) Wenn die Feder gedehnt wird, d.h. Δx > 0 ,dann greift die Kraft in negativer x-Richtung mit dem Betrag c Δx am Körper an. Δx Fx = −c Δx ist positiv, da Δx negativ Fx x x = x0 c) Wenn die Feder gestaucht wird, d.h. Δx < 0 ,dann greift die Kraft in positiver x-Richtung mit dem Betrag c | Δx | am Körper an. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 129 Normalkraft, Hangabtriebskraft y FH FE x ϑ FN Hochschule Bremen ϑ FG = m g Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 130 Die Gewichtskraft führt bei Körpern auf einer schiefen Ebene mit dem Neigungswinkel ϑ zu einer senkrecht auf die schiefe Ebene wirkenden Kraft, der Normalkraft FN , mit dem Betrag FN = m g cos ϑ und zu einer parallel zur schiefen Ebene gerichteten beschleunigenden Kraft, der Hangabtriebskraft FH mit dem Betrag FH = m g sin ϑ Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 131 Übungsaufgabe 8: Bestimmen Sie die Beschleunigung eines Körpers der Masse m, der eine schiefe Ebene mit dem Neigungswinkel ϑ = 30° reibungsfrei hinabgleitet. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 132 Festkörperreibungskraft Körper F Boden FR , H Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 133 Beim Versuch, einen großen Gegenstand zu schieben, wirkt die Reibung einer Bewegung entgegen. Der Boden übt eine Haftreibungskraft FR , H aus, die die aufgewendete Kraft ausgleicht, so lange F < FR , H max. Intuitiv könnte man vermuten, dass die Haftreibungskraft proportional zur Größe der Berührungsfläche ist. Experimentell zeigt sich jedoch, dass die Haftreibung • nicht von der Größe der Berührungsfläche abhängt • proportional zur Normalkraft ist, die eine Oberfläche auf die andere ausübt • von der Oberflächenbeschaffenheit der beteiligten Körperflächen abhängt. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 134 Die maximale Haftreibungskraft ergibt sich folglich zu FR , H max = μ H FN wobei der Proportionalitätsfaktor μ H als Haftreibungszahl bezeichnet wird und von der Oberflächenbeschaffenheit der Berührungsfläche abhängt. Allgemein gilt für die Haftreibungskraft FR , H ≤ μ H FN Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 135 Bei einer Kraft F > FR , H max gerät der Gegenstand in Bewegung. Um den Gegenstand mit konstanter Geschwindigkeit weiterbewegen zu können, muss jetzt eine Kraft aufgebracht werden, die die Gleitreibungskraft kompensiert, d.h. Gleitreibung wirkt ebenfalls der Bewegung entgegen. Die Gleitreibung ist definiert als FR ,G = μ G FN wobei μ G die Gleitreibungszahl angibt. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 136 Experimentell ergibt sich • μ G ist kleiner μ H • μ G hängt von der Relativgeschwindigkeit der Oberflächen ab. Im Geschwindigkeitsbereich von 1cm/s bis zu mehreren Metern pro Sekunde kann es als näherungsweise konstant angesehen werden. • μ G hängt wie μ H von der Beschaffenheit der Kontaktflächen, nicht aber von der Größe der makroskopischen Fläche ab. Hochschule Bremen FR Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 137 FR , H max = μ H FN Reibungskraft FR ,G = μ G FN FR , H = F eingesetzte Kraft Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus F 138 Übungsaufgabe 9: Eine Kiste gleite auf einem horizontalen Fußboden entlang. Aus einer Anfangsgeschwindigkeit von 2,5 m/s komme die Kiste nach 1,4 m zum Stillstand. Bestimmen Sie die Gleitreibungszahl. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 139 Eine dritte Variante der Festkörperreibung ist die sogenannte Rollreibung. Während z.B. ein Autoreifen rollt, müssen sich die Kontaktflächen ständig voneinander lösen. Außerdem verformt sich die Oberfläche. Wie bei der Gleitreibung, erfasst man alle zur Rollreibung beitragenden Einflüsse pauschal durch eine Rollreibungszahl μ R , wobei die Rollreibungskraft vereinfacht durch FR , R = μ R FN definiert ist. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 140 Übungsaufgabe 10: Ein Auto fahre mit 30 m/s eine horizontale Straße entlang. Die Reibungszahlen zwischen der Straße und den Reifen seien μH= 0,5 und μG = 0,3. Wie lang ist der Bremsweg, wenn a) die Reifen sich gerade noch drehen, b) die Räder blockieren? Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 141 Scheinkräfte, Trägheitskräfte Die Newtonschen Gesetze gelten nur in Inertialsystemen, d.h. in ruhenden oder gradlinig gleichförmig bewegten Bezugssystemen. Sie gelten nicht in beschleunigten Bezugssystemen. Sie lassen sich aber trotzdem anwenden, wenn man Scheinkräfte einführt, die von der Beschleunigung des Bezugssystems abhängen. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 142 Translationsbeschleunigte Bezugssysteme Gegenstand auf Luftkissentisch im beschleunigten Eisenbahnwaggon. y y' ' S ' ' S FS F m a O' ' x' ' O x Das 2te Newtonsche Axiom kann im Bezugssystem des Waggons nur dann angewendet werden, wenn wir die Scheinkraft (Trägheitskraft) FS = − m a einführen. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 143 d‘Albertsches Prinzip In Bezug auf ein mit einem beschleunigten Körper mitbewegtes Bezugssystem befindet sich dieser in Ruhe. Die Vektorsumme aller am Körper angreifender Kräfte Fn (n = 1, 2,…, N ) einschließlich der Scheinkraft FS = −m a ist stets gleich Null N ∑F n =1 Hochschule Bremen n + FS = Fres + FS = Fres − m a = 0 Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 144 Übungsaufgabe 11: Welche Kräfte wirken auf eine Person die sich in einem frei fallenden Aufzug befindet? Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 145 Rotierende Bezugssysteme Eine mit einer rotierenden Scheibe fest verbundenes Bezugssystem ist kein Inertialsystem, denn jeder Punkt auf der Scheibe bewegt sich auf einer Kreisbahn und besitzt demzufolge eine Zentripetalbeschleunigung. 1tes Experiment: Ein Körper ist über ein Seil mit dem Mittelpunkt einer rotierenden Scheibe verbunden. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 146 a) Für einen neben der Scheibe stehenden Beobachter (INS) bewegt sich der Körper auf einer Kreisbahn mit der Zentripetalbem schleunigung, die von a der Zugkraft (der ZenF v tripetalkraft) zp zp Fzp = Fzp v2 = m a zp = m r im Seil aufgebracht wird. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 147 b) Für einen Beobachter auf der Scheibe befindet sich der Körper in Ruhe. Damit das 2te NewtonscheAxiom gilt, muss eine F Scheinkraft, die Zentrim fugalkraft zf Fzp Fzf = − Fzp v2 Fzf = Fzf = Fzp = m r eingeführt werden, die nach außen wirkt und die Zentripetalkraft ausgleicht. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 148 Damit das zweite Newtonsche Axiom in rotierenden Bezugssystemen gilt, muss neben der Zentrifugalkraft noch eine weitere von der Geschwindigkeit des Körpers abhängende Scheinkraft, die Coriolis-Kraft, eingeführt werden. 2tes Experiment: Vom Zentrum einer rotierenden Scheibe wird eine Kugel mit der Geschwindigkeit v horizontal abgeworfen. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 149 a) In einem Inertialsystem bewegt sich die Kugel geradlinig und verpasst den Fänger, weil sich dieser mit der Scheibe weggedreht hat. Fänger Fänger Werfer Werfer t = t0 + Δt t = t0 Beobachter Hochschule Bremen Beobachter Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 150 b) Im Bezugssystem der rotierenden Scheibe ist der Fänger in Ruhe und die Kugel wird nach rechts abgelenkt. Die Scheinkraft, die die Kugel von der gradlinigen Bahn abbringt, heißt Coriolis-Kraft. t = t0 t = t0 + Δt Δs Fänger Fänger Werfer Werfer Beobachter Beobachter Hochschule Bremen r Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 151 Die Coriolis-Beschleunigung/Kraft erhält man wie folgt Verschiebung: für t0 = 0, s0 = 0 ⇒ radial r = vt lateral s = vω t 2 Δs = s − s0 = s, Δt = t − t0 = t gilt (r = v Δt ) (Δs = r 2π n Δt = r ω Δt = v ω Δt ) 2 wobei n = T1 die Drehzahl, ω = 2Tπ die Winkelgeschwindigkeit und T die Dauer einer Umdrehung bezeichnet. Coriolis-Beschleunigung: Coriolis-Kraft: Hochschule Bremen d 2s ac = ac = 2 = 2 v ω dt Fc = Fc = m ac = 2 m v ω Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 152 Beispiel: a) Einfluss der Zentrifugalbeschleunigung auf die Erdbeschleunigung. Hochschule Bremen b) Wirkung der Coriolis-Kraft auf der Erde. Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 153 2.3 Arbeit und Energie 2.3.1 Arbeit • In der Physik besitzt Arbeit eine eindeutige Definition, die von unserem alltäglichen Sprachgebrauch abweicht. • Arbeit wird nur dann von einer Kraft verrichtet, wenn sich der Angriffspunkt eine gewisse Strecke bewegt. • Voraussetzung dafür ist, dass die Kraft eine Komponente in Richtung des Weges besitzt. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 154 1dimensionale Bewegung bei konstanter Kraft Eine konstante Kraft vom Betrag F wirkt auf einen Körper unter dem Winkel ϑ entlang der Strecke Δx . F ϑ x Δx Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 155 Wir definieren die Arbeit, die eine Kraft an einem Körper verrichtet, als das Produkt aus der Kraftkomponente in Bewegungsrichtung und der Verschiebung, d.h. W = Fx Δx = F cos ϑ Δx Die Arbeit ist eine skalare Größe W > 0 , wenn Fx und Δx gleiches Vorzeichen W < 0 , wenn Fx und Δx unterschiedliches Vorzeichen Die Dimension der Arbeit ist Kraft mal Länge. Ihre SI-Einheit ist das Joule [J ], definiert als 1J = 1Nm. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 156 Zusammenhang zwischen der an einem Massenpunkt verrichteten Arbeit und seiner Anfangs- und Endgeschwindigkeit Für die Kraft in Bewegungsrichtung Fx besagt das 2te Newtonsche Gesetz Fx = m a x Wegen Fx = const ist auch a x = const . Bei konstanter Beschleunigung kann die Verschiebung Δx des Massenpunktes durch seine Anfangsgeschwindigkeit va und Endgeschwindigkeit ve ausgedrückt werden. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 157 ve2 = va2 + 2 a x Δx Die am Massenpunkt verrichtete Arbeit ist W = Fx Δx = m a x Δx und nach Einsetzen von a x Δx = schließlich W= Hochschule Bremen ( 1 2 2 ve − va 2 ( 1 m ve2 − va2 2 ) ) Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 158 Übungsaufgabe 12: Eine Kiste der Masse 4 kg werde aus der Ruheposition heraus von einer aufwärts gerichteten Kraft F = 60 N eine Höhe Δy = 3 m nach oben gezogen. Bestimmen Sie a) die von der eingesetzten Kraft verrichtete Arbeit, b) die von der Gravitation verrichtete Arbeit, c) Die Endgeschwindigkeit der Kiste. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 159 Arbeit gegen ortsunabhängige Kräfte Hubarbeit gegen die Gewichtskraft Kraft: F =mg Weg: Δy = y2 − y1 y y2 F Δy Verrichtete Arbeit: W = m g Δy (nur abhängig von der Höhendifferenz Δy ) Hochschule Bremen y1 FG Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 160 Arbeit auf reibungsfreier schiefer Ebene Kraft: F = m g sin ϑ Weg: s = Δx 2 + Δy 2 = y Δy sin ϑ FH Δy ϑ y1 Verrichtete Arbeit: W = m g sin ϑ s = m g sin ϑ y2 F FG FN Δy = m g Δy sin ϑ (nur abhängig von der Höhendifferenz Δy ) Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 161 Festkörperreibungsarbeit gegen die Reibungskraft Kraft: F = μ FN = μ m g Weg: Δx = x2 − x1 FR F Verrichtete Arbeit: W = μ m g Δx x FN = FG (Reibungszahl μ auf Weg konstant) Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 162 Beschleunigungsarbeit ohne Reibung Kraft: F = ma Weg: Δx = ( 1 2 2 v2 − v1 2a ) F Verrichtete Arbeit: 1 W = m(v22 − v12 ) 2 x (nur abhängig von Anfangs- und Endgeschwindigkeit) Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 163 1dimensionale Bewegung bei veränderlicher Kraft Die von einer konstanten Kraft verrichtete Arbeit entspricht dem Flächeninhalt der durch die x-Achse und die Kraft-Weg-Kurve begrenzten Fläche. Fx W = Fx Δx x1 x2 Δx Hochschule Bremen x Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 164 Oftmals sind die Kräfte jedoch nicht konstant, sondern ortsabhängig, wie z.B. die • Federkraft (die Federkraft ist proportional zur Auslenkung) • Gravitationskraft (die Gravitationskraft nimmt mit 1 / r 2 ab, r Abstand zum Erdmittelpunkt) Die Interpretation der Arbeit als Flächeninhalt der durch die x-Achse und die Kraft-Weg-Kurve begrenzten Fläche motiviert bei veränderlicher Kraft die folgende Berechnungsweise der verrichteten Arbeit. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 1) Intervall [x1 , x2 ] in viele kleine Intervalle Δxi einteilen. 165 2) Für x ∈ Intervall Δxi ist Fx (x ) ≈ Fx (xi ) für i = 1, 2,… ⇒ W ≈ ∑ Fx ( xi )Δxi i Fx (xi ) Fx ( xi ) Δxi xi x1 Hochschule Bremen Δxi x2 x Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 166 Die Summe aller Rechteckflächen nähert sich bei Verfeinerung der Intervallzerlegung Δxi → 0, i = 1, 2,… immer mehr dem tatsächlichen Flächeninhalt unter der Kurve an, d.h. W = lim Δxi →0 x2 ∑ F (x )Δx = ∫ F ( x) dx x i i i x x1 wobei der Grenzwert als Integral von Fx (x) über x bezeichnet wird. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 167 Übungsaufgabe 13: Ein Körper der Masse 4 kg sei auf einem reibungsfreien Tisch mit einer horizontal liegenden Feder verbunden, die von der Gleichgewichtslage bei x2 = 0 cm auf x1 = -5 cm zusammengedrückt und danach losgelassen wird. Bestimmen Sie a) die Arbeit, die die Feder am Körper verrichtet b) die Geschwindigkeit des Körpers bei x2. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 168 Arbeit gegen ortsabhängige Kräfte Verformungsarbeit Kraftgesetz: FF = −c x x F F = −FF FF F W x1 x2 x Δx 1 Verrichtete Arbeit: W = c(x22 − x12 ) 2 Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 169 Hubarbeit gegen die Gravitationskraft Kraftgesetz: F FG = −γ G mM r2 F m dr F = −FG FG M W r1 r2 Δr Verrichtete Arbeit: Hochschule Bremen r r ⎛1 1⎞ W = γ G m M ⎜⎜ − ⎟⎟ ⎝ r1 r2 ⎠ Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 170 3dimensionale Bewegung Ein Massenpunkt bewege sich entlang einer beliebigen Bahn im Raum. s s v Δs v Ft ( s) s2 s2 ϕ F ( s) F ( s) s1 Hochschule Bremen s1 Fn ( s) Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 171 • Die Normalkomponente Fn ⊥ v ändert die Bewegungsrichtung des Massenpunktes, nicht aber dessen Geschwindigkeit. • Die Tangentialkomponente Ft || v bewirkt eine Geschwindigkeitsänderung ohne Richtungsänderung. ⇒ Nur die Tangentialkomponente verrichtet Arbeit. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 172 Approximation der Bahnkurve durch Aneinanderreihung von Δsi = Δri = ri +1 − ri y s Δsi s2 ri +1 ri s1 x Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 173 Die von der Kraft an dem Massenpunkt verrichtete Arbeit berechnet sich für kleine Δsi = Δsi über die Tangentialkomponente Ft (si ) = Ft (si ) zu W ≈ ∑ Ft (si ) Δsi i bzw. nach Grenzübergang W = lim Δsi →0 s2 ∑ F (s ) Δs = ∫ F (s ) ds t i i i t s1 Für die Tangentialkomponente gilt nach dem 2ten Newtonschen Gesetz dv Ft = m at = m dt Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 174 Betrachtet man nun die Strecke s (Bogenlänge) als Funktion der Zeit t und die Geschwindigkeit als die Funktion der Strecke s, d.h. s = s (t ), v = v( s ) = v(s (t ) ) dann liefert die Kettenregel der Differentialrechnung dv dv dv ds = =v ds dt ds dt da ds / dt der Geschwindigkeit v entspricht. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 175 Die verrichtete Arbeit ergibt sich nach Einsetzen zu s2 s2 s1 s1 W = ∫ Ft ( s ) ds = ∫ m v ( s2 ) dv ds dt v 2 dv = ∫ m v ds = ∫ m v dv ds v ( s1 ) v1 v ( 2 1 1 2 = mv = m v22 − v12 2 2 v1 Hochschule Bremen ) Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 176 Skalarprodukt Das Skalarprodukt zweier beliebiger Vektoren a und b ist definiert als ( ) a ⋅ b = a b cos ϕ mit ϕ = ∠ a , b Geometrische Veranschaulichung a cos ϕ b ϕ ϕ a ϕ a Hochschule Bremen b b a |b | cos ϕ Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 177 Komponenten Darstellung (kartesische Basis ex , e y , ez ) a = a x ex + a y e y + a z ez , b = bx ex + by e y + bz ez mit dem Kommutativ- und Distributivgesetz gilt a ⋅ b = (a x ex + a y e y + a z ez )⋅ (bx ex + by e y + bz ez ) = a x bx (ex ⋅ ex ) + a y bx (e y ⋅ ex ) + a z bx (ez ⋅ ex ) + a x by (ex ⋅ e y ) + a y by (e y ⋅ e y ) + a z by (ez ⋅ e y ) + a x bz (ex ⋅ ez ) + a y bz (e y ⋅ ez ) + a z bz (ez ⋅ ez ) = a x bx + a y by + a z bz wegen ex ⋅ ex = e y ⋅ e y = ez ⋅ ez = 1, ex ⋅ e y = ex ⋅ ez = e y ⋅ ez = 0 Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 178 Allgemeine Definition der Arbeit Mit Hilfe des Skalarprodukts lässt sich die Arbeit dW, die eine Kraft während einer kleinen Verschiebung ds verrichtet, schreiben als dW = Ft ds = F cos ϕ ds = F ⋅ ds Die Arbeit, die bei der Bewegung eines Massenpunktes von einem Punkt1 zum Punkt2, d.h. von s1 nach s2 , verrichtet wird ist daher s2 W = ∫ F ⋅ ds s1 Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 179 2.3.2 Energie Der Begriff der Energie ist eng mit dem Begriff der Arbeit verbunden. Die Energie eines Körpers oder Systems beschreibt die Fähigkeit Arbeit zu verrichten. 1) kinetische Energie (Bewegungsenergie) 2) potentielle Energie (Lageenergie, Spannungsenergie) 3) Wärmeenergie (molekulare Bewegung, Temperatur) Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 180 Kinetische Energie Ein mit einer Anfangsgeschwindigkeit v verschobener Wagen der Masse m kann eine Schiefe Ebene hinauffahren und damit Hubarbeit verrichten. Die Fähigkeit, Arbeit zu verrichten, d.h. die Energie (Arbeitsvorrat), steckt offensichtlich in der Bewegung des Wagens, die durch Beschleunigungsarbeit hervorgerufen wurde. Man nennt diese Energieform daher Bewegungsenergie oder kinetische Energie. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 181 1 m v2 2 Die Energie wird wie die sie verändernde Arbeit in der Maßeinheit 1J angegeben. Ekin = Die an einem Massenpunkt verrichtete Beschleunigungsarbeit entspricht der Änderung der kinetischen Energie des Massenpunktes. W = ΔEkin = Ekin,e − Ekin,a = Hochschule Bremen ( 1 1 1 m ve2 − m va2 = m ve2 − va2 2 2 2 Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus ) 182 Potentielle Energie Die potentielle Energie kann als „gespeicherte“ Arbeit angesehen werden, die gegen eine Kraft, z.B. die – Gravitationskraft – Federkraft verrichtet wurde und sich in Form von kinetischer Energie (Beschleunigungsarbeit) wieder „zurückgewinnen“ lässt. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus Lageenergie Epot = Epot,0 + m g y mit Epot,0 = 0 und y = h gilt Epot = m g h y Epot 183 Spannungsenergie 1 Epot = c x 2 2 wobei sich die Feder bei x = 0 in ihrer Gleichgewichtslage befindet. h FG Epot,0 x 0 x x=0 FG Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 184 Konservative Kräfte Definition: Eine Kraft heißt konservativ, wenn die gesamte Arbeit entlang eines geschlossenen Weges gleich null ist. eine gleichwertige Alternative Definition lautet Definition: Die Arbeit, die eine konservative Kraft an einem Massenpunkt verrichtet, ist unabhängig vom Weg, auf dem sich der Massenpunkt von einem Ort zum anderen bewegt. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 185 Beispiel Gravitationsfeld Weg A konservative Kräfte – Gravitationskraft – Federkraft 2 Weg B 1 Weg C Hochschule Bremen nichtkonservative Kräfte – Reibungskräfte – Kräfte die man z.B. beim Ziehen und Schieben einsetzt. Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 186 2.3.3 Energieerhaltung Erhaltung der mechanischen Energie Verrichten nur konservative Kräfte Arbeit an einem Massenpunkt, dann ist die Arbeit gleich der Abnahme der potentiellen Energie und damit der Zunahme der kinetischen Energie des Massenpunktes d.h. Hochschule Bremen Die Summe W = ∫ F ⋅ ds = −ΔEpot = ΔEkin ΔEkin + ΔEpot = 0 Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 187 E = Ekin + Epot bezeichnet man als mechanische Gesamtenergie. Wenn also nur konservative Kräfte wirken, bleibt die mechanische Gesamtenergie des Massenpunktes wegen ΔEkin + ΔEpot = 0 konstant, d.h. die Erhaltung der mechanischen Energie E = Ekin + Epot = const. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 188 Anwendung des Energieerhaltungssatzes Ein Körper der Masse m bewege sich unter dem Einfluss einer konservativen Kraft in y-Richtung. Mit 12 m v 2 für die kinetische Energie und Epot ( y ) für die potentielle Energie lautet der Erhaltungssatz der Mechanik E = 12 m v 2 + Epot ( y ) Umformen liefert bei bekannter Gesamtenergie die Geschwindigkeit 2 ( E − Epot ( y )) v= m als Funktion von y. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 189 Beispiel: y h 0 x Epot (0) sei zu 0 festgelegt ⇒ Epot (h) = m g h sowie Ekin (h) = 0 und Ekin (0) = m g h Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 190 In einer beliebigen Höhe y ist Epot ( y ) = m g y Demzufolge kann die Geschwindigkeit v durch den Energieerhaltungssatz 1 2 m v2 + m g y = E = m g h gemäß v = 2 g (h − y ) bestimmt werden. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 191 Übungsaufgabe 14: Ein Körper der Masse m werde an eine ungedehnte Feder gehängt und dann fallengelassen. Bestimmen Sie die maximale Strecke ymax, die der Körper nach unten fällt, bevor er sich wieder nach oben bewegt. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 192 Verallgemeinerter Energiesatz der Mechanik Die mechanische Energie bleibt nicht erhalten, wenn neben konservativen Kräften auch nichtkonservative Kräfte Arbeit verrichten. Auf einen Massenpunkt wirke, z.B. eine nichtkonservative Kraft Fnk und eine konservative Kraft Fk , so dass für die resultierende Kraft gilt F = Fnk + Fk Die von diesen Kräften verrichtete Arbeit entspricht der Änderung der kinetischen Energie, d.h. W = ∫ Fnk ⋅ ds + ∫ Fk ⋅ ds = Wnk + Wk = ΔEkin Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 193 Für die von der konservativen Kraft verrichtete Arbeit gilt Wk = ∫ Fk ⋅ ds = − ΔEpot so dass wir nach Einsetzen, den verallgemeinerten Energieerhaltungssatz der Mechanik erhalten. Wnk = ΔEpot + ΔEkin = ΔE wobei E = Epot + Ekin ≠ const. die mechanische Gesamtenergie des Systems angibt. Die von einer nichtkonservativen Kraft an einem Massenpunkt verrichtete Arbeit entspricht der Änderung der mechanischen Gesamtenergie des Systems. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 194 Übungsaufgabe 15: Eine Kiste der Masse m = 40 kg rutsche von einer Höhe h = 4 m eine schiefe Ebene herunter, die einen Winkel mit der Horizontalen von ϕ = 30° bildet. Die Gleitreibungszahl sei μG= 0,2. Wie schnell bewegt sich die Kiste, wenn sie den Boden, d.h. h = 0 m, erreicht? Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 195 2.3.4 Leistung Leistung verbindet die Größe Arbeit mit dem Zeitaufwand, der für die Arbeit erforderlich ist. ⇒ Leistung stellt ein Maß für die Effektivität des Arbeitsvorgangs dar. ⇒ Leistung gibt an, wie schnell Energie von einem System auf ein anderes übertragen wird. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 196 Ein Massenpunkt besitze die Momentangeschwindigkeit v . Während eines kurzen Zeitintervalls dt verschiebt der Massenpunkt um ds = v dt und eine Kraft F verrichtet die Arbeit dW = F ⋅ ds = F ⋅ v dt Die pro Zeiteinheit verrichtete Arbeit entspricht der Leistung dW P= = F ⋅v dt Die SI-Einheit der Leistung, Joule pro Sekunde [J/s], heißt Watt [W]. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 197 Übungsaufgabe 16: Ein Wagen der Masse m = 1 t fahre mit einer konstanten Geschwindigkeit von 100 km/h einen Berg mit einer Steigung von 10% hinauf. Auf den Wagen wirke eine Gesamtreibungskraft von 700 N (Rollund Luftwiderstand). Welche Leistung muss der Wagen mindestens aufBringen? Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 198 2.4 Massenpunktsysteme/Impulserhaltung 2.4.1 Massenmittelpunkt Massenmittelpunkt eines 2 Massenpunktsystems a) gleiche Masse m1 = m 0 b) m2 = m xS x1 x2 x ungleiche Masse m1 = 2m 0 Hochschule Bremen m2 = m xS x1 x2 x Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 199 Diese anschaulichen Beispiele motivieren die Definition der Koordinate xS des Massenmittelpunkts durch mges xS = m1 x1 + m2 x2 bzw. xS = wobei m1 x1 + m2 x2 mges mges = m1 + m2 die Gesamtmasse des Massenpunktsystems bezeichnet. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 200 Definition des Massenmittelpunkts für diskrete Systeme Verallgemeinerung des 2 Massenpunktsystems einer Dimension auf ein N Massenpunktsystem in drei Dimensionen liefert für die Koordinaten von S = ( xS , y S , z S ) die Beziehung N mges xS = m1 x1 + m2 x2 + … + mN x N = ∑ mn xn n =1 N mges y S = m1 y1 + m2 y2 + … + mN y N = ∑ mn yn n =1 und Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 201 N mges z S = m1 z1 + m2 z 2 + … + mN z N = ∑ mn z n n =1 oder in Vektorschreibweise mit den Ortsvektoren T rn = xn ex + yn e y + z n ez = ( xn , yn , z n ) für die n = 1, 2, … , N Massenpunkte den Ausdruck N mges rS = m1 r1 + m2 r2 + … + mN rN = ∑ mn rn wobei n =1 rS = xS ex + y S e y + z S ez = ( xS , y S , z S ) T den Ortsvektor des Massenmittelpunkts S = ( xS , y S , z S ) angibt. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 202 Übungsaufgabe 17: Die Kugel A, B und C mit den Massen mA = 300 g, mB = 100 g und mC = 100 g sind durch masselose Stäbe verbunden und besitzen die kartesischen Koordinaten PA = (2,2), PB = (2,2) und Pc = (2,2). Wo liegt der Massenmittelpunkt? Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 203 Definition des Massenmittelpunkts für kontinuierliche Systeme Durch Integration über alle dm, d.h. für ein Kontinuum geht die Summe in ein Integral über, ergibt sich der Massenmittelpunkt zu mges rS = ∫ r dm Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 204 Übungsaufgabe 18: Gegeben sei ein homogener (gleichmäßige Massenverteilung) quaderförmiger Stab der Querschnittsfläche A und Länge l. Bestimmen Sie den Massenmittelpunkt des Stabes. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 205 Potentielle Energie eines Systems Es sei yn die Höhe des n-ten Massenpunkts über dem Boden (Bezugshöhe), dann ist die potentielle Energie des Massenpunktsystems gegeben durch N N N n =1 n =1 Epot = ∑ FG ,n yn = ∑ mn g yn = g ∑ mn yn Da n =1 N ∑m n =1 gilt auch Hochschule Bremen n yn = mges y S Epot = mges g y S Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 206 Übungsaufgabe 19: Zwei durch eine dünne Stange verbundene Massen m1 und m2 befinden sich im Gleichgewicht, wenn man die Drehachse in den Massenmittelpunkt legt. Wo liegt der Massenmittelpunkt, wenn sich der Drehpunkt nicht im Massenmittelpunkt befindet? Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 207 Bewegung des Massenmittelpunkts Die Bewegung eines Körpers (Massenpunktsystems) ist allgemein sehr komplex, z.B. die translatorischen und rotatorischen Bewegungen einer in die Höhe geworfenen Münze. Zur Beschreibung der translatorischen Bewegung (der Bahn oder Trajektorie) eines Körpers genügt es die Bewegung des Massenmittelpunktes zu betrachten. Aus der Definitionsgleichung für den Massenmittelpunkt N mges rS = ∑ mn rn n =1 Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 208 erhält man durch differenzieren nach der Zeit die Geschwindigkeit N N drS drn oder mges vS = ∑ mn vn mges = ∑ mn dt n =1 dt n =1 und nach nochmaligem differenzieren die Beschleunigung N mges aS = ∑ mn an n =1 des Massenmittelpunktes, wobei Fn = mn an die am n-ten Massenpunkt angreifende resultierende Kraft angibt. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 209 Die auf den n-ten Massenpunkt wirkende Kraft setzt sich aus • inneren Kräften, durch Wechselwirkung mit anderen Massenpunkten des Systems sowie • äußeren Kräften, durch äußere Beeinflussung des Systems entsprechend N a Fn = Fn + ∑ Fni,l l =1,l ≠ n zusammen, wobei Fna die resultierende äußere und Fni,l die innere vom l-ten auf den n-ten Massenpunkt ausgeübte Kraft bezeichnet. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 210 Einsetzen in die obige Gleichung liefert N N N mges as = ∑ Fn = ∑ F + ∑ n =1 a n n =1 N i F ∑ n ,l n =1 l =1,l ≠ n Wegen des 3ten Newtonschen Axioms gilt Fni,l = − Fl i,n d.h., wenn der l-te Massenpunkt eine Kraft Fni,l auf den n-ten Massenpunkt ausübte dann übt der n-te Massenpunkt eine gleichgroße entgegengesetzte Kraft Fl i,n = − Fni,l auf den l-ten Massenpunkt aus, und demN N zufolge ist ∑ ∑ Fni,l = 0 n =1 l =1,l ≠ n Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 211 Das 2te Newtonsche Axiom für ein Massenpunktsystem lautet schließlich N F = ∑ Fna = mges aS a n =1 der Massenmittelpunkt eines Systems bewegt sich unter dem Einfluss der resultierenden äußeren Kraft wie ein Massenpunkt mit der Masse N mges = ∑ mn n =1 Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 212 2.4.2 Impulserhaltung Der Impuls eines Massenpunktes ist definiert als p = mv Er kann interpretiert werden als ein Maß für die Schwierigkeit einen in Bewegung befindlichen Massenpunkt in den Ruhezustand zu versetzen. Beispiel: Für einen LKW und PKW mit mLKW >> mPKW und vLKW = vPKW folgt FLKW >> FPKW . Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 213 Das 2te Newtonsche Axiom lässt sich auch verallgemeinert als Funktion des Impulses durch dp d (mv ) dm dv = = F= v +m dt dt dt dt bzw. bei Zeitunabhängigkeit der Masse durch dp dv =m F= dt dt darstellen, d.h. die auf einen Massenpunkt wirkende resultierende äußere Kraft ist gleich der zeitlichen Änderung des Impulses dieses Massenpunktes. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 214 Gegeben seien nun zwei Massenpunkte die entsprechend dem 3ten Newtonschen Axiom aufeinander gleichgroße aber entgegengesetzt gerichtete Kräfte ausüben. Für die Kraft von Massenpunkt 1 auf 2 bzw. Massenpunkt 2 auf 1 gilt dp dp F2,1 = 1 bzw. F1, 2 = 2 dt dt und wegen F2,1 = − F1, 2 über dp dp d ( p1 + p2 ) F2,1 + F1, 2 = 1 + 2 = =0 dt dt dt die Beziehung p1 + p2 = pges = const. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 215 Verallgemeinerung dieses Ergebnisses auf ein System von N Massenpunkten liefert zusammen mit N ∑m n =1 n vn = mges vS für den Gesamtimpuls eines Massenpunktsystems N N n =1 n =1 pges = ∑ pn = ∑ mn vn = mges vS und nach zeitlicher Ableitung N N N N dpges dp n dv n =∑ = ∑ mn = ∑ mn an = ∑ Fna dt dt n =1 dt n =1 n =1 n =1 dv = mges S = mges aS = F a dt Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 216 das Gesetz der Impulserhaltung N N n =1 n =1 pges = mges vS = ∑ mn vn = ∑ pn = const. wenn die resultierende äußere Kraft null ist. Wirkt auf ein System keine resultierende Kraft, dann ist die Geschwindigkeit seines Massenmittelpunktes konstant und der Gesamtimpuls des Systems bleibt erhalten, d.h. er ist zeitlich konstant. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 217 Übungsaufgabe 20: Eine erwachsene Person der Masse mE = m und ein Kind der Masse mK = m/2 stehen zusammen auf einer Eisfläche mit vernachlässigbarer Reibung. Nach Abstoßen voneinander bewegt sich die erwachsene Person mit einer Geschwindigkeit von vE = 0,3 m/s relativ zur Eisfläche . Wie weit sind die beiden nach 5 Sekunden voneinander entfernt? Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 218 2.4.3 Stoßvorgänge Grundbegriffe 1) Gerader Stoß, d.h. die Bahnen beider Schwerpunkte liegen auf einer Geraden. (1dimensionales Problem) m1 Hochschule Bremen v1 m2 v2 Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 2) Schiefer Stoß, d.h. die Bahnen beider Schwerpunkte liegen in einer Ebene und schließen einen Winkel ein. (Stoßnormale) Hochschule Bremen v1 m1 v2 m2 (2dimensionales Problem) 3) Zentraler Stoß, d.h. die Schwerpunkte der Stoßpartner liegen auf der Normalen zur Berührungsebene durch den Berührungspunkt. 219 v2 m1 Stoßnormale m1 m2 v1 Berührungsebene Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 220 4) Exzentrischer Stoß, d.h. die Schwerpunkte liegen nicht auf der Stoßnormalen. Es tritt Rotation auf. Stoßnormale v1 v2 m1 m1 m2 Berührungsebene 5) Elastischer Stoß, d.h. die kinetische Gesamtenergie vor und nach dem Stoß ist gleich. 6) Inelastischer Stoß, d.h. die kinetische Gesamtenergie vor und nach dem Stoß ist verschieden. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 221 Gerader, zentraler, elastischer Stoß m1 v1, a vor dem Stoß m2 v2 , a m1 v1, e m2 v2 , e nach dem Stoß Aus dem Gesetz der Impulserhaltung m1 v1,a + m2 v2,a = m1 v1,e + m2 v2,e und dem Energieerhaltungssatz (elastischer Stoß) 1 1 1 1 m1 v12,a + m2 v22,a = m1 v12,e + m2 v22,e 2 2 2 2 Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 222 erhält man durch Umformen bzw. oder m1 (v1,a − v1,e ) = m2 (v2,e − v2,a ) m1 (v12,a − v12,e ) = m2 (v22,e − v22,a ) m1 (v1,a − v1,e )(v1,a + v1,e ) = m2 (v2,e − v2,a )(v2,e + v2,a ) sowie nach Division den Zusammenhang v1,a + v1,e = v2,e + v2,a bzw. v1,a − v2,a = − (v1,e − v2,e ) Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 223 D.h. nach dem Stoß entfernen sich die Körper mit der gleichen Relativgeschwindigkeit mit der sie sich vor dem Stoß aufeinander zu bewegt haben. Um bei gegebenen Anfangsgeschwindigkeiten v1,a und v2,a die Endgeschwindigkeit v1,e und v2,e nach dem Stoß berechnen zu können, müssen wir nur noch das Gleichungssystem m1 v1,e + m2 v2,e = m1 v1,a + m2 v2,a − v1,e + v2,e = v1,a − v2,a bzw. in Matrixschreibweise ⎛ m1 m2 ⎞ ⎛ v1,e ⎞ ⎛ m1 v1,a + m2 v2,a ⎞ ⎟ ⎜⎜ ⎟⎟ ⎜⎜ ⎟⎟ = ⎜⎜ ⎟ ⎝ − 1 1 ⎠ ⎝ v2,e ⎠ ⎝ v1,a − v2,a ⎠ Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 224 nach v1,e und v2,e auflösen. Man erhält (m1 − m2 ) v1,a + 2 m2 v2,a v1,e = m1 + m2 und 2 m1 v1,a + (m2 − m1 ) v2,a v2 , e = m1 + m2 Spezialfälle: 1) m1 = m2 ⇒ v1, e = v2, a & v2, e = v1, a d.h. Körper tauschen Geschwindigkeit, insbesondere ist vor dem Stoß Körper 2 in Ruhe so ist nach dem Stoß Körper 1 in Ruhe. 2) v2, a = 0, m1 > m2 ⇒ sgn (v1, e ) = sgn (v2, e ) m1 < m2 ⇒ sgn (v1, e ) = − sgn (v2, e ) für m1 << m2 ⇒ v2, e ≈ 0 & v1, e ≈ −v1, a vollständige Reflexion Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 225 Übungsaufgabe 21: Auf einem reibungsfreien Tisch gleitet ein Körper der Masse 4 kg und Geschwindigkeit 6 m/s einem Körper der Masse 2 kg und Geschwindigkeit 3 m/s hinterher. Bestimmen Sie die Geschwindigkeit beider Körper nach dem als elastisch angenommen Zusammenstoß. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 226 Gerader, zentraler, inelastischer Stoß Bei inelastischen Stößen geht kinetische Energie beispielsweise durch Reibungs- und inelastische Verformungsarbeit, d.h. Arbeit die von nichtkonservativen Kräften verrichtet wird, verloren. Es muss also der verallgemeinerte Energiesatz der Mechanik Wnk = ΔEpot + ΔEkin = ΔE zur Bestimmung der Geschwindigkeiten nach dem Stoß herangezogen werden, wobei hier ΔEpot = 0 angenommen werden kann. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 227 Neben 1 1 1 1 m1 v12,a + m2 v22,a = m1 v12,e + m2 v22,e + ΔE 2 2 2 2 und dem Impulserhaltungssatz m1 v1,a + m2 v2,a = m1 v1,e + m2 v2,e ist noch eine weitere Bestimmungsgleichung notwendig um bei gegebenem v1,a und v2,a die Geschwindigkeit v1,e und v2,e sowie den Energieverlust ΔE bestimmen zu können. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 228 Ohne eine weitere Gleichung lässt sich die Aufgabe (2 Gleichungen mit 3 Unbekannten) nur noch für solche Fälle lösen, bei denen sich die Körper nach dem Stoß mit der gleichen Geschwindigkeit, d.h. mit ve = v1,e = v2,e bewegen (2 Gleichungen mit 2 Unbekannten). Für diesen Spezialfall, des sogenannten unelastischen Stoßes (vollständig inelastischen Stoßes), lautet der Impulserhaltungssatz m1 v1,a + m2 v2,a = (m1 + m2 ) ve Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 229 Hieraus erhalten wir nach Umformen die gesuchte Geschwindigkeit m v + m2 v2,a ve = 1 1,a m1 + m2 und nach Einsetzen von ve in 1 1 1 m1 v12,a + m2 v22,a = (m1 + m2 ) ve2 + ΔE 2 2 2 den beim vollständigen inelastischen Stoß entstandenen Energieverlust. m1 m2 (v1,a − v2,a )2 ΔEV ,inel = 2 (m1 + m2 ) Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 230 Übungsaufgabe 22: Ein Geschoss der Masse 0,01 kg bewege sich horizontal mit einer Geschwindigkeit von 400 m/s und dringe in einen Holzklotz der Masse 0,39 kg ein der sich auf einem reibungsfreien Tisch befinde. Bestimmen Sie a) die Endgeschwindigkeit des Klotzes mit dem Geschoss, b) die mechanische Energie des Systems aus Geschoss und Klotz vor und nach dem Aufprall. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus Schiefer, zentraler, elastischer Stoß 231 v1, e v1⊥, eS = v1⊥, aS || S 1, e v v1⊥, aS v2⊥, eS = v2⊥, aS m1 v1, a m2 v2 , a || S 1, a v2 , e v v2||,Se v2||,Sa Hochschule Bremen v2⊥, aS Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 232 • Elastische Wechselwirkung findet nur in Richtung der Stoßnormalen, die Senkrecht auf den Berührungsflächen steht und im Fall des zentralen Stoßes mit der Verbindungslinie der Massenmittelpunkte zusammenfällt, statt. • Ohne eine nichtkonservative Kraft, d.h. z.B. ohne Reibung, kann senkrecht zur Stoßnormalen keine Kraft übertragen werden. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 233 Nach zerlegen von v1,a , v1,e , v2,a und v2,e in v1,a = v1⊥,aS + v1||,Sa , v1,e = v1⊥,eS + v1||,Se , v2,a = v2⊥,aS + v2||,Sa , v2,e = v2⊥,eS + v2||,Se und bezeichnen der Beträge entsprechend v1⊥,aS = v1⊥,aS , v1||,Sa = v1||,Sa , v1⊥,eS = v1⊥,eS , v1||,Se = v1||,Se , v2⊥,Sa = v2⊥,aS , v2||S,a = v2||,Sa , v2⊥,eS = v2⊥,eS , v2||S,e = v2||,Se gilt für die senkrechten Komponenten m1 v1⊥,aS = m1v1⊥,eS , m2 v2⊥,Sa = m2 v2⊥,eS Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 234 sowie für die parallelen Komponenten nach dem a) Impulserhaltungssatz m1 v1||,Sa + m2 v2||S,a = m1v1||,Se + m2 v2||S,e b) Energieerhaltungssatz 2 2 2 2 1 1 1 1 m1 (v1||,Sa ) + m2 (v2||S,a ) = m1 (v1||,Se ) + m2 (v2||S,e ) 2 2 2 2 Lösen des Gleichungssystems liefert analog zum geraden Stoß für || S || S ( ) m m v m v − + 2 2 1, a 2 2,a Körper 1: v1⊥,eS = v1⊥,aS , v1||,Se = 1 m1 + m2 Körper 2: Hochschule Bremen v2⊥,eS = v2⊥,Sa , v2||S,e = 2m1v1||,Sa + (m2 − m1 )v2||S,a m1 + m2 Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 235 Übungen zur Technischen Physik / Kapitel2 Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus Aufgabe 2-1: Ein Fahrzeug A startet mit der Anfangsgeschwindigkeit v0, A = 2 m/s und einer Beschleunigung a . 10 Sekunden danach startet vom gleichen Punkt aus ein zweites Fahrzeug B mit der Anfangsgeschwindigkeit v0, B = 12 m/s und der gleichen Beschleunigung. a) b) c) d) Wie weit ist bei einer Beschleunigung von a = 0,5 m/s 2 A von B schon entfernt, wenn B startet? Welche Zeit t1 benötigt B bei der gleichen Beschleunigung um A einzuholen? Welche Strecke haben die beiden Fahrzeuge bis dahin zurückgelegt? Wie groß darf die Beschleunigung a der beiden Fahrzeuge maximal sein, damit A von B überhaupt eingeholt werden kann? Aufgabe 2-2: Von einem 50m hohen Turm wird ein Körper in horizontaler Richtung mit der Anfangsgeschwindigkeit v0 = 20 m/s geworfen (g = 9,81 m/s2). a) Wie lauten die Bewegungsgleichungen in x- und y-Richtung (x(t), vx(t), ax(t ), y(t), vy(t), ay(t))? b) Nach welcher Zeit trifft der Körper am Boden auf? c) In welcher Entfernung vom Fußpunkt des Turmes trifft er auf? d) Mit welcher Geschwindigkeit trifft er auf? e) Skizzieren Sie ein Weg-Zeit-, Geschwindigkeits-Zeit- und Beschleunigungs-Zeit-Diagramm sowohl für die x- als auch für die y-Richtung. Aufgabe 2-3: Von einer Kaimauer wird ein Rettungsring aus der Höhe y = 6 m über der Wasseroberfläche unter dem Winkel α = 25° gegen die Horizontale schräg nach oben abgeworfen. Die Wurfweite in horizontaler Richtung beträgt 15 m (ohne Luftwiderstand, g = 9,81 m / s 2 ). a) Wie lauten die Bewegungsgleichungen für x(t ), y (t ), v x (t ), v y (t ), a x (t ), a y (t ) ? b) Welche Anfangsgeschwindigkeit hat der Rettungsring? c) Mit welcher Geschwindigkeit schlägt der Rettungsring auf der Wasseroberfläche auf? d) Bis zu welcher maximalen Höhe y max steigt der Rettungsring? Aufgabe 2-4: Ein Wasserstrahl, der horizontal aus einer Rohrleitung ausströmt, trifft 2m unterhalb und 4m entfernt von der Austrittsöffnung gegen eine senkrechte Wand. a) Wie groß ist die Ausströmgeschwindigkeit aus der Rohröffnung? b) Mit welcher Geschwindigkeit und unter welchem Winkel trifft der Strahl auf die Wand? Aufgabe 2-5: Bei Vernachlässigung der Eigenrotation sei der Betrag der Erdbeschleunigung mit g = 9,81 m s 2 gegeben. Die Erdbeschleunigung ist wegen der Eigenrotation der Erde aber ortsabhängig (Erdradius rE = 6370 km , Dauer einer Erdumdrehung TE = 23,93 h ). Um welchen Wert ∆g müsste der Betrag der Erdbeschleunigung g in der Bundesrepublik Deutschland (mittlere geographischen Breite ϕ = 50° ) korrigiert werden? Übungen zur Technischen Physik / Kapitel2 Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus Aufgabe 2-6: Ein Geschoss fliegt über ein Gebiet 45° nördlicher Breite mit der konstanten Relativgeschwindigkeit v = 500m/s gegenüber der Erde in nördlicher Richtung. Bestimmen Sie die seitliche Abweichung des Geschosses von der Meridianrichtung infolge des Wirkens der Coriolis-Kraft für eine Flugstrecke von s = 30km . (Voraussetzung: Schuss nahezu parallel zur Erdoberfläche, Vernachlässigung der Erdanziehung und der Luftreibung) Aufgabe 2-7: Ein Fahrzeug habe die Masse m=850kg und fahre mit konstanter Geschwindigkeit (reibungsfrei) bergauf. Die Straße gewinnt auf 1km eine Höhe von 80m. Wie groß ist die Geschwindigkeit des Fahrzeugs, wenn der Motor eine Leistung von 20kW entwickelt? Aufgabe 2-8: Eine Bergbahn der Masse m = 1600kg soll innerhalb von T = 1 24 h eine Strecke von s = 210m mit einer Steigung von 16% bewältigen. Welche Antriebsleistung muss der Motor bei Vernachlässigung der Reibung aufbringen? Aufgabe 2-9: Eine motorbetriebene Lore soll innerhalb von t = 1,5min auf eine Höhe h = 17 m befördert werden. Welche Masse m darf die Lore maximal haben, wenn der Antriebsmotor die Leistung P = 5,5kW hat und mit einem Wirkungsgrad η = 0,6 gerechnet wird. Aufgabe 2-10: Bestimmen Sie die Koordinaten des Massenmittelpunktes des dargestellten homogenen Körpers, der sich aus Würfeln der Kantenlänge a = 10cm zusammensetzt. Übungen zur Technischen Physik / Kapitel2 Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus Aufgabe 2-11: Bestimmen Sie die Koordinaten des Massenmittelpunktes des dargestellten homogenen Körpers, der sich aus Würfeln der Kantenlänge a = 12cm zusammensetzt. z y x Aufgabe 2-12: Eine Kugel mit der Masse m1 = 250g trifft auf eine an einem Faden hängende ruhende zweite Masse von m 2 = 2,5kg . Nach einem vollständig inelastischen zentralen Stoß (beide Massen verbinden sich zu einem Körper) überwindet diese neue Pendelmasse einen Höhenunterschied von 0,5m. Wie groß war die Geschwindigkeit der Kugel vor dem Stoß? Aufgabe 2-13: Ein Block der Masse m B = 12kg ruhe auf einem ebenen Boden. Ein Klumpen Kitt der Masse m K = 0,5kg werde horizontal gegen den Block geworfen und bleibe an diesem kleben. Beide Körper bewegen sich dann 12cm weit in horizontaler Richtung. Wie groß ist bei einer Gleitreibungszahl µ G = 0,5 die Anfangsgeschwindigkeit des Kittklumpens? Aufgabe 2-14: Drei elastische Kugeln, mit den Massen m1 = 4m, m2 = 2m und m3 = m sind an parallelen Fäden nebeneinander so aufgehängt, dass sie sich genau seitlich berühren. Die erste Kugel wird so ausgelenkt, dass ihr Schwerpunkt um h1 = 5cm angehoben ist. Nach dem Freilassen stößt sie mit der Geschwindigkeit v1 auf die zweite Kugel und diese wiederum mit der Geschwindigkeit v 2 auf die dritte. Um welche Höhe h3 wird die dritte Kugel dabei hochgehoben? 3. Schwingungen 3.1 Harmonische Schwingungen Experiment: Ruhelage x m x x=0 Der an der Feder befestigte Gegenstand der Masse m gleite reibungsfrei auf einer horizontalen Fläche. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 236 Nach Auslenken aus der Ruhelage erfährt der Gegenstand nach dem Hookeschen Gesetz durch die Feder die Kraft Fx = −c x Mit dem 2ten Newtonschen Gesetz kann Fx auch durch dv d 2x Fx = m a x = m = m v = m 2 = m x dt dt ausgedrückt werden. Gleichsetzen liefert die homogene Differentialgleichung c c x = − x bzw. x + x = 0 m m Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 237 Hieraus entnimmt man die für harmonische Schwingungen charakteristische Eigenschaft, das die Beschleunigung 1) proportional zur Auslenkung und 2) dieser entgegengesetzt gerichtet ist. Bedingung für eine harmonische Schwingung Ist die Beschleunigung eines Gegenstandes proportional zu seiner Auslenkung und dieser entgegengesetzt, dann führt der Gegenstand eine einfache harmonische Schwingung aus. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 238 Der experimentell gewonnene Kurvenverlauf ist sinusförmig. t x A Hochschule Bremen T Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 239 Der Kurvenverlauf lässt sich durch die Funktion x(t ) = A cos(ω t + ϕ 0 ) mathematisch beschreiben, wobei ω = 2π f und f = 1 T mit T - Schwingungsdauer, Periode, Periodendauer (ist die Zeit die der Gegenstand benötigt um eine vollständige Schwingung durchzuführen) f - Frequenz (ist die Anzahl der Schwingungen pro Sekunde) ω ϕ0 ϕ =ωt+ϕ0 Hochschule Bremen - Kreisfrequenz - Anfangsphase (Nullphasenwinkel) - Phase (Phasenwinkel, Momentanphase) Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 240 Δt1 Δt 2 x(t ) t1 t0 t2 t T ϕ0,1 = ω Δt1 , ϕ0,2 = ω Δt2 , Δti = t0 - ti , i=1,2 A cos(ω t + ϕ0,1) , Hochschule Bremen A cos(ω t) , A cos(ω t + ϕ0,2) Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 241 Lösen der homogenen Differentialgleichung c x+ x =0 m Die experimentellen Untersuchungen motivieren den Lösungsansatz x(t ) = A cos(ω t + ϕ 0 ) Differenzieren liefert die Geschwindigkeit v = x = −ω A sin(ω t + ϕ 0 ) Nach nochmaligem Differenzieren erhält man die Beschleunigung a = v = x = −ω 2 A cos(ω t + ϕ 0 ) = −ω 2 x(t ) Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 242 Einsetzen von x und x in die Differentialgleichung ergibt c − ω 2 x(t ) + x(t ) = 0 m Somit löst der Ansatz x(t ) = A cos(ω t + ϕ 0 ) die homogene Differentialgleichung, wenn die Konstanten der harmonischen Schwingung, d.h. die • • Masse m und Federkonstante c mit der Kreisfrequenz ω über c ω2 = m verknüpft sind. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 243 x(t ) Zur Analyse des Zeitverhaltens der Auslenkung, der Geschwindigkeit und der Beschleunigung wählen wir o.B.d.A. ϕ0=0, d.h. x(t) = A cos(ωt) A − T 1 4 1 4 0 T 1 2 T 3 4 T t T v(t ) ωA t a(t ) v(t) = -ω A sin(ωt) ω2A a(t) = - ω2A cos(ωt) t Hochschule Bremen 244 Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus Die Geschwindigkeit und Auslenkung sind um 90° die Beschleunigung und Auslenkung um 180° zueinander phasenverschoben. t=0: Anfangszustand Auslenkung maximal, d.h. A, Geschwindigkeit 0, Beschleunigung maximal negativ, d.h. -ω 2A t=T/4: Gleichgewichtslage Auslenkung 0, Geschwindigkeit maximal negativ, d.h. -ω A, Beschleunigung 0 usw. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 245 Zwei identische Gegenstände, die an gleichartigen Federn befestigt sind, werden aus unterschiedlichen Anfangsauslenkungen heraus gleichzeitig losgelassen. Gleichgewichtslage Gegenstand 1 m x=0 x A1 = 5 cm Gegenstand 2 m x=0 Hochschule Bremen x A2 = 10 cm Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 246 Trotz unterschiedlicher Auslenkungen erreichen beide Gegenstände zur selben Zeit die Gleichgewichtslage, d.h. die Schwingungsdauer hängt nicht von der Auslenkung ab. x cm Gegenstand 1 Gegenstand 2 10 5 t s Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 247 Die Schwingungsdauer hängt nur von der • Masse m und • Federkonstanten c ab. Allgemein gilt: Die Frequenz/Schwingungsdauer einer harmonischen Schwingung hängt nicht von deren Amplitude ab. Beispiel: Der auf einem Klavier angeschlagene Ton (Frequenz) hängt nicht von seiner Lautstärke (Amplitude) ab. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 248 3.2 Energiebilanz bei harmonische Schwingungen Bei harmonischen Schwingungen wandeln sich kinetische und potentielle Energie ineinander um. Wenn keine Reibung auftritt bleibt die Gesamtenergie erhalten und sie ist die Summe aus potentieller und kinetischer Energie Eges = Epot + Ekin Für ein Feder-Masse-System errechnet sich die potentielle Energie zu 1 Epot = c x 2 mit x = A cos(ω t + ϕ 0 ) 2 Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 249 Für die kinetische Energie gilt 1 Ekin = m v 2 mit v = −ω A sin (ω t + ϕ 0 ) 2 Einsetzen von Epot und Ekin in die Beziehung für Eges liefert 1 Eges = A2 (c cos 2 (ω t + ϕ 0 ) + mω 2 sin 2 (ω t + ϕ 0 )) 2 Nach Ausnutzen von c = mω 2 erhält man wegen cos 2 (ω t + ϕ 0 ) + sin 2 (ω t + ϕ 0 ) = 1 den Ausdruck 1 1 Eges = c A2 = mω 2 A2 = const. 2 2 Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 250 D.h., die Gesamtenergie einer harmonischen Schwingungen ist • zeitlich konstant • proportional zum Quadrat der Amplitude Ausdrücken der potentiellen und kinetischen Energie als Funktion der Gesamtenergie ergibt Eges 2 (1 + cos(2ω t + 2ϕ 0 )) Epot = Eges cos (ω t + ϕ 0 ) = 2 und Eges 2 (1 − cos(2ω t + 2ϕ 0 )) Ekin = Eges sin (ω t + ϕ 0 ) = 2 Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 251 Epot = Eges = const. E 0 T 2 Ekin = Eges 2 Hochschule Bremen (1 - cos(2ωt )) Eges 2 (1 + cos(2ωt )) t T Epot = Ekin = Eges 2 Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 252 Folgerungen: 1) Die Mittelwerte der potentiellen und kinetischen Energie sind wegen Eges = Epot + Ekin gegeben durch 1 Eges 2 2) Die kinetische und potentielle Energie wandeln sich mit der doppelten Systemfrequenz, d.h. mit 2ω , periodisch ineinander um. Epot = Ekin = Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 253 Übungsaufgabe 3-1: Ein Gegenstand der Masse m = 3 kg schwingt an einer Feder mit einer Amplitude xmax = 4 cm und einer Schwingungsdauer von T = 2 s. a) Wie groß ist die Gesamtenergie? b) Wie groß ist die maximal Geschwindigkeit des Gegenstandes? Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 254 3.3 Schwingungssysteme 3.3.1 Masse an senkrecht aufgehängter Feder FF y0 = mg c FG = m g Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 0 y0 0 y y' 255 Wirksame Kräfte sind die • Federkraft • Gewichtskraft Das 2te Newtonsche Gesetz liefert die Bewegungsgleichung m y = −c y + m g Im bewegungslosen Zustand befindet sich die Masse in ihrer Gleichgewichtslage y0 und es gilt mg 0 = −c y + m g oder y = c Koordinatentransformation gemäß y ' = y − y0 Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 256 liefert unter Berücksichtigung von y' = y y ' = y und auf die Bewegungsgleichung angewendet den Ausdruck m y ' = −c ( y '+ y0 ) + m g = −c y '−c y0 + m g Wegen c y0 = m g folgt m y ' = −c y ' mit der bekannten Lösung y ' = A cos(ω t + ϕ 0 ) Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 257 Folgerungen: 1) Gewichtskraft bewirkt eine Verschiebung der Ruhelage von y = 0 nach y ' = 0 ( y = y0 ) 2) Bei Auslenkungen um die Ruhelage y '= 0 ist die rücktreibende Federkraft FF = −c y ' wirksam. 3) Die Masse schwingt um die Ruhelage y '= 0 mit derselben Kreisfrequenz ω= c m wie im Fall der horizontalen Schwingung. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 258 Übungsaufgabe 3-2: Ein Gegenstand der Masse m = 4 kg hängt an einer Feder mit der Federkonstanten c = 200 N/m. a) Wo befindet sich die neue Gleichgewichtslage y0? b) Wie groß ist die Gesamtenergie einschließlich der potentiellen Energie des Gegenstandes, wenn die Feder um zusätzliche 12 cm gedehnt wird? c) Wie groß ist die Schwingungsdauer? Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 259 3.3.2 Mathematisches Pendel Das mathematische Pendel besteht aus einer punktförmigen Masse m die an einem masselosen unelastischen Faden der Länge L aufgehängt ist. β l FZ m s Ein mathematische Pendel ist somit eine Idealisierung des rechts abgebildeten Fadenpendels. Hochschule Bremen − FG sin β FG cos β FG = m g Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 260 Wirksame Kräfte sind die • Gewichtskraft FG = m g FZ = − FG cos β = − m g cos β • Zugkraft • Rückführungskraft FR = − FG sin β = − m g sin β Es sei s die vom tiefsten Punkt (von der Ruhelage) aus gemessene Bogenlänge mit s=lβ Außerdem ist s die Rückführungsbeschleunigung (Tangentialkomponente der Beschleunigung) des Massenpunktes. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 261 Nach dem 2ten Newtonschen Gesetz ergibt sich die nichtlineare Differentialgleichung ⎛s⎞ ⎛s⎞ m s = − m g sin ⎜ ⎟ oder s = − g sin ⎜ ⎟ ⎝l⎠ ⎝l⎠ Für s viel kleiner als l, d.h. s/l sehr klein, gilt mit sin (s l ) ≈ s l approximativ die lineare Differentialgleichung g s=− s l d.h. für kleine Winkel β = s/l ist die Rückführungsbeschleunigung der Auslenkung s proportional. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 262 Somit beschreibt die Pendelbewegung für kleine Auslenkungen näherungsweise eine harmonische Schwingung. Mit ω2=g/l sehr klein ist die Lösung der linearen Differentialgleichung s = −ω 2 s gegeben durch s = s0 cos(ω t + ϕ 0 ) wobei s0 die maximale Bogenlänge der Pendelbewegung angibt. Die Schwingungsdauer des mathematischen Pendels lautet l 2π T= = 2π g ω Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 263 Folgerungen: 1) Die Schwingungsdauer nimmt mit der Wurzel der Pendellänge zu. 2) Die Schwingungsdauer hängt nicht von der Masse ab, da die Rückführungskraft proportional zur Masse ist. 3) Die Schwingungsdauer ist unabhängig von der Amplitude Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 264 Durch Einsetzen von s=lβ in die nichtlineare Differentialgleichung erhält man mit lβ = − g sin β oder β = − ( g l )sin β = −ω 2 sin β eine Beschreibung der Pendelbewegung durch den Auslenkungswinkel β. Für kleine Winkel β, d.h. sinβ ≈β, lässt sich die nichtlineare Differentialgleichung durch die lineare Differentialgleichung β = −ω 2β approximieren. Die Lösung dieser Gleichung lautet β = β 0 cos(ω t + ϕ 0 ) wobei β0 = s0/l den maximalen Auslenkungswinkel bezeichnet. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 265 Bei großen Schwingungsamplitude, d.h. der Übergang zur linearen Differentialgleichung ist unzulässig, beobachtet man • immer noch periodische aber • keine harmonischen Bewegungen und • eine geringe Abhängigkeit der Periodendauer von der Amplitude Für große Amplituden kann man die Periode als Reihenentwicklung angeben 2 ⎧⎪ 1 ⎫⎪ β 1 3 ⎛ ⎞ ⎛ ⎞ 2 4 ⎛ β0 ⎞ 0 T = T0 ⎨1 + 2 sin ⎜ ⎟ + 2 ⎜ ⎟ sin ⎜ ⎟ + …⎬ ⎪⎩ 2 ⎪⎭ ⎝ 2 ⎠ 2 ⎝ 4⎠ ⎝ 2 ⎠ wobei T0 = 2π l g der Schwingungsdauer für kleine Amplituden entspricht. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 266 Übungsaufgabe 3-3: Eine einfache Pendeluhr ist so kalibriert, dass sie für β0 = 10° die Zeit exakt wiedergibt. Um wie viel geht die Uhr vor, wenn sich die Winkelamplitude stark verringert? Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 267 3.3.3 Flüssigkeitspendel Das Flüssigkeitspendel besteht aus einem U-Rohr mit konstantem Querschnitt A, in das eine Flüssigkeit der Dichte ρ eingefüllt wurde. y mFl y Im Gleichgewichtszustand stellt sich eine U-förmige Flüssigkeitssäule der Länge l ein. Hochschule Bremen l Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 268 Wird die Flüssigkeitssäule aus der Gleichgewichtslage gebracht, so bewirkt die überstehende Flüssigkeitsmasse mFl und eine rücktreibende Gewichtskraft FR = − mFl g Nach dem 2ten Newtonschen Gesetz gilt − mFl g = mges y Die überstehende Flüssigkeitsmasse ergibt sich aus mFl = VFl ρ = 2 y A ρ Einsetzen liefert die lineare Differentialgleichung des Flüssigkeitspendels 2 Aρ g mges y = −2 A ρ g y oder y = − y = −ω 2 y mges Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 269 mit der Lösung und ω= y = y0 cos(ω t + ϕ 0 ) 2 Aρ g mges bzw. T = 2π ω = 2π mges 2 Aρ g ω angibt. wobei y0 die maximale Höhenauslenkung Drückt man die gesamte Masse durch mges = A l ρ aus, dann vereinfacht sich die lineare Differentialgleichung zu 2g y= − y = −ω 2 y l Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus mit der Lösung und ω= 270 y = y0 cos(ω t + ϕ 0 ) 2g l bzw. T= 2π ω = 2π l 2g Folgerungen: 1) Die Schwingungsdauer hängt nicht von der Dichte der Flüssigkeit und nicht vom Querschnitt des URohres ab. 2) Die Schwingungsdauer eines Flüssigkeitspendels entspricht der eines mathematischen Pendels, wenn die Fadenlänge gleich der halben Länge der Flüssigkeitssäule ist. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 271 3.4 Gedämpfte Schwingungen Bei physikalischen Schwingungen tritt immer in irgendeiner Form Reibung auf, die der Schwingung Energie entzieht, d.h. ein sich selbst überlassenes schwingendes System kommt nach einiger Zeit zur Ruhe. Auslenkung eines gedämpften Schwingungssystems Die Bewegung verläuft • in Form einer harmonischen Schwingung • mit exponentiell abnehmender Amplitude Hochschule Bremen t Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 272 Beispiel eines gedämpften Schwingungssystems Reale Schwingungssysteme können durch ein ideales Feder-Masse-System plus zusätzlicher Dämpfung, die z. B. durch Reibung eines in eine Flüssigkeit eintauchenden Kolbens entsteht, nachgebildet werden. Hochschule Bremen m Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 273 Die Reibungskraft ist hierbei in guter Näherung entgegengesetzt proportional zur Geschwindigkeit, d.h. FR = −b v (Reibungsgesetz für viskose Reibung) Die Konstante b beschreibt das Maß der Dämpfung, sie heißt Dämpfungskoeffizient. Die zugehörige lineare Differentialgleichung ergibt sich mit dem 2ten Newtonschen Gesetz F = m a = −b v − c y = FR + FF zu b c y =− y− y m m Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 274 Mit der Kreisfrequenz der ungedämpften Schwingung ω0 = c m , s −1 [ ] sowie nach Definition des Abklingkoeffizienten δ = b (2m ), s −1 [ ] lautet die lineare Differentialgleichung y = −2 δ y − ω 02 y Das Verhältnis (dimensionslos) D = δ ω0 , bezeichnet man als Dämpfungsgrad der gedämpften Schwingung. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 275 Ferner wird b b = mω 0 mc Verlustfaktor und dessen Kehrwert mc mω 0 1 1 Q= = = = d 2D b b Güte genannt. d = 2D = Mit dem charakteristischen Parameter D lautet die lineare Differentialgleichung y + 2 Dω 0 y + ω 02 y = 0 Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 276 Lösung der Differentialgleichung Man unterscheidet drei Fälle a) Schwingungsfall, D < 1 bzw. ω0 > δ Die Lösung lautet y (t ) = A e −δ t cos(ω d t + ϕ 0 ) wobei ωd = c b2 − m 4m 2 = ω 02 − δ 2 = ω0 1 − D 2 Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 277 Folgerungen 1) Die Kreisfrequenz der gedämpften Schwingung ωd ist kleiner als die Kreisfrequenz der ungedämpften Schwingung ω0. 2) Die Amplitude nimmt entsprechend der Exponentialfunktion e-δ t ab. Für den zeitlichen Verlauf der Schwingungsenergie (mechanische Gesamtenergie) gilt deshalb Esch = Esch,0 e −2δ t wobei Esch,0 die Schwingungsenergie (mecheanische Gesamtenergie) zum Zeitpunkt t=0 angibt. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 278 Für zwei aufeinanderfolgende Schwingungsmaxima gilt yi +1 = yi e −δ Td mit T0 2π 2π 2π 1 Td = = = = ωd ω 02 − δ 2 ω 0 1 − D 2 1− D2 Umformen zu yi = eδ Td = k yi +1 zeigt, dass das Verhältnis zweier aufeinanderfolgender Schwingungsmaxima konstant ist. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 279 Für das Amplitudenverhältnis zweier Schwingungsmaxima die einen zeitlichen Abstand von n-Perioden besitzen gilt yi = eδ nTd = k n yi + n Zur Bestimmung des Abklingkoeffizienten δ bildet man das logarithmische Dekrement, d.h. ⎛ yi ⎞ ⎟⎟ = ln k = δ Td Λ = ln⎜⎜ ⎝ yi +1 ⎠ Hieraus ergibt sich der Abklingkoeffizient durch Umstellen zu ln ( yi yi +1 ) Λ δ= = Td Td Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 280 b) Kriechfall, D > 1 bzw. ω0 < δ Als Lösung findet man y (t ) = A1 e bzw. y (t ) = A1 e ⎛⎜ −δ + δ 2 −ω 2 ⎞⎟ t 0 ⎝ ⎠ + A2 e ω 0 ⎛⎜ − D + D 2 −1 ⎞⎟ t ⎝ ⎠ ⎛⎜ −δ − δ 2 −ω 2 ⎞⎟ t 0 ⎝ ⎠ + A2 e ω 0 ⎛⎜ − D − D 2 −1 ⎞⎟ t ⎝ ⎠ mit ωd imaginär. Die Konstanten A1 und A2 werden durch die Angabe der Anfangsbedingungen, d.h. durch y(0) und y (0) festgelegt. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 281 Folgerungen 1) Es tritt keine Schwingung mehr auf. 2) Die Amplitude nimmt sehr langsam ab. y A1+A2 T0 Hochschule Bremen 2T0 3T0 4T0 t Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 282 c) Aperiodischer Grenzfall, D = 1 bzw. ω0 = δ Für diesen Fall lautet die Lösung y (t ) = ( A1 + A2t ) e −δ t bzw. y (t ) = ( A1 + A2t ) e −ω 0 D t mit ωd=0. Die Konstanten A1 und A2 werden wieder mit Hilfe der Anfangsbedingungen ermittelt. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 283 Folgerungen 1) Beim aperiodischen Grenzfall tritt gerade keine Schwingung mehr auf. 2) Der aperiodische Grenzfall spielt eine wichtige Rolle, wenn unter Vermeidung von Schwingungen ein möglichst schnelles Einstellverhalten erzielt werden soll. y A1 T0 Hochschule Bremen t Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 284 3.5 Erzwungene Schwingungen • In gedämpften Schwingungssystemen wird Energie abgegeben und die Schwingung klingt ab. • Damit gedämpfte Schwingungssysteme weiter schwingen muss Energie hinzugefügt werden. • Wird ein Schwingungssystem von außen durch eine periodische Kraft zu einer Schwingung angeregt (gezwungen), dann bezeichnet man dies als erzwungene Schwingung. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 285 Mit dem Newtonschen Bewegungsgesetz gilt FF + FR + FE = m a Die erregende periodischen Kraft sei gegeben durch F = Fˆ cos(ω t ) E E E FE FF = −c y F = ma m FR = −bv wobei F̂E den Maximalwert der erregenden Kraft angibt. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 286 Einsetzen von FF = −c y, FR = −b v und FE = FˆE cos(ω E t ) in die Bewegungsgleichung liefert mit a=y und v=y m y = −b y − c y + FˆE cos(ω E t ) bzw. b c FˆE y =− y− y+ cos(ω E t ) m m m Nach Berücksichtigung von D = δ ω 0 und ω 0 = c m mit δ = b (2m ) ergibt sich die lineare Differentialgleichung der erzwungenen Schwingung zu FˆE 2 y + 2 D ω0 y + ω0 y = cos(ω E t ) m Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 287 Lineare Differentialgleichung mit konstanten Koeffizienten homogene Differentialgleichung, z.B. y + 2 D ω 0 y + ω 02 y = 0 inhomogene Differentialgleichung, z.B. FˆE 2 y + 2 D ω0 y + ω0 y = cos(ω E t ) m d.h. freie Schwingungen (ungedämpft oder gedämpft) gehorchen einer homogenen, erzwungene Schwingungen einer inhomogenen linearen Differentialgleichung mit konstanten Koeffizienten. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 288 Die allgemeine Lösung einer linearen inhomogenen Differentialgleichung ist yinh = yhom + ypar wobei yhom die allgemeine Lösung der linearen homogenen Differentialgleichung und ypar irgendeine die lineare inhomogenen Differentialgleichung befriedigende partikuläre Lösung bezeichnet. Die Lösung der linearen homogenen Differentialgleichung mit konstanten Koeffizienten wurde im vorangegangenen Kapitel angegeben, sie lautet yhom = Ah e −δ t cos(ω d t + ϕ 0 ) Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 289 Da das Schwingungssystem der Erregerschwingung nach einer Einschwingzeit folgt, wählt man für die partikuläre Lösung den Ansatz ypar = Ap cos(ω E t − ϑ ) , wobei ϑ die Phasenverschiebung zwischen der erregenden und der erzwungenen Schwingung angibt. Aus Re{y + 2 D ω 0 y + ω 02 y} = Re FˆE m e jω E t folgt y + 2 D ω 0 y + ω 02 y = FˆE m e jω E t {( ( ) } ) mit dem partikulären Lösungsansatz ypar = Ap e j (ω E t −ϑ ) Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 290 Ableiten y = j ω E Ap e j (ω E t −ϑ ) y = j 2 ω E2 Ap e j (ω E t −ϑ ) = −ω E2 Ap e j (ω E t −ϑ ) und Einsetzen in die lineare inhomogene Differentialgleichung mit konstanten Koeffizienten liefert FˆE jω E t j (ω E t −ϑ ) 2 2 (− ω E + j 2 Dω 0ω E + ω 0 ) = m e Ap e m Ap 2 2 (ω 0 − ω E + j (2 Dω 0ω E )) ˆ = e jϑ FE Durch Vergleich von Betrag und Phase erhält man 2 Dω ω tan ϑ = 2 0 2E ω0 − ω E Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 291 und Ap = FˆE ( m ω 02 − ω E2 ) + (2 D ω 2 2 ) ω E 0 Die Lösung der linearen inhomogenen Differentialgleichung mit konstanten Koeffizienten lautet schließlich yinh = Ah e −δ t cos(ω d t + ϕ 0 ) + Ap cos(ω E t − ϑ ) mit 2 Dη tan ϑ = 1−η 2 und Ap = ( FˆE ) c 1 − η 2 + (2 D η ) 2 2 wobei η = ωE /ω0 und m = c / ω 02 ausgenutzt wurde. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 292 Einschwingvorgang und stationärer Zustand bei einer erzwungenen Schwingung yhom = Ah e −δ t cos(ω d t ) ypar = Ap cos(ω E t − ϑ ) ϑ ωE yinh = yhom + ypar Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 293 Frequenzgang der Amplitude (Amplitudengang) A p (ω ) = (ω FˆE m 2 0 −ω ) + (2 D ω ω ) 2 2 2 0 Frequenzgang der Phase (Phasengang) tan ϑ (ω ) = Hochschule Bremen 2 Dω0 ω ω 02 − ω 2 Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 294 Amplitudengang Ap ,res FˆE c Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 295 Phasengang Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus Resonanzfrequenz ω res = ω 0 1 − 2 D 2 (< ω d = ω0 1 − D 2 296 ) bezeichnet die Frequenz bei der der Amplitudengang sein Maximum annimmt, d.h. FˆE m A p ,res = A p (ω res ) = (ω 02 − ω res2 )2 + (2 D ω 0 ω res )2 = Hochschule Bremen FˆE c 2 D 1− D 2 ≥ A p (ω ) ∀ω Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 297 3.6 Überlagerung von Schwingungen Superpositionsprinzip Die Auslenkung sich überlagernder Schwingungen können addiert werden, wenn die Auslenkungen den elastischen (linearen) Bereich des Schwingungssystems nicht übersteigen. Bei der Überlagerung von Schwingungen unterscheidet man zwischen • parallelen und • senkrecht aufeinander stehenden Schwingungsrichtungen. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 298 Die überlagerten Schwingungen können sich in ihrer • Phase, • Amplitude, • Frequenz unterscheiden. Frequenzart gleiche Frequenz Bewegungsrichtung parallel Schwingungen gleicher Frequenz unterschiedlicher Amplitude und/oder Phase unterschiedliche Schwebung Fourier-Synthese Frequenz Hochschule Bremen senkrecht verschiedene Ellipsen je nach Amplitude und Phasenlage Lissajous-Figuren ganzzahlige Frequenzverhältnisse Lissajous-Figuren Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 299 3.6.1 Überlagerung harmonischer Schwingungen gleicher Raumrichtung und gleicher Frequenz Es seien y1 (t ) = A1 cos(ω t + ϑ1 ) = Re{A1 e j (ω t +ϑ1 ) } { y2 (t ) = A2 cos(ω t + ϑ2 ) = Re A2 e j (ω t +ϑ2 ) } zwei sich überlagernde harmonische Schwingungen. Die resultierende harmonische Schwingung ist dann y (t ) = y1 (t ) + y2 (t ) = A1 cos(ω t + ϑ1 ) + A2 cos(ω t + ϑ2 ) { = Re{A e ( } { = Re A1 e j (ω t +ϑ1 ) + Re A2 e j (ω t +ϑ2 ) j ω t +ϑ1 ) 1 Hochschule Bremen + A2 e j (ω t +ϑ2 ) } Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus {( = Re{Ae ( ) } { y (t ) = Re A1e jϑ1 + A2 e jϑ2 e jω t = Re Ae jϑ e jω t j ω t +ϑ ) }= A cos(ω t + ϑ ) } 300 } wobei sich A und ϑ aus Ae jϑ = A1e jϑ1 + A2 e jϑ2 = A1 cos ϑ1 + A2 cos ϑ2 + j ( A1 sin ϑ1 + A2 sin ϑ2 ) zu A= = = ( A1 cos ϑ1 + A2 cos ϑ2 )2 + ( A1 sin ϑ1 + A2 sin ϑ2 )2 A12 + A22 + 2 A1 A2 (cos ϑ1 cos ϑ2 + sin ϑ1 sin ϑ2 ) A12 + A22 + 2 A1 A2 cos(ϑ1 − ϑ2 ) Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 301 und tan ϑ = ergibt. A1 sin ϑ1 + A2 sin ϑ2 A1 cos ϑ1 + A2 cos ϑ2 Spezialfälle: a) ϑ1 = ϑ2 ⇒ ϑ = ϑ1 = ϑ2 und A = A1 + A2, d.h. maximale Verstärkung b) A1 = A2 und ϑ2 = ϑ1 + (2n-1) π mit n ∈ ⇒ A = 0, d.h. Auslöschung Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus Amplitude 2 maximale Verstärkung (ϑ1= ϑ2=0) 0 -2 0 0.1 0.2 Amplitude 1 0.3 0.4 0.5 0.6 0.7 0.8 0.9 1 0.8 0.9 1 0.8 0.9 1 Auslöschung (ϑ1=0°, ϑ2=180°) 0 -1 0 0.1 0.2 2 Amplitude 302 0.3 0.4 0.5 0.6 0.7 beliebige Überlagerung (ϑ1=0°, ϑ2=60°) 0 -2 0 0.1 Hochschule Bremen 0.2 0.3 0.4 0.5 Zeit 0.6 0.7 Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 303 Übungsaufgabe 3-4: Zwei harmonische Schwingungen gleicher Frequenz haben die Amplituden A1 = 5 cm und A2 = 3 cm und einen Phasenunterschied von ϑ1 − ϑ2 = 60°. Welche Amplitude A und welcher Nullphasenwinkel ϑ hat die durch Überlagerung resultierende harmonische Schwingung? Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 304 3.6.2 Überlagerung harmonischer Schwingungen gleicher Raumrichtung und unterschiedlicher Frequenzen Geringe Frequenzunterschiede • Bei der Überlagerung zweier harmonischer Schwingungen mit nur geringfügigem Frequenzunterschied treten Schwebungen auf. • Die Amplitude der resultierenden Schwingung schwillt langsam an und wieder ab. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 305 Reine Schwebung: Voraussetzung A1 = A2 = A o.B.d.A. sei ϑ1 = ϑ2 = 0 Die Überlagerung der Schwingungen y1 (t ) = A cos(ω1 t ) und y2 (t ) = A cos(ω 2 t ) liefert mit Hilfe des Additionstheorems ⎛α + β ⎞ ⎛α − β ⎞ cos α + cos β = 2 cos⎜ ⎟ ⎟ cos⎜ 2 2 ⎠ ⎠ ⎝ ⎝ die resultierende Schwingung y (t ) = y1 (t ) + y2 (t ) = A [cos(ω1 t ) + cos(ω 2 t )] ⎛ ω − ω 2 ⎞ ⎛ ω1 + ω 2 ⎞ t ⎟ cos⎜ t⎟ = 2 A cos⎜ 1 ⎝ 2 ⎠ ⎝ 2 ⎠ Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 306 Überlagerung bei kleinen Frequenzunterschieden (Schwebung) Amplitude 1 0 -1 0 0.5 1 1.5 2 2.5 3 3.5 4 4.5 5 0 0.5 1 1.5 2 2.5 3 3.5 4 4.5 5 0 0.5 1 1.5 2 2.5 Zeit 3 3.5 4 4.5 5 Amplitude 1 0 -1 Amplitude 2 0 -2 Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 307 Die resultierende Schwingung ist eine harmonische Schwingung mit der Kreisfrequenz ω + ω2 ω= 1 2 und einer sich mit der Schwebungsfrequenz ⎞ ⎛ ω1 − ω 2 f s = f1 − f 2 = π ( f1 − f 2 )⎟ ⎜ ⎠ ⎝ 2 ändernden Amplitude, d.h. y (t ) = 2 A cos(π f s t ) cos(ω t ) Die Periodendauer der Schwebung ergibt sich zu 1 1 1 TT Ts = = = = 1 2 fs f1 − f 2 1 T1 − 1 T2 T2 − T1 Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 308 Die Frequenz der resultierenden Schwingung lautet ω ω1 + ω 2 2π f1 + 2π f 2 f1 + f 2 = = = f = 2π 4π 4π 2 und die Schwingungsdauer errechnet sich zu 2 2 2T T T= = = 1 2 f1 + f 2 1 T1 + 1 T2 T2 + T1 Die Amplitude der resultierenden Schwingung ist doppelt so groß wie die der Ausgangsschwingung. Unreine Schwebung: A1 ≠ A2 Bei unreinen Schwebungen wird die Amplitude nie null, sondern lediglich periodisch minimal. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 309 Überlagerung bei kleinen Frequenzunterschieden (Schwebung) Amplitude 1 0 -1 0 0.5 1 1.5 2 2.5 3 3.5 4 4.5 5 0 0.5 1 1.5 2 2.5 3 3.5 4 4.5 5 0 0.5 1 1.5 2 2.5 Zeit 3 3.5 4 4.5 5 Amplitude 1 0 -1 Amplitude 2 0 -2 Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 310 Große Frequenzunterschiede • Es tritt keine Schwebung und keine harmonische Schwingung mehr auf. • Die Schwingung mit der größeren Frequenz schwingt um die periodische Achse, die durch die Schwingung mit der geringen Frequenz gegeben ist. • Die Amplitude der resultierenden Schwingung ist gleich der Summe der Amplituden der Einzelschwingungen. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 311 Überlagerung bei großen Frequenzunterschieden Amplitude 1 0 -1 0 0.5 1 1.5 2 2.5 3 3.5 4 4.5 5 0 0.5 1 1.5 2 2.5 3 3.5 4 4.5 5 0 0.5 1 1.5 2 2.5 Zeit 3 3.5 4 4.5 5 Amplitude 1 0 -1 Amplitude 2 0 -2 Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 312 Übungsaufgabe 3-5: Die Überlagerung zweier Stimmgabelschwingungen liefert eine resultierende Schwingung der Frequenz f = 441 Hz und Schwebungsfrequenz fs = 2 Hz. Welche Frequenzen haben die Stimmgabeln? Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 313 3.6.3 Überlagerung harmonischer Schwingungen gleicher Raumrichtung mit ganzzahligen Frequenzverhältnissen Bei der Überlagerung von Schwingungen deren Frequenzen ein ganzzahliges Verhältnis besitzen entsteht wieder ein periodisches Schwingungsmuster. Beispiel: Überlagerung der Schwingungen y1 (t ) = A1 cos(ω t ) und y2 (t ) = A2 cos(3ω t ) liefert y (t ) = y1 (t ) + y2 (t ) = A1cos(ω t ) + A2 cos(3ω t ) = A f (t ) mit f (t)=f (t-T) wobei T=1/f=2π/ω und A=A1+A2. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 314 Überlagerung mit ganzzahligem Frequenzverhältnis 2 Amplitude 1 0 -1 -2 0 0.5 1 1.5 2 2.5 3 3.5 4 4.5 5 0 0.5 1 1.5 2 2.5 Zeit 3 3.5 4 4.5 5 2 Amplitude 1 0 -1 -2 Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 315 2 Amplitude 1 0 -1 -2 0 0.5 1 1.5 2 2.5 Zeit 3 3.5 4 4.5 5 0 0.5 1 1.5 2 2.5 Frequenz 3 3.5 4 4.5 5 Amplitude 1.5 1 0.5 0 Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 316 Amplitudenspektrum Die Funktion, die die Abhängigkeit der Amplitude als Funktion der (Kreis-) Frequenz angibt, d.h. zeigt welche Frequenzen mit welchen Amplituden zur resultierenden Schwingung beitragen, bezeichnet man als Amplitudenspektrum. Fourier-Synthese Durch Überlagerung von Schwingungen mit ganzzahligen Frequenzverhältnissen und geeignet gewählten Amplituden kann prinzipiell jede gewünschte periodische Funktion erzeugt (synthetisiert) werden. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 317 Amplitude Amplitude Amplitude Überlagerung mit ganzzahligem Frequenzverhältnis 1 0 -1 0 0.5 1 1.5 2 2.5 3 3.5 4 4.5 5 0 0.5 1 1.5 2 2.5 3 3.5 4 4.5 5 0 0.5 1 1.5 2 2.5 Zeit 3 3.5 4 4.5 5 1 0 -1 1 0 -1 Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 318 Amplitude 1 0.5 0 -0.5 -1 Amplitude 0 0.5 1 1.5 2 2.5 Zeit 3 3.5 4 4.5 5 1 0.5 0 0 Hochschule Bremen 1 2 3 4 Frequenz 5 6 Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 7 319 Fourier-Analyse Die Zerlegung eines periodischen Schwingungsmusters in seine Elementarschwingungen, d.h. in Schwingungen mit Frequenzen die ganzzahlige Vielfache einer Grundfrequenz sind, wird FourierReihenanalyse genannt. Fourier konnte zeigen, dass sich jedes periodische Schwingungsmuster in eine Fourier-Reihe, d.h. in eine Reihe von elementaren Cosinus und Sinusschwingungen, gemäß a0 ∞ y (t ) = + ∑ ak cos( kω t ) + bk sin( kω t ) 2 k =1 zerlegen lässt. Hochschule Bremen k =1: k =2: k =3: • • • k =n: Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 320 Grundschwingung 1te Oberschwingung 2te Oberschwingung (1te Harmonische) (n-1)-te Oberschwingung (n-te Harmonische) (2te Harmonische) (3te Harmonische) ak und bk bezeichnet man als Fourier-Koeffizienten. Sie geben an mit welcher Amplitude die korrespondierenden Elementarschwingungen in der Gesamtschwingung enthalten sind. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 321 Sie berechnen sich zu T 2 ak = ∫ y (t ) cos(kω t ) dt k = 0,1, … T0 und T 2 bk = ∫ y (t ) sin(kω t ) dt k = 1, 2, … T0 Anmerkung: Auch nichtperiodsiche Funktionen können spektral, d.h. in ihre harmonischen Anteile, zerlegt werden. Die Fourier-Reihe geht dabei in das Fourier-Integral ∞ y (t ) = ∫ ( A(ω ) cos(ω t ) + B (ω ) cos(ω t ) ) dω 0 über. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 322 Übungsaufgabe 3-6: Bestimmen Sie die Fourier-Reihe der periodischen Funktion ∞ y (t ) = ∑ f (t − nT ) mit n = −∞ ⎧− 1 für − T / 2 < t < 0 ⎪ f (t ) = ⎨0 sonst ⎪1 für 0 < t < T / 2 ⎩ Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 323 Überlagerung mit ganzzahligem Frequenzverhältnis Amplitude 1 0.5 0 -0.5 -1 Amplitude 0 0.5 1 1.5 2 2.5 Zeit 3 3.5 4 4.5 5 1 0.5 0 0 Hochschule Bremen 2 4 6 8 Frequenz 10 12 14 16 Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 324 3.6.4 Überlagerung harmonischer Schwingungen mit ganzzahligem Frequenzverhältnis, die senkrecht zueinander schwingen Gegeben seien zwei senkrecht zueinander verlaufende gleichfrequente Schwingungen x(t ) = Ax sin(ω t ) und y (t ) = Ay sin( ω t + ϑ ) Mit dem Additionstheorem sin(α + β ) = sin α cos β + cos α sin β lässt sich y(t) umformen zu y (t ) = Ay cos ϑ sin( ω t ) + Ay sin ϑ cos( ω t ) Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 325 Einsetzen von sin(ω t ) = x(t ) Ax und ⎛ x(t ) ⎞ ⎟⎟ cos(ω t ) = 1 − sin 2 (ω t ) = 1 − ⎜⎜ ⎝ Ax ⎠ in y(t) liefert 2 ⎛ x(t ) ⎞ ⎟⎟ y (t ) = cos ϑ x(t ) + Ay sin ϑ 1 − ⎜⎜ Ax ⎝ Ax ⎠ Ay 2 bzw. ⎛ x(t ) ⎞ y (t ) x(t ) ⎟⎟ − cos ϑ = sin ϑ 1 − ⎜⎜ Ay Ax ⎝ Ax ⎠ Hochschule Bremen 2 Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 326 sowie nach quadrieren die allgemeine Ellipsengleichung y 2 (t ) x 2 (t ) 2 y (t ) x(t ) 2 + − cos ϑ = sin ϑ 2 2 Ay Ax Ax Ay Die Phasenverschiebung ϑ erhält man aus sin ϑ = = Hochschule Bremen y (t ) Ay x (t ) =0 x(t ) Ax y (t ) =0 Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 327 Übungsaufgabe 3-7: Gegeben seien zwei senkrecht zueinander verlaufende gleichfrequente Schwingungen x(t ) = Ax sin(ω t ) und y (t ) = Ay sin( ω t + ϑ ) Berechnen und skizzieren Sie die Lissajous-Figuren für die Spezialfälle ϑ = 0, ϑ = π/2 und ϑ = π . Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus ϑ=45° y-Ampl. ϑ=0° ϑ=135° ϑ=90° 1 1 1 1 0 0 0 0 -1 -1 -1 0 x-Ampl. 1 -1 -1 0 x-Ampl. -1 -1 1 328 0 x-Ampl. 1 -1 0 x-Ampl. 1 Frequenzverhältnis fx : fy = 1 : 1 y-Ampl. ϑ=180° ϑ=225° ϑ=270° ϑ=315° 1 1 1 1 0 0 0 0 -1 -1 -1 -1 0 x-Ampl. Hochschule Bremen 1 -1 0 x-Ampl. 1 -1 -1 0 x-Ampl. 1 -1 0 x-Ampl. Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 1 329 ϑ=45° y-Ampl. ϑ=0° ϑ=135° ϑ=90° 1 1 1 1 0 0 0 0 -1 -1 -1 0 x-Ampl. 1 -1 -1 0 x-Ampl. -1 -1 1 0 x-Ampl. 1 -1 0 x-Ampl. 1 Frequenzverhältnis fx : fy = 1 : 2 y-Ampl. ϑ=180° ϑ=225° ϑ=315° 1 1 1 0 0 0 0 -1 -1 -1 -1 0 x-Ampl. Hochschule Bremen 1 -1 0 x-Ampl. 1 -1 -1 0 x-Ampl. 1 -1 ϑ=45° 1 1 1 0 0 0 0 -1 -1 0 x-Ampl. 1 1 -1 -1 0 x-Ampl. -1 -1 1 330 ϑ=135° ϑ=90° 1 -1 0 x-Ampl. Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus ϑ=0° y-Ampl. ϑ=270° 1 0 x-Ampl. 1 -1 0 x-Ampl. 1 Frequenzverhältnis fx : fy = 1 : 3 y-Ampl. ϑ=180° ϑ=225° ϑ=270° ϑ=315° 1 1 1 1 0 0 0 0 -1 -1 -1 -1 0 x-Ampl. Hochschule Bremen 1 -1 0 x-Ampl. 1 -1 -1 0 x-Ampl. 1 -1 0 x-Ampl. Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 1 331 ϑ=45° y-Ampl. ϑ=0° ϑ=135° ϑ=90° 1 1 1 1 0 0 0 0 -1 -1 -1 0 x-Ampl. 1 -1 -1 0 x-Ampl. -1 -1 1 0 x-Ampl. 1 -1 0 x-Ampl. 1 Frequenzverhältnis fx : fy = 2 : 3 y-Ampl. ϑ=180° ϑ=225° ϑ=270° ϑ=315° 1 1 1 1 0 0 0 0 -1 -1 -1 -1 0 x-Ampl. Hochschule Bremen 1 -1 0 x-Ampl. 1 -1 -1 0 x-Ampl. 1 -1 0 x-Ampl. Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 1 332 3.6.5 Gekoppelte Schwingungssysteme Gegeben seien zwei gleiche horizontal schwingende Feder-Masse-Pendel betrachtet, die durch eine Kopplungsfeder verbunden sind. 0 c12 c m Hochschule Bremen 0 v1 v2 c m Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 333 Es gibt zwei Schwingungszustände, bei denen keine Energieübertragung stattfindet. Sie werden Fundamentalschwingungen genannt. Gleichphasige Schwingung Das Kopplungsglied ist unwirksam, da die Kopplungsfeder in ihrer Ausdehnung unverändert bleibt. Demzufolge schwingen die Massen mit der Frequenz der ungedämpften harmonischen (1te-Fundamental) Schwingung, d.h. ω1 = ω 0 = Hochschule Bremen c , m f1 = f 0 = 1 2π c m Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 334 Gegenphasige Schwingung Aus Symmetriegründen bleibt die Mitte des Kopplungspunktes in Ruhe. Somit kann jedem Körper die Federkonstante der eigenen Feder c und die Federkonstante der halben Kopplungsfeder 2c12 zugeordnet werden. Reihenschaltung: cges=c1·c2 /(c1+c2) Parallelschaltung: cges= c1+c2 Damit ergibt sich die Frequenz der 2ten-Fundamental-Schwingung zu ω2 = Hochschule Bremen c + 2 c12 , m f2 = 1 2π c + 2 c12 m Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 335 Bei Schwingungen die nicht gleich- oder gegenphasig ablaufen, d.h. im allgemeinen Fall, findet eine Überlagerung der Fundamentalschwingungen gemäß ⎛ ω − ω 2 ⎞ ⎛ ω1 + ω 2 ⎞ x1 (t ) = A cos⎜ 1 t ⎟ cos⎜ t⎟ ⎝ 2 ⎠ ⎝ 2 ⎠ ⎛ ω − ω 2 ⎞ ⎛ ω1 + ω 2 ⎞ x2 (t ) = A sin ⎜ 1 t ⎟ sin ⎜ t⎟ 2 2 ⎝ ⎠ ⎝ ⎠ so statt, dass eine Schwebung entsteht mit der Schwebungsfrequenz f s = f1 − f 2 Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 336 Auslenkung von x1 2 1 0 -1 -2 0 0.5 1 1.5 2 2.5 3 3.5 4 4.5 5 0 0.5 1 1.5 2 2.5 Zeit 3 3.5 4 4.5 5 Auslenkung von x2 2 1 0 -1 -2 Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 337 Übungen zur Technischen Physik / Kapitel 3 Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus Aufgabe 3-1: An einer Schraubenfeder mit der Federkonstante c = 6 N/m hängt ein Körper mit der Masse m = 100 g. Durch eine vertikal nach unten gerichtete Kraft wird der Körper zunächst um die Strecke y0 = 15 cm aus seiner Gleichgewichtslage ausgelenkt. Der Körper wird dann freigegeben und führt zunächst eine freie Schwingung aus. a) Wie groß war die Kraft, die den Körper um die Strecke y0 ausgelenkt hat? b) Wie lange ist die Schwingungsdauer T der freien Schwingung? c) Wie lauten die Bewegungsgleichungen der freien Schwingung y(t), v(t), a(t)? d) Berechnen Sie die Geschwindigkeit und die Beschleunigung jeweils für die Gleichgewichtslage und für die maximale Auslenkung. Aufgabe 3-2: Ein Körper der Masse m = 300 g hängt an einer Schraubenfeder. Er führt Schwingungen mit einer Schwingungsdauer von T = π/2 s und einer Amplitude von A = 120 cm aus. a) Berechnen Sie die Federkonstante c der Schraubenfeder. b) Geben Sie die Bewegungsgleichungen der freien Schwingung y(t), v(t), a(t) an. c) Berechnen Sie die Geschwindigkeit und die Beschleunigung jeweils für die Gleichgewichtslage und für die maximale Auslenkung. d) Skizzieren Sie den zeitlichen Verlauf der potentiellen, der kinetischen und der gesamten Energie. Aufgabe 3-3: a) Wie groß ist das logarithmische Dekrement einer gedämpften Schwingung y = y 0 e −δ t sin(ω d t ) , wenn die Schwingungsdauer Td durch die Dämpfung gerade doppelt so groß ist wie die der ungedämpften Schwingung T0, d.h. Td = 2 T0? b) Wie groß ist bei dieser Schwingung das zweite Schwingungsmaximum y2, wenn das erste Td = 2 y1 = 10 cm beträgt? c) Es sei Td = 0,9 s. Geben Sie die Größen δ, ωd und ω0 an. Welcher der drei möglichen Fälle liegt vor? Aufgabe 3-4: Auf einer Fernverkehrsstraße folgen mehrere Bodenwellen der Höhe h = 5 cm im gleichen Abstand l = 11 m aufeinander. Ein PKW der Masse m = 980 kg (Masse der Räder nicht enthalten) befahre diese Strecke. Die Gesamtfederkonstante seiner Federn sei c = 1,3·105 N/m und die Dämpfungskonstante seiner Stoßdämpfer b = 2,8 .103 kg/s. a) Bei welcher Geschwindigkeit v sind die vertikalen Schwingungen des PKW am größten? b) Welchen Maximalwert kann die vertikale Schwingungsamplitude des PKW annehmen? Übungen zur Technischen Physik / Kapitel 3 Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus Aufgabe 3-5: Durch Überlagerung der Töne zweier Stimmgabeln, von denen die zweite durch Anbringen einer Zusatzmasse ein wenig verstimmt ist, entsteht eine Schwebung, deren Dauer gleich dem 50fachen der Schwingungsdauer T2 der verstimmten Stimmgabel ist. a) Um wie viel Prozent weicht die Schwingungsdauer T2 von der Schwingungsdauer T1 der ersten Stimmgabel ab? b) Mit welcher Frequenz schwingt die zweite Stimmgabel, wenn f1 = 440 Hz beträgt? Aufgabe 3-6: Eine angezupfte Saite von 87,4 cm Länge erzeugt den gleichen Ton wie eine Stimmgabel. Verlängert man die Saite bei gleichbleibender Saitenspannung um 0,6cm, so erzeugt die Überlagerung der Töne von Saite und Stimmgabel eine Schwebung der Frequenz fs = 3 Hz. Mit welcher Frequenz schwingt die Stimmgabel? (Anmerkung: die Frequenz einer Saite ist umgekehrt proportional zu seiner Länge) Aufgabe 3-7: a) Zwei Schwingungen gleicher Raumrichtung, Frequenz und Amplitude überlagern sich derart, dass die resultierende Schwingung wiederum die gleiche Amplitude hat. Wie groß ist die Phasenverschiebung ∆ϑ zwischen den beiden Schwingungen und ∆ϕ zwischen einer dieser Schwingungen und der resultierenden Schwingung? b) Welche Phasendifferenz ϕ weisen zwei sich senkrecht zueinander überlagernde Schwingungen gleicher Frequenz auf, wenn deren Lissajous-Figur mit der Amplitude Ax = 40 cm die x-Achse bei x0 = 13,7 cm schneidet. Aufgabe 3-8: Ein Punkt nimmt gleichzeitig an zwei zueinander senkrechten harmonischen Schwingungen (x(t) und y(t)) von gleicher Frequenz mit den Amplituden Ax = 3 cm und Ay = 4 cm teil, deren Anfangsphasen sich um a) ∆ϕ = 0, b) ∆ϕ = π/2, c) ∆ϕ = 3π/4 unterscheiden. Welche resultierende Schwingung vollführt der Punkt in den drei Fällen? 4. Mechanische Wellen 4.1 Grundlagen der Wellenausbreitung Wellenausbreitung wird bei schwingungsfähigen Systemen die räumlich miteinander gekoppelt sind beobachtet. Aufgrund der Kopplung überträgt sich die Schwingung eines Systems auf das Nachbarsystem. Fortschreitende Wellen zwischen gekoppelten Fadenpendeln: a) Gekoppelte Fadenpendel, b) Transversalwelle und c) Longitudinalwelle Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 1 Transversal- oder Querwelle Schwingt das 1te Pendel in y-Richtung, d.h. senkrecht zur Ausbreitungsrichtung, so breitet sich dieser Schwingungszustand von Pendel zu Pendel aus. Es entsteht eine laufende Welle, bei der Ausbreitungsrichtung und Schwingungsrichtung senkrecht zueinander sind. Derartige Wellen bezeichnet man als Transversal- oder Querwellen. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 2 Longitudinal- oder Längswelle Schwingt das 1te Pendel in x-Richtung, d.h. in Ausbreitungsrichtung, so breitet sich auch dieser Schwingungszustand von Pendel zu Pendel aus. Bei der dadurch hervorgerufenen laufenden Welle, liegen jetzt jedoch Ausbreitungsrichtung und Schwingungsrichtung parallel zueinander. Derartige Wellen werden Longitudinal- oder Längswellen genannt. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 3 Ausbreitungszustände einer Transversalwelle y t=0 x t=1/8 T x t=2/8 T x t=3/8 T x t=4/8 T x t=5/8 T x t=6/8 T x t=7/8 T x t=8/8 T x λ Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 4 Ausbreitungszustände einer Longitudinalwelle t=0 x t=1/8 T t=2/8 T t =3/8 T t =4/8 T t =5/8 T t =6/8 T t =7/8 T t =8/8 T t Hochschule Bremen λ Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 5 Longitudinalwelle dargestellt als Transversalwelle y x Wellen transportieren keine Materie, sie übertragen lediglich Schwingungszustände und damit Energie. Die Energieübertragung ist notwendig, um die einzelnen Schwinger (Oszillatoren) zu Schwingungen anzuregen. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 6 Der Abstand zweier gleichartiger Schwingungszustände im Wellenfeld wird Wellenlänge λ genannt. Da die Welle innerhalb der Periodendauer T den Weg λ zurücklegt, ergibt sich die Fortpflanzungsoder Ausbreitungsgeschwindigkeit der Welle zu λ c= T Die Ausbreitungsgeschwindigkeit einer Welle ist das Produkt aus Wellenlänge λ und Frequenz f c=λ f Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 7 • In Gasen und Flüssigkeiten (ohne innere Reibung) sind nur Longitudinalwellen ausbreitungsfähig. • An Grenzflächen von Flüssigkeiten können sich transversale Oberflächenwellen, z.B. Wasserwellen, ausbreiten. • In Festkörpern sind alle Wellentypen, d.h. – Longitudinalwellen (Kompressionswelle, Primärwelle, P-Wave) – Transversalwellen (Scherungswelle, Sekundärwelle, S-Wave) • • • • Oberflächenwellen Biegewellen Dehnwellen Torsionswellen ausbreitungsfähig. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 8 Wellen werden auch nach der geometrischen Form ihrer Wellenfronten oder Phasenflächen, d.h. Flächen konstanter Phase, klassifiziert. Phasenflächen Wellentypen Ebenen ebene Welle Zylinder Zylinderwelle Kugeln Kugelwelle Sind auf den Phasenflächen außerdem noch die Amplituden konstant, so bezeichnet man die Wellen als homogene Wellen. Wellen deren Amplitude auf den Phasenflächen nicht konstant ist, werden inhomogene Wellen genannt. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 9 Wellenfronten/Phasenflächen einer Kreiswelle einer ebenen Welle r Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus x 10 4.2 Wellengleichung Wellen werden durch Gleichungen der Form 1 ∂ 2 f ( x, y , z , t ) Δ f ( x, y , z , t ) = 2 c ∂t 2 mit ∂ 2 f ( x, y , z , t ) ∂ 2 f ( x, y , z , t ) ∂ 2 f ( x, y , z , t ) Δf ( x, y, z , t ) = + + ∂x 2 ∂y 2 ∂z 2 beschrieben. Man erhält diese sogenannte Wellengleichung direkt aus dem 2ten Newtonschen Gesetz, indem man die Kräfte betrachtet, die auf ein einzelnes Massen- bzw. Volumenelement wirken. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 11 Für den 1dimensiomalen Fall (ebene Welle) vereinfacht sich die Wellengleichung zu ∂ 2 f ( x, t ) 1 ∂ 2 f ( x, t ) = 2 2 ∂t 2 ∂x c Die allgemeine Lösung der Wellengleichung ist nach d‘Alembert eine Funktion vom Typ ⎛ x⎞ f ( x, t ) = g ⎜ t ± ⎟ ⎝ c⎠ Die Größe c besitzt die Dimension einer Geschwindigkeit. Sie gibt die Ausbreitungsgeschwindigkeit der Welle an. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 12 Für die Ausbreitungsgeschwindigkeit unterschiedlicher Wellentypen in verschiedenen Medien findet man Ausbreitungsgeschwindigkeit Wellentyp Longitudinalwelle in Gasen c= κp ρ Longitudinalwelle in Flüssigkeiten c= K ρ Longitudinalwelle in dünnen Stäben c= E ρ Torsionswelle in dünnen Rundstäben c= G ρ Transversalwelle einer gespannten Saite c = F ( Aρ ) Hochschule Bremen κ Adiabatenexponent p Druck ρ Dichte K Kompressionsmodul E Elastizitätsmodul G Schubmodul F Spannkraft A Querschnitt Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 13 4.3 Harmonische Wellen Von besonderer Bedeutung ist die harmonische Anregung. Der 1te Oszillator am Ort x=0 werde gemäß f (0, t ) = A cos(ω t + ϑ ) angeregt. Ein Oszillator an einem beliebigen Ort x wird gegenüber dem 1ten Oszillator zeitlich um die Laufzeit Δt = x c verspätet, d.h. gemäß f1 ( x, t ) = A cos(ω (t − Δt ) + ϑ ) = A cos(ω (t − x c ) + ϑ ) = A cos(ω t − (ω c) x + ϑ ) harmonisch schwingen. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 14 Aus ω = 2π f und c = λ f folgt mit der Konstanten ω 2π f 2π k= = = λf λ c die man Wellenzahl nennt, die Wellenfunktion f1 ( x, t ) = A cos(ω t − k x + ϑ ) einer nach rechts (in pos. x-Richtung) laufenden Welle. Der Ausdruck für eine nach links (in neg. x-Richtung) laufende Welle ergibt sich durch Vorzeichenwechsel von x zu f 2 ( x, t ) = A cos(ω t + k x + ϑ ) Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 15 Durch die Wellenfunktion f ( x, t ) = A cos(ω t ± k x + ϑ ) wird die Orts- und Zeitabhängigkeit der Auslenkung einer Welle zum Ausdruck gebracht. An einem festen Ort x=a beobachtet man p (t ) = f (a, t ) = A cos(ω t + (ϑ ± k a )) = A cos(ω t + ϑ1 ) d.h. eine harmonische Schwingung. Zu einem bestimmten Zeitpunkt t=τ ergibt sich q ( x) = f ( x,τ ) = A cos(± k x + (ϑ +ωτ )) = A cos(± k x +ϑ2 ) das Momentanbild einer harmonischen Welle. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 16 4.4 Doppler-Effekt Bewegen sich Quelle und Empfänger einer Welle relativ zueinander, so nimmt der Empfänger mit der Frequenz fE eine von der Frequenz fQ der Quelle verschiedene Frequenz wahr. Bei Schallwellen wurde dieser Effekt erstmals von C. Doppler im Jahre 1842 beschrieben. Zur Berechnung der Empfangsfrequenz sind die folgenden Fälle zu unterscheiden. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 17 Wellenfelder zum Doppler-Effekt a) ruhende Quelle, bewegter Empfänger b) bewegte Quelle, ruhender Empfänger vE Q λ Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus vQ Q λΕ 18 4.4.1 Quelle ruht, Empfänger bewegt sich Empfänger bewegt sich mit vE radial auf die Quelle zu bzw. von der Quelle weg. ⇒ Wellenberg/Verdichtung und Wellental/Verdünnung wechseln beim Empfänger in rascherer Folge bzw. langsamerer Folge. Der zeitliche Abstand zweier aufeinanderfolgender Wellenberge/Verdichtungen beträgt am Empfänger TE = Hochschule Bremen λ c + vE bzw. TE = λ c − vE Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 19 Der Empfänger registriert also die Frequenz fE = c + vE λ bzw. fE = c − vE λ die sich mit c =λ fQ zu ⎛ v ⎞ f E = f Q ⎜1 + E ⎟ c ⎠ ⎝ bzw. ⎛ v ⎞ f E = f Q ⎜1 − E ⎟ c ⎠ ⎝ ergibt. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 20 4.4.2 Empfänger ruht, Quelle bewegt sich In Bewegungsrichtung eilt die Quelle ihren eigenen Wellenzügen hinterher ⇒ Der Abstand der Wellenfronten verringert sich vor der Quelle bzw. vergrößert sich hinter der Quelle. Für einen Empfänger auf den sich die Quelle zubewegt bzw. von dem sich die Quelle wegbewegt ist die wirksame Wellenlänge durch λE = λ − vQTQ bzw. λE = λ + vQTQ gegeben. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 21 Der Empfänger nimmt also wegen λ c c = λ fQ = fE = und TQ λE die Frequenz fE = fQ 1 − vQ c bzw. fE = fQ 1 + vQ c wahr. 4.4.3 Empfänger und Quelle bewegen sich Bewegen sich Empfänger und Quelle relativ zum Ausbreitungsmedium so unterscheidet man 4 Fälle. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 22 Empfänger & Quelle bewegen sich aufeinander zu fQ Frequenz einer ruhenden fQ' = Ersatzquelle (vor der Quelle) 1 − vQ c c + vE 1 + vE c ⎛ v ⎞ f E = f Q ' ⎜1 + E ⎟ = f Q = fQ c ⎠ 1 − vQ c c − vQ ⎝ Empfänger & Quelle bewegen sich voneinander weg fQ Frequenz einer ruhenden fQ' = Ersatzquelle (hinter der Quelle) 1 + vQ c c − vE 1 − vE c ⎛ v ⎞ f E = f Q ' ⎜1 − E ⎟ = f Q = fQ c ⎠ c + vQ 1 + vQ c ⎝ Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 23 Empfänger folgt Quelle fQ Frequenz einer ruhenden fQ' = Ersatzquelle (hinter der Quelle) 1 + vQ c c + vE 1 + vE c ⎛ v ⎞ f E = f Q ' ⎜1 + E ⎟ = f Q = fQ c ⎠ c + vQ 1 + vQ c ⎝ Quelle folgt Empfänger fQ Frequenz einer ruhenden fQ' = Ersatzquelle (vor der Quelle) 1 − vQ c c − vE 1 − vE c ⎛ v ⎞ f E = f Q ' ⎜1 − E ⎟ = f Q = fQ c ⎠ c − vQ 1 − vQ c ⎝ Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 24 Anmerkung Die angegebenen Formeln sind nicht anwendbar beim Doppler-Effekt von elektromagnetischen Wellen. Dort ist nicht die Geschwindigkeit relativ zu einem ruhenden Koordinatensystem, sondern nur die Relativgeschwindigkeit v von Quelle und Empfänger zueinander maßgebend. Es ergibt sich bei Annäherung bzw. Entfernung f E = fQ Hochschule Bremen c+v c−v f E = fQ c−v c+v Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 25 4.4.4 Quelle bewegt sich mit Überschallgeschwindigkeit Mit vQ → c rücken die Wellenfronten vor der Quelle immer dichter zusammen, bis sie schließlich bei vQ = c alle durch einen gemeinsamen Punkt gehen und die Einhüllende einer ebenen Wand gleicht. Bei vQ > c, d.h. Überschallgeschwindigkeit, durchstößt die Quelle diese Wand (sogenannte Schallmauer) und es stellt sich ein Wellenfeld mit einer kegelförmigen Einhüllenden, dem sogenannten Machschen-Kegel, ein. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 26 Die kegelförmige Wellenfront nennt man auch Kopfwelle. Da sich die Wellenfront auf dem Kegelmantel konstruktive addieren, hört ein von der kegelförmigen Wellenfront getroffener Beobachter einen explosionsartigen Knall. Der halbe Öffnungswinkel des Machschen-Kegels ergibt sich zu ct c 1 sin α = = = vQ t vQ Ma wobei Ma die Machsche-Zahl bezeichnet. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 27 ct α Q vQ t Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus vQ 28 4.5 Überlagerung von Wellen 4.5.1 Interferenz Die Überlagerung zweier oder mehrerer Wellen gleicher Frequenz, d.h. die Überlagerung von Wellen mit festen Phasenbeziehungen, führt je nach den Phasendifferenzen zwischen den Wellen zu räumlichen Erscheinungen die man Interferenz nennt. Kohärenz Wellen, zwischen denen zeitlich feste Phasenbeziehungen bestehen werden als kohärent bezeichnet. Überlagerung kohärenter Wellen ⇒ (beobachtbare) Interferenz Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 29 Überlagerung zweier kohärenter Kreiswellen Empfänger 1te-Quelle r1 2te-Quelle Hochschule Bremen r2 Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 30 A1 cos(ω t − k r + ϑ1 ) r A f 2 ( r , t ) = 2 cos(ω t − k r + ϑ2 ) r f1 ( r , t ) = Das resultierende Wellenfeld, das sich durch Addition der beiden Wellen ergibt, lautet am Empfangsort f E ( r , t ) = f1 ( r , t ) + f 2 ( r , t ) ~ ~ = A cos ω t + ϑ ( ) mit Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus ( ~ ~ ~ ~~ ~ ~ A = A12 + A12 + 2 A1 A2 cos ϑ1 − ϑ2 und 31 ) ~ ~ ~ ~ A1 sin ϑ1 + A2 sin ϑ2 tan ϑ = ~ ~ ~ ~ A1 cos ϑ1 + A2 cos ϑ2 ~ wobei ~ A A1 = 1 , r1 und ~ ϑ1 = ϑ1 − k r1 , Hochschule Bremen ~ A A2 = 2 r2 ~ ϑ2 = ϑ2 − k r2 Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 32 Überlagerung zweier kohärenter ebener Wellen gleicher Ausbreitungsrichtung Wellenfronten der 1ten ebenen Welle x Δx Wellenfronten der 2ten ebenen Welle Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 33 Für A1=A2=A, d.h. gleiche Amplituden, folgt aus ⎛ 2π ⎛ ⎞⎞ f ( x, t ) = A ⎜⎜ cos(ω t − k x ) + cos⎜ ω t − k x + Δx ⎟ ⎟⎟ λ ⎝ ⎠⎠ ⎝ nach Anwenden des Additionstheorems ⎛α + β ⎞ ⎛α − β ⎞ cos α + cos β = 2 cos⎜ ⎟ cos⎜ ⎟ 2 2 ⎝ ⎠ ⎝ ⎠ die Wellenfunktion π ⎞ ⎛π ⎞ ⎛ f ( x, t ) = 2 A cos⎜ Δx ⎟ cos⎜ ω t − k x + Δx ⎟ λ ⎠ ⎝λ ⎠ ⎝ Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 34 Spezialfälle: a) Gangunterschied Δx=0: Die Amplitude der resultierenden Welle ist doppelt so groß wie die der Ausgangswellen. Die Nulldurchgänge liegen am selben Ort wie bei den Ausgangswellen. b) Gangunterschied Δx=λ/2: Die beiden Ausgangswellen schwingen an jedem Ort gegenphasig und löschen sich deshalb überall aus. c) Gangunterschied Δx= λ/4: Die Amplitude der resultierenden Welle ist 2 -mal größer als die der Ausgangswellen. Die Nulldurchgänge liegen genau mittig zwischen denen der Ausgangswellen. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 35 Konstruktive Interferenz Bei der Überlagerung zweier Wellen bei der die Amplitude der resultierenden Welle gleich der Summe der Amplituden der Ausgangswellen ist, d.h. Δx = n λ mit n ∈ , spricht man von konstruktiver Interferenz. f1(x,t = 0) x f2(x,t = 0) x f (x,t = 0) x Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 36 Destruktive Interferenz Bei der Überlagerung zweier Wellen bei der die Amplitude der resultierenden Welle zu null auslöscht, d.h. Δx = (2n +1) λ/2 mit n ∈ , spricht man von destruktiver Interferenz. f1(x,t = 0) x f2(x,t = 0) x f (x,t = 0) x Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 37 4.5.2 Stehende Wellen Durch Überlagerung zweier ebener Wellen gleicher Amplitude und Frequenz aber entgegengesetzter Ausbreitungsrichtung, d.h. f1 ( x, t ) = A cos(ω t − k x ) f 2 ( x, t ) = A cos(ω t + k x + ϑ ) entsteht eine resultierende Welle mit f ( x , t ) = f1 ( x , t ) + f 2 ( x , t ) = A (cos(ω t − k x ) + cos(ω t + k x + ϑ )) ϑ⎞ ⎛ ϑ⎞ ⎛ = 2 A cos⎜ k x + ⎟ cos⎜ ω t + ⎟ 2⎠ 2⎠ ⎝ ⎝ Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 38 in pos. x-Richtung laufende Welle in neg. x-Richtung laufende Welle resultierende stehende Welle t=0 x t = 1/8 T x t = 2/8 T x t = 3/8 T x t = 4/8 T x t = 5/8 T x t = 6/8 T x t = 7/8 T x t = 8/8 T K Hochschule Bremen B K B K B K B x K Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 39 In äquidistanten Abständen von λ/2 treten ortsfeste Schwingungsknoten und Schwingungsbäuche auf. f (x,t) t=4/8T t=0, t=8/8T t=1/8T, t=7/8T t=2/8T, t=6/8T x λ/2 Hochschule Bremen t=3/8T, t=5/8T Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 40 Man bezeichnet die so entstandenen stationären Schwingungszustände deshalb auch als stehende Wellen. Ein stehendes Wellenfeld tritt z.B. bei der Überlagerung einer einfallenden und einer reflektierten Welle auf. Ob sich beim stehenden Wellenfeld an der Reflexionsstelle ein Schwingungsknoten oder Schwingungsbauch ausbildet, hängt von den Reflexionseigenschaften der Kontaktstelle / Grenzschicht ab. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 41 Reflexion einer Seilwelle am festen Ende Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 42 Reflexion einer Seilwelle am losen Ende Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 43 Eine Seilwelle erfährt bei der Reflexion am • festen Ende einen Phasensprung von π (180°) ⇒ Schwingungsknoten • losen Ende keinen Phasensprung ⇒ Schwingungsbauch Eine Schallwelle (Teilchenauslenkung) erfährt bei der Reflexion am • geschlossenen (gedackten) Pfeifenende einen Phasensprung von π(180°) (Schwingungsknoten) • offenen Pfeifenende keinen Phasensprung (Schwingungsbauch) Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 44 Seilwelle am Übergang vom schweren zum leichten Seil Seilwelle am Übergang vom leichten zum schweren Seil Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 45 Saite mit beidseitig fest eingespannten Enden Stimmgabel Saite l Regt man eine beidseitig fest eingespannte Saite durch eine harmonische Schwingung an, so beobachtet man für bestimmte Frequenzen (Resonanzfrequenzen der Saite) ein stehendes Wellenfeld. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 46 Da sich an den befestigten Enden immer Schwingungsknoten befinden müssen, besitzt die Grundschwingung (1te Harmonische) einen Schwingungsbauch in der Saitenmitte, d.h. λ1 l= 2 wobei λ1 die Wellenlänge der Grundschwingung angibt. Mit c=λ1 f1 ergibt sich die Frequenz der Grundschwingung zu c c f1 = wobei c= Hochschule Bremen = λ1 2l F Aρ Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 47 Grundschwingung B K 2te Harmonische K B K K B K 3te Harmonische K B K K B B K 4te Harmonische K B K K B K B B K 5te Harmonische K B K B K B K B K B K l Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 48 Die 2te, 3te,..., n-te Harmonische (1te, 2te,..., (n-1)-te Oberschwingung) besitzt zwischen den Befestigungsstellen 1, 2,..., (n-1)-Knoten und damit die Frequenz f n = n f1 = n c λ1 =n c 2l Das zu der jeweiligen Frequenz zugehörige Schwingungsmuster wird Schwingungsmode oder kurz Mode genannt. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 49 Saite mit nur einem fest eingespannten Ende Stimmgabel Saite l Auch bei Saiten mit einem festen und einem losen Ende können sich bei geeigneter Anregung stehende Wellen ausbilden. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 50 Da sich am festen Ende ein Schwingungsknoten und am losen Ende ein Schwingungsbauch befinden muss gilt für die Wellenlänge der Grundschwingung λ l= 1 4 Für den nächsthöheren Schwingungsmode, d.h. für die 3te Harmonische gilt l= Hochschule Bremen 3 λ3 4 Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 51 Grundschwingung B K 3te Harmonische K B K B 5te Harmonische B K B K K B B 7te Harmonische K K B K B K K B B 9te Harmonische B K K B K B B B K B l Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 52 Die Bedingung für stehende Wellen lautet demzufolge λ l=n n 4 Mit c=λn fn ergeben sich die Resonanzfrequenzen schließlich zu f n = n f1 = n c λ1 =n c 4l für n = 1, 3, 5,... Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 53 4.5.3 Wellengruppen Eine zeitlich begrenzte Schwingung hat einen räumlichen begrenzten Wellenzug zur Folge, der als Wellenpaket oder Wellengruppe bezeichnet wird. Ist τ die Zeitdauer der Schwingung, so ergibt sich unter der Voraussetzung, dass alle Teilwellen des Wellenpakets dieselbe Ausbreitungs-(Phasen-) geschwindigkeit besitzen, die Länge des Wellenzuges zu l = cτ Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 54 Dispersion Unter Dispersion versteht man die Frequenzabhängigkeit der Phasengeschwindigkeit einer harmonischen Welle. Liegt Dispersion vor, so besitzt jede Teilwelle eine andere Phasengeschwindigkeit, was zu einer Formänderung bzw. zum Auseinanderlaufen des Wellenpakets führt. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 55 Der Einfluss der Dispersion kann am Beispiel der Schwebungsgruppe, die durch Überlagerung zweier ebener Wellen mit geringfügig unterschiedlichen Frequenzen aber gleichen Amplituden entsteht, d.h. f1 ( x, t ) = A cos(ω1 t − k1 x ) f 2 ( x, t ) = A cos(ω 2 t − k 2 x ) mit ω1 ≈ ω2, diskutiert werden. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 56 Die Superposition beider Teilwellen liefert mit f ( x , t ) = f1 ( x , t ) + f 2 ( x , t ) = A {cos(ω1 t − k1 x ) + cos(ω 2 t − k 2 x )} Δk ⎞ ⎛ Δω = 2 A cos⎜ t− x ⎟ cos(ω t − k x ) 2 2 ⎝ ⎠ eine modulierte Trägerwelle, wobei ω = (ω1 + ω 2 ) 2 k = (k1 + k 2 ) 2 Δ ω = ω1 − ω 2 Δk = k1 − k 2 bezeichnet. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 57 Die Trägerwelle wird dabei durch den 2ten Faktor cos(ω t − k x ) die Modulation der Amplitude, durch die sich eine periodische Abfolge von Wellengruppen ausbildet, durch den 1ten Faktor Δk ⎛ Δω cos⎜ t− 2 ⎝ 2 ⎞ x⎟ ⎠ l = cgr / | f1 − f2| beschrieben. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 58 Nach Ausklammern von Δω/2 beim 1ten und ω beim 2ten Faktor lautet die Wellenfunktion ⎛ Δω ⎛ ⎜t − x f ( x, t ) = 2 A cos⎜ ⎜ 2 ⎜ c gr ⎝ ⎝ ⎞⎞ ⎟ ⎟ cos⎛⎜ ω ⎛⎜ t − x ⎞⎟ ⎞⎟ ⎜ ⎟ ⎟⎟ c ⎝ ⎠ ⎝ ⎠ ⎠⎠ mit c = ω/k und cgr= Δω/Δk . Hierbei bezeichnet c die Phasengeschwindigkeit der Trägerwelle und cgr die sogenannte Gruppengeschwindigkeit mit der sich die Wellengruppe als Ganzes ausbreitet. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 59 Liegt keine Dispersion vor, d.h. c(f1) = c(f2) = c, dann gilt c = cgr Bei Dispersion, d.h. c(f1) ≠ c(f2) gilt c ≠ cgr Die Bedeutung der Gruppengeschwindigkeit besteht darin, dass sie und nicht die Phasengeschwindigkeit, die Geschwindigkeit des Informations- und Energietransports bei Wellengruppen bestimmt. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 60 Allgemein ergibt sich die Gruppengeschwindigkeit für beliebige durch Fourier-Synthese erzeugte Wellengruppen zu c gr = dω dk Ausnutzen von k = ω /c( f (ω)) bzw. ω = k c(λ (k)) mit ω = 2π f und k = 2π /λ liefert schließlich c( f ) c gr ( f ) = f d c( f ) 1− c df Hochschule Bremen bzw. c gr (λ ) = c (λ ) − λ dc dλ Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 61 4.6 Reflexion, Brechung und Beugung 4.6.1 Elementarwellen Huygensches Prinzip Jeder von einer Wellen getroffene Raumpunkt kann als Ausgangspunkt einer sogenannten Elementarwelle aufgefasst werden. Die von allen Punkten einer Wellenfront gleichzeitig ausgesendeten Elementarwellen ergeben als Einhüllende eine Wellenfront die der Wellenfront des ursprünglichen Erregungszentrums entspricht. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 62 Unter einer Elementarwelle versteht man bei 2- bzw. 3dimensionaler Ausbreitung eine Kreis- bzw. Kugelwelle. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus Ebene Welle Hochschule Bremen 63 Kreis- bzw. Kugelwelle Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 64 Huygens-Fresnelches Prinzip Die an einem beliebigen Raumpunkt des Wellenfeldes beobachtete Schwingung lässt sich durch die Überlagerung sämtlicher Elementarwellen, die von einer Wellenfront ausgehen, beschreiben. Die Ausbreitung einer Welle vollzieht sich unter gegenseitiger Interferenz der von den Wellenfronten ausgehenden Elementarwellen. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 65 4.6.2 Reflexion Reflexion ebener Wellen an ebenen Grenzflächen Einfallslot 1 1' 2 B D F ε εr A Hochschule Bremen 2' E C Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 66 Die Laufzeit der einfallenden Welle von B nach C ergibt sich zu BC τ= c Der Radius der von A ausgehenden Elementarwelle beträgt nach der Zeit τ rA = cτ = AD Es gilt also BC = AD Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 67 Alle Elementarwellen die von Punkten zwischen A und C ausgehen, z.B. E, haben als Radien Zwischenwerte, z.B. τ rE = c = EF 2 derart, dass sich als gemeinsame Tangente die Wellenfront CD ausbildet. Die beiden Dreiecke ABC und ADC – sind rechtwinklig (Wellenfront ⊥ zur Ausbreitungsrichtung) – haben gemeinsame Basis AC und – gleichlange Seiten BC = AD Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 68 Somit gilt für die gegen das Einfallslot gemessenen Winkel ε (Einfallswinkel) und εr (Ausfalls- bzw. Reflexionswinkel) die Beziehung ε = εr. Reflexionsgesetz Die Ausbreitungsrichtung der einfallenden Welle, das Einfallslot und die Ausbreitungsrichtung der reflektierten Welle liegen in einer Ebene, d.h. einfallender Strahl, Einfallslot und reflektierter Strahl liegen in einer Ebene. Der Einfallswinkel ε ist gleich dem Reflexionswinkel εr. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 69 Reflexion von Kugelwellen an ebenen Grenzflächen Kugelwellen werden an einer ebenen Grenzfläche so reflektiert, dass die reflektierten Wellen Z' von einem Zentrum Z' auszugehen scheinen, das bzgl. der Grenzfläche spiegelZ symmetrisch zum wirklichen Zentrum Z liegt. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 70 4.6.3 Brechung Brechung ebener Wellen an ebenen Grenzflächen Einfallslot 1 2 Medium 1 Ausbreitungsgeschwindigkeit c1 B ε1 E A ε2 F D 1' Hochschule Bremen C Medium 2 Ausbreitungsgeschwindigkeit c2 2' Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 71 Die Laufzeit der einfallenden Welle von B nach C berechnet sich zu BC τ= c1 Der Radius der von A ausgehenden Elementarwelle beträgt nach der Zeit τ in Medium 2 c rA, 2 = c 2τ = 2 BC = AD c1 Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 72 Alle Elementarwellen die von Punkten zwischen A und C ausgehen, z.B. E, haben als Radien Zwischen-werte, z.B. τ rE , 2 = c 2 = EF 2 derart, dass sich als gemeinsame Tangente die Wellenfront CD ausbildet. Aus den Dreiecken ABC und ADC folgt sin ε 1 = Hochschule Bremen BC AC Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus und sin ε 2 = 73 AD c 2 BC = ⋅ AC c1 AC Dividiert man beide Ausdrücke durcheinander, so erhält man mit sin ε 1 c1 = = const. sin ε 2 c 2 das bereits von Snellius 1621 experimentell gefundene und deshalb nach ihm benannte Snelliussche Brechungsgesetz. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 74 4.6.4 Beugung Eine ebene Welle treffe senkrecht auf – eine Wand mit Öffnung (Wellenfronten parallel zur Wand) – ein Hindernis (Wellenfronten parallel zum Hindernis) Beugung an einer Öffnung d = 7λ / 2 Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 75 Beugung an einer Öffnung d = 7λ / 4 d = 3λ / 8 Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 76 Beugung an einem Hindernis d = 14λ d = 7λ Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 77 Die Erklärung das Wellen in den Schattenraum gelangen, also um die Berandung der Öffnung / des Hindernisses herum in den Schattenraum gebeugt werden, liefert wieder das Huygens-FresnelschePrinzip. Jeder Punkt des Mediums und somit jeder Punkt der Öffnung ist Ausgangspunkt einer Elementarwelle. Die Überlagerung aller Elementarwellen liefert ein Interferenzmuster, dass im Schattenbereich zwar abgeschwächt ist, aber das dort nicht verschwindet. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 78 Streuung an einem Hindernis Ist die Ausdehnung des Hindernisses d < λ, so spricht man von Streuung. Die einfallende ebene Welle passiert das Hindernis fast ungestört. Vom Hindernis geht nur eine schwache Kreiswelle aus. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 79 Beugung am Doppelspalt Die Öffnungen seien so klein, dass sich hinter ihnen kreisförmige Elementarwellen ausbreiten. Der Abstand der beiden Öffnungen sei d. Wir unterscheiden die folgenden Betriebsarten a) Gleichtakt, d.h. die Elementarwellen sind in Phase b) Gegentakt, d.h. die Elementarwellen haben einen Phasenunterschied von ϑ =π Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 80 a) Hochschule Bremen b) Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus a) Hochschule Bremen d = 4λ d = 2λ 81 b) Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 82 a) Hochschule Bremen d=λ b) Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 83 Im Nahbereich erkennt man noch deutlich die konzentrischen Kreiswellen. In größerem Abstand bilden sich keilförmige Bereiche aus. • An deren Rändern dieser Bereiche ist die Auslenkung minimal (destruktive Interferenz) • In deren Zentren dieser Bereiche ist die Auslenkung maximal (konstruktive Interferenz) . Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 84 MAX MIN MAX MIN MAX MIN MAX MIN MAX MIN MAX MIN MAX MIN MIN MAX MAX d Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 85 Die Verbindungslinien der Orte mit • konstruktiver Interferenz und (durchgezogene rote Linien) • destruktiver Interferenz (punktierte rote Linien) lassen sich durch eine Schar konfokaler Hyperbeln beschreiben. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 86 Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 87 Auf jedem Punkt des zugehörigen Hyperbelpaares ist der Gangunterschied g der Elementarwellen • bei konstruktiver Interferenz ein ganzzahliges Vielfaches der Wellenlänge λ, d.h. es gilt g = mλ m = 0 ,1,2, … und m ≤ d / λ • bei destruktiver Interferenz ein ungradzahliges Vielfaches der halben Wellenlänge λ/2, d.h. es gilt g = (2k + 1) Hochschule Bremen λ 2 k = 0 ,1,2,… und k ≤ d / λ − 1 / 2 Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 88 In Entfernungen r >> d gilt a) Hyperbeln ≈ Asymptoten b) αm ≈ α'm ≈ α'm für m = 0,1,2,... und m = d /λ c) Die Strecken r1,r2 und r sind nahezu parallel Intensitätsmaxima r2 r1 r αm Intensitätsminima r2 r1 r αk mλ αk αm Q2 Hochschule Bremen (2k+1) λ/2 d Q1 Q2 d Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus Q1 89 Hieraus ergeben sich die Richtungen αm ( m = 0,1,... mit m ≤ d /λ ), in denen für r >> d Intensitätsmaxima (konstruktive Interferenz) auftreten zu sin α m = m λ d Entsprechend ergeben sich die Richtungen αk ( k = 0,1,... mit k ≤ d /λ − ½ ), in denen für r >> d Intensitätsminima (destruktive Interferenz) auftreten zu sin α k = (2k + 1) Hochschule Bremen λ 2d Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 90 Übungen zur Technischen Physik / Kapitel 4 Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus Aufgabe 4-1: Eine Transversalwelle breitet sich in Richtung der positiven x-Achse ungedämpft mit der Geschwindigkeit c = 1 m/s aus. Die Ausbreitung beginnt zur Zeit t = 0 s im Koordinatenursprung. An diesem Ort ist die Auslenkung zu diesem Zeitpunkt Null; sie wächst in der unmittelbar folgenden Zeit zunächst an. Die Amplitude beträgt ymax = 20 cm, die Frequenz f = 0,25 Hz. a) Wie groß ist die Wellenlänge λ? b) Zu welchem Zeitpunkt t beginnt ein Teilchen am Ort mit der Koordinate x = 100 m zu schwingen? c) Welche Auslenkung y hat dieses Teilchen zur Zeit t = 30 s? Aufgabe 4-2: Es breite sich eine harmonische Welle in positiver x-Richtung aus. Sie habe die Amplitude A = 0,1 m, die Wellenlänge λ = 0,3m und die Schwingungsdauer T = 2 s a) Wie groß sind Frequenz, Kreisfrequenz, Wellenzahl und Ausbreitungsgeschwindigkeit? b) Welche Auslenkung beobachtet man am Ort x=1 m zur Zeit t1 = 5 s und t2 = 10 s, wenn die Wellen den Ort x = 0 m zur Zeit t = 0 s mit der Auslenkung null erreichen? Aufgabe 4-3: Auf einem Seil breitet sich eine Welle mit der Amplitude A = 5,0 cm und der Periodendauer T = 0,25 s in positiver x-Richtung aus. In der Entfernung x = λ/2 vom Ort der Erregung der Welle befindet sich zum Zeitpunkt t = 0 s gerade ein Wellental. a) Wie lautet die Wellenfunktion? b) Wie groß sind zu den Zeitpunkten t = 0 s bzw. t = T/4 die Auslenkung, Geschwindigkeit und Beschleunigung der erregenden Schwingung (x = 0 cm)? Aufgabe 4-4: Über ein Seil laufen Wellen in positiver x-Richtung mit der Phasengeschwindigkeit c = 0,8 m/s. Die Periodendauer mit der jeder Seilpunkt dabei schwingt sei T = 0,5 s und die Amplitude A = 8 cm. Zur Zeit t = 0 befinde sich bei x = 3λ/4 gerade ein Wellenberg. a) Berechnen Sie die Wellenlänge λ. b) Stellen Sie die Funktion f(x,t) für diese Welle auf. c) Zeichnen Sie die Momentanbilder der Welle f(x,t) für t = T/2 und t = 3T/4. d) Stellen Sie die Funktion f(x,t) an der Stelle x = λ/4 dar. Aufgabe 4-5: Schallwellen die vom menschlichen Ohr wahrgenommen werden können, haben Frequenzen im Bereich 16 Hz ≤ f ≤ 20 kHz. Welche Wellenlänge besitzen die Schallwellen, wenn der Adiabatenexponent κ = 1,4, die Dichte ρ = 1,3 kg/m3 und der Ruhedruck p = 1,074·105°Pa beträgt? Aufgabe 4-6: Ein Stahlsaite hat eine Länge von l = 40 cm. (Dichte von Stahl ρ = 7,8 g/cm3) a) Bei welcher Saitenspannung σ = F/A erzeugt die Saite in ihrer Grundschwingung einen Ton mit der Frequenz 200 Hz? Welcher Zugkraft F entspricht dies bei einem Saitendurchmesser von d = 0,5 mm? b) Welche Grundfrequenz ergäbe sich, wenn die Saite halb so lang und doppelt so dick wäre und nur unter einem Viertel der Zugkraft stünde? Übungen zur Technischen Physik / Kapitel 4 Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus Aufgabe 4-7: Die Sirene eines Polizeifahrzeuges, das mit der Geschwindigkeit v1 = 75 km/h fährt, erzeugt einen Ton der Frequenz fS = 2,5 kHz. (Schallgeschwindigkeit c = 340 m/s) a) Welche Frequenz fF besitzt der Ton, den der Fahrer eines Wagens hört, der mit einer Geschwindigkeit von v2 = 30 km/h dem Polizeifahrzeug folgt? b) Wie groß ist fF, wenn v1 = v2 ist? Aufgabe 4-8: Beim Annähern eines Rennwagens nimmt ein Beobachter einen um 4/3 höheren Ton als bei dessen Entfernen wahr. Welche Geschwindigkeit v hat der Rennwagen? (Schallgeschwindigkeit c = 340m/s ) Aufgabe 4-9: Zwei Züge fahren mit gleicher Geschwindigkeit v aufeinander zu. Die Frequenz des Pfeiftones des einen Zuges wird im anderen Zug um den Faktor 9/8 erhöht wahrgenommen Wie groß ist v? (Schallgeschwindigkeit c = 340 m/s) Aufgabe 4-10: Ein Lokomotivführer, der mit der Geschwindigkeit von 90 km/h auf einen Tunnel zufährt, lässt ein Pfeifsignal der Frequenz f = 500 Hz ertönen. a) Welche Frequenz fB hört ein ruhender Beobachter, an dem der Zug bereits vorbeigefahren ist? b) Am Tunneleingang wird das Signal reflektiert. Welche Frequenz fR hört der Beobachter? c) Wie groß ist die Frequenz fL des reflektierten Signals für Lokomotivführer? Aufgabe 4-11: Eine Concorde fliegt mit doppelter Schallgeschwindigkeit 2 × 340 m/s in einer Höhe von 2000 m über uns hinweg. Zur Zeit t = 0 s befinde sich die Concorde senkrecht über uns. Zu welchem Zeitpunkt hören wir den Überschallknall? Aufgabe 4-12: Eine in positiver x-Richtung fortschreitende Seilwelle, die am Ort ihrer Erregung x = 0 m zum Zeitpunkt t = 0 s einen Wellenberg hat, triff nach einem Laufweg x = l senkrecht auf eine Wand und wird an ihr reflektiert. Wie lautet die Wellenfunktion der einfallenden Welle f1(x,t), der reflektierten Welle f2(x,t) und der Überlagerung der einfallenden und reflektierten Welle f(x,t)? Übungen zur Technischen Physik / Kapitel 4 Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus Aufgabe 4-13: In einem langen Metallstab breite sich eine ebene Schallwelle aus, die am Ort ihrer Erregung x = 0 m zum Zeitpunkt t = 0 s ein Wellental hat und die bei x = l an der an Luft grenzenden Stirnfläche des Stabes reflektiert wird. Wie lautet die Wellenfunktion der einfallenden Welle f1(x,t), der reflektierten Welle f2(x,t) und der Überlagerung der einfallenden und reflektierten Welle f(x,t)? Aufgabe 4-14: Ein Hörer sitzt zwischen den Boxen seiner Stereoanlage, wobei er 3 m Abstand von der einen und 4 m Abstand von der anderen Box hat. Wenn er alte Monoaufnahmen hört, löschen sich Schallwellen bestimmter Frequenzen an seinem Ort aus. Welche Frequenzen führen zur Auslöschung? Aufgabe 4-15: Die Tiefe E-Saite einer Gitarre besteht aus Stahl der Dichte ρ = 7700 kg/m3. Sie habe eine Länge von 75 cm und einen Durchmesser von 0,65 mm. Mit welcher Zugkraft muss die Saite eingespannt werden, um auf das tiefe E, d.h. f = 82,5 Hz, gestimmt zu sein? Aufgabe 4-16: Zwei ebene Schallwellen gleicher Ausbreitungsrichtung mit den Frequenzen f1 = 300 Hz und f2 = 330 Hz überlagern sich. Die Ausbreitungsgeschwindigkeit sei für beide c1 = c2 = 330 m/s. a) Wellchen räumlichen Abstand haben zwei aufeinanderfolgende Wellengruppen? b) Wie groß ist die Schwebungsfrequenz des an einem festen Ort mit einem Mikrofon aufgezeichneten Signal? c) Wie groß ist die Gruppengeschwindigkeit einer Schwebungsgruppe? Aufgabe 4-17: Unter welchem Winkel ε2 treten Schallwellen aus, die unter einem Winkel ε1 = 10° bzw. 20° bezogen auf das Einfallslot a) vom Wasser b) von der Luft auf die Wasser-Luft-Grenzfläche treffen? (cL = 340 m/s, cW = 1480 m/s) Aufgabe 4-18: Bei einem Doppelspalt-Experiment mit einem Spaltabstand d = 19,5 cm beobachtet man das Maximum 2ter Ordnung unter einem Winkel von 5,887°. a) Welche Wellenlänge und Frequenz hat die einfallende Schallwelle? (K = 2,246 GPa, ρ = 998,2 kg/m3 b) Wie viele Maxima und Minima können insgesamt wahrgenommen werden? 5. Thermodynamik Die Thermodynamik befasst sich mit der • Temperatur • Wärme und • Umwandlung von Energie. 5.1 Temperatur Die Temperatur ist ein Maß dafür, wie warm oder kalt ein Körper ist. Sie ist genauer ein Maß für die mittlere kinetische Energie der Moleküle des betreffenden Körpers. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 1 Die Definition der Temperatur ist nicht trivial, denn es ist nicht einfach die Temperatur so zu definieren, dass verschiedenartige Thermometer am selben Objekt den gleichen Messwert anzeigen. Beim Erwärmen oder Abkühlen eines Gegenstandes ändern sich einige seiner physikalischen Eigenschaften, z.B. Volumen, Druck (Gase bei konstantem Volumen) und elektrischer Widerstand. Eine physikalische Eigenschaft die man wegen ihrer Temperaturabhängigkeit zur Temperaturmessung heranziehen kann nennt man thermometrische Eigenschaft. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 2 5.1.1 Thermischer Kontakt und thermisches Gleichgewicht Ein warmer Körper A und ein kalter Körper B befinden sich in thermischem Kontakt, wenn sich deren thermometrischen Eigenschaften ändern, z.B. Längenänderung lA ↓, lB↑ Die Körper befinden sich im thermischen Gleichgewicht, wenn sich die thermometrischen Eigenschaften nach einer gewissen Zeit nicht mehr ändern. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus Körper A und B befinden sich in thermischem Kontakt mit C, haben untereinander aber keinen direkten Kontakt. 3 C A B Befinden sich A mit C und B mit C im thermischen Gleichgewicht, so sind A und B auch untereinander im thermischen Gleichgewicht. D.h. nach zusammenbringen von A und B (thermischer Kontakt) ändern sich die thermometrischen Eigenschaften von A und B nicht. Hochschule Bremen A Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus B 4 Nullter Hauptsatz der Thermodynamik Befinden sich zwei Körper in thermischem Gleichgewicht mit einem Dritten, so stehen sie auch untereinander in thermischem Gleichgewicht. Mit Hilfe des nullten Hauptsatzes kann man nun eine Temperaturskala definieren, sofern man davon ausgeht, dass zwei im thermischen Gleichgewicht befindliche Körper die gleiche Temperatur besitzen. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 5 5.1.2 Celsius- und Fahrenheit-Skala Thermometer in Eiswasser eintauchen. Warten bis sich thermisches Gleichgewicht einstellt. l0 Markieren der Höhe der Quecksilbersäule. Markierung gibt den Gefrierpunkt des Wassers an. Hochschule Bremen Eiswasser Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 6 Thermometer in siedendes Wasser eintauchen. l100 Warten bis sich thermisches Gleichgewicht einstellt. Markieren der Höhe der Quecksilbersäule. Markierung gibt den Siedepunkt des Wassers an. siedendes Wasser Wärme Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 7 Der Gefrier- und Siedepunkt des Wassers werden als Temperatur-Fixpunkte zur Definition der von Celsius 1742 vorgeschlagenen Celsius-Skala herangezogen. • Gefrierpunkt = 0°C • Siedepunkt = 100°C • unterteilen des Intervalls von 0°C bis 100°C in 100 gleiche Teile • erweitern der Gradeinteilung unterhalb von 0°C und oberhalb von 100°C durch lineare Extrapolation Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 8 Mit den Längen l0 und l100 für die Quecksilbersäule bei 0°C bzw. 100°C beträgt die Temperatur eines Gegenstandes l − l0 ϑ= ⋅ 100°C l100 − l 0 wobei l die Länge der Quecksilbersäule nach dem Erreichen des thermischen Gleichgewichts von Thermometer und Gegenstand angibt. Die Umrechnungsformel zwischen der Celsius- und der im angelsächsischen gebräuchlichen FahrenheitSkala lautet 5 ⎛ϑ ⎞ ϑ = ⎜ F − 32 ⎟ °C 9 ⎝ °F ⎠ Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 9 Anmerkungen: Die Anzeigen verschiedenartiger Thermometer stimmen nur an den Kalibrierungspunkten exakt überein. Da die ausgenutzten thermometrischen Eigenschaften sich nur nahezu linear mit der Temperatur ändern, weichen die Anzeigen zwischen 0°C und 100°C leicht aber oftmals akzeptabel voneinander ab. Oberhalb und unterhalb dieses Bereiches nehmen die Unterschiede jedoch mit zunehmendem Abstand von den Kalibrierungspunkten deutlich zu. Außerdem ist der Messbereich eines Quecksilberthermometers beschränkt (Quecksilber erstarrt/siedet bei –39°C/357°C). Neben der Genauigkeitsfrage ist also auch die Frage nach dem für den interessierenden Temperaturbereich geeigneten Thermometertyp zu stellen. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 10 5.1.3 Gasthermometer und die Kelvin-Skala Das Gefäß A ist mit einem Gas, die über einen Schlauch verbundenen Gefäße B und C sind mit Quecksilber gefüllt. Durch Anheben bzw. Absenken von C wird der Füllstand in B (Nullmarke) und damit das Gasvolumen in A konstant gehalten. Der Druck in A wird durch die Höhe h der Quecksilbersäule in C angezeigt. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 11 Sind P0 und P100 die Drücke bei 0°C bzw. 100°C und ist P der Druck bei der Temperatur des Messobjekts, dann gilt P − P0 ϑ= ⋅ 100°C P100 − P0 Messung des Siedepunkts von Schwefel mit verschiedenen Gasthermometern konstanten Volumens. 446.5 Luft N2 H2 446 ϑ / °C Der Gasdruck P100 bei 100°C wird durch Änderung der Gasmenge variiert. O2 445.5 445 444.5 444 0 200 Hochschule Bremen 400 600 P100 / mmHg 800 1000 Bei Verringerung der Gasmenge streben die Messwerte für alle Gase gegen 444,6°C. Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 12 Da die Temperaturmessung mit Gasthermometern geringer Gasdichte nahezu unabhängig vom verwendeten Gas ist, kann mit Hilfe von Gasthermometern eine Temperaturskala definiert werden. Druck-Temperatur-Diagramm für ein Gasthermometer konstanten Volumens P ϑ -273,15°C Die extrapolierte Gerade schneidet die Temperaturachse unabhängig von der Gasart bei –273,15°C Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 13 Es ist schwierig den Gefrier- und Siedepunkt des Wassers an verschiedenen Orten zu reproduzieren. (der Siedepunkt z.B. ändert sich mit dem äußeren Luftdruck) Ein besser zu reproduzierender Bezugspunkt ist der Tripelpunkt des Wassers bei dem • Wasserdampf • flüssiges Wasser • und Eis miteinander im Gleichgewicht stehen. Hochschule Bremen P flüssiges Wasser kritischer Punkt Eis PTr =6,105 hPa Tripelpunkt Dampf ϑTr=0,01°C Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus ϑ 14 Die Temperaturskala ist so definiert worden, dass die Temperatur des Tripelpunktes (ϑTr = 0,01 °C) TTr = 273,16 K beträgt und der Skalennullpunkt, d.h. 0 K, beim absoluten Nullpunkt von ϑ = -273,15 °C liegt. Die so definierte Kelvin-Skala hat dieselbe Skaleneinteilung wie die Celsius-Skala, d.h. Temperaturdifferenzen in der Celsius- und Kelvin-Skala sind gleich und die Umrechnung zwischen beiden Skalen besteht in einer einfachen Addition. ⎞ ⎛ϑ T =⎜ + 273,15 ⎟ K ⎠ ⎝ °C Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 15 5.2 Thermische Ausdehnung 5.2.1 Festkörper Festkörper dehnen sich mit wenigen Ausnahmen bei steigender Temperatur aus. Die Ausdehnung hängt von der Temperaturerhöhung und von der Art des Stoffes ab. In bestimmten Temperaturbereichen ist die relative Längenänderung Δl/l der Temperaturänderung ΔT proportional, d.h. Δl = α ΔT l wobei der stoffabhängige Proportionalitätsfaktor α den linearen Längenausdehnungskoeffizienten bezeichnet. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 16 Mit l1=l(T1) folgt für l2=l(T2) aus Δl = l 2 − l1 = l1 α ΔT = l1 α (T2 − T1 ) die Beziehung l 2 = l1 (1 + α ΔT ) = l1 (1 + α (T2 − T1 )) oder wegen ΔT = (T2 − T1) = (ϑ2 − ϑ1) = Δϑ l 2 = l1 (1 + α Δϑ ) = l1 (1 + α (ϑ 2 − ϑ1 )) Der lineare Längenausdehnungskoeffizient ist selber Temperaturabhängig. Für verschiedene Temperaturbereiche verwendet man daher unterschiedliche mittlere lineare Längenausdehnungskoeffizienten α. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 17 Temperaturbereich Stoff 0°C ≤ϑ ≤ 100°C 0°C ≤ϑ ≤ 500°C Aluminium 23,8 · 10-6/K 27,4 · 10-6/K Kupfer 16,4 · 10-6/K 17,9 · 10-6/K Stahl C60 11,1 · 10-6/K 13,9 · 10-6/K gewöhnliches Glas 9 · 10-6/K 10,2 · 10-6/K Quarzglas 0,51 · 10-6/K 0,61 · 10-6/K Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 18 Bei großen Temperaturbereichen erweist sich die lineare Beziehung oftmals als nicht mehr hinreichend genau. Statt α = const. (Näherung 0ter Ordnung) approximiert man α dann durch eine linear von der Temperatur abhängige Funktion (Näherung 1ter Ordnung) α = α 1 + β Δϑ wobei α den Längenausdehnungskoeffizienten bei ϑ1 angibt. Einsetzen von α liefert ( l 2 = l1 1 + α 1 Δϑ + β (Δϑ ) Hochschule Bremen 2 ) Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 19 Die Längenausdehnung hat bei jedem Körper auch eine Volumenänderung zur Folge. Ist l1 bzw. l2 die Kantenlänge desselben Würfels bei den Temperaturen ϑ1 bzw. ϑ2, so gilt für die korrespondierenden Volumina V1 und V2 die Beziehung V2 = l 23 = (l1 (1 + α (ϑ 2 − ϑ1 ))) 3 = l13 (1 + α (ϑ 2 − ϑ1 )) 3 ( = V1 1 + 3α (ϑ 2 − ϑ1 ) + 3α 2 (ϑ 2 − ϑ1 ) + α 3 (ϑ 2 − ϑ1 ) Hochschule Bremen 2 Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 3 20 ) Wegen α<<1 können die Terme mit α2 und α3 vernächlässigt werden. Man erhält somit in guter Näherung V = V (1 + γ (ϑ − ϑ )) 2 1 2 1 und für die relative Volumenänderung ΔV = γ Δϑ = γ ΔT V wobei γ den Raumausdehnungskoeffizienten mit γ = 3α bezeichnet und Δϑ = ϑ 2 − ϑ1 = T2 − T1 = ΔT ausgenutzt wurde. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 21 Die Dichte ρ = m/V eines Körpers ist umgekehrt proportional zum Volumen. Ist V1 das Volumen und damit ρ1 = m/V1 die Dichte bei ϑ0 = 0°C, dann ist die Dichte bei der Temperatur ϑ durch m ρ (ϑ ) = V0 (1 + γ (ϑ − ϑ0 )) m V0 ρ0 = = 1+ γ ϑ 1+ γ ϑ ≈ ρ 0 (1 − γ ϑ ) gegeben Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 22 5.2.2 Flüssigkeiten Flüssigkeiten besitzen keine Eigengestalt. Bei Flüssigkeiten sind somit nur dieVolumen- und die damit verbundenen Dichteänderungen von Interesse. Analog zu Festkörper gelten die Beziehungen ΔV = γ Δϑ = γ Δ T V und V2 = V1 (1 + γ (ϑ 2 − ϑ1 )) sowie für die Dichte ρ (ϑ ) = Hochschule Bremen ρ0 ≈ ρ 0 (1 − γ ϑ ) 1+ γ ϑ Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 23 wobei der Raumausdehnungskoeffizient γ größer ist, vgl. hierzu die vorherige und die folgende Tabelle. Stoff γ bei ϑ = 20°C Wasser 208 · 10-6/K Quecksilber 182 · 10-6/K Pentan 1580 · 10-6/K Ethylalkohol 1100 · 10-6/K Heizöl 950 · 10-6/K Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 24 Anomalie des Wassers Die Dichte des Wassers besitzt bei ϑ = 4°C ihr Maxikg mum von ρ max = 0,999973 3 dm d.h. • • ⇒ Gewässer frieren von oben zu es findet keine Wärmekonvektion statt Wärmeleitung ist nicht sehr effektiv tiefe Seen frieren nicht bis zum Grund durch 0.99995 ρ in kg/dm3 • 1 kg dm ρmax=0,999973 3 0.99990 0.99985 0.99980 0.99975 0.99970 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 ϑ in °C Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 25 5.2.3 Gase Bei Gasen hängt das Volumen vom Druck und der Temperatur ab. Gesetz von Gay-Lussac bei konstantem Druck Experimentelle Untersuchungen ergaben, dass das Gasvolumen bei konstantem Druck gemäß V (ϑ ) = V0 (1 + γ ϑ ) linear mit der Temperatur variiert, wobei der Raumausdehnungskoeffizient für alle Gase nahezu gleiche Werte annimmt und V0 das Volumen bei ϑ0 = 0°C angibt. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 26 Stoff γ bei p0 (Normdruck) Luft 0,003674 · 1/K Wasserstoff 0,003663 · 1/K Helium 0,003660 · 1/K Kohlenstoffdioxid 0,003726 · 1/K Die Unterschiede zwischen den Raumausdehnungskoeffizienten einzelner Gase verringert sich bei abnehmendem Druck. Bei verschwindendem Druck, d.h. p → 0, ergibt sich für alle Gase mit 1 1 γ = = 0,003661 273,15 K K der gleiche Raumausdehnungskoeffizient. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 27 Auf diesen Grenzzustand stützt sich das Modell des idealen Gases. Graphische Darstellung des Gay-Lussacschen Gesetzes bei p=const. V = V0 (1 + γ ϑ ) p≈0 V V0 -273,15°C 0K Hochschule Bremen 0 °C ϑ 273,15 K Τ Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 28 Das Gay-Lussacsche Gesetz gilt bei sehr tiefen Temperaturen nicht mehr, da • reale Gase beim abkühlen kondensieren • das Volumen am absoluten Nullpunkt wegen des Eigenvolumens der Atome nicht null wird. Als Funktion der absoluten Temperatur (KelvinSkala) lautet das Gay-Lussacsche Gesetz V T = const. V (T ) = V0 bzw. T T0 mit T0 = 273,15 K. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 29 Gesetz von Gay-Lussac bei konstantem Volumen Bei konstant gehaltenem Volumen kann der Druck p als Funktion der veränderlichen Temperatur durch p (ϑ ) = p 0 (1 + γ ϑ ) beschrieben werden. Hierbei gibt p0 den Gasdruck bei ϑ0 = 0°C an. Ausdrücken des Gay-Lussacschen Gesetzes als Funktion der absoluten Temperatur (Kelvin-Skala) liefert T p p (T ) = p 0 = const. bzw. T0 T Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 30 und damit die Grundlage für die Temperaturmessung mittels Gasthermometer, z.B. mit pTr, TTr am Tripelpunkt folgt p (T ) T = TTr pTr Graphische Darstellung des Gay-Lussacschen Gesetzes bei V=const. P = P0 (1 + γ ϑ ) V = const. P P0 -273,15°C 0K Hochschule Bremen 0 °C ϑ 273,15 K Τ Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 31 5.3 Zustandsgleichung idealer Gase Komprimiert bzw. expandiert man ein Gas bei konstanter Temperatur, dann steigt bzw. sinkt der Druck während das Volumen ab- bzw. zunimmt. Der Druck ändert sich umgekehrt proportional zum Volumen. Bei konstanter Temperatur gilt somit für das Produkt aus Druck und Volumen die als Gesetz von Boyle-Mariotte bekannte Beziehung p V = const. Die Gesetze von Boyle-Mariotte und Gay-Lussac lassen sich zu einer Gleichung, der sogenannten Zustandsgleichung idealer Gase verknüpfen. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 32 Zustandsgleichung idealer Gase T1, V1, P1 T2, V´, P1 T2, V2, P2 Wärme a) Anfangszustand Hochschule Bremen b) Erwärmung bei konstantem Druck c) Kompression bei konstanter Temperatur Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 33 1. Schritt (Zustandsänderung von a) nach b)) Das Gay-Lussacsche Gesetz liefert V ′ = V1 T2 T1 2. Schritt (Zustandsänderung von b) nach c)) Aus dem Boyle-Mariotteschen Gesetz folgt V2 = V ′ p1 p2 Durch Einsetzen von V' ergibt sich die Zustandsgleichung idealer Gase zu p1V1 p 2V2 = T1 T2 bzw. pV = const. T Anmerkung: Sie gilt für konkrete Werte von p, V und T unabhängig davon wie sie erreicht wurden, d.h. in welcher Reihenfolge (auch gleichzeitig) sich die Zustandsgrößen p, V und T ändern. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 34 Gedankenexperiment Es seien zwei identische Behälter mit gleichen Mengen desselben Gases bei gleicher Temperatur gefüllt, d.h. es gilt für beide Systeme die Zustandsgleichung pV = C T wobei C die Proportionalitätskonstante angibt. Fügt man nun beide Behälter zusammen, so erhält man das doppelte Gasvolumen V'=2V bei unverändertem Druck P und gleicher Temperatur T. Aus pV ′ = C ′T folgt wegen V'=2V, dass C'=2C sein muss. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 35 Also ist C proportional zur Gasmenge und man schreibt C=k N B Hierbei gibt N die Anzahl der Gasmoleküle an während kB die sogenannte Boltzmann-Konstante bezeichnet. Experimentell findet man, dass die Boltzmann-Konstante für alle Gase denselben Wert annimmt. k B = 1,381 ⋅ 10 − 23 J K Oft ist es günstiger, die Menge eines Gases durch die Stoffmenge n, d.h. durch die Anzahl der Mole anzugeben. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 36 Ein Mol einer Substanz enthält 1 N A = 6,022 ⋅ 10 23 mol Teilchen, wobei die Avogadro-Zahl NA der Anzahl der Atome in 12g des Kohlenstoffisotops 12C entspricht. Liegt von einer Substanz die Stoffmenge n vor, dann enthält diese N =nN A Teilchen. Einsetzen von N über C = kB N in die Zustandsgleichung liefert pV = k B N T = n k B N A T = n R T wobei J R = k B N A = 8,314 mol ⋅ K die allgemeine (molare) Gaskonstante bezeichnet. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 37 Die allgemeine Gaskonstante R ist unabhängig von der Gasart. ⋅ K)] pV/(nT) [J / (mol 8.8 8.6 H2 8.4 N2 8.2 CO 8 O2 7.8 7.6 0 Hochschule Bremen 10000 20000 p [hPa] 30000 40000 Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 38 Für reale Gase ist der Wert von pV/nT über einen relativ weiten Druckbereich einigermaßen konstant. Im Bereich von 0 – 5000 hPa ist die maximale Abweichung < 0,1% (0,08 J/(mol⋅K)). Man spricht von einem idealen Gas, wenn pV/nT für alle Drücke konstant ist und somit die Zustandsgleichung für ideale Gase pV = n R T gilt. Die Masse eines Mols nennt man molare Masse. Für das Kohlenstoff-Isotop 12C ist sie durch g M = 12 mol gegeben. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 39 Die molare Masse einer Verbindung ist gleich der Summe der molaren Massen der Komponenten, z.B. gilt für CO2 C: M = 12 g/mol O2: M = 2 ⋅ 16 g/mol ⇒ CO2: M = 12 g/mol + 32 g/mol = 44 g/mol Die Masse m eines Gases der Stoffmenge n ist m = nM Für die Dichte ρ eines idealen Gases gilt m nM ρ= = V V Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 40 und mit n/V = p/RT schließlich M ρ= p RT Also ist die Dichte ρ eines idealen Gases bei konstanter Temperatur T proportional zum Druck p. Drückt man in der Zustandsgleichung für ideale Gase pV = n R T die Stoffmenge n durch m/M aus, so erhält man R p V = m T = m RS T M wobei die Größe Rs = R/M eine für jede Gasart eigene Konstante, die sogenannte spezielle (individuelle) Gaskonstante bezeichnet. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 41 5.4 Kinetische Gastheorie Bisher haben wir das Verhalten der Gase durch die makroskopischen Zustandsänderungen p, V und T beschrieben. Nach der kinetischen Gastheorie rührt der Druck eines Gases von den Stößen seiner Teilchen auf die Gefäßwände her. Dieser Druck errechnet sich nach dem 2ten Newtonschen Gesetz aus der Kraft, d.h. der zeitliche Änderung des Impulses, dp d (mv) = F= dt dt die die Wand auf die Teilchen ausübt, da diese wegen des 3ten Newtonschen Gesetzes gleich der Kraft ist, die die Teilchen auf die Wand ausüben. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 42 Es gelten nun im folgenden die Annahmen: 1) Das Gas besteht aus einer großen Anzahl von Teilchen, den Molekülen. 2) Die räumliche Ausdehnung der Teilchen ist so klein, dass ihr Eigenvolumen gegenüber dem Gefäßvolumen vernachlässigbar ist. 3) Zwischen den Teilchen bestehen keine Wechselwirkungskräfte, ausgenommen bei einem Zusammenstoß. 4) Die Zusammenstöße der Teilchen untereinander und mit den Gefäßwänden verlaufen völlig elastisch. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 43 N Gasmoleküle befinden sich in einem quaderförmigen Behälter. Im Zeitintervall Δt treffen die Moleküle gegen eine Wand in der yz-Ebene der Fläche A deren Geschwindigkeit vx > 0 und deren Abstand zur Wand höchstens vx Δt ist. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 44 Die Anzahl ergibt sich somit zu N ~ N= v x Δt A V N Volumen Dichte der Teilchen 1 2 N v x > 0 gilt nur für die Hälfte der Moleküle Die Impulskomponente des i-ten Moleküls in x-Richtung beträgt + m vx vor dem Auftreffen und - m vx nach dem Auftreffen auf die Wand. Die Impulsänderung des i-ten Moleküls ist durch den Stoß daher Δp = 2 m v i Hochschule Bremen x Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 45 ~ Die gesamte Impulsänderung der N Gasmoleküle ist dann schließlich ~ ~ N N ~ Δp = ∑ Δp i = ∑ 2 m v x = N 2 m v x i =1 = i =1 1 N N v x Δt A 2 m v x = m v x2 A Δt 2 V V Die Kraft ergibt sich zu ⎛ ⎞ Δp Impulsänderung ⎜⎜ ⎟⎟ F= Δt ⎝ Zeitspanne der Änderung ⎠ = Hochschule Bremen N m v x2 A V Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 46 Für den Druck, der definiert ist als Kraft pro Fläche, F N erhält man p = = m v x2 A V Auflösen nach pV liefert pV = N m v x2 Die Moleküle besitzen i.a. unterschiedliche Geschwindigkeiten. Die obigen Beziehungen bleiben jedoch im Mittel gültig, wenn man v x2 durch den Mittelwert 1 N 2 2 v x = ∑ v xi N i =1 ersetzt. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 47 Bringt man diesen Sachverhalt über die mittlere kinetische Energie in x-Richtung 1 1 N ⎛1 1 N 2 2 ⎞ E kin , x = m v x = ∑ ⎜ m v xi ⎟ = ∑ E kin , xi 2 N i =1 ⎝ 2 ⎠ N i =1 in die obige Gleichung ein, so folgt 1 pV = N m v x2 = 2 N m v x2 = 2 N E kin , x 2 und nach einem Vergleich mit pV = N k B T die Identität. 1 1 E kin , x = m v x2 = k B T 2 2 Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 48 Also ist die mittlere kinetische Energie in x-Richtung gleich ½ kBT. Da alle Richtungen gleichberechtigt sind gilt im Mittel v x2 = v y2 = v z2 und v 2 = v x2 + v y2 + v z2 = 3 v x2 Hieraus folgt wegen 1 v x2 = v 2 3 für die mittlere kinetische Energie der Moleküle eines idealen Gases die Beziehung 1 1 3 E kin = m v 2 = m 3 v x2 = k B T 2 2 2 Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 49 Die mittlere kinetische Energie ist proportional zur absoluten Temperatur, d.h. die absolute Temperatur ist ein Maß für die Translationsbewegung der Moleküle. (Moleküle können auch Rotations- und Schwingungsenergie besitzen, die jedoch für die Druckberechnung irrelevant ist.) Die Translationsenergie von n mol eines Gases mit N Molekülen ist 1 3 3 E kin , g = N E kin = N m v 2 = N k B T = n RT 2 2 2 Die Translationsenergie eines Gases beträgt 3 k BT pro Moleküle 2 Hochschule Bremen bzw. 3 R T pro Mol. 2 Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 50 Die Molekülgeschwindigkeit kann mit dem Mittelwert von v2, d.h. 3k T 3 N A kB T 3 RT v2 = B = = m NA m M durch v RMS = v 2 = 3kB T = m 3 RT M die quadratisch gemittelten Geschwindigkeiten (engl. Root-Mean-Square (RMS)) abgeschätzt werden. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 51 Geschwindigkeitsverteilung von Molekülen Die Molekülgeschwindigkeiten eines Gases werden durch eine Verteilungsdichtefunktion fv(v) beschrieben. f (v) ∫ ∞ 0 f v (v) dv = 1 ∞ v = ∫ v f v (v) dv f (v‘) 0 v RMS = dv Hochschule Bremen vw _ vRMS v ∫ ∞ 0 v 2 f v (v) dv v Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 52 Diese Verteilung wird Maxwell-Boltzmann-Geschwindigkeitsverteilung genannt. Es sei N die Gesamtzahl aller Molekühle, dann gibt dN = N f v (v) dv die Anzahl der Moleküle an, die eine Geschwindigkeit zwischen v und v + dv besitzen. Die wahrscheinlichste Geschwindigkeit vw ist die Geschwindigkeit bei der die Verteilungsdichtefunktion ihr Maximum annimmt. Die Maxwell-Boltzmann-Geschwindigkeitsverteilung kann mit Methoden der statistischen Mechanik ermittelt werden. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 53 Die Verteilungsdichtefunktion der Geschwindigkeitsverteilung lautet 3/ 2 ⎛ mv 2 ⎞ 4 ⎛ m ⎞ 2 ⎜⎜ ⎟⎟ v exp⎜⎜ − ⎟⎟ f v (v ) = π ⎝ 2 k BT ⎠ ⎝ 2 k BT ⎠ Sie nimmt ihr Maximum bei der wahrscheinlichsten Geschwindigkeit 2 k BT vw = m an. Ein Vergleich von vw mit v RMS = Hochschule Bremen 3 k BT m Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 54 liefert 3 vw 2 d.h. die quadratisch gemittelte Geschwindigkeit ist um den Faktor 3 / 2 größer als die wahrscheinlichste Geschwindigkeit vw. v RMS = Man kann die Maxwell-Boltzmann-Verteilung auch durch die Verteilung der kinetischen Energie Ekin ausdrücken. Mit der Energieverteilungsdichtefunktion fE(Ekin) ergibt sich die Anzahl der Moleküle mit einer kinetischen Energie zwischen Ekin und Ekin + dEkin zu dN = N f E ( E kin ) dE kin Hochschule Bremen Wegen Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus E kin = folgt aus 55 1 m v 2 und dE kin = m v dv 2 N f v (v) dv = N f E ( E kin ) dE kin und ⎛ mv 2 ⎞ ⎟⎟ dv f v (v) dv = C v exp⎜⎜ − ⎝ 2 k BT ⎠ 2 ⎛ mv 2 ⎞ v ⎟⎟ m v dv = C exp⎜⎜ − m ⎝ 2 k BT ⎠ =C Hochschule Bremen ⎛ E kin ⎞ 2 E kin ⎟⎟ dE kin = f E ( E kin ) dE kin exp⎜⎜ − 3 m ⎝ k BT ⎠ Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 56 mit 3/ 2 4 ⎛ m ⎞ ⎟⎟ ⎜⎜ C= π ⎝ 2 k BT ⎠ die Energieverteilungsdichtefunktion 4 ⎛ m ⎞ ⎟⎟ ⎜⎜ f E ( E kin ) = π ⎝ 2 k BT ⎠ = 2 ⎛ 1 ⎞ ⎟⎟ ⎜⎜ π ⎝ k BT ⎠ 3/ 2 3/ 2 2 m3 E kin ⎛ E kin ⎞ ⎟⎟ exp⎜⎜ − ⎝ k BT ⎠ ⎛ E ⎞ E kin exp⎜⎜ − kin ⎟⎟ ⎝ k BT ⎠ der Maxwell-Boltzmann-Energieverteilung. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 57 5.5 Zustandsänderung realer Gase 5.5.1 Van-der-Waalssche Zustandsgleichung Bei Normdruck zeigen die meisten Gase ideales Verhalten. Mit steigendem Druck oder sinkender Temperatur weichen reale Gase aber immer stärker vom idealen Verhalten ab, da die Gasdichte zu- und der Teilchenabstand abnimmt. D.h. • • die Anziehungskräfte zwischen den Molekülen und das Eigenvolumen der Gase dürfen nicht mehr vernachlässigt werden. Die Van-der-Waalssche Zustandsgleichung trägt diesem Sachverhalt Rechnung. Sie beschreibt das verhalten realer Gase über weite Druckbereiche besser als die Zustandsgleichung idealer Gase. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 58 Die Van-der-Waalssche Zustandsgleichung lautet für n mol eines Gases ⎛ a n2 ⎞ ⎜⎜ p + 2 ⎟⎟ (V − b n ) = n R T V ⎠ ⎝ wobei über b das Eigenvolumen der Gasmoleküle eines Mols und über den Term a n2/v2 die Anziehung der Gasmoleküle berücksichtigt werden. Die für die Parameter a und b einzusetzenden Werte hängen von der betrachteten Gasart ab. Sie werden experimentell bestimmt. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 59 5.5.2 Verlauf der Isothermen realer Gase pV-Diagramm D Oberhalb der sogenannten kritischen Temperatur gehorchen die Isothermen recht gut der van-derWaalsschen Zustandsgleichung. Unterhalb der kritischen Temperatur beschreibt die van-der-Waalssche Zustandsgleichung die Isothermen nur noch außerhalb des schraffierten Bereichs hinreichend korrekt. Hochschule Bremen Gebiet des idealen Gases K B C Koexistenzgebiet Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus A 60 Zustand A Die Gasmenge nimmt bei T < Tkrit bzw. ϑ < ϑkrit und niedrigem Druck ein großes Volumen ein. Komprimieren von Zustand A nach B bei T=const. ⇒ der Druck nimmt zu Komprimieren von Zustand B nach C bei T=const. ⇒ der Druck steigt nicht mehr weiter an, sondern das Gas beginnt sich bei konstantem Druck zunehmend von B nach C zu verflüssigen. (Entlang der horizontalen Strecke BC stehen Gas und Flüssigkeit im Gleichgewicht.) Zustand C Die Gasmenge ist vollständig verflüssigt. Komprimieren von Zustand C nach D bei T=const. ⇒ kleine Volumenänderungen erfordern extrem hohe Druckzunahmen, da Flüssigkeiten nahezu inkompressibel sind. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus Dampfdruck Dampfdruck von Wasser Der konstante Druck, bei dem Gas und Flüssigkeit bei einer bestimmten Temperatur im Gleichgewicht stehen wird Dampfdruck genannt. t in °C P in hPa 0 20 40 60 80 100 120 6,11 23,4 73,8 199 474 1013,25 1985 Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 61 62 Kritischer Punkt Der maximale Dampfdruckpunkt wird als kritischer Punkt bezeichnet (Gipfel des Koexistenzgebietes). kritische Temperatur1) einiger Stoffe Stoff Tkrit in K Helium 5,3 Kohlendioxid 304,2 Neon 44,4 Sauerstoff 154,8 Schwefeldioxid 430,9 Wasserstoff 33,3 Wasser 647,4 1) Oberhalb seiner kritischen Temperatur kann ein Gas nicht mehr verflüssigt werden. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 63 5.5.3 Phasendiagramm Die graphische Darstellung des Drucks eines Stoffes als Funktion der Temperatur bei konstantgehaltenem Volumen bezeichnet man als PhasendiaP gramm. kritischer flüssiges B Die verschiedenen Zustände fest, flüssig und gasförmig werden Phasen genannt. Hochschule Bremen Punkt Wasser A Eis PTr =6,105 hPa Tripelpunkt C Dampf TTr=273,16 K Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus T 64 Die drei Phasengrenzlinien sind die A: Dampfdruckkurve Phasegrenzlinie zwischen flüssigem und gasförmigem Zustand B: Schmelzkurve Phasegrenzlinie zwischen festem und flüssigem Zustand C: Sublimationskurve1) Phasegrenzlinie zwischen festem und gasförmigem Zustand 1) Den direkten Übergang vom festen in den gasförmigen Zustand nennt man Sublimation. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 65 5.6 Wärme 5.6.1 Wärmekapazität Führt man einer Substanz Wärmeenergie zu, dann steigt in aller Regel die Temperatur (Phasenübergänge wie Schmelzen oder Verdampfen ausgenommen). Die für eine Temperaturänderung nötige Wärmemenge Q ist proportional zu T und zur Masse m der betrachteten Substanz, d.h. Q = C ΔT = m c ΔT Hierbei bezeichnet • • C die Wärmekapazität, d.h. die zur Erwärmung der Substanzmenge um 1 K (1 °C) erforderliche Wärmemenge c die spezifische Wärmekapazität, d.h. die Wärmekapazität pro Masseneinheit der Substanz c = C/m Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 66 Die Einheit der Wärmemenge war früher die Kalorie. Sie wurde definiert als die zur Erwärmung von 1g Wasser um 1°C notwendige Wärmemenge. Heute ist die SI-Einheit Joule gebräuchlich mit 1 cal = 4,184 J Die spezifische Wärmekapazität des Wassers ergibt sich somit zu cwasser = 1 cal/(g·°C) = 1 kcal/(kg·°C) = 1 kcal/(kg·K) = 4,184 kJ/(kg·K) Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 67 Messung zeigen eine geringe Temperaturabhängigkeit von cwasser. Zwischen 0°C und 100°C sind die Abweichungen kleiner 1%. Das Produkt aus spezifischer Wärmekapazität c und molarer Masse M gibt die molare Wärmekapazität, d.h. die Wärmekapazität pro Mol, Cm = M c an. Die Wärmekapazität von n mol eines Stoffes ist C = n Cm Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 68 Spezifische Wärmekapazität c und molare Wärmekapazität Cm einiger Flüssigkeiten und Festkörper bei 20°C Substanz c in kJ/(kg·K) C in J/(mol·K) Aluminium 0,9 24,3 Blei 0,128 26,4 Gold 0,126 25,6 Kupfer 0,386 24,5 Quecksilber 0,140 28,3 Silber 0,233 24,9 Wolfram 0,134 24,8 Zink 0,387 25,2 Ethanol 2,4 111 Wasser 4,18 75,2 Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 69 Die spezifische bzw. molare Wärmekapazität von Gasen hängt von den Versuchsbedingungen, z.B. von der Volumenänderung des Gases und der dafür aufzuwendenden Volumenänderungsarbeit, ab. Für die Praxis von Bedeutung sind a) b) Temperaturänderungen bei konstantem Volumen, die isochore Wärmekapazität wird mit dem Index ”V” gekennzeichnet, d.h. CV, cV, CV,m Temperaturänderungen bei konstantem Druck, die isobare Wärmekapazität wird mit dem Index ”p” gekennzeichnet, d.h. Cp, cp, Cp,m (Bei Flüssigkeiten und Festkörpern ist wegen der meist geringen Volumenänderung / Volumenänderungsarbeit keine Unterscheidung notwendig, d.h. C = Cp ≈ CV) Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 70 5.6.2 Kalorimetrie m2, c2 m1, c1 mB, cB Hochschule Bremen Mischungskalorimeter m1 Masse und c1 spez. Wärmekapazität der Flüssigkeit m2 Masse und c2 spez. Wärmekapazität des Festkörpers mB Masse und cB spez. Wärmekapazität des Behälters Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 71 Wärmekapazitäten werden mit Kalorimetern gemessen. Die Flüssigkeitsfüllung (meist Wasser) des Kalorimeters habe die Masse m1 und die Anfangstemperatur T1. Nach Eintauchen eines Körpers der m2 mit der Temperatur T2 stellt sich nach einiger Zeit die Mischtemperatur Tm ein. Der Körper gibt die Wärmemenge QK ,ab = m2 c 2 (T2 − Tm ) ab. Die Flüssigkeit und der Behälter des Kalorimeters nehmen die Wärmemenge QF ,auf = m1c1 (Tm − T1 ) und QB ,auf = m B c B (Tm − T1 ) = C B (Tm − T1 ) auf. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 72 Hier bezeichnet mB und cB die Masse und die spezifische Wärmekapazität bzw. CB die Wärmekapazität des Kalorimeterbehälters. Da Qab = Qauf ist, gilt die Energiebilanzgleichung QK ,ab = QF ,auf + QB ,auf und damit m2 c 2 (T2 − Tm ) = (m1c1 + C B )(Tm − T1 ) Umstellen liefert für die zu messende spezifische Wärmekapazität des Körpers den Ausdruck (m1c1 + C B )(Tm − T1 ) c2 = m2 (T2 − Tm ) Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 73 5.6.3 Phasenumwandlung Wird einer Substanz bei konstantem Druck Wärme zugeführt dann steigt i.a. ihre Temperatur. Wenn sich die Temperatur trotz Wärmezufuhr nicht erhöht, so findet i.d.R. ein Phasenübergang statt. Wichtigste Phasenübergänge sind bei a) Wärmezufuhr • • • schmelzen (fest → flüssig) verdampfen (flüssig → gasförmig) sublimieren (fest → gasförmig) b) Wärmeabfuhr • • • kondensieren (gasförmig → flüssig) erstarren (flüssig → fest) desublimieren (gasförmig → fest) Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 74 Latente Wärme Bei allen Phasenübergängen wird Wärme zu- bzw. abgeführt ohne dass sich die Temperatur ändert. Diese Wärme bezeichnet man deshalb als latente (verborgene) Wärme. Die Phasenübergänge lassen sich mit Hilfe der Theorie des molekularen Aufbaus der Substanzen erklären. Wird z.B. der Phasenübergang von flüssig nach gasförmig betrachtet, dann dient die zugeführte Wärme zur Überwindung der Anziehungskräfte zwischen den Molekülen, d.h. die Hochschule Bremen • • Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 75 kinetische Energie bleibt konstant (also auch T=const.) potentielle Energie der Moleküle erhöht sich Bei jeder Substanz finden die Phasenübergänge bei bestimmten Temperaturen der • Verdampfungstemperatur / auch Siedepunkt genannt, (flüssig ↔ gasförmig) • Schmelztemperatur / auch Schmelzpunkt genannt, (fest ↔ flüssig) statt. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 76 Zur Phasenumwandlung der Masse m einer bestimmten Substanz werden die folgenden Wärmemengen benötigt. nach fest flüssig gasförmig _________ Schmelzwärme Q = m⋅qS Sublimationswärme Q = m⋅(qS+ qV) 1) Verdampfungswärme Q = m⋅ qV von fest Erstarrungswärme Q = - m⋅qS Desublimationswärme Q = - m⋅(qS+ qV) flüssig gasförmig 1) _________ Kondensationswärme Q = - m⋅ qV _________ qS und qV bezeichnen die spezifische Schmelz- bzw. Verdampfungswärme der betreffenden Substanz. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 77 Temperaturverlauf von Wasser bei Wärmezufuhr ϑ [°C] 100 200 793 Siedepunkt spez. Verdampfungswärme kJ kg v q = 2257 3050 p = 1013,25 hPa 80 60 spezifische Wärmekapazität kJ kg·K 40 q = 344 20 0 c = 4,184 spez. Schmelzwärme kJ s kg 41 -20 Schmelzpunkt 375 c = 2,05 200 Hochschule Bremen kJ kg·K 400 600 800 1000 3000 Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus Q [kJ/kg] 78 Schmelz- und Siedepunkt sowie spez. Schmelz- und Verdampfungswärme einiger Substanzen bei 1013,25 hPa. Substanz Schmelzpunkt in K qS in kJ/kg Siedepunkt in K qV in kJ/kg Blei 600 24,7 2023 858 Gold 1336 62,8 3081 1701 Kupfer 1356 205 2839 4726 Quecksilber 234 11,3 630 296 Silber 1234 105 2436 2323 Zink 692 102 1184 1768 Ethanol 159 109 351 879 Sauerstoff 54,4 13,8 90,2 213 Stickstoff 63 25,7 77,35 199 Wasser 273,15 334 373,15 2257 Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 79 5.7 Wärmeübertragung Wärmetransportmechanismen • Wärmeleitung - • Konvektion / Wärmemitführung - • Energieübertragung durch Molekülstöße bzw. gekoppelte Gitterschwingungen (Phononentransport) Wärmeübertragung durch frei oder erzwungene Strömung von Materie (Massentransport) Wärmestrahlung - Hochschule Bremen Wärmeübertragung durch elektromagnetische Wellen (Photonentransport) Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 80 5.7.1 Wärmeleitung Die Enden eines zylindrischen wärmeleitenden Stabes werden, z.B. durch Wasserdampf und Eisbad, auf unterschiedlichen Temperaturen gehalten. I=ΔQ / Δt Wasserdampf Eisbad wärmeleitender Stab Nach einiger Zeit stellt sich ein stationärer gleichmässig vom warmen zum kalten Ende abnehmender Temperaturverlauf ein. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 81 Aus der Temperaturänderung ΔT entlang eines kleinen Stabstückes der Länge Δx berechnet sich der Temperaturgradient zu ΔT/Δx. T 373,15 K ΔT 273,15 K Δx x In der Zeit Δt fließt die Wärmemenge ΔQ durch den Stab. Der Wärmestrom der dem Temperaturgradienten stets proportional ist ergibt sich dann zu ΔT ΔQ =λA I= Δt Δx Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 82 wobei A den Querschnitt des Stabes angibt und ⎡ W ⎤ λ in ⎢ ⎥ m K ⎣ ⎦ eine materialspezifische Proportionalitätskonstante, die sogenannte Wärmeleitfähigkeit, bezeichnet. Auflösen nach ΔT liefert Δx ΔT = I = RL I λA mit dem Wärmewiderstand Δx ⎡K⎤ RL = in ⎢ ⎥ λA ⎣W⎦ Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 83 Wärmestrom durch unterschiedlich wärmeleitende Schichten T2 T1 T3 Es seien T1 > T2 > T3. Nach dem sich ein stationärer Zustand eingestellt hat muss I I der nun konstante Wärmestrom durch beide Schichten derRL,1 RL,2 selbe sein und es gilt T1 − T2 = RL ,1 I und T2 − T3 = RL , 2 I wobei RL,1 und RL,2 die Wärmeleitungswiderstände der beiden Schichten bezeichnet. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 84 Addieren der beiden Gleichungen liefert schließlich ΔT = T1 − T3 = (RL ,1 + RL , 2 ) I = RL , ges I Hierbei gibt RL,ges= RL,1+ RL,2 den Wärmeleitungswiderstand der gesamten Schichtanordnung, d.h. die Reihenschaltung der Wärmewiderstände der einzelnen Schichten, an. Dieses Prinzip der Reihenschaltung kann auf beliebig viele Schichten verallgemeinert werden, z.B. für n-Schichten gilt n RL , ges = ∑ RL ,i i =1 Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 85 Wärmeleitfähigkeit λ einiger Materialien Substanz λ in W/(m·K) Substanz λ in W/(m·K) Aluminium 237 Beton 0,19 – 1,3 Eisen 80,4 Glas 0,7 – 0,9 Gold 318 Holz 0,11 – 0,15 Kupfer 401 Mineralfaser 0,04 Silber 429 Wasser 0,609 Stahl 46 Luft 0,026 Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 86 5.7.2 Wärmeübergang Grenzen zwei Medien unmittelbar aneinander, z.B. Luft an Wand, so wird beim Wärmetransport an der Übergangsstelle eine Temperaturdifferenz beobachtet. Diese Erscheinung bezeichnet man als Wärmeübergang. T Medium 1 Medium 2 T1 T2 dx Hochschule Bremen x Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 87 Am Wärmeübergang können je nach Aggregatszustand der Medien und Beschaffenheit der Grenzflächen • • • Wärmeleitung Wärmestrahlung Konvektion beteiligt sein.1) Für den Wärmestrom I gilt I = α A ΔT = ΔT RÜ wobei α den für die jeweilige Übergangsstelle charakteristischen Wärmeübergangskoeffizienten bezeichnet. 1) Die Annahme des Temperatursprungs ΔT im Bereich verschwindend kleiner Dicken Δx stellt nur eine näherungsweise Beschreibung der komplexen Zusammenhänge dar. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 88 5.7.3 Wärmedurchgang Den Wärmetransport durch mehrschichtige Wände beschreibt man allgemein durch die Beziehung I = k A ΔT = ΔT RD Der Proportionalitätsfaktor k wird dabei Wärmedurchgangskoeffizient genannt. Er lässt sich durch die Wärmeleitfähigkeiten λi und die Wärmeübergangskoeffizienten αi ausdrücken. Es gilt n Δxi n +1 1 1 =∑ +∑ k i =1 λi i =1 α i bzw. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 89 n n n +1 Δxi n +1 1 1 RD = =∑ +∑ = ∑ R L ,i + ∑ RÜ ,i k A i =1 λi A i =1 α i A i =1 i =1 T T1 α3 α2 α1 λ1 λ2 α4 λ3 x T2 Δx1 Hochschule Bremen Δx2 Δx3 Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus x 90 5.7.4 Konvektion Freie Konvektion Die in Flüssigkeiten und Gasen durch ungleichmäßige Erwärmung entstehenden Dichteunterschiede führen zur Ausbildung von Flüssigkeits- bzw. Gasströmungen, der sogenannten freien Konvektion. Die Moleküle des strömenden Mediums führen dabei thermische Energie mit sich. Erzwungene Konvektion Wird die Bewegung des zum Transport thermischer Energie dienenden Stoffes vorwiegend durch äußere Kräfte, z.B. durch Pumpen oder Ventilatoren, bewirkt, so spricht man von erzwungener Konvektion. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 91 5.7.5 Wärmestrahlung Im thermischen Gleichgewicht, d.h. T1 = T2, gilt Abgestrahlte Leistung = Empfangene Leistung ≠ 0 Bei Temperaturdifferenz gilt Netto-Wärmestrom = Differenz aus abgestrahlter und empfangener Leistung Die Strahlungsleistung einer Oberfläche hängt von der • • Temperatur (nichtlineare Abhängigkeit, heiße Körper strahlen überproportional stärker) Beschaffenheit der Oberfläche ab. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 92 Absorptionsgrad absorbierte Strahlung Pa α= = einfallende Strahlung Pe Pe Reflexionsgrad ρ= reflektierte Strahlung Pr = einfallende Strahlung Pe Pr Transmissionsgrad τ= transmittierte Strahlung Pt = einfallende Strahlung Pe Hochschule Bremen Pt Pa α + ρ + τ = 1, da Pe = Pr + Pa + Pt Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 93 Für nichttransparente Stoffe, d.h. τ = 0, gilt ρ = 1−α Im allgemeinen sind α, ρ und τ Funktionen der Frequenz f bzw. Wellenlänge λ ( f = c/λ ). • • • Ein Körper, der die gesamte auf ihn einfallende Strahlung absorbiert, d.h. es gilt α = 1 für alle Frequenzen bzw. Wellenlängen und Temperaturen, heißt schwarzer Strahler. Körper, die die einfallende Strahlung nicht vollständig absorbiert heißen graue Strahler, sofern über dem gesamte Frequenz- bzw. Wellenlängenbereich α = const. < 1 gilt. Einen Körper mit ρ = 1 nennt man einen weißen oder ideal spiegelnden, einen Körper mit τ = 1 einen absolut durchlässigen oder absolut transparenten Körper. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 94 Schematischer Aufbau eines Hohlraumstrahlers (schwarzen Körpers) Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 95 Kirchhoffsches Gesetz Spiegel T Platte 1 P1, α1 T Spiegel Platte 2 P2, α2 Pi = Strahlungsleistung, αi = Absorptionsgrad Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 96 Die auf die Platte 1 bzw. Platte 2 einfallende Strahlungsleistung ergibt sich zu P2 + ρ 2 P1 = P2 + (1 − α 2 ) P1 bzw. P1 + ρ1 P2 = P1 + (1 − α 1 ) P2 Für die einfallenden Strahlungsleistungen muss P2 + (1 − α 2 ) P1 = P1 + (1 − α 1 ) P2 gelten, da sonst trotz anfänglich gleicher Temperatur ein kontinuierlicher Energiestrom von einer zur anderen Platte flösse und somit von selbst ein Temperaturunterschied entstünde. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 97 Umformen liefert über P2 + P1 − α 2 P1 = P1 + P2 − α 1 P2 schließlich P1 P2 = = const. ⇒ P1 ∝ α 1 , P2 ∝ α 2 α1 α 2 Nun sei Platte 2 ein schwarzer Körper, d.h. α 2 = α s ≡ 1 und P2 = Ps Daraus folgt mit Hochschule Bremen P1 = α 1 Ps Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 98 das Kirchhoffsche-Strahlungsgesetz α1 = ε1 wobei ε1 den Emissionsgrad der Platte 1 bezeichnet. Folgerungen • je besser eine Fläche absorbiert desto besser strahlt sie ab • schwarze Flächen absorbieren nicht nur am besten, sie strahlen auch am meisten • die Strahlungsleistung P einer Fläche kann auf die eines schwarzen Körpers gleicher Fläche bezogen werden, d.h. ε = P/Ps Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 99 Stefan-Boltzmann Gesetz Nach dem Stefan-Boltzmann Gesetz ergibt sich die Strahlungsleistung eines schwarzen Körpers der Fläche A zu Ps = σ A T 4 mit der Konstanten 2 π 5 k B4 W −8 σ = = ⋅ 5 , 67 10 15 c 2 h 3 m2 K4 wobei kB die Boltzmann-Konstante, c die Vakuumlichtgeschwindigkeit und h das Plancksche Wirkungsquatum bezeichnet. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 100 Für einen grauen Körper der Fläche A erhält man wegen des Kirchhoffschen Gesetzes P = α Ps = ε Ps Ein grauer Körper der Temperatur T1 emittiert die Leistung Pe = ε σ A T14 und absorbiert gleichzeitig die von der Umgebung mit der Temperatur T2 eingestrahlte Leistung Pa = α σ A T24 = ε σ A T24 Die Nettostrahlungsleistung eines grauen Strahlers mit der Temperatur T1 ist bei der Umgebungstemperatur T2 Pnetto = ε σ A (T14 − T24 ) Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 101 Newtonsches Abkühlungsgesetz Weicht die absolute Temperatur eines Körpers nur wenig von der absoluten Umgebungstemperatur ab, so ergibt sich aus T14 − T24 = (T12 + T22 )(T12 − T22 ) = (T12 + T22 )(T1 + T2 )(T1 − T2 ) wenn man wegen T1 ≈ T2 in den Summen T2 durch T1 ersetzt T14 − T24 ≈ (T12 + T12 )(T1 + T1 )(T1 − T2 ) = 4T13 ΔT die Nettoleistung näherungsweise zu Pnetto = ε σ A (T14 − T24 ) ≈ 4 ε σ A T13 (T1 − T2 ) D.h., die Abkühlungsgeschwindigkeit eines Körpers ist näherungsweise proportional zur Temperaturdifferenz von Körper und Umgebung. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 102 5.8 Erster Hauptsatz der Thermodynamik Der erste Hauptsatz der Thermodynamik macht eine Aussage über die Energieerhaltung. Er besagt, dass die Summe aus zu- und abgeführter Wärmemenge Q und verrichteter oder zugeführter Arbeit W gleich der Änderung der inneren Energie1) ΔU ist, d.h. ΔU = Q + W Vorzeichenkonvention Wärme bzw. Arbeit in das System wird positiv gezählt, d.h. Q bzw. W > 0 Hochschule Bremen System ΔU Wärme bzw. Arbeit aus dem System wird negativ gezählt, d.h. Q bzw. W < 0 Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 103 In differentieller Form gilt für die Änderung der inneren Energie dU = dQ + dW Die innere Energie ist eine Zustandsgröße, d.h. sie beschreibt den jeweiligen Zustand des Systems unabhängig davon auf welchem Weg dieser erreicht wurde. Die ausgetauschte Wärme Q und die am oder vom System verrichtete Arbeit W sind Prozessgrößen, sie werden vom konkreten Prozessverlauf bestimmt. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 104 Allgemeine Formulierung des 1ten Hauptsatzes • In einem abgeschlossenen System bleibt die Summe aller Energien konstant. • Es gibt keine Maschine die ständig Arbeit abgibt, ohne gleichzeitig entsprechende Energie aufzunehmen, d.h. es gibt kein Perpetuum Mobile 1ter Art. Innere Energie idealer Gase Aus der kinetischen Gastheorie folgt für die mittlere kinetische Translationsenergie der Moleküle 3 3 E kin = n R T = N k B T 2 2 wobei n und N die Stoffmenge bzw. die Anzahl der Molekül des Gases bezeichnet. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 105 Die Translationsbewegung besitzt 3 Freiheitsgrade (x-, y- und z-Richtung). Auf jeden Freiheitsgrad entfällt je Molekül die mittlere kinetische Energie 1 E kin = k B T 2 Neben den translatorischen Freiheitsgraden können die Molekül Freiheitsgrade der Rotation und Schwingung besitzen. Gleichverteilungssatz Befindet sich eine Substanz im Gleichgewicht, so entfällt auf jeden einzelnen Freiheitsgrad eine mittlere kinetische Energie von kBT/2 pro Teilchen. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 106 Dieser Gleichverteilungssatz liefert für die mittlere kinetische Energie eines Moleküls mit f Freiheitsgraden f E kin = k B T 2 Üben die Gasmolekühle keine Wechselwirkungen aufeinander aus, so ist die innere Energie durch die kinetische Energie der Moleküle, die nur von der Temperatur abhängt, gegeben. f f U = n R T = N k BT 2 2 Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 107 Freiheitsgrade der unterschiedlichen Molekülformen Molkülform Freiheitsgrade Symbol der der der gesamt Translation Rotation Schwingung punktförmig 3 0 0 3 starre Hantel 3 2 0 5 schwingende Hantel 3 2 2 7 starr, mehratomig 3 3 0 6 Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 108 5.9 Berechnung der Wärmekapazität Wird einem Gas bei V = const. Wärme zugeführt, so tritt keine Volumenänderungsarbeit auf, d.h. dW = 0. Mit der zugeführten Wärmemenge dQV = CV dT folgt aus dem 1ten Hauptsatz der Thermodynamik dQV = dU − dW = dU der Zusammenhang dU = CV dT Hochschule Bremen und CV = dU dT Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 109 Wird einem Gas bei p = const. Wärme zugeführt, dann verrichtet das Gas beim Ausdehnen die Volumenänderungsarbeit dW = − p dV Mit der zugeführten Wärmemenge dQ p = C p dT und dem 1ten Hauptsatz der Thermodynamik dQ p = dU + p dV = dH 1) ergibt sich die innere Energie zu 1) Den Term dH = dU + p dV bezeichnet man auch als die Änderrung der Enthalpie H. Diese ist definiert als H = U + p V. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 110 dU = C p dT − p dV Durch Gleichsetzen von dU = CV dT und dU = C p dT − p dV erhält man CV dT = C p dT − p dV Umstellen liefert die Differenz der Wärmekapazitäten dV C p − CV = p dT Aus der Zustandsgleichung idealer Gase pV = n R T folgt mit dV/dT = n R/p schließlich Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 111 C p − CV = n R Die isochore Wärmekapazität ergibt sich wegen CV = dU dT und der inneren Energie f f U = n R T zu CV = n R 2 2 Für die isobare Wärmekapazität folgt ⎛f ⎞ C p = CV + n R = ⎜ + 1⎟ n R ⎝2 ⎠ Der Quotient aus isobarer und isochorer Wärmekapazität wird Adiabatenexponent genannt. C p C p ,m c p 2 κ= = = = 1+ CV CV ,m cV f Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 112 Cp,m CV,m κ He 20,79 12,52 1,66 Ne 20,79 12,68 1,64 Ar 20,79 12,45 1,67 Kr 20,79 12,45 1,67 Xe 20,79 12,52 1,66 N2 29,12 20,80 1,40 H2 28,82 20,44 1,41 O2 29,37 20,98 1,40 CO 29,04 20,74 1,40 CO2 36,62 28,17 1,30 N2O 36,90 28,39 1,30 H2O 36,12 27,36 1,32 Gas einatomig zweiatomig mehratomig Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 113 5.10 Spezielle Zustandsänderungen idealer Gase 5.10.1 Isotherme Zustandsänderung isotherme Kompression Wärmebad isotherme Expansion Wärmebad p(V) p(V) Q T = const. Hochschule Bremen Q T = const. Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 114 Für die isotherme Zustandsänderung gilt p V = n R T = const. Im p,V-Diagramm ist die Isotherme eine Hyperbel. p p2 T1<T2<T3. 2 1 p1 W V1 Hochschule Bremen V2 T3 = const. T2 = const. T1 = const. V Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 115 Wird das Gas vom Anfangszustand 1 auf den Endzustand 2 komprimiert, so muss dem System Volumenänderungsarbeit zugeführt werden. Wegen dT = 0 und damit dU = 0 lautet der 1te Hauptsatz hier dQ = −dW = p dV Die bei der Volumenänderung verrichtete Arbeit errechnet sich zu V2 V2 ⎛ V1 ⎞ dV W = − ∫ p dV = −n R T ∫ = n R T ln⎜⎜ ⎟⎟ V1 V ⎝ V2 ⎠ V1 Die Volumenänderungsarbeit entspricht der Fläche unter der Kurve im p,V-Diagramm. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 116 5.10.2 Isochore Zustandsänderung Für die isochore Zustandsänderung gilt p nR = = const. T V Im p,V-Diagramm ist die Isochore eine vertikale Gerade. p p2 2 T2 = const. p1 1 T1 = const. V1 = V2 Hochschule Bremen V Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 117 Wird das Gas vom Anfangszustand 1 auf den Endzustand 2 isochor erwärmt, so muss dem System Wärme zugeführt werden. Wegen dV = 0 verrichtet das Gas keine Volumenänderungsarbeit. Der 1te Hauptsatz nimmt daher die Form dU = dQ an. D.h. die ganze dem Gas zugeführte Wärme dient ausschließlich der Erhöhung der inneren Energie ΔU = U 2 − U 1 = ΔQ = CV ΔT = CV (T2 − T1 ) Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 118 5.10.3 Isobare Zustandsänderung isobare Expansion p = const. Q V(T) isobare Kompression p = const. Q V(T) Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 119 Für die isobare Zustandsänderung gilt V nR = = const. T p Im p,V-Diagramm ist die Isobare eine horizontale Gerade. p 1 p1 = p2 2 T2 = const. T1 = const. V1 Hochschule Bremen V2 V Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 120 Aus der Zustandsgleichung des idealen Gases pV = n R T folgt für konstanten Druck durch Differentiation dV d ⎛ n RT ⎞ n R ⎜⎜ ⎟⎟ = = ⇒ p dV = n R dT dT dT ⎝ p ⎠ p Der 1te Hauptsatz lautet dann dU = dQ − p dV = dQ − n R dT Einsetzen von dU = CV dT und C p − CV = n R liefert schließlich CV dT = dQ − (C p − CV )dT ⇒ dQ = C p dT Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 121 Es ist also CV 1 f dU CV da = = = <1 Cp κ f +2 dQ C p Von der einem Gas zugeführten Wärmemenge dQ geht der Bruchteil dU = CV /Cp dQ in die innere Energie des Gases über. Die Differenz dQ – dU = (1 – CV /Cp) dQ entfällt auf die Volumenänderungsarbeit. Die bei der Volumenänderung von V1 auf V2 isobar verrichtete Arbeit ist W = − ∫ p dV = p(V1 − V2 ) = n R(T1 − T2 ) V2 V1 Die Volumenänderungsarbeit entspricht der Fläche unter der Isobaren. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 122 5.10.4 Adiabatische Zustandsänderung adiabatische Expansion Wärmeisolation p(V,T) ΔQ = 0 p↓, V↑, T↓ adiabatische Kompression ΔQ = 0 p(V,T) p↑, V↓, T↑ Wärmeisolation Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 123 Für die adiabatische Zustandsänderung gilt dQ = 0. Damit lautet der 1te Hauptsatz dU = dW = − p dV ⇒ Adiabatische Expansion, dabei verrichtet das Gas Arbeit auf Kosten seiner inneren Energie. ⇒ Adiabatische Kompression, dabei erhöht sich die innere Energie des Gases um den Betrag der aufgewendeten Kompressionsarbeit. Um den Zusammenhang zwischen den Zustandsgrößen herzuleiten differenziert man pV = n R T und erhält d ( pV ) = d (n R T ) ⇒ dp V + p dV = n R dT dT dT dT Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 124 bzw. nach Umformen p dV + V dp nR Einsetzen in dU = CV dT liefert für den 1ten Hauptsatz C dU = V ( p dV + V dp ) = − p dV nR Berücksichtigt man ferner den Zusammenhang n R = Cp - CV, so folgt CV ( p dV + V dp ) = − p dV C p − CV dT = ⎛ CV ⎞ CV ⎜ + 1⎟ p dV = − V dp ⎜C −C ⎟ C p − CV V ⎝ p ⎠ Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 125 und schließlich C p dV dp =− CV V p Mit dem Adiabatenexponenten κ = CV/Cp ergibt sich nach Integration κ ln V = − ln p + const. ⇒ ln V κ + ln p = ln pV κ = const. die Poissonsche Adiabatengleichung pV κ = const.1) Mit Hilfe des allgemeinen Gasgesetzes pV/T = const. lässt sich die Adiabatengleichung auf andere Zustandsgrößenpaare umrechnen. ( 1) Der ) ln ist eine streng monoton wachsende Funktion. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 126 Man erhält T V κ −1 = const. und 1−κ T κ p 1−κ = const. bzw. T p κ = const. Im p,V-Diagramm ist eine adiabatische Expansion dargestellt. p 1 p1 T1 = const. 2 p2 V1 Hochschule Bremen T2 = const. W V2 V Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 127 Adiabaten verlaufen im p,V-Diagramm steiler als Isothermen, da der Druck wegen const. p= , κ >1 κ V stärker sinkt bzw. steigt als bei der isothermen Expansion bzw. Kompression. Deshalb nimmt die Temperatur des Systems bei adiabatischer Expansion bzw. Kompression ab bzw. zu. Die Volumenänderungsarbeit ergibt sich wegen p1V1κ = p V κ = const. ⇒ p = p1 V1κ V κ durch Integration zu V2 V2 V1 V1 W = − ∫ p (V ) dV = − p1V1κ ∫ dV V κ Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 128 p1V1κ −1 1 W = κ − 1 V κ −1 V2 V1 p1V1κ −1 ⎛ 1 1 ⎞ ⎜ = − κ −1 ⎟⎟ κ −1 ⎜ κ − 1 ⎝ V2 V1 ⎠ p1V1 ⎛ V1κ −1 ⎞ ⎜⎜ κ −1 − 1⎟⎟ = κ − 1 ⎝ V2 ⎠ Die Volumenänderungsarbeit entspricht auch hier der Fläche unter der Kurve im p,V-Diagramm. Eine einfachere Berechnung der Volumenänderungsarbeit ermöglicht der 1te Hauptsatz. Wegen dQ = 0 folgt aus dW = dU = CV dT nach Integration W = CV ∫ dT = CV (T2 − T1 ) = n CV ,m (T2 − T1 ) T2 T1 Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 129 5.10.5 Polytrope Zustandsänderung Vollkommen adiabatische oder isotherme Zustandsänderungen lassen sich in der Praxis nicht verwirklichen. Technische Vorgänge weisen Zustandsänderungen auf die zwischen denen von Adiabaten und Isothermen liegen. Diese sogenannten polytropen Zustandsänderungen gehorchen der Zustandsgleichung p V k = const. wobei k den Polytropenexponenten mit 1< k <κ angibt. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 130 Formal lassen sich alle behandelten Zustandsänderungen als Sonderfälle der polytropen Zustandsänderung mit k −κ dQ = C k dT und C k = CV k −1 auffassen, wobei k Werte im Bereich 0 ≤ k < ∞ annimmt. Polytrope Expansion bei unterschiedlichen Polytropenexponenten k. k = 0 : isobare k = 1 : isotherme k = κ : adiabatische k = ∞ : isochore Zustandsänderung Hochschule Bremen p p1 1 k<1 k=1 1<k<κ k=κ k>κ V1 Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus V2 V 131 5.11 Kreisprozesse Bei den sogenannten Kreisprozessen, bei denen das System nach Durch- p abgegebene lauf einer Reihe von Volumenänderungsarbeit 1 zugeführte Zustandsänderungen p1 Volumenänderungsarbeit in seinen AusgangsNutzarbeit zustand zurückkehrt, 2 ist die Volumenände- p2 rungsarbeit betragsmäßig gleich der von der p,V-Kurve umV1 V2 V schlossenen Fläche. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 132 5.11.1 Carnotscher Kreisprozess Beim Carnotschen Kreisprozess werden vier verschiedene Zustandänderungen durchlaufen. Rechtsläufiger Prozess p pA Q1 A B pB pD pC T1 D C T2 Q2 VA VD Hochschule Bremen VB VC V Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 133 A→B: Unter Zufuhr der Wärmemenge Q1 aus dem Speicher mit der höheren Temperatur T1 erfolgt eine isotherme Expansion von VA auf VB bei T1. gewonnene Ausdehnungsarbeit ⎛V ⎞ W AB = n R T1 ln⎜⎜ A ⎟⎟ < 0 ⎝ VB ⎠ isotherme Expansion T1 Q1 Q1 = −W AB , W AB = Q1 Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 134 B→C: Adiabatische Expansion, wobei sich das Gas auf die Temperatur des kälteren Speichers T2 abkühlt. Wegen des Wärmeabschlusses findet kein Wärmeaustausch zwischen dem Gas und den Wärmespeichern statt. gewonnene Ausdehnungsarbeit WBC = CV (T2 − T1 ) adiabatische Expansion Wärmeisolation = n CV ,m (T2 − T1 ) < 0 Hochschule Bremen T1 → T2 Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 135 C→D: Isotherme Kompression von VC auf VD bei T2, wobei die Wärmemenge Q2 an den kälteren Speicher der Temperatur T2 abgeführt wird. aufgewendete Arbeit WCD ⎛ VC = n R T2 ln⎜⎜ ⎝ VD ⎞ ⎟⎟ > 0 ⎠ isotherme Kompression T2(<T1) Q2 WCD = −Q2 , WCD = Q2 Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 136 D→A: Adiabatische Kompression, wobei sich das Gas auf die Temperatur des wärmeren Speichers T1 erwärmt. Wegen des Wärmeabschlusses findet kein Wärmeaustausch zwischen dem Gas und den Wärmespeichern statt. adiabatische Kompression aufgewendete Arbeit WDA = CV (T1 − T2 ) Wärmeisolation = n CV ,m (T1 − T2 ) T2 → T1 >0 Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 137 Die gesamte Arbeit nach einem Umlauf errechnet sich zu W = W +W +W +W AB BC CD DA Mit WBC = -WDA erhält man ⎛ ⎛ VC ⎞ ⎞ ⎛ VA ⎞ ⎜ W = W AB + WCD = n R⎜ T1 ln⎜⎜ ⎟⎟ + T2 ln⎜⎜ ⎟⎟ ⎟⎟ ⎝ VD ⎠ ⎠ ⎝ VB ⎠ ⎝ Ausnutzen der Poissonschen Adiabatengleichungen T1V Aκ −1 = T2VDκ −1 , T1V Bκ −1 = T2VCκ −1 liefert dann schließlich wegen V A VD = V B VC Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 138 den Ausdruck ⎛ ⎛V ⎞ ⎛ VB ⎞ ⎞ ⎛ VA ⎞ ⎜ W = n R⎜ T1 ln⎜⎜ ⎟⎟ + T2 ln⎜⎜ ⎟⎟ ⎟⎟ = n R(T1 − T2 ) ln⎜⎜ A ⎟⎟ ⎝ VB ⎠ ⎝ VA ⎠⎠ ⎝ VB ⎠ ⎝ Die Nutzarbeit, d.h. |W|, kann auch als Differenz der zu- und abgeführten Wärmemenge gemäß W = Q1 − Q2 = Q1 + Q2 berechnet werden. Der thermische Wirkungsgrad ist definiert als Quotient aus Nutzarbeit und zugeführter Wärmeenergie W Q1 − Q2 Q1 + Q2 Q η= = = = 1+ 2 Q1 Q1 Q1 Q1 Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 139 woraus für den Carnot-Prozess mit ⎛V ⎞ Q1 = − n R T1 ln⎜⎜ A ⎟⎟ ⎝ VB ⎠ und ⎛ VD ⎞ ⎛ VA ⎞ ⎜ ⎟ Q2 = n R T2 ln⎜ ⎟ = n R T2 ln⎜⎜ ⎟⎟ ⎝ VB ⎠ ⎝ VC ⎠ folgt n R(T1 − T2 ) ln (V B V A ) T1 − T2 = ηC = n RT1 ln (V B V A ) T1 Der thermische Wirkungsgrad des Carnot-Prozesses wird allein durch die Temperaturen der beiden Wärmespeicher bestimmt und ist stets kleiner als 1. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 140 Energieflussdiagramm der Wärmekraftmaschine Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 141 Nur ein Teil der dem oberen Wärmespeicher entnommenen Wärmemenge Q1 wird durch die Wärmekraftmaschine in Nutzarbeit umgesetzt. Der andere Teil, d.h. T Q2 = (η C − 1) Q1 = − 2 Q1 T1 wird vom System an den unteren Wärmespeicher als Abwärme abgegeben. Um einen hohen Wirkungsgrad zu erzielen, muss die Wärme bei möglichst • hoher Temperatur zugeführt und • niedriger Temperatur abgeführt werden. Ein Wirkungsgrad ηC nahe 1 ⇒ T2 nahe absolutem Nullpunkt. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 142 Linksläufiger Prozess Durchläuft man den Kreisprozess im Gegenuhrzeigersinn, d.h. A-D-C-B-A, so kehren sich die Vorzeichen der Wärmemengen Q und Arbeiten W um. p pA Q1 A B pB T1 pD D pC C T2 Q2 VA VD VB VC V Der Carnot-Prozess arbeitet dann als • Kältemaschine • Wärmepumpe Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 143 Kältemaschine Bei einer Kältemaschine wird durch Zuführung mechanischer Arbeit eine bestimmte Wärmemenge Q2 aus dem kälteren Speicher, z.B. das innere eines Haushaltskühlschranks, aufgenommen und dem wärmeren Speicher, d.h. dem Raum in dem sich der Kühlschrank befindet, die Wärmemenge Q1 = W + Q2 zugeführt. Bei einer Kältemaschine ist die Leistungszahl εK = Hochschule Bremen Q2 aus Kühlraum entzogene Wärme = dafür aufgewendete Arbeit W Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 144 maßgebend für den mit der aufgewendeten Arbeit W aus einem Kühlraum erreichbare Wärmeentzug Q2. Für den linksläufigen Carnot-Prozess erhält man mit V V Q2 = n R T2 ln C = n R T2 ln B VD VA und V W = n R (T1 − T2 ) ln B VA die Leistungszahl V n R T2 ln B Q VA T2 = ε K ,C = 2 = V W T1 − T2 n R (T1 − T2 ) ln B VA Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 145 Energieflussdiagramm der Kältemaschine Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 146 Wärmepumpe Bei einer Wärmepumpe wird durch Zuführung mechanischer Arbeit einem wärmeren Speicher, z.B. der Heizungsanlage eines Hauses, eine bestimmte Wärmemenge Q1 zugeführt, und dafür einem kälteren Speicher, d.h. einem Fluss, See etc., die Wärmemenge Q2 = Q1 − W entzogen. Bei einer Wärmepumpe ist die Leistungszahl Q1 an Heizungsanlage abgegebene Wärme εP = = W dafür aufgewendete Arbeit Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 147 maßgebend für die mit der aufgewendeten Arbeit W an eine Heizungsanlage abgebbare Wärmemenge Q1. Für den linksläufigen Carnot-Prozess erhält man mit V V Q1 = − n R T1 ln C = − n R T1 ln B VD VA und V W = n R (T1 − T2 ) ln B VA die Leistungszahl V n R T1 ln B Q1 VA T1 = = ε P ,C = V B T1 − T2 W n R (T1 − T2 ) ln VA Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 148 Energieflussdiagramm der Wärmepumpe Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 149 5.11.2 Technische Kreisprozesse Stirling-Prozess (Heißgasmaschine) p 1 2 Isothermen 2 Isochoren Q12 Q41 T1 4 2 W Q23 Q34 T2 3 V Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 150 V Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 151 1→2: Arbeits- und Verdrängerkolben bewegen sich beide nach unten, die auf T1 erwärmte Luft expandiert und verrichtet dabei Ausdehnungsarbeit. 2→3: Der Arbeitskolben bewegt sich im Bereich des unteren Umkehrpunkts nur wenig, d.h. V ≈ const., der Verdrängerkolben bewegt sich dagegen nach oben und lässt dadurch die heiße Luft von oben in das kältere Wärmereservoir unten strömen. Dabei nimmt die Kupferwolle die Wärmemenge Q23 auf und speichert sie. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 152 3→4: Der Verdrängerkolben befindet sich im Bereich des oberen Umkehrpunkts, der Arbeitskolben bewegt sich nach oben und komprimiert die auf T2 abgekühlte Luft. 4→1: Wenn der Arbeitskolben den oberen Umkehrpunkt erreicht, d.h. V ≈ const., transportiert der Verdrängerkolben die komprimierte kalte Luft wieder in das obere Wärmereservoir. Beim durchströmen der Kupferwolle nimmt die Luft die Wärmemenge Q41 wieder auf. Für Q23 = - Q41, d.h. bei idealer Zwischenspeicherung (in der Kupferwolle), ist der thermische Wirkungsgrad des StirlingProzesses gleich dem des Carnot-Prozesses. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 153 Diesel-Prozess (Verbrennungsmotor) p Q23 3 2 2 Adiabaten 1 Isobare 1 Isochore W 4 Q41 1 V Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 154 1→2: Die Luft wird adiabatisch hoch verdichtet, d.h. die Luft wird sehr heiß. 2→3: Der eingespritzte Kraftstoff verbrennt nach Selbstzündung nahezu isobar. 3→4: Die Expansion des verbrannten Gemisches erfolgt adiabatisch. 4→1: Der Austausch des verbrannten Gases durch Frischluft wird durch eine isochore Wärmeabgabe angenähert. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 155 Clausius-Rankine-Prozess (Dampfkraftanlage) p Q12 2 1 2 Adiabaten 2 Isobaren Dampfdruckkurve W 3 4 Q34 V Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 156 1→2: Durch Wärmezufuhr im Kessel wird das Wasser isobar verdampft. 2→3: Der Heißdampf entspannt sich in der Turbine adiabatisch. 3→4: Im Kondensator verflüssigt sich der Dampf durch Wärmeabfuhr an das Kühlwasser. 4→1: Die Speisewasserpumpe erhöht den Druck adiabatisch von Kondensator- auf Kesseldruck. Hochschule Bremen Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus 157 Übungen zur Technischen Physik / Kapitel 5 Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus Aufgabe 5-1: Wie viel Wasserdampf von ϑD = 100°C muss in das Wasser (Masse mW = 200 g, Temperatur ϑW = 20°C) eines Kalorimeters der Wärmekapazität CK = 0,12 kJ/K eingeleitet werden, damit sich die Mischungstemperatur ϑM = 50°C einstellt? Die spezifische Wärmekapazität von Wasser beträgt cW = 4,19 kJ/(Kg·K), die spezifische Kondensationswärme von Wasserdampf QK = 2257 kJ/kg. Aufgabe 5-2: Ein Kalorimeter ist mit mK = 500 g kaltem Wasser der Temperatur ϑK = 10°C gefüllt (spezifische Wärmekapazität von Wasser cW = 4,19 kJ/(kg·K)). a) Zur Bestimmung der Wärmekapazität des Kalorimeters (Gefäß etc.) werden mW = 500 g warmes Wasser der Temperatur ϑW = 80°C hinzugegeben und es wird eine Mischungstemperatur von ϑM = 42°C gemessen. Wie groß ist die Wärmekapazität CK des Kalorimeters? b) Anschließend wird ein Festkörper der Masse mF = 300 g einem Wasserbad von ϑW = 80°C entnommen und in das mit mK = 500 g Wasser von ϑK = 10°C gefüllte Kalorimeter gebracht. Wie groß ist die spezifische Wärmekapazität des Festkörpers, wenn eine Mischtemperatur von ϑM = 16,8°C ermittelt wird? Aufgabe 5-3: Eis der Masse m = 2 kg und der Temperatur ϑ = -8°C soll soviel Wärme zugeführt werden, dass es zunächst schmilzt und anschließend die Hälfte des Wassers verdampft. Welche Wärmemenge Q muss zugeführt werden, wenn die spezifische Schmelzwärme QS = 334 kJ/kg, die spezifische Verdampfungswärme QV = 2257 kJ/kg, die spezifische Wärmekapazität des Eises cE = 2,05 kJ/(kg·K) und die spezifische Wärmekapazität des Wassers cW = 4,18 kJ/(kg·K) beträgt? Aufgabe 5-4: Eis der Menge mE = 100 g (spezifische Wärmekapazität cE = 2,09 kJ/(kg·K); spezifische Schmelzwärme QS = 334 kJ/kg) wird in ein Messing Kalorimeter (mMe = 250 g; cMe = 0,385 kJ/(kg·K)) gebracht, das mW = 300 g Wasser (cW = 4,19 kJ/(kg·K)) der Temperatur ϑW = 90°C enthält. Als Mischungstemperatur wird ϑM = 49°C bestimmt. Welche Temperatur hatte das Eis? Aufgabe 5-5: a) Wie groß ist der Wärmestrom durch eine Fensterfläche von A = 2,5 m2 und l = 4 mm Glasdicke, wenn an der Außen- bzw. Innenfläche die Temperatur ϑA = -5°C bzw. ϑI = 14°C herrscht? b) Auf welchen Wert verringert sich der Wärmestrom bei einem gleich großen Doppelfenster, das aus dem gleichen Glas besteht und eine d = 5 mm dicke Luftschicht zwischen den Glasscheiben besitzt? c) Ermitteln und skizzieren Sie den Temperaturverlauf durch das Doppelfenster. (Wärmeleitfähigkeit des Glases λG = 1,16 W/(m·K), der Luft λL = 0,025 W/(m·K), Wärmeübergänge sollen unberücksichtigt bleiben) Aufgabe 5-6: Eine Hauswand besteht aus einer l1 = 25 cm dicken Mauer (Wärmeleitfähigkeit λ = 0,7 W/(m·K)) und einer l2 = 5 cm dicken Außenisolierung (Wärmeleitfähigkeit λ = 0,06 W/(m·K)). Ermitteln sie den Temperaturverlauf in der Wand und den durch die Wand je Flächeneinheit fließenden Wärmestrom, wenn die Innentemperatur ϑ1 = 18°C und die Außentemperatur ϑ2 = -10°C beträgt. Wie ändert sich der Temperaturverlauf in der Wand, wenn die Isolierschicht innen angebracht ist? Übungen zur Technischen Physik / Kapitel 5 Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus Aufgabe 5-7: Eine Spezialglühlampe hat einen Glühfaden aus Wolfram von l = 80 cm Länge und d = 50 µm Durchmesser. a) Wie hoch ist die Temperatur des Glühfadens bei einer Leistung der Lampe von 100 W? Die gesamte elektrische Leistung soll mit einem Emissionsgrad ε = 0,3 abgestrahlt werden. Die Umgebungstemperatur betrage 20°C. b) Wie hoch wäre die Temperatur des Glühfadens, wenn dieser ein schwarzer Körper wäre? Aufgabe 5-8: Einem elektrischen Heizkörper von 350 cm2 strahlender Oberfläche wird eine Leistung von 1,5 kW zugeführt. Welche Temperatur nimmt der Heizkörper an, wenn die Raumtemperatur 250°C und der Emissionsgrad ε = 0,9 beträgt? (Stefan-Boltzmann Konstante σ = 5,67 10-8 W/(m2 K4)) Aufgabe 5-9: Die Temperatur der Sonnenoberfläche werde mit TS = 5800 K und die Sonnenstrahlung als Strahlung eines schwarzen Körpers angenommen. a) Welche Energie strahlt die Sonne in jeder Sekunde ab? b) Wie groß ist die Strahlungsenergie die je Sekunde von 1 m2 bei senkrechtem Einfall auf der Erdoberfläche empfangen wird? (Sonnenradius rS = 6,97·108 m; mittlerer Erdbahnradius um die Sonne rE = 1,5·1011 m) Aufgabe 5-10: Luft vom Volumen V1 = 1 m3 und der Temperatur T1 = 300 K soll bei konstantem Druck von p = 1013,25 hPa auf T2 = 1000 K erwärmt werden (κ = cp/cv = 1,4). Berechnen Sie a) das Endvolumen V2, b) die verrichtete Ausdehnungsarbeit W12, c) die zuzuführende Wärme Q12 und d) die Änderung der inneren Energie des Gases ∆U12! Aufgabe 5-11: In einem Zylinder ist V1 = 1 dm3 eines Gases bei einem Überdruck von 7p0 gegenüber dem äußeren Luftdruck p0 = 1013,25 hPa eingeschlossen. Welche Arbeit verrichtet das Gas, wenn es bei konstanter Temperatur bis auf den Innendruck p2 = 2p0 expandiert? Welche Nutzarbeit WN wird dabei verrichtet und welche Wärme Q muss dem Gas zugeführt werden? Aufgabe 5-12: Ein Gewicht (Masse M = 100 kg) belastet einen in einem Zylinder beweglichen Kolben und versetzt ein darin befindliches Gas (κ = 1,4) unter den konstanten Überdruck von 3p0, wobei der äußere Luftdruck p0 = 1013,25 hPa betrage. Welche Wärme Q muss dem Gas zugeführt werden um das Gewicht um h = 1 m zu heben? Übungen zur Technischen Physik / Kapitel 5 Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus Aufgabe 5-13: Ein mit Luft der Umgebungstemperatur 20°C und dem Umgebungsdruck 1013,25hPa gefüllter Stoßdämpfer kann sein Volumen von V1 = 0,02 m3 auf V2 = 0,004 m3 reduzieren. a) Welche Stoßenergie kann der Stoßdämpfer maximal aufnehmen, wenn die Kompression der Luft adiabatisch (Adiabatenexponent κ = 1,4) erfolgt? b) Wie groß ist die Änderung der inneren Energie des Gases und welche Werte erreichen dabei Druck und Temperatur? Aufgabe 5-14: Ein ideales Gas expandiert vom Volumen V1 = 1 dm3 (Druck p1 = 4053 hPa) auf das Volumen V2 = 2 dm3, wobei eine polytrope Zustandsänderung pVk = const. stattfindet. (Adiabatenexponent κ = 1,4; Polytropenexponent k = 1,3) a) Wie groß sind die Expansionsarbeit W12, die ausgetauschte Wärme Q12 und die Änderung der inneren Energie ∆U12 des Gases? b) Wird der Umgebung Wärme entzogen oder zugeführt? Aufgabe 5-15: Mit einem idealen Gas wird ein Kreisprozess ausgeführt, der sich aus 3 Zustandsänderungen zusammensetzt, die in der Reihenfolge 1. isobare Ausdehnung, 2. isotherme Zustandsänderung und 3. isochore Zustandsänderung durchlaufen werden. Stellen Sie den Prozess im p,V-Diagramm und im p,T-Diagramm dar! Welches Vorzeichen hat die vom Gas abgegebene Arbeit? Aufgabe 5-16: Zwischen den zwei Wärmespeichern eines Carnot-Prozesses besteht eine Temperaturdifferenz von 140°C. Welche Temperaturen T1 und T2 haben die beiden Wärmespeicher, wenn der Wirkungsgrad des Carnot-Prozesses 30% beträgt?.