TPH - Hochschule Bremen

Werbung
1. Einführung
Aus der Neugierde des Menschen entwickelte sich das
Interesse die ihn umgebende Welt zu verstehen.
Um die Vielfalt der Beobachtungen (Ereignisse) zu
ordnen haben sich unterschiedliche Herangehensweisen entwickelt, z.B. die
•
•
Religion
Naturwissenschaft
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 1) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
1
Unter Naturwissenschaft versteht man
•
•
die gesammelten Erkenntnisse über die uns
umgebende materielle Welt,
den Vorgang der Erkenntnisgewinnung der sich
durch Systematik und Rationalität auszeichnet.
Gewöhnlich teilt man die Naturwissenschaft in voneinander abgrenzbare Disziplinen ein.
•
Biologie
(untersucht lebende Organismen)
•
Chemie
(handelt von der Wechselwirkung der Elemente und
Verbindungen)
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 1) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
2
•
Geologie
(befasst sich mit dem Aufbau der Erde)
•
Astronomie
(untersucht das Sonnensystem, Sterne, Galaxien und das
Universum als Ganzes)
•
Physik
In der Physik geht es um
•
•
•
Materie und Energie
Prinzipien der Bewegung von Teilchen und Wellen
Eigenschaften von
-
Gasen, Flüssigkeiten und Festkörpern
-
Molekülen, Atomen, Atomkernen (ausgedehnte Systeme)
d.h. um die unbelebte Natur.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 1) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
3
Die Physik gliedert sich je nach Arbeitsweise in die
•
Theoretische Physik
(mathematische Entwicklung und Zusammenfassung der
Naturgesetze)
•
Experimental Physik
(Herleitung von Gesetzen aus der unmittelbaren Erfahrung und
experimentellen Bestätigung neuer Zusammenhänge, die von
der theoretischen Physik gefunden wurden)
•
Angewandte / Technische Physik
(beschäftigt sich mit Problemstellungen mit hohem
Anwendungsbezug, die (noch) keiner bestimmten
Technik zugeordnet werden können)
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 1) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
4
1.1 Physikalische Größen und Einheiten
Die physikalischen Gesetze formulieren Zusammenhänge zwischen physikalischen Größen wie
•
•
•
•
•
Länge
Zeit
Kraft
Energie
Temperatur
Als Forderung an die Physik ergibt sich daraus die
Notwendigkeit physikalische Größen eindeutig zu
definieren und genau zu messen.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 1) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
5
Messen einer physikalischen Größe bedeutet eine
genau definierte Einheit für diese Größe mit der zu
vermessenden physikalischen Größe zu vergleichen.
Beispiel:
Abstandsmessung zweier Punkte durch vergleichen mit einer
Einheit der Länge.
Die Einheit der Länge sei z.B. das Meter, dann bedeutet die
Aussage die Strecke ist „25 Meter“ lang, dass ihre Länge
25mal größer als die der Einheit Meter ist.
Der Zahlenwert vor der Einheit gibt an, wie oft der Vergleichsmessstab des Meters angelegt werden kann.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 1) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
6
Somit ist jede physikalische Größe das Produkt aus
einem Zahlenwert (quantitative Aussage) und einer
Einheit (qualitative Aussage).
Es gilt also
wobei
G = {G}[G ]
G : die physikalische Größe
{G}: den Zahlenwert (Maßzahl)
[G ] : die Einheit (Maßeinheit)
bezeichnet.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 1) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
7
Die Einheiten aller physikalischen Größen lassen sich
auf 7 sogenannte Basiseinheiten zurückführen.
Die Wahl dieser Einheiten bestimmt damit ein gesamtes System von Basis- und abgeleiteten Einheiten.
Das am weitesten verbreitete System bilden die
SI-Einheiten
(SI-Einheiten steht für Système International d´Unités)
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 1) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
8
Basisgrößen
Basiseinheiten
Symbol
Länge
Meter
m
Zeit
Sekunde
s
Masse
Kilogramm
kg
elektrische
Stromstärke
Temperatur
Ampère
A
Kelvin
K
Lichtstärke
Candela
cd
Stoffmenge
Mol
mol
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 1) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
9
Definition einiger Basisgrößen:
Meter
1m ist die Länge der Strecke, die Licht im Vakuum während
der Zeitspanne von 1/299.792.458 Sekunden durchläuft.
(wurde früher durch ein in Sèvres aufbewahrtes Urmeter definiert)
Sekunde
1s ist die Dauer von 9.192.631.770 Perioden der beim Übergang
zwischen den beiden sogenannten Hyperfeinstrukturniveaus des
Grundzustands von Cäsium-133 ausgesendete Strahlung.
(wurde früher über die Drehung der Erde als 1/(60 ⋅ 60 ⋅ 24) des mittleren
Sonnentags festgelegt)
Kilogramm
1kg ist die Masse des internationalen in Sèvres aufbewahrten
Kilogrammprototyps (Urkilogramm).
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 1) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
10
Kelvin
1K ist der 273,16te Teil der Temperatur des Tripelpunktes von
Wasser bezogen auf den absoluten Nullpunkt, bei 1013,25hPa.
Mol
1mol ist die Stoffmenge eines Systems, das aus ebenso vielen
Einzelteilchen besteht, wie Atome in 12/1000 kg des Kohlen23
stoffnuklids 12C enthalten sind, nämlich 6,0221367 ⋅10 .
Avogadro-Konstante
6,0221367 ⋅10 23 6,0221367 ⋅10 26
=
NA =
1mol
1kmol
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 1) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
11
Häufig vorkommende abgeleitete SI-Einheiten besitzen eigene Bezeichnungen mit Namen von bedeutenden Physiker wie z.B.
kg m
s2
kg
der Druck :
1 Pascal = 1Pa = 1
m s2
kg m 2
die Leistung : 1 Watt = 1W = 1 3
s
die Kraft :
Hochschule Bremen
1 Newton = 1N = 1
Technische Physik (Kapitel 1) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
12
Vorsilben für dezimale Vielfache von Einheiten
Vielfaches
1018
1015
12
10
109
6
10
103
2
10
1
10
1)
Vorsilbe
Exa
Peta
Tera
Giga
Mega
Kilo
1)
Hekto
1)
Deka
Abkürzung
E
P
T
G
M
k
h
d
Hekto und Deka sind keine Potenzen von 103. Sie werden nur noch in
Ausnahmefällen, z.B. 1hPa, benutzt.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 1) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
13
Vorsilben für dezimale Bruchteile von Einheiten
Vielfaches
10-1
10-2
10-3
10-6
10-9
10-12
10-15
10-18
1)
Vorsilbe
Dezi1)
Zenti1)
Milli
Mikro
Nano
Piko
Femto
Atto
Abkürzung
d
c
m
µ
n
p
f
a
Dezi und Zenti sind keine Potenzen von 103. Sie werden nur noch in
Ausnahmefällen, z.B. 1cm, benutzt.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 1) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
14
1.2 Messgenauigkeit und Messfehler
Messen ist der experimentelle Vorgang durch den ein
spezieller Wert (Messwert) einer physikalischen Größe
(Messgröße) als Vielfaches einer Einheit ermittelt wird.
Messungen sind immer mit Messfehlern behaftet.
⇒
Messergebnisse sind Schätzwerte des wahren Wertes der
Messgröße
Die Güte der Schätzwerte (Messgenauigkeit) hängt von
•
•
den Fähigkeiten des Experimentators
der verwendeten Messapparatur
ab.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 1) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
15
Bei Messfehlern unterscheidet man zwischen
•
systematischen Fehlern
(treten bei wiederholten Messungen in gleicher Weise auf,
Ursache z.B. mangelhaft kalibrierte Messgeräte)
•
zufälligen Fehlern
(treten bei wiederholten Messungen in unterschiedlicher Weise
auf, Ursache z.B. Schwankungen der Versuchsbedingungen,
Zufallscharakter der Messgröße)
Zufällige Messfehler können durch wiederholtes
Messen mit anschließender Mittelwertberechnung
reduziert werden.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 1) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
16
Es seien x1 , x2 , … , xn Messwerte aus wiederholten
Messungen
Arithmetisches Mittel der Messwerte
∑
n
1
x=
n
xi =
i =1
1
(x1 + x2 +
n
+ xn )
(Schätzwert für den Erwartungswert)
Standardabweichung der Messwerte
∑
n
1
n −1
sx =
(xi − x )2
i =1
(Maß für die Streuung der Messwerte um den Erwartungswert)
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 1) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
17
Standardabweichung des arithmetischen Mittels
sx =
sx
n
∑
n
1
n(n − 1)
=
(xi − x )2
i =1
(Maß für die Streuung des arithmetischen Mittels um den
Erwartungswert)
Normalverteilung (Gauß-Verteilung)
Messwerte können häufig durch eine Normalverteilung mit
Wahrscheinlichkeitsdichte
⎧ ( x − μ )2 ⎫
exp⎨−
f ( x) =
⎬
2
2
2
σ
2πσ
⎩
⎭
1
modelliert werden.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 1) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
18
Parameter der Normalverteilung
0.4
68% der gesamten
Fläche unterhalb
des Graphen
0.35
0.3
0.25
Das arithmetische Mittel ist
ein Schätzwert für μ mit
lim x → μ
n →∞
0.2
0.15
0.1
0.05
0
0
1
2
μ -σ
3
μ
4
μ +σ
5
6
μ : Erwartungswert
σ : Standardabweichung
Hochschule Bremen
Die Standardabweichung der
Messwerte ist ein Schätzwert
für σ mit
lim s x → σ
n →∞
Technische Physik (Kapitel 1) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
19
Fehlerfortpflanzungsgesetz von Gauß
Es seien x1 , … , xm Messwerte von m Messgrößen die in
eine Formel eingesetzt die interessierende physikalische
Größe liefern
y = f ( x1 , … , xm )
Mit den Standardabweichungen s x1 , … , s xm ergibt sich
die Standardabweichung von y zu
⎞
⎛ ∂f
⎜
sy = ∑
sx j ⎟
⎟
⎜
j =1 ⎝ ∂x j
⎠
m
2
wobei ∂f ∂x j die partielle Ableitung von f nach x j
bezeichnet.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 1) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
20
Beispiel: Bestimmung eines ohmschen Widerstandes
aus Spannungs- und Strommessungen
R = f (U , I ) = U I ;
U = 10,01 V; s U = 0,03 V;
I = 9,98 A;
s A = 0,02 mA;
Mit den partiellen Ableitungen nach I und U
∂f
U
∂f
1
=− 2;
= ;
∂I
I
∂U I
ergibt sich die Standardabweichung von sR zu
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 1) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
21
Beispiel (Fortsetzung):
2
⎛ sU ⎞ ⎛ U ⎞
2 ⎛ sU ⎞
2 ⎛ sI ⎞
s R = ⎜ ⎟ + ⎜⎜ s I 2 ⎟⎟ = R ⎜ ⎟ + R ⎜ ⎟
⎝I ⎠
⎝U ⎠
⎝ I ⎠ ⎝ I ⎠
2
2
2
2
2
⎛s ⎞ ⎛s ⎞
= R ⎜ U ⎟ + ⎜ I ⎟ ≅ 3,6 Ω
⎝U ⎠ ⎝ I ⎠
mit
Hochschule Bremen
U
R = ≅ 1003 Ω
I
Technische Physik (Kapitel 1) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
22
Lineare Regression
Temperatur- und Spannungsmessung an einem
Thermoelement
Messwerte
ϑk , U k ; k = 1,… , n
Regressionsgerade
60
Thermospannung [mV]
50
40
30
20
10
0
0
200
400
600
800
1000
Temperatur ϑ [°C]
Hochschule Bremen
1200
1400
U k = mϑk + b
Kleinste-Quadrate-Schätzung
⎫
⎧n
min ⎨∑ (U k − mϑk − b) 2 ⎬
m ,b
⎭
⎩ k =1
Technische Physik (Kapitel 1) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
23
1.3 Dimension physikalischer Größen
Die Dimension einer physikalischen Größe gibt die
Abhängigkeit dieser Größe von den Basisgrößen,
z.B. der
•
•
•
Länge
Zeit
Masse
an. Die Dimension ist unabhängig von den verwendeten Einheiten.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 1) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
24
Beispiel:
1) Die Fläche eines Rechteckes mit den Seiten x
und y ist A = x ⋅ y .
Unabhängig von der verwendeten Einheit m oder
km besitzt die Fläche die Dimension
Länge × Länge = L2
2) Die Geschwindigkeit eines Gegenstandes besitzt
die Dimension
Länge L
=
Zeit
T
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 1) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
25
Die Dimension erlaubt ein schnelles Überprüfen von
physikalischen Gleichungen
Beispiel:
Eine Strecke x sei gegeben durch die Beziehung
x = vt + 12 at
[L]
wobei
v die Geschwindigkeit
a die Beschleunigung
t
die Zeit
[L / T ]
[L / T ²]
[T ]
bezeichnet.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 1) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
26
Beispiel (Fortsetzung):
[L] = [L / T ]⋅ [T ] + [L / T ²]⋅ [T ]
[L ]
[L / T ]
Da der Summand 12 at die falsche Dimension hat
kann die Formel x = vt + 12 at nicht stimmen.
Bei physikalischen Größen die als Produkt anderer
physikalischer Größen dargestellt werden können,
kann man die Dimension dazu benutzen, die Formel
bis auf einen Proportionalitätsfaktor zu raten.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 1) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
27
Beispiel:
Die Schwingungsdauer eines Pendels sei ausschließlich eine Funktion der
•
•
•
Masse m [kg]
Fadenlänge l [m]
Erdbeschleunigung g [m/s²]
die multiplikativ verknüpft sind.
Mit dem Produktansatz
t ∝ mα ⋅ l β ⋅ g γ
erhält man für die Dimensionen
[T ]1∝ [M ]α ⋅ [L]β ⋅ [L / T ²]γ
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 1) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
28
Beispiel (Fortsetzung):
und nach Umformen
[T ]1∝ [M ]α ⋅ [L]β +γ ⋅ [T ]−2γ
⇒ α = 0, γ = − 12 , β =
1
2
Damit lautet der Ansatz
l
g
der bis auf den Proportionalitätsfaktor 2π mit der
richtigen Formel
l
t = 2π
g
übereinstimmt.
1
2
t ∝l ⋅g
Hochschule Bremen
− 12
=
Technische Physik (Kapitel 1) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
29
1.4 Rechnen mit physikalischen Größen
Physikalische Größen können stets als Produkt aus
Zahlenwert und Einheit dargestellt werden.
Einheiten können wie gewöhnliche Faktoren behandelt,
d.h. ausgeklammert und gekürzt, werden.
Exponentialdarstellung physikalischer Einheiten
Beispiele:
m
m
Lichtgeschwindigkeit = 300.000.000 = 3 ⋅ 108
s
s
Abstand Erde/Sonne = 150.000.000.000 m = 1,5 ⋅ 1011 m
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 1) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
30
Umwandlung physikalischer Einheiten
Beispiel:
m
km
Geschwindigkeit von 1 = ?
s
h
Mit den Umwandlungsfaktoren
1km
1km = 1000m ⇔
=1
1000m
und
3600s
1h = 3600s ⇔
=1
1h
erhält man
m
m 3600s 1km
km
1 =1 ⋅
⋅
= 3,6
s
s
1h 1000m
h
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 1) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
Gültige/signifikante Stellen
Beispiele:
Die Zahl 2,50
"
2,503
"
0,00103 = 1,03 ⋅ 10 -3
31
hat 3 gültige Stellen
hat 4
"
hat 3
"
Gültige Stellen nach Addition und Subtraktion
Das Ergebnis einer Addition oder Subtraktion zweier Zahlen
besitzt keine gültigen Stellen jenseits der letzten Dezimalstelle,
an der beide Zahlen eine gültige Stelle haben.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 1) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
32
Gültige Stellen nach Multiplikation und Division
Die Zahl der gültigen Stellen beim Ergebnis einer Multiplikation
oder Division ist gleich der kleinsten Zahl gültiger Stellen in
allen Faktoren.
Beispiele: Berechnen einer Kreisfläche
Durch abschreiten wurde ein Radius von 8m bestimmt.
⇒ A = π ⋅ r 2 = π ⋅ 64 m 2 = 201,0619298 m 2
Die Genauigkeit der Radiusmessung liegt bei ca. ±0,5m
2
= 176,7145868 m 2 ⎫
Amin = π ⋅ rmin
2
2
00
m
=
⇒
A
⎬
2
= 226,9800692 m 2 ⎭
Amax = π ⋅ rmax
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 1) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
33
Größenordnung
(grobe Abschätzungen, runden auf 10er Potenzen)
Beispiele:
Eine Ameise ist etwa 8·10-4m lang.
⇒ Die Größenordnung der Länge einer Ameise
beträgt 10-3m.
Menschen besitzen eine Körpergröße der
Größenordnung 100m.
⇒ Die tatsächliche Körpergröße liegt näher bei 1m als
bei 10m oder 0,1m.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 1) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
34
2. Mechanik
2.1 Kinematik
Die Kinematik beschäftigt sich mit der Beschreibung
von Bewegungen ohne dabei deren Ursachen zu
hinterfragen.
Zur Vereinfachung der Betrachtungen sei die Position
der sich bewegenden Gegenstände durch die Angabe
der Koordinaten eines Punktes beschreibbar.
Einen Gegenstand mit dieser Eigenschaft nennt man
–
–
Teilchen oder
Massenpunkt
und meint damit einen idealisierten Körper dessen
Masse in einem Punkt konzentriert ist.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
35
2.1.1 Bewegung in einer Dimension
Von eindimensionalen Bewegungsabläufen spricht
man, wenn die Bewegung entlang einer geraden Line
verläuft.
Beispiel:
Ein Auto das auf einer ebenen, geraden und schmalen
Straße fährt.
Durchschnittsgeschwindigkeit
Anschaulich ist die Durchschnittsgeschwindigkeit
definiert durch
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
36
Durchschnittsgeschwindigkeit =
zurückgelegte Strecke
benötigte Zeit
Beispiel:
Ein Fahrzeug legt in 5 Stunden 200 km zurück.
⇒ v=
200km
km
= 40
5h
h
oder in SI-Einheiten
1000 m
1 m
v = 40 ⋅
= 11 9
3600 s
s
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
37
Bei der Bestimmung der Durchschnittsgeschwindigkeit
wird die Richtung der Bewegung üblicherweise nicht
berücksichtig.
Zur Vorbereitung auf mehrdimensionale Bewegungen
soll im folgenden die Richtung mit einbezogen werden.
Hierzu führt man auf der Fahrstrecke ein Koordinatensystem ein.
Δx
0
x1 = x(t1 )
Hochschule Bremen
x2 = x(t 2 )
Fahrstrecke x(t )
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
38
Die Positionsveränderung des Massenpunktes nennt
man Verschiebung Δx mit
Δx = x2 − x1
Mit dem Zeitintervall
Δt = t 2 − t1
ergibt sich die Durchschnittsgeschwindigkeit zu
v=
Hochschule Bremen
Δx x2 − x1
=
Δt t 2 − t1
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
39
Verschiebung und Durchschnittsgeschwindigkeit
können sowohl
– positive Werte, d.h. x2 > x1 ⇒ Bewegung nach rechts
als auch
– negative Werte, d.h. x2 < x1 ⇒ Bewegung nach links
annehmen.
Beispiel: Ein Fußgänger sei zu den Zeiten
t1 = 2s und t 2 = 7s am Ort
x1 = x(t1 ) = 20m und x2 = x(t 2 ) = 12m
Δx 12m − 20m − 8m
=
= −1,6 ms = −5,76 km
=
⇒v=
h
7s − 2s
5s
Δt
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
40
Beispiel: Ein Radfahrer sei zu den Zeiten
t1 = 5s, t 2 = 10s und t3 = 12s am Ort
x1 = 20m, x2 = 50m und x3 = 41m
mit Vorzeichen (physikalische Herangehensweise)
Δx = ( x3 − x2 ) + ( x2 − x1 ) = x3 − x1 ⎫
Δx 21m
=
=
= 3 ms
v
⎬
Δt = (t3 − t 2 ) + (t 2 − t1 ) = t3 − t1
Δt
7s
⎭
ohne Vorzeichen (Alltagsverständnis)
⎫
s 39m
=
= 5 74
⎬ v=
Δt
7s
Δt = (t3 − t 2 ) + (t 2 − t1 ) = t3 − t1 ⎭
s = x3 − x2 + x2 − x1
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
m
s
41
Geometrische Deutung der Durchschnittsgeschwindigkeit
Weg-Zeit-Diagramm
Δt = t 2 − t1
x
P2 = (t 2 , x2 )
x2
x2'
(
P2' = t 2' , x2'
)
Δx = x2 − x1
ϕ
x1
P1 = (t1 , x1 )
t1
Hochschule Bremen
t 2'
t2
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
t
42
Die Durchschnittsgeschwindigkeit entspricht der Steigung
der Geraden (Sekante)
Δx
= tan ϕ
m=
Δt
durch die Punkte P1 = (t1 , x1 ) und P2 = (t 2 , x2 ) .
Die Durchschnittsgeschwindigkeit hängt bei nicht konstanter Geschwindigkeit von der Wahl des Zeitintervalls
ab, z.B. gilt für die vorangegangene Abbildung
v p1 , p2 < v p
'
1, p 2
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
43
Momentangeschwindigkeit
x
P2''
'''
2
P
Δx
P2'
P2
P2''''
''
Δ x ' Δ x Δ x '''
Δ x ''''
P1
t 2''''
t1
Tangente an P1
t 2'''
t 2''
t 2'
t2
t
Δ t ''''
Δ t '''
Δ t ''
Δt '
Δt
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
44
Die Momentangeschwindigkeit für einen bestimmten
Zeitpunkt ist die Steigung der Tangente an die WegZeit-Kurve in diesem Punkt.
Demzufolge kann die Momentangeschwindigkeit
mathematisch durch den Grenzwert
Δx
v = lim
Δt →0 Δt
ausgedrückt werden.
Der Grenzwert wird in der Differentialrechnung als
Ableitung von x nach t bezeichnet und durch
Δx dx
=
=x
v = lim
Δt →0 Δt
dt
symbolisiert.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
45
Entsprechend der Steigung
dx
≥0
x
dt
oder
dx
<0
dt
kann die Momentangeschwindigkeit
v≥0
oder
v<0
sein.
Hochschule Bremen
v<0
v=0
v>0
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
v=0
v<0
46
t
Ableitung der Potenzfunktion
Die Potenzfunktion ist definiert durch
x = C ⋅tn
wobei C ∈ und n ∈ beliebige Konstanten sind.
Die Ableitung von x nach t lautet
dx d
=
C ⋅ t n = n ⋅ C ⋅ t n −1
dt dt
Beispiel:
dx
n = 1:
x = C ⋅t ⇒
=C
dt
dx
n = 2:
x = C ⋅t2 ⇒
= 2⋅C ⋅t
dt
(
Hochschule Bremen
)
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
47
Beweis für n = 1
dx
x(t + Δt ) − x(t )
= lim
dt Δt →0
Δt
C ⋅ (t + Δt ) − C ⋅ t
C ⋅ Δt
= lim
= lim
=C
Δt →0
Δt →0 Δt
Δt
und n = 2
2
dx
x(t + Δt ) − x(t )
C ⋅ (t + Δt ) − C ⋅ t 2
= lim
= lim
Δ
t
→
0
Δt →0
Δt
Δt
dt
C ⋅ t 2 + 2 ⋅ C ⋅ t ⋅ Δt + C ⋅ (Δt ) 2 − C ⋅ t 2
= lim
Δt →0
Δt
= lim 2 ⋅ C ⋅ t + C ⋅ Δt = 2 ⋅ C ⋅ t
Δt →0
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
48
Weg-Zeit-Diagramm
Geschwindigkeit-Zeit-Diagramm
v
x
m
x = 10 sm2 t 2
v3 > v2 > v1
600
200
80
40
v1 = 40 ms
t1
2
v3 = 120 ms
v2 = 80 ms
t2
v = x = 20 sm2 ⋅ t
s
120
t3
400
m
4
Hochschule Bremen
6
8
t
s
2
4
6
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
t
s
8
49
Durchschnittsbeschleunigung
Massenpunkte deren Momentangeschwindigkeit sich
mit der Zeit ändert unterliegen einer Beschleunigung.
Die Durchschnittsbeschleunigung ist definiert als
Durchschnittsbeschleunigung =
Geschwindigkeitsänderung
benötigte Zeit
und kann mathematisch durch
a=
Δv v(t 2 ) − v(t1 ) v2 − v1
=
=
Δt
t 2 − t1
t 2 − t1
ausgedrückt werden.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
50
Geometrische Deutung der Durchschnittsbeschleunigung
Geschwindigkeit-Zeit-Diagramm
Δt = t 2 − t1
v
P2 = (t 2 , v2 )
v2
Δv = v2 − v1
P1 = (t1 , v1 )
v1
t1
Hochschule Bremen
t2
t
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
51
Die Durchschnittsbeschleunigung entspricht der
Steigung der Geraden die durch die Punkte
P1 = (t1 , v1 ) und P2 = (t 2 , v2 ) geht.
Die Durchschnittsbeschleunigung hängt bei
zeitabhängiger Beschleunigung von der Wahl
des Zeitintervalls ab.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
52
Momentanbeschleunigung
v
Tangente an P1
P2
Δv
Δv '
Δ v '' Δ v ''' Δ v ''''
P2'
P1
t1
P2''''
Δt
''''
P2'''
t 2''''
P2''
t 2''
t 2'''
t 2'
t2
t
Δ t '''
Δ t ''
Δt '
Δt
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
53
Für einen bestimmten Zeitpunkt ist die Momentanbeschleunigung durch die Steigung der Tangente an
die Geschwindigkeit-Zeit-Kurve in diesem Punkt
gegeben.
Die Momentanbeschleunigung ergibt sich mathematisch als Grenzwert
Δv
a = lim
Δt →0 Δt
und somit als die Ableitung der Geschwindigkeit v
oder als die zweite Ableitung des Ortes x nach der
Zeit, d.h.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
54
dv d ⎛ dx ⎞ d 2 x
a=v=
= ⎜ ⎟=
=x
dt dt ⎝ dt ⎠ dt 2
Beispiel:
Ein Auto beschleunige in 5s von 0km/h auf 90km/h.
Wie groß ist die Durchschnittsbeschleunigung?
Mit 1 m/s = 3,6 km/h gilt
a=
Δv 90 km/h 1 m/s
=
⋅
= 5 sm2 ≈ 12 g
Δt
5s
3,6 km/h
wobei g die Erdbeschleunigung angibt.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
55
Übungsaufgabe 1:
Das Weg-Zeit-Verhalten eines Massenpunktes sei
durch x = Ct3 gegeben, wobei die Konstante C die
Einheit m/s3 besitze.
Ermitteln Sie die Geschwindigkeit und die Beschleunigung als Funktion der Zeit!
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
56
Bewegung mit konstanter Beschleunigung
Aus dem vorangegangenen ist bekannt
differenzieren
differenzieren
x(t ) ⎯⎯
⎯ ⎯⎯→ v(t ) ⎯⎯
⎯ ⎯⎯→ a (t )
Gesucht ist nun die Umkehrung
a(t ) ⎯integriere
⎯ ⎯⎯n → v(t ) ⎯integriere
⎯ ⎯⎯n → x(t )
Integration
Die Beschleunigung a (t ) sei bekannt. Ziel ist es nun eine
Geschwindigkeit v(t ) zu finden, deren Ableitung der
Beschleunigung a (t ) entspricht.
v(t ) bezeichnet man dann auch als Stammfunktion von a (t ) .
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
57
Bei konstanter Beschleunigung a (t ) ≡ a gilt
dv
=a
dt
und damit für die Geschwindigkeit
v = v0 + a ⋅ t
da
dv dv0 d (a ⋅ t )
=
+
,
dt
dt
dt
0
a
wobei v0 eine Konstante ist, die die Anfangsgeschwindigkeit zur Zeit t = 0 angibt.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
58
Da die Ableitung des Ortes x(t ) die Geschwindigkeit
dx
= v = v0 + a ⋅ t
dt
ergibt, kann bei analoger Vorgehensweise wie zuvor
1
x = x0 + v0 ⋅ t + a ⋅ t 2
2
gefunden werden, da
(
dx dx0 d (v0 ⋅ t ) 1 d a ⋅ t 2
=
+
+
dt
dt
dt
2 dt
0
Hochschule Bremen
v0
)
a⋅t
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
59
Anfangsbedingungen
Die als Integrationskonstanten bezeichneten
Konstanten x0 und v0 sind durch den Ort und die
Geschwindigkeit des Massenpunktes zu einem
bestimmten Anfangszeitpunkt, z.B. bei t = 0
gegeben.
Anfangswertproblem
Gegeben sei a (t ) bestimme x(t ) .
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
60
Stammfunktion der Potenzfunktion
Die Stammfunktion von
f (t ) = C ⋅ t n
mit a ∈ R und n ∈ Z \ {− 1} lautet
F (t ) =
C n +1
t +D
n +1
Beispiel:
a (t ) = C ⋅ t 3 ⇒ v(t ) =
Hochschule Bremen
C 4
C 5
t + D ⇒ x(t ) =
t + D ⋅t + E
4
20
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
61
Konstante Beschleunigung
•
kommt in der Natur häufig vor, z.B. Gegenstände
fallen mit einer konstanten Erdbeschleunigung
m
g = 9,81 2
s
nach unten (Luftwiderstand vernachlässigen).
•
die Steigung der Geschwindigkeit-Zeit-Kurve ist
konstant, d.h. die Geschwindigkeit nimmt linear
mit der Zeit zu.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
62
Zur Zeit t = 0 befinde sich der Massenpunkt am Ort
x0 und besitze die Geschwindigkeit v0 .
Abhängigkeit der Geschwindigkeit von der Zeit bei
konstanter Beschleunigung
v = x0 + a ⋅ t
Abhängigkeit des Ortes von der Zeit bei konstanter
Beschleunigung
1
x = x0 + v0 ⋅ t + a ⋅ t 2
2
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
63
Durchschnittsgeschwindigkeit bei konstanter
Beschleunigung
Δx x − x0
v=
=
t −0
Δt
v = v0 + a ⋅ t
v0 ⋅ t + 12 a ⋅ t 2
=
v
t
1
=
v
+
a ⋅t
v
0
2
1
v0
= v0 + (v − v0 )
2
t
0
1
= (v0 + v )
2
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
64
Abhängigkeit der Geschwindigkeit vom Ort bei
konstanter Beschleunigung
Aus
1
x = x0 + v0 ⋅ t + a ⋅ t 2
2
folgt nach einsetzen von
t=
v − v0
, da
a
v = v0 + a ⋅ t ,
der Ausdruck
v − v0 1 ⎛ v − v0 ⎞
+ a⎜
x = x0 + v0
⎟
2 ⎝ a ⎠
a
Hochschule Bremen
2
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
65
Multiplizieren mit a auf beiden Seiten liefert
1
2
a ⋅ x = a ⋅ x0 + v0 (v − v0 ) + (v − v0 )
2
1
= a ⋅ x0 + v0 ⋅ v − v02 + (v 2 − 2v ⋅ v0 + v02 )
2
1
= a ⋅ x0 + (v 2 − v02 )
2
und nach v aufgelöst schließlich
v 2 = v02 + 2 a ( x − x0 ) = v02 + 2 a ⋅ Δx
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
66
Übungsaufgabe 2:
Ein Gegenstand werde mit der Anfangsgeschwindigkeit von 30 m/s senkrecht nach oben geworfen.
Gleichzeitig erfährt er eine Erdbeschleunigung von
g ≈10 m/s2 nach unten.
1) Wie lange braucht der Gegenstand bis zu seinem
höchsten Punkt ?
2) Welche Strecke legt der Gegenstand bis zu
seinem höchsten Punkt zurück?
3) Wie lange ist der Gegenstand insgesamt in der
Luft?
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
67
2.1.2 Bewegung in zwei oder drei Dimensionen
Geschwindigkeitsvektor
Ein Massenpunkt bewege sich entlang einer
beliebigen Kurve (Trajektorie) im Raum
y
y1
P1 = ( x(t1 ), y (t1 ))
Δs
= ( x1 , y1 )
Δr = r2 − r1
r1
P2 = ( x(t 2 ), y (t 2 ))
y2
= ( x2 , y 2 )
r2
x1
Hochschule Bremen
x2
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
x
68
Ortsvektor
r = x ex + y e y + z ez , wobei die Vektoren ex , e y , ez
y
die Einheitsvektoren in einem rechtwinkligen Koordinatensystem bezeichnen.
ry = y e y
y
r = x ex + y e y + z ez
ey
x
x
rx = x ex
ex
ez
z
z
Hochschule Bremen
rz = z ez
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
69
Vektoraddition
r1 + r2 = (x1 ex + y1 e y + z1 ez ) + (x2 ex + y2 e y + z 2 ez )
= ( x1 + x2 ) ex + ( y1 + y2 ) e y + ( z1 + z 2 ) ez
Hierbei sind
r1 = x1 ex + y1 e y + z1 ez
und
= r (t1 ) = x(t1 ) ex + y (t1 ) e y + z (t1 ) ez
r2 = x2 ex + y2 e y + z 2 ez
= r (t 2 ) = x(t 2 ) ex + y (t 2 ) e y + z (t 2 ) ez
die Ortsvektoren an die Trajektorie zu den Zeitpunkten t1 und t 2 .
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
70
Der Verschiebungsvektor ist die Differenz der beiden
Ortsvektoren, d.h.
Δr = r2 − r1 = Δx ex + Δy e y + Δz ez
= ( x2 − x1 ) ex + ( y2 − y1 ) e y + ( z 2 − z1 ) ez
Vektor der Durchschnittsgeschwindigkeit
Das Verhältnis zwischen Verschiebungsvektor Δr
und Zeitintervall Δt = t 2 − t1 entspricht der vektorwertigen Durchschnittsgeschwindigkeit, d.h.
v=
Δr Δx
Δy
Δz
ex +
=
ey +
ez = v x ex + v y e y + v z ez
Δt Δt
Δt
Δt
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
71
Vektor der Momentangeschwindigkeit
Δt → 0 ⇒
Δr = Δs
und die Richtung von Δr nähert sich der Richtung
der Tangente im Punkt P1
y
P2′′
P1
Δr ′′
P2′
Δr ′
r1
Δr
P2
x
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
72
Die vektorwertige Momentangeschwindigkeit ist
definiert als Grenzwert der vektorwertigen Durchschnittsgeschwindigkeit für Δt gegen null, d.h.
Δr
Δy
Δz ⎞
⎛ Δx
= lim ⎜
ex +
ey +
ez ⎟
Δt →0 Δt
Δt →0 Δt
Δ
t
Δ
t
⎝
⎠
Δx
Δy
Δz
= lim
ex + lim
e y + lim
ez
Δt →0 Δt
Δt →0 Δt
Δt →0 Δt
dz
dx
dy
=
ex +
e y + ez
dt
dt
dt
dr
= x ex + y e y + z ez =
=r
dt
v = lim
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
73
Betrag der Momentangeschwindigkeit
2
2
dr
⎛ dx ⎞ ⎛ dy ⎞ ⎛ dz ⎞
v =
= ⎜ ⎟ +⎜ ⎟ +⎜ ⎟
dt
⎝ dt ⎠ ⎝ dt ⎠ ⎝ dt ⎠
=
(dx )2 + (dy )2 + (dz )2
dt
=
2
ds
dt
wobei s den entlang der Kurve zurückgelegten Weg
angibt.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
74
y
Δs′′
Δy
P1
Δs
Δr
P2′′
P2′
r1
P2
x
Δx
Δr =
Hochschule Bremen
(Δx )2 + (Δy )2 + (Δz )2
≈ Δs
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
75
Übungsaufgabe 3:
Ein Segelboot besitze zur Zeit t1 = 0 s die Anfangskoordinaten P1= (x1, y1) = (100m, 200m) und zur Zeit
t2 = 12 s die Koordinaten P2 = (x2, y2) = (124m, 212m).
1) Wie groß sind die Komponenten und der Betrag
der vektorwertigen Durchschnittsgeschwindigkeit?
2) Welche Richtung besitzt die vektorwertige Durchschnittsgeschwindigkeit?
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
76
Beschleunigungsvektor
Vektor der Durchschnittsbeschleunigung
Die vektorwertige Durchschnittsbeschleunigung ist definiert
als das Verhältnis aus Momentangeschwindigkeitsänderung
Δv und Zeitintervall Δt , d.h.
a=
Δv v2 − v1 v (t 2 ) − v (t1 )
=
=
t 2 − t1
Δt t 2 − t1
Vektor der Momentanbeschleunigung
Die vektorwertige Momentanbeschleunigung ergibt sich als
Grenzwert der Durchschnittsbeschleunigung für Δt → 0 zu
v (t + Δt ) − v (t ) dv
Δv
= lim
=
=v
Δt →0 Δt
Δt →0
dt
Δt
a = lim
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
77
Mit
v = v x ex + v y e y + v z ez
=
dx
dy
dz
ex +
e y + ez = x ex + y e y + z ez
dt
dt
dt
ergibt sich die Momentanbeschleunigung zu
dv y
dv x
dv
ex +
e y + z ez
dt
dt
dt
d2y
d 2z
d 2x
= 2 ex + 2 e y + 2 ez = x ex + y e y + z ez
dt
dt
dt
a=
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
78
Von Beschleunigung spricht man, wenn
–
–
der Betrag und/oder
die Richtung
des Geschwindigkeitsvektors variiert.
Ein wichtiges Beispiel für eine beschleunigte Bewegung mit einer Geschwindigkeit von konstantem
Betrag und variierender Richtung ist die gleichförmige Kreisbewegung.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
79
Übungsaufgabe 4:
Ein Auto durchfahre in 5 s eine 90°-Kurve mit einer
Geschwindigkeit von 60 km/h.
Welche Durchschnittsbeschleunigung erfährt das
Auto während der Kurvendurchfahrt?
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
80
Wurfbewegungen
Das wichtigste
vx ⎯
⎯→
Merkmal der
Wurfbewegung
ist, dass die horizontalen
und vertikalen Komponenten unabhängig voneinander sind.
Hochschule Bremen
Δt
2Δt
3Δt
4Δt
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
81
Schräger Wurf
Wir betrachten die Bewegung eines Balls in einem
Koordinatensystem mit horizontaler x -Achse und
vertikaler y -Achse.
Für die Komponenten des Beschleunigungsvektors gilt
ax = 0
und a y = − g
( g =Erdbeschleunigung)
Der Ball werde im Ursprung mit der Anfangsgeschwindigkeit v0 = | v0 | und einem Winkel ϕ zur horizontalen
abgeworfen. Der Vektor der Anfangsgeschwindigkeit
besitzt dann die Komponenten
v0 x = v0 cos ϕ
Hochschule Bremen
und
v0 y = v0 sin ϕ .
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
82
Aus a x = 0 folgt
v x = v0 x
Für die y -Komponente erhält man mit a y = − g
v y = v0 y + a ⋅ t = v0 y − g ⋅ t
Die Komponenten der Verschiebung lauten
Δx = v0 x ⋅ t
(x = x0 + v0 x ⋅ t )
1
Δy = v0 y ⋅ t − g ⋅ t 2
2
1
⎛
2⎞
=
+
⋅
+
⋅
y
y
v
t
a
t
⎜
⎟
y
0
0y
2
⎝
⎠
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
83
Übungsaufgabe 5:
Ein Ball werde unter einem Winkel ϕ = 37° zur
Horizontalen mit einer Anfangsgeschwindigkeit
v0 = 50 m/s in die Luft geworfen.
1) Wie lange ist der Ball in der Luft?
2) Welche horizontale Entfernung R (Reichweite)
hat der Ball zurückgelegt?
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
84
Die allgemeine funktionale Abhängigkeit zwischen y
und x , d.h. y (x) , ergibt sich durch Einsetzen von
Δx
(Δx = v0 x ⋅ t )
t=
v0 x
in
1
Δy = v0 y ⋅ t − g ⋅ t 2
2
zu
2
⎛ Δx ⎞ 1 ⎛ Δx ⎞
⎟⎟ − g ⎜⎜
⎟⎟
Δy = v0 y ⎜⎜
⎝ v0 x ⎠ 2 ⎝ v0 x ⎠
bzw.
⎛ v0 y ⎞
1⎛ g ⎞
2
⎜
⎟
⎜
⎟
(
)
(
)
y = y0 + ⎜
−
−
−
x
x
x
x
0
0
⎟
⎜ v2 ⎟
v
2
⎝ 0x ⎠
⎝ 0x ⎠
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
85
y
m
50
vy ey
40
vx ex
vy ey
vx ex
vy ey
30
vx ex
vx ex
20
vy ey
vy ey
10
vx ex
40
vx ex
80
120
160
200
240
x
m
vy ey
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
86
Reichweite eines Projektils
Für den Spezialfall identischer Anfangs- und Endhöhe kann eine allgemeine Formel für die Reichweite
hergeleitet werden.
x0 = 0, y0 = 0, y = 0
⎛ v0 y ⎞
1 ⎛ g ⎞ 2 ⎧⎛ v0 y ⎞ 1 ⎛ g ⎞ ⎫
⎟⎟ x − ⎜⎜ 2 ⎟⎟ x = ⎨⎜⎜
⎟⎟ − ⎜⎜ 2 ⎟⎟ x ⎬ x
⇒ 0 = ⎜⎜
2 ⎝ v0 x ⎠
⎝ v0 x ⎠
⎩⎝ v0 x ⎠ 2 ⎝ v0 x ⎠ ⎭
Lösungen der quadratischen Gleichung sind x = 0
(Anfangsbedingung) und
v0 x v0 y
⎛ v0 y ⎞ 1 ⎛ g ⎞
v02x v0 y
⎜
⎟
⎜
⎟
0=⎜
⎟ − 2 ⎜ v2 ⎟ x ⇒ x = 2 g ⋅ v = 2 g
v
0x
⎝ 0x ⎠
⎝ 0x ⎠
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
Einsetzen von
v0 x = v0 cos ϕ
und
87
v0 y = v0 sin ϕ
sowie Umbenennen von x in die Reichweite R liefert
2v02 sin ϕ cos ϕ
R=
.
g
Nach Ausnutzen des Additionstheorems
sin (ϕ1 + ϕ 2 ) = sin ϕ1 cos ϕ 2 + sin ϕ 2 cos ϕ1
für ϕ1 = ϕ 2 = ϕ , d.h. sin (2ϕ ) = 2 sin ϕ cos ϕ erhält
man schließlich
v02
R = sin (2ϕ ) .
g
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
88
Aufgrund von
sin (2(45° − Δϕ )) = sin (2(45° + Δϕ ))
ist die Reichweite von Projektilen identisch, wenn ihr
Abwurfwinkel um denselben Winkel nach oben oder
unten von 45° abweicht.
y
1'
2'
3'
3
2
1
x
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
89
Liegt der Auftreffpunkt eines Projektils niedriger als
der Abwurfpunkt, so wird die Reichweite bei einem
Winkel maximal, der kleiner als 45° ist.
y
45° Wurfparabel
flachere Wurfparabel
Anfangshöhe
x
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
90
Kreisbewegungen
Zentripetalbeschleunigung
Ein Satellit bewege sich mit der
Geschwindigkeit
v auf einer Kreisbahn mit dem Radius r um die Erde.
Hochschule Bremen
P1 , t = 0
v ⋅t
r
P2 '
P2 , t
r
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
h
91
•
Ohne Zentripetalbeschleunigung würde sich der
Satellit in der Zeit t von Punkt P1 nach P2 bewegen.
•
Aufgrund der Beschleunigung bleibt der Satellit
auf der Kreisbahn und erreicht in der Zeit t den
Punkt P2 ', d.h. der Satellit „ fällt“ gewissermaßen
um die Strecke h in Richtung des Kreismittelpunkts zurück.
•
Ursache dafür ist die Zentripetalbeschleunigung,
die im folgenden hergeleitet wird.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
92
Aus der vorangegangenen Abbildung entnimmt man
(r + h )2 = (vt )2 + r 2
r 2 + 2 r h + h 2 = v 2t 2 + r 2
h (2r + h ) = v 2t 2
Da für sehr kleine t auch h sehr klein und somit
h << r ist, kann h gegenüber r in der Klammer
vernachlässigt werden, so dass
2rh ≈ v 2t 2
oder nach h umgeformt
1 ⎛ v2 ⎞ 2
h ≈ ⎜⎜ ⎟⎟ t
2⎝ r ⎠
gilt.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
93
Da der Satellit auf einer Kreisbahn gehalten wird,
muss andererseits eine betragsmäßig konstante zum
Kreismittelpunkt gerichtete Beschleunigung vorliegen, d.h.
1
h = a zp t 2
2
Gleichsetzten der beiden Gleichungen liefert schließlich nach Umformen den Betrag der Beschleunigung
v2
a zp =
r
(bei Verdoppelung von v bzw. r vervierfacht bzw. halbiert
sich die Beschleunigung)
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
94
Übungsaufgabe 6:
Ein Auto fahre um eine Kurve, deren Radius r = 30 m
Beträgt. Durch Reibung trete eine maximale Zentripetalbeschleunigung von amax = 4,8 m/s2 auf.
Mit welcher maximalen Geschwindigkeit kann das
Auto die Kurve durchfahren?
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
95
Allgemeine Herleitung der Zentripetalbeschleunigung
P1
Δr
r1
Δs
P2
Δϑ
Δϑ
v1
v1
v2
Δv
r2
v2
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
96
Der Geschwindigkeitsvektor v1 bzw. v2 steht im Punkt
P1 bzw. P2 senkrecht auf dem Ortsvektor r1 bzw. r2 ,
d.h. v1 ⊥ r1 und v2 ⊥ r2 .
( v1 bzw. v2 ist Tangente an den Kreis im Punkt P1 bzw. P2 )
⇒ Δϑ = ∠ (r1 , r2 ) = ∠ (v1 , v2 )
Somit gilt
Δϑ =
Δv
Δs Δr
≈
=
r
r
v
wobei r = r1 = r2 den Radius des Kreises und
v = v1 = v2 den Betrag der Geschwindigkeit
bezeichnet.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
97
Beachtet man noch, dass
Δs = v ⋅ Δt
so erhält man
v ⋅ Δt Δv
Δϑ =
≈
r
v
oder
Δv
v2
≈
Δt
r
oder nach Grenzübergang
Δv
v2
a zp = lim
=
Δt → 0 Δt
r
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
98
Tangential- und Normalbeschleunigung
y
v
at
a x ex
r
a y ey
a
an
ey
x
ex
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
99
Die Bewegung eines Massenpunktes auf einer beliebigen Bahn kann abschnittsweise, d.h. in kurzen Zeitintervallen, als Bewegung auf Kreisbögen aufgefasst
werden.
Der Vektor der Momentanbeschleunigung kann alternativ zur kartesischen Komponentendarstellung a x ex
und a y e y in die normal Komponente an mit dem Betrag
v2
v= v , r= r
an = an = ,
r
und die Tangentialkomponente, die die zeitliche Veränderung des Betrages der Geschwindigkeit beschreibt,
d v dv
at =
=
dt
dt
zerlegt werden.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
100
2.2 Grundgesetze der Dynamik
In dem vorangegangenen Abschnitt zur Kinematik
habe wir die Bewegung von Massepunkten geometrisch-analytisch beschrieben.
•
Wir wissen also, wie sich ein Massenpunkt
bewegt.
•
Die Fragen nach den Ursachen können wir jedoch
noch nicht beantworten.
•
Dieser Fragestellung widmet sich die Dynamik
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
101
2.2.1 Erstes Newtonsches Axiom
Erstes Newtonsches Axiom (Trägheitsprinzip)
Ein Körper bleibt in Ruhe oder bewegt sich mit konstanter Geschwindigkeit (Betrag und Richtung) weiter, wenn keine resultierende Kraft auf den Körper
einwirkt.
Die Eigenschaft eines Körpers seinen Bewegungszustand beizubehalten, bezeichnet man als Trägheit.
Daher bezeichnet man das erste Newtonsche Axiom
auch als Trägheitsgesetz.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
102
Früher (vor Galilei) nahm man an, dass stets eine
Kraft wirken muss um einen Körper in Bewegung
zu halten.
Alltagserfahrung
Ein gezogener Schlitten gleitet nach dem Loslassen
ein Stück weiter und bleibt schließlich stehen.
Galilei und Newton erkannten aber, dass sich der
Schlitten aufgrund von Reibung nicht kräftefrei
bewegt.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
103
Galilei Experiment
(motiviert 1tes Newtonsches Axiom)
h
ϑ
ϑ'
Die Bälle bewegen sich unabhängig vom Neigungswinkel der Schräge fast wieder bis zu ihrer ursprünglichen Höhe h .
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
104
1) Je kleiner der Neigungswinkel ϑ wird, um so
weiter rollt der Ball nach rechts.
2) Bei Vernachlässigung der Reibung wird der Ball
auf einer horizontalen Ebene, d.h. ϑ = 0 , für
immer und ohne Geschwindigkeitsänderung
weiterrollen.
Dieser Sachverhalt motivierte die Formulierung des
ersten Newtonschen Axioms.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
105
Bezugssystem, Inertialsystem
Das 1te Newtonsche Axiom unterscheidet nicht
zwischen einem ruhenden und einem sich gradlinig
gleichförmig, d.h. mit konstanter Geschwindigkeit
(Betrag und Richtung), fortbewegenden Körper.
Ob ein Körper ruht oder sich mit konstanter Geschwindigkeit bewegt, hängt von dem für die Betrachtung der Bewegung gewählten Koordinatensystem ab.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
106
Gedankenexperiment
y'
S'
Eisenbahnwaggon
Gegenstand
Luftkissentisch
O'
a)
x'
Der Gegenstand befindet sich in dem Koordinatensystem S ', dessen Ursprung O' mit dem Waggon
verbunden ist, in Ruhe.
Hochschule Bremen
y
S
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
107
y' S '
v
O'
x'
O
b)
x
Der Gegenstand befindet sich relativ zum Waggon, d.h.
relativ zum Bezugssystem S ' in Ruhe. Die Geschwindigkeit v wird relativ zum Koordinatensystem S , das
mit den Schienen verbunden ist, gemessen. Relativ zum
Bezugssystem S bewegt ich der Gegenstand mit der
selben Geschwindigkeit v wie der Waggon nach rechts.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
108
y
S
y' ' S ' '
F
a
O' '
x' '
O
c)
x
Der Eisenbahnwaggon starte zur Zeit t = 0 aus einer
Ruheposition heraus. Der Gegenstand erfahre wegen
des Luftkissens keine Reibung und bleibe relativ zum
Bewegungssystem S in Ruhe, während sich der Luftkissentisch zusammen mit dem Waggon unter ihm hinwegbewegt.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
109
Im beschleunigten Bezugssystem S ' ' wird der Gegenstand mit − a nach hinten beschleunigt, d.h. er unterliegt ohne Krafteinwirkung einer horizontalen Beschleunigung.
Um den Gegenstand im Bezugssystem S ' ' in Ruhe
zu halten, ist die horizontale Kraft F nötig.
⇒ Das erste Newtonsche Axiom gilt nicht in
beschleunigten Bezugssystemen.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
110
•
Ein Bezugssystem heißt genau dann Inertialsystem,
wenn das erste Newtonsche Axiom gilt.
•
Ein Bezugssystem, das sich relativ zu einem Inertialsystem mit konstanter Geschwindigkeit (Betrag und
Richtung) bewegt, ist selbst auch ein Inertialsystem.
•
Ein mit der Erdoberfläche verbundenes Bezugssystem
kann wegen der Erdbewegung genaugenommen kein
Inertialsystem sein.
•
Ist die Erddrehung im Vergleich zum Zeitablauf eines
Experiments vernachlässigbar langsam, so kann ein mit
der Erdoberfläche verbundenes Bezugssystem in guter
Näherung als Inertialsystem angesehen werden.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
111
2.2.2 Zweites Newtonsches Axiom
Zweites Newtonsches Axiom (Aktionsprinzip)
Die Beschleunigung eines Körpers ist umgekehrt
proportional zu seiner Masse und direkt proportional
zur resultierenden Kraft, die auf ihn wirkt, d.h.
a=
bzw.
F
m
F = ma
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
112
•
Eine Kraft ist die Größe, die einen Körper dazu bringt,
seine Geschwindigkeit zu ändern, d.h. zu beschleunigen.
•
Die Kraft und die von ihr verursachte Beschleunigung
zeigen in dieselbe Richtung.
•
Der Betrag der Kraft ist das Produkt aus der Masse und
dem Betrag der Beschleunigung.
•
Wirken mehrere Kräfte gleichzeitig auf einen Körper ein,
so beobachtet man, dass der Körper nur in eine Richtung
beschleunigt wird, so als ob auch nur eine resultierende
Kraft an ihm angreife.
•
Um die resultierende aus mehreren Teilkräften zu finden,
setzt man diese unter Parallelverschiebung aneinander.
Die Resultierende ist dann der Schlusspfeil des gebildeten Kraftecks.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
113
F'
Beispiel:
F2
F1
F2
F''
Fres
F3
F1
Resultierende
zweier Kräfte
Hochschule Bremen
Fres
F4
Geometrische
Addition von Kräften
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
114
F2
F3
F1
F1
F2
F3
Fres
F4
Geometrische Addition von
Kräften (das Krafteck)
Hochschule Bremen
Drei Kräfte im
Gleichgewicht
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
115
Die Masse (genauer träge Masse) ist die jedem Körper innewohnende Eigenschaft, sich einer Beschleunigung zu widersetzen.
Das Verhältnis zweier Massen kann wie folgt definiert werden. Eine Kraft F wirke auf zwei Körper der
Masse m1 bzw. m2 und erzeuge die Beschleunigung
a1 bzw. a2 , d.h.
F = m1a1 und F = m2 a2
Gleichsetzen liefert
F = m1a1 = m2 a2
und nach Umformen die Definition der Masse
m1 a2
=
m2 a1
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
116
Mit diesem Gesetz können Massen verglichen, z.B.
aus m2 = 2m1 und m3 = 4m1 ⇒ m3 = 2m2 , und eine Massenskala mittels eines Standartkörpers, dessen Masse
man als Masseneinheit festlegt, definiert werden.
Die Einheit der Kraft ist 1 Newton [N] und entspricht
jener Kraft, die benötigt wird, um einen Körper der
Masse 1kg mit 1m/s 2 zu beschleunigen.
Aus den Definitionen der zuvor eingeführten Begriffe
der Kraft und Masse folgt direkt das 2te Newtonsche
Axiom
dv
d 2r
=m 2
F = ma = m
dt
dt
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
117
Das 2te Newtonsche Axiom verbindet die
•
dynamischen Größen
-
Masse und
Kraft
mit den
•
kinematischen Größen
-
Beschleunigung,
Geschwindigkeit und
Verschiebung
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
118
Impuls
Der Impuls ist definiert als
p = mv
Newton hat das 2te Axiom selbst etwas allgemeiner
formuliert. Wenn eine Kraft auf einen Körper wirkt,
so ändert sich sein Impuls.
dp d (mv ) dm
dv
=
=
F=
v +m
dt
dt
dt
dt
Ist die Masse keine Funktion der Zeit, so gilt
dp
dv
F=
=m
= ma
dt
dt
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
119
Übungsaufgabe 7:
An einem Massenpunkt der Masse m = 0,4 kg
greifen die Kräfte F1 = 2 N ex − 4 N e y und
F2 = −2,6 N ex + 5 N e y an.
Wo befindet sich der Massenpunkt bei t = 1,6 s und
welche Geschwindigkeit besitzt er dann, wenn der
Massenpunkt bei t = 0 s im Ursprung aus der Ruhe
heraus startet?
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
120
Gewichtskraft
Die Gewichtskraft FG eines Körpers ist die Gravitationskraft zwischen dem Körper und der Erde. Sie ist
proportional zur Masse m und zur Erdbeschleunigung
g , durch die das Gravitationsfeld der Erde definiert
wird und die mit der Beschleunigung des freien Falls
übereinstimmt, d.h.
FG = m g
Die Gewichtskraft ist keine körpereigene Eigenschaft.
Sie ist wie die Beschleunigung ortsabhängig.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
121
2.2.3 Drittes Newtonsches Axiom
Drittes Newtonsches Axiom (Reaktionsprinzip)
Kräfte treten immer paarweise auf. Wenn ein Körper
A eine Kraft auf einen Körper B ausübt, so wirkt eine
gleich große, aber entgegengesetzt gerichtete Kraft
von Körper B auf Körper A.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
122
Im Zusammenhang mit dem 3ten Newtonschen Axiom
werden häufig die Begriffe
•
•
Kraft und
Gegenkraft
verwendet, d.h. wenn ein Körper A eine Kraft auf einen Körper B ausübt, dann wird die Kraft, mit der B
umgekehrt auf A einwirkt, als Gegenkraft bezeichnet.
Kraft-Gegenkraft-Paar
Körper
FT '
Kraft
Gegenkraft
FG
FT
Hochschule Bremen
FG '
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
123
Die Gewichtskraft FG ist die Kraft, die von der Erde
auf den Körper ausgeübt wird. Eine gleich große, aber
entgegengesetzt gerichtete Kraft FG ' = − FG wirkt als
Gegenkraft vom Körper auf die Erde.
Der Tisch wiederum übt eine Kraft FT auf den Körper
aus, da sonst der Körper nach unten beschleunigt würde. Der Körper wirkt seinerseits mit der Gegenkraft
FT ' = − FT auf den Tisch ein.
Kraft und Gegenkraft wirken auf verschiedene Körper,
so dass sich diese Kräfte niemals gegeneinander aufheben können.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
124
2.2.4 Kräfte und Scheinkräfte
Fundamentalkräfte
Alle Kräfte, denen wir in der Natur begegnen, können
durch vier grundlegende Wechselwirkungen erklärt
werden.
• Gravitationswechselwirkung
• elektromagnetische Wechselwirkung
• starke Wechselwirkung (Protonen und Neutronen,
die den Zusammenhalt des Atomkerns bewirken)
•
schwache Wechselwirkung (zwischen Elektron
und Proton oder Neutron)
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
125
Die meisten Kräfte, die auf makroskopische Gegenstände des Alltags einwirken, wie die Kontaktkräfte,
die von Federn, Seilen oder Oberflächen ausgeübt
werden, beruhen auf molekularen Kräften. Sie sind
letztlich eine Folge elektromagnetischer Wechselwirkungen.
Für die meisten Anwendungen ist eine empirische
Beschreibung des makroskopischen Verhaltens hinreichend.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
126
Kontaktkräfte
Federkraft (Rückstellkraft)
Ein zusammengedrückte oder auseinandergezogene
Feder nimmt nach dem Loslassen ihre ursprüngliche
Form an, vorausgesetzt, die Stauchung oder Dehnung
war nicht zu groß.
Bei zu großen Auslenkungen, d.h. oberhalb einer gewissen Grenze, wird die Feder dauerhaft verformt.
Experimentell beobachtet man, dass bei kleinen Auslenkungen Δx die Federkraft proportional zu Δx ist
und entgegen der Auslenkungsrichtung wirkt.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
127
Dieser Sachverhalt ist als Hooksches Gesetz
Fx = −c ( x − x0 ) = −c Δx
bekannt, wobei die Proportionalitätskonstante c als
Federkonstante bezeichnet wird.
Körper
x = x0
Fx = 0
x
a) Wenn die Feder weder gedehnt noch gestaucht ist, übt sie
auch keine Kraft auf den Körper aus.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
128
Δx
Fx = −c Δx
ist negativ da
Δx positiv
Fx
x
x = x0
b) Wenn die Feder gedehnt wird, d.h. Δx > 0 ,dann greift die
Kraft in negativer x-Richtung mit dem Betrag c Δx am
Körper an.
Δx
Fx = −c Δx
ist positiv, da
Δx negativ
Fx
x
x = x0
c) Wenn die Feder gestaucht wird, d.h. Δx < 0 ,dann greift
die Kraft in positiver x-Richtung mit dem Betrag c | Δx |
am Körper an.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
129
Normalkraft, Hangabtriebskraft
y
FH
FE
x
ϑ
FN
Hochschule Bremen
ϑ
FG = m g
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
130
Die Gewichtskraft führt bei Körpern auf einer schiefen
Ebene mit dem Neigungswinkel ϑ zu einer senkrecht
auf die schiefe Ebene wirkenden Kraft, der Normalkraft FN , mit dem Betrag
FN = m g cos ϑ
und zu einer parallel zur schiefen Ebene gerichteten
beschleunigenden Kraft, der Hangabtriebskraft FH mit
dem Betrag
FH = m g sin ϑ
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
131
Übungsaufgabe 8:
Bestimmen Sie die Beschleunigung eines Körpers der
Masse m, der eine schiefe Ebene mit dem Neigungswinkel ϑ = 30° reibungsfrei hinabgleitet.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
132
Festkörperreibungskraft
Körper
F
Boden
FR , H
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
133
Beim Versuch, einen großen Gegenstand zu schieben,
wirkt die Reibung einer Bewegung entgegen. Der Boden übt eine Haftreibungskraft FR , H aus, die die aufgewendete Kraft ausgleicht, so lange F < FR , H max.
Intuitiv könnte man vermuten, dass die Haftreibungskraft proportional zur Größe der Berührungsfläche ist.
Experimentell zeigt sich jedoch, dass die Haftreibung
• nicht von der Größe der Berührungsfläche abhängt
• proportional zur Normalkraft ist, die eine Oberfläche auf die andere ausübt
• von der Oberflächenbeschaffenheit der beteiligten
Körperflächen abhängt.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
134
Die maximale Haftreibungskraft ergibt sich folglich zu
FR , H max = μ H FN
wobei der Proportionalitätsfaktor μ H als Haftreibungszahl bezeichnet wird und von der Oberflächenbeschaffenheit der Berührungsfläche abhängt.
Allgemein gilt für die Haftreibungskraft
FR , H ≤ μ H FN
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
135
Bei einer Kraft F > FR , H max gerät der Gegenstand in
Bewegung.
Um den Gegenstand mit konstanter Geschwindigkeit
weiterbewegen zu können, muss jetzt eine Kraft aufgebracht werden, die die Gleitreibungskraft kompensiert, d.h. Gleitreibung wirkt ebenfalls der Bewegung
entgegen.
Die Gleitreibung ist definiert als
FR ,G = μ G FN
wobei μ G die Gleitreibungszahl angibt.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
136
Experimentell ergibt sich
•
μ G ist kleiner μ H
•
μ G hängt von der Relativgeschwindigkeit der
Oberflächen ab. Im Geschwindigkeitsbereich von
1cm/s bis zu mehreren Metern pro Sekunde kann
es als näherungsweise konstant angesehen werden.
•
μ G hängt wie μ H von der Beschaffenheit der
Kontaktflächen, nicht aber von der Größe der
makroskopischen Fläche ab.
Hochschule Bremen
FR
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
137
FR , H max = μ H FN
Reibungskraft
FR ,G = μ G FN
FR , H = F
eingesetzte Kraft
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
F
138
Übungsaufgabe 9:
Eine Kiste gleite auf einem horizontalen Fußboden
entlang. Aus einer Anfangsgeschwindigkeit von
2,5 m/s komme die Kiste nach 1,4 m zum Stillstand.
Bestimmen Sie die Gleitreibungszahl.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
139
Eine dritte Variante der Festkörperreibung ist die sogenannte Rollreibung. Während z.B. ein Autoreifen
rollt, müssen sich die Kontaktflächen ständig voneinander lösen. Außerdem verformt sich die Oberfläche.
Wie bei der Gleitreibung, erfasst man alle zur Rollreibung beitragenden Einflüsse pauschal durch eine
Rollreibungszahl μ R , wobei die Rollreibungskraft
vereinfacht durch
FR , R = μ R FN
definiert ist.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
140
Übungsaufgabe 10:
Ein Auto fahre mit 30 m/s eine horizontale Straße
entlang. Die Reibungszahlen zwischen der Straße
und den Reifen seien μH= 0,5 und μG = 0,3.
Wie lang ist der Bremsweg, wenn
a) die Reifen sich gerade noch drehen,
b) die Räder blockieren?
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
141
Scheinkräfte, Trägheitskräfte
Die Newtonschen Gesetze gelten nur in Inertialsystemen, d.h. in ruhenden oder gradlinig gleichförmig
bewegten Bezugssystemen.
Sie gelten nicht in beschleunigten Bezugssystemen.
Sie lassen sich aber trotzdem anwenden, wenn man
Scheinkräfte einführt, die von der Beschleunigung
des Bezugssystems abhängen.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
142
Translationsbeschleunigte Bezugssysteme
Gegenstand auf Luftkissentisch im beschleunigten Eisenbahnwaggon.
y
y' ' S ' '
S
FS
F
m
a
O' '
x' '
O
x
Das 2te Newtonsche Axiom kann im Bezugssystem des Waggons
nur dann angewendet werden, wenn wir die Scheinkraft (Trägheitskraft) FS = − m a einführen.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
143
d‘Albertsches Prinzip
In Bezug auf ein mit einem beschleunigten Körper mitbewegtes Bezugssystem befindet sich dieser in Ruhe.
Die Vektorsumme aller am Körper angreifender Kräfte
Fn (n = 1, 2,…, N )
einschließlich der Scheinkraft
FS = −m a
ist stets gleich Null
N
∑F
n =1
Hochschule Bremen
n
+ FS = Fres + FS = Fres − m a = 0
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
144
Übungsaufgabe 11:
Welche Kräfte wirken auf eine Person die sich in
einem frei fallenden Aufzug befindet?
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
145
Rotierende Bezugssysteme
Eine mit einer rotierenden Scheibe fest verbundenes
Bezugssystem ist kein Inertialsystem, denn jeder Punkt
auf der Scheibe bewegt sich auf einer Kreisbahn und
besitzt demzufolge eine Zentripetalbeschleunigung.
1tes Experiment:
Ein Körper ist über ein Seil mit dem Mittelpunkt einer
rotierenden Scheibe verbunden.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
146
a) Für einen neben der Scheibe stehenden Beobachter
(INS) bewegt sich der Körper auf einer Kreisbahn
mit der Zentripetalbem
schleunigung, die von
a
der Zugkraft (der ZenF
v
tripetalkraft)
zp
zp
Fzp = Fzp
v2
= m a zp = m
r
im Seil aufgebracht
wird.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
147
b) Für einen Beobachter auf der Scheibe befindet sich
der Körper in Ruhe. Damit das 2te NewtonscheAxiom gilt, muss eine
F
Scheinkraft, die Zentrim
fugalkraft
zf
Fzp
Fzf = − Fzp
v2
Fzf = Fzf = Fzp = m
r
eingeführt werden, die
nach außen wirkt und
die Zentripetalkraft
ausgleicht.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
148
Damit das zweite Newtonsche Axiom in rotierenden
Bezugssystemen gilt, muss neben der Zentrifugalkraft
noch eine weitere von der Geschwindigkeit des Körpers abhängende Scheinkraft, die Coriolis-Kraft, eingeführt werden.
2tes Experiment:
Vom Zentrum einer rotierenden Scheibe wird eine
Kugel mit der Geschwindigkeit v horizontal abgeworfen.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
149
a) In einem Inertialsystem bewegt sich die Kugel
geradlinig und verpasst den Fänger, weil sich
dieser mit der Scheibe weggedreht hat.
Fänger
Fänger
Werfer
Werfer
t = t0 + Δt
t = t0
Beobachter
Hochschule Bremen
Beobachter
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
150
b) Im Bezugssystem der rotierenden Scheibe ist der
Fänger in Ruhe und die Kugel wird nach rechts
abgelenkt. Die Scheinkraft, die die Kugel von der
gradlinigen Bahn abbringt, heißt Coriolis-Kraft.
t = t0
t = t0 + Δt
Δs
Fänger
Fänger
Werfer
Werfer
Beobachter
Beobachter
Hochschule Bremen
r
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
151
Die Coriolis-Beschleunigung/Kraft erhält man wie folgt
Verschiebung:
für t0 = 0, s0 = 0 ⇒
radial
r = vt
lateral
s = vω t 2
Δs = s − s0 = s, Δt = t − t0 = t gilt
(r = v Δt )
(Δs = r 2π n Δt = r ω Δt = v ω Δt )
2
wobei n = T1 die Drehzahl, ω = 2Tπ die Winkelgeschwindigkeit und
T die Dauer einer Umdrehung bezeichnet.
Coriolis-Beschleunigung:
Coriolis-Kraft:
Hochschule Bremen
d 2s
ac = ac = 2 = 2 v ω
dt
Fc = Fc = m ac = 2 m v ω
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
152
Beispiel:
a) Einfluss der Zentrifugalbeschleunigung
auf die Erdbeschleunigung.
Hochschule Bremen
b) Wirkung der
Coriolis-Kraft
auf der Erde.
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
153
2.3 Arbeit und Energie
2.3.1 Arbeit
•
In der Physik besitzt Arbeit eine eindeutige
Definition, die von unserem alltäglichen
Sprachgebrauch abweicht.
•
Arbeit wird nur dann von einer Kraft verrichtet,
wenn sich der Angriffspunkt eine gewisse
Strecke bewegt.
•
Voraussetzung dafür ist, dass die Kraft eine
Komponente in Richtung des Weges besitzt.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
154
1dimensionale Bewegung bei konstanter Kraft
Eine konstante Kraft vom Betrag F wirkt auf einen
Körper unter dem Winkel ϑ entlang der Strecke Δx .
F
ϑ
x
Δx
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
155
Wir definieren die Arbeit, die eine Kraft an einem
Körper verrichtet, als das Produkt aus der Kraftkomponente in Bewegungsrichtung und der Verschiebung, d.h.
W = Fx Δx = F cos ϑ Δx
Die Arbeit ist eine skalare Größe
W > 0 , wenn Fx und Δx gleiches Vorzeichen
W < 0 , wenn Fx und Δx unterschiedliches Vorzeichen
Die Dimension der Arbeit ist Kraft mal Länge. Ihre
SI-Einheit ist das Joule [J ], definiert als 1J = 1Nm.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
156
Zusammenhang zwischen der an einem Massenpunkt
verrichteten Arbeit und seiner Anfangs- und Endgeschwindigkeit
Für die Kraft in Bewegungsrichtung Fx besagt das
2te Newtonsche Gesetz
Fx = m a x
Wegen Fx = const ist auch a x = const . Bei konstanter Beschleunigung kann die Verschiebung Δx des
Massenpunktes durch seine Anfangsgeschwindigkeit
va und Endgeschwindigkeit ve ausgedrückt werden.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
157
ve2 = va2 + 2 a x Δx
Die am Massenpunkt verrichtete Arbeit ist
W = Fx Δx = m a x Δx
und nach Einsetzen von
a x Δx =
schließlich
W=
Hochschule Bremen
(
1 2 2
ve − va
2
(
1
m ve2 − va2
2
)
)
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
158
Übungsaufgabe 12:
Eine Kiste der Masse 4 kg werde aus der Ruheposition heraus von einer aufwärts gerichteten Kraft
F = 60 N eine Höhe Δy = 3 m nach oben gezogen.
Bestimmen Sie
a) die von der eingesetzten Kraft verrichtete Arbeit,
b) die von der Gravitation verrichtete Arbeit,
c) Die Endgeschwindigkeit der Kiste.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
159
Arbeit gegen ortsunabhängige Kräfte
Hubarbeit gegen die Gewichtskraft
Kraft:
F =mg
Weg:
Δy = y2 − y1
y
y2
F
Δy
Verrichtete Arbeit:
W = m g Δy
(nur abhängig von der Höhendifferenz Δy )
Hochschule Bremen
y1
FG
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
160
Arbeit auf reibungsfreier schiefer Ebene
Kraft:
F = m g sin ϑ
Weg:
s = Δx 2 + Δy 2
=
y
Δy
sin ϑ
FH
Δy
ϑ
y1
Verrichtete Arbeit:
W = m g sin ϑ s
= m g sin ϑ
y2
F
FG
FN
Δy
= m g Δy
sin ϑ
(nur abhängig von der Höhendifferenz Δy )
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
161
Festkörperreibungsarbeit gegen die Reibungskraft
Kraft:
F = μ FN = μ m g
Weg:
Δx = x2 − x1
FR
F
Verrichtete Arbeit:
W = μ m g Δx
x
FN = FG
(Reibungszahl μ auf Weg konstant)
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
162
Beschleunigungsarbeit ohne Reibung
Kraft:
F = ma
Weg:
Δx =
(
1 2 2
v2 − v1
2a
)
F
Verrichtete Arbeit:
1
W = m(v22 − v12 )
2
x
(nur abhängig von Anfangs- und Endgeschwindigkeit)
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
163
1dimensionale Bewegung bei veränderlicher Kraft
Die von einer konstanten Kraft verrichtete Arbeit entspricht dem Flächeninhalt der durch die x-Achse und
die Kraft-Weg-Kurve begrenzten Fläche.
Fx
W = Fx Δx
x1
x2
Δx
Hochschule Bremen
x
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
164
Oftmals sind die Kräfte jedoch nicht konstant, sondern ortsabhängig, wie z.B. die
•
Federkraft (die Federkraft ist proportional zur
Auslenkung)
•
Gravitationskraft (die Gravitationskraft nimmt mit 1 / r 2
ab, r Abstand zum Erdmittelpunkt)
Die Interpretation der Arbeit als Flächeninhalt der
durch die x-Achse und die Kraft-Weg-Kurve begrenzten Fläche motiviert bei veränderlicher Kraft
die folgende Berechnungsweise der verrichteten
Arbeit.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
1) Intervall [x1 , x2 ] in
viele kleine Intervalle Δxi einteilen.
165
2) Für x ∈ Intervall Δxi
ist Fx (x ) ≈ Fx (xi ) für
i = 1, 2,…
⇒ W ≈ ∑ Fx ( xi )Δxi
i
Fx (xi )
Fx ( xi ) Δxi
xi
x1
Hochschule Bremen
Δxi
x2
x
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
166
Die Summe aller Rechteckflächen nähert sich bei Verfeinerung der Intervallzerlegung
Δxi → 0, i = 1, 2,…
immer mehr dem tatsächlichen Flächeninhalt unter der
Kurve an, d.h.
W = lim
Δxi →0
x2
∑ F (x )Δx = ∫ F ( x) dx
x
i
i
i
x
x1
wobei der Grenzwert als Integral von Fx (x) über x
bezeichnet wird.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
167
Übungsaufgabe 13:
Ein Körper der Masse 4 kg sei auf einem reibungsfreien Tisch mit einer horizontal liegenden Feder verbunden, die von der Gleichgewichtslage bei x2 = 0 cm
auf x1 = -5 cm zusammengedrückt und danach losgelassen wird.
Bestimmen Sie
a) die Arbeit, die die Feder am Körper verrichtet
b) die Geschwindigkeit des Körpers bei x2.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
168
Arbeit gegen ortsabhängige Kräfte
Verformungsarbeit
Kraftgesetz: FF = −c x
x
F
F = −FF
FF
F
W
x1
x2
x
Δx
1
Verrichtete Arbeit: W = c(x22 − x12 )
2
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
169
Hubarbeit gegen die Gravitationskraft
Kraftgesetz:
F
FG = −γ G
mM
r2
F
m
dr
F = −FG
FG
M
W
r1
r2
Δr
Verrichtete Arbeit:
Hochschule Bremen
r
r
⎛1 1⎞
W = γ G m M ⎜⎜ − ⎟⎟
⎝ r1 r2 ⎠
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
170
3dimensionale Bewegung
Ein Massenpunkt bewege sich entlang einer beliebigen Bahn im Raum.
s
s
v
Δs
v
Ft ( s)
s2
s2
ϕ
F ( s)
F ( s)
s1
Hochschule Bremen
s1
Fn ( s)
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
171
•
Die Normalkomponente Fn ⊥ v ändert die Bewegungsrichtung des Massenpunktes, nicht aber
dessen Geschwindigkeit.
•
Die Tangentialkomponente Ft || v bewirkt eine
Geschwindigkeitsänderung ohne Richtungsänderung.
⇒ Nur die Tangentialkomponente verrichtet Arbeit.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
172
Approximation der Bahnkurve durch Aneinanderreihung von Δsi = Δri = ri +1 − ri
y
s
Δsi
s2
ri +1
ri
s1
x
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
173
Die von der Kraft an dem Massenpunkt verrichtete
Arbeit berechnet sich für kleine Δsi = Δsi über die
Tangentialkomponente Ft (si ) = Ft (si ) zu
W ≈ ∑ Ft (si ) Δsi
i
bzw. nach Grenzübergang
W = lim
Δsi →0
s2
∑ F (s ) Δs = ∫ F (s ) ds
t
i
i
i
t
s1
Für die Tangentialkomponente gilt nach dem 2ten
Newtonschen Gesetz
dv
Ft = m at = m
dt
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
174
Betrachtet man nun die Strecke s (Bogenlänge) als
Funktion der Zeit t und die Geschwindigkeit als die
Funktion der Strecke s, d.h.
s = s (t ),
v = v( s ) = v(s (t ) )
dann liefert die Kettenregel der Differentialrechnung
dv
dv dv ds
=
=v
ds
dt ds dt
da ds / dt der Geschwindigkeit v entspricht.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
175
Die verrichtete Arbeit ergibt sich nach Einsetzen zu
s2
s2
s1
s1
W = ∫ Ft ( s ) ds = ∫ m
v ( s2 )
dv
ds
dt
v
2
dv
= ∫ m v ds = ∫ m v dv
ds
v ( s1 )
v1
v
(
2
1
1
2
= mv
= m v22 − v12
2
2
v1
Hochschule Bremen
)
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
176
Skalarprodukt
Das Skalarprodukt zweier beliebiger Vektoren a und
b ist definiert als
( )
a ⋅ b = a b cos ϕ mit ϕ = ∠ a , b
Geometrische Veranschaulichung
a cos ϕ
b
ϕ
ϕ
a
ϕ
a
Hochschule Bremen
b
b
a
|b | cos ϕ
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
177
Komponenten Darstellung (kartesische Basis ex , e y , ez )
a = a x ex + a y e y + a z ez ,
b = bx ex + by e y + bz ez
mit dem Kommutativ- und Distributivgesetz gilt
a ⋅ b = (a x ex + a y e y + a z ez )⋅ (bx ex + by e y + bz ez )
= a x bx (ex ⋅ ex ) + a y bx (e y ⋅ ex ) + a z bx (ez ⋅ ex ) +
a x by (ex ⋅ e y ) + a y by (e y ⋅ e y ) + a z by (ez ⋅ e y ) +
a x bz (ex ⋅ ez ) + a y bz (e y ⋅ ez ) + a z bz (ez ⋅ ez )
= a x bx + a y by + a z bz
wegen
ex ⋅ ex = e y ⋅ e y = ez ⋅ ez = 1, ex ⋅ e y = ex ⋅ ez = e y ⋅ ez = 0
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
178
Allgemeine Definition der Arbeit
Mit Hilfe des Skalarprodukts lässt sich die Arbeit dW,
die eine Kraft während einer kleinen Verschiebung
ds verrichtet, schreiben als
dW = Ft ds = F cos ϕ ds = F ⋅ ds
Die Arbeit, die bei der Bewegung eines Massenpunktes von einem Punkt1 zum Punkt2, d.h. von s1 nach s2 ,
verrichtet wird ist daher
s2
W = ∫ F ⋅ ds
s1
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
179
2.3.2 Energie
Der Begriff der Energie ist eng mit dem Begriff der
Arbeit verbunden. Die Energie eines Körpers oder
Systems beschreibt die Fähigkeit Arbeit zu verrichten.
1) kinetische Energie
(Bewegungsenergie)
2) potentielle Energie
(Lageenergie, Spannungsenergie)
3) Wärmeenergie
(molekulare Bewegung, Temperatur)
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
180
Kinetische Energie
Ein mit einer Anfangsgeschwindigkeit v verschobener
Wagen der Masse m kann eine Schiefe Ebene hinauffahren und damit Hubarbeit verrichten.
Die Fähigkeit, Arbeit zu verrichten, d.h. die Energie
(Arbeitsvorrat), steckt offensichtlich in der Bewegung
des Wagens, die durch Beschleunigungsarbeit hervorgerufen wurde.
Man nennt diese Energieform daher Bewegungsenergie oder kinetische Energie.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
181
1
m v2
2
Die Energie wird wie die sie verändernde Arbeit in
der Maßeinheit 1J angegeben.
Ekin =
Die an einem Massenpunkt verrichtete Beschleunigungsarbeit entspricht der Änderung der kinetischen
Energie des Massenpunktes.
W = ΔEkin = Ekin,e − Ekin,a
=
Hochschule Bremen
(
1
1
1
m ve2 − m va2 = m ve2 − va2
2
2
2
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
)
182
Potentielle Energie
Die potentielle Energie kann als „gespeicherte“ Arbeit
angesehen werden, die gegen eine Kraft, z.B. die
–
Gravitationskraft
–
Federkraft
verrichtet wurde und sich in Form von kinetischer
Energie (Beschleunigungsarbeit) wieder „zurückgewinnen“ lässt.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
Lageenergie
Epot = Epot,0 + m g y
mit Epot,0 = 0 und y = h
gilt Epot = m g h
y
Epot
183
Spannungsenergie
1
Epot = c x 2
2
wobei sich die Feder
bei x = 0 in ihrer Gleichgewichtslage befindet.
h
FG
Epot,0
x
0
x
x=0
FG
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
184
Konservative Kräfte
Definition: Eine Kraft heißt konservativ, wenn die
gesamte Arbeit entlang eines geschlossenen Weges gleich null ist.
eine gleichwertige Alternative Definition lautet
Definition: Die Arbeit, die eine konservative Kraft
an einem Massenpunkt verrichtet, ist
unabhängig vom Weg, auf dem sich der
Massenpunkt von einem Ort zum anderen bewegt.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
185
Beispiel
Gravitationsfeld
Weg A
konservative Kräfte
–
Gravitationskraft
– Federkraft
2
Weg B
1
Weg C
Hochschule Bremen
nichtkonservative Kräfte
–
Reibungskräfte
– Kräfte die man z.B.
beim Ziehen und
Schieben einsetzt.
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
186
2.3.3 Energieerhaltung
Erhaltung der mechanischen Energie
Verrichten nur konservative Kräfte Arbeit an einem
Massenpunkt, dann ist die Arbeit gleich der Abnahme
der potentiellen Energie und damit der Zunahme der
kinetischen Energie des Massenpunktes
d.h.
Hochschule Bremen
Die Summe
W = ∫ F ⋅ ds = −ΔEpot = ΔEkin
ΔEkin + ΔEpot = 0
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
187
E = Ekin + Epot
bezeichnet man als mechanische Gesamtenergie.
Wenn also nur konservative Kräfte wirken, bleibt die
mechanische Gesamtenergie des Massenpunktes wegen
ΔEkin + ΔEpot = 0
konstant, d.h. die Erhaltung der mechanischen Energie
E = Ekin + Epot = const.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
188
Anwendung des Energieerhaltungssatzes
Ein Körper der Masse m bewege sich unter dem
Einfluss einer konservativen Kraft in y-Richtung.
Mit 12 m v 2 für die kinetische Energie und Epot ( y )
für die potentielle Energie lautet der Erhaltungssatz der Mechanik
E = 12 m v 2 + Epot ( y )
Umformen liefert bei bekannter Gesamtenergie die
Geschwindigkeit
2 ( E − Epot ( y ))
v=
m
als Funktion von y.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
189
Beispiel:
y
h
0
x
Epot (0) sei zu 0 festgelegt ⇒ Epot (h) = m g h
sowie Ekin (h) = 0 und Ekin (0) = m g h
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
190
In einer beliebigen Höhe y ist
Epot ( y ) = m g y
Demzufolge kann die Geschwindigkeit v durch den
Energieerhaltungssatz
1
2
m v2 + m g y = E = m g h
gemäß
v = 2 g (h − y )
bestimmt werden.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
191
Übungsaufgabe 14:
Ein Körper der Masse m werde an eine ungedehnte
Feder gehängt und dann fallengelassen.
Bestimmen Sie die maximale Strecke ymax, die der
Körper nach unten fällt, bevor er sich wieder nach
oben bewegt.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
192
Verallgemeinerter Energiesatz der Mechanik
Die mechanische Energie bleibt nicht erhalten, wenn
neben konservativen Kräften auch nichtkonservative
Kräfte Arbeit verrichten.
Auf einen Massenpunkt wirke, z.B. eine nichtkonservative Kraft Fnk und eine konservative Kraft Fk ,
so dass für die resultierende Kraft gilt
F = Fnk + Fk
Die von diesen Kräften verrichtete Arbeit entspricht
der Änderung der kinetischen Energie, d.h.
W = ∫ Fnk ⋅ ds + ∫ Fk ⋅ ds = Wnk + Wk = ΔEkin
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
193
Für die von der konservativen Kraft verrichtete Arbeit
gilt
Wk = ∫ Fk ⋅ ds = − ΔEpot
so dass wir nach Einsetzen, den verallgemeinerten
Energieerhaltungssatz der Mechanik erhalten.
Wnk = ΔEpot + ΔEkin = ΔE
wobei
E = Epot + Ekin ≠ const.
die mechanische Gesamtenergie des Systems angibt.
Die von einer nichtkonservativen Kraft an einem Massenpunkt verrichtete Arbeit entspricht der Änderung
der mechanischen Gesamtenergie des Systems.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
194
Übungsaufgabe 15:
Eine Kiste der Masse m = 40 kg rutsche von einer
Höhe h = 4 m eine schiefe Ebene herunter, die einen
Winkel mit der Horizontalen von ϕ = 30° bildet. Die
Gleitreibungszahl sei μG= 0,2.
Wie schnell bewegt sich die Kiste, wenn sie den Boden, d.h. h = 0 m, erreicht?
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
195
2.3.4 Leistung
Leistung verbindet die Größe Arbeit mit dem Zeitaufwand, der für die Arbeit erforderlich ist.
⇒ Leistung stellt ein Maß für die Effektivität des
Arbeitsvorgangs dar.
⇒ Leistung gibt an, wie schnell Energie von einem
System auf ein anderes übertragen wird.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
196
Ein Massenpunkt besitze die Momentangeschwindigkeit v . Während eines kurzen Zeitintervalls dt verschiebt der Massenpunkt um
ds = v dt
und eine Kraft F verrichtet die Arbeit
dW = F ⋅ ds = F ⋅ v dt
Die pro Zeiteinheit verrichtete Arbeit entspricht der
Leistung
dW
P=
= F ⋅v
dt
Die SI-Einheit der Leistung, Joule pro Sekunde [J/s],
heißt Watt [W].
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
197
Übungsaufgabe 16:
Ein Wagen der Masse m = 1 t fahre mit einer konstanten Geschwindigkeit von 100 km/h einen Berg
mit einer Steigung von 10% hinauf. Auf den Wagen
wirke eine Gesamtreibungskraft von 700 N (Rollund Luftwiderstand).
Welche Leistung muss der Wagen mindestens aufBringen?
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
198
2.4 Massenpunktsysteme/Impulserhaltung
2.4.1 Massenmittelpunkt
Massenmittelpunkt eines 2 Massenpunktsystems
a)
gleiche Masse
m1 = m
0
b)
m2 = m
xS
x1
x2
x
ungleiche Masse
m1 = 2m
0
Hochschule Bremen
m2 = m
xS
x1
x2
x
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
199
Diese anschaulichen Beispiele motivieren die Definition der Koordinate xS des Massenmittelpunkts durch
mges xS = m1 x1 + m2 x2
bzw.
xS =
wobei
m1 x1 + m2 x2
mges
mges = m1 + m2
die Gesamtmasse des Massenpunktsystems bezeichnet.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
200
Definition des Massenmittelpunkts für diskrete Systeme
Verallgemeinerung des 2 Massenpunktsystems einer
Dimension auf ein N Massenpunktsystem in drei Dimensionen liefert für die Koordinaten von
S = ( xS , y S , z S )
die Beziehung
N
mges xS = m1 x1 + m2 x2 + … + mN x N = ∑ mn xn
n =1
N
mges y S = m1 y1 + m2 y2 + … + mN y N = ∑ mn yn
n =1
und
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
201
N
mges z S = m1 z1 + m2 z 2 + … + mN z N = ∑ mn z n
n =1
oder in Vektorschreibweise mit den Ortsvektoren
T
rn = xn ex + yn e y + z n ez = ( xn , yn , z n )
für die n = 1, 2, … , N Massenpunkte den Ausdruck
N
mges rS = m1 r1 + m2 r2 + … + mN rN = ∑ mn rn
wobei
n =1
rS = xS ex + y S e y + z S ez = ( xS , y S , z S )
T
den Ortsvektor des Massenmittelpunkts
S = ( xS , y S , z S )
angibt.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
202
Übungsaufgabe 17:
Die Kugel A, B und C mit den Massen mA = 300 g,
mB = 100 g und mC = 100 g sind durch masselose
Stäbe verbunden und besitzen die kartesischen Koordinaten PA = (2,2), PB = (2,2) und Pc = (2,2).
Wo liegt der Massenmittelpunkt?
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
203
Definition des Massenmittelpunkts für kontinuierliche
Systeme
Durch Integration über
alle dm, d.h. für ein
Kontinuum geht die
Summe in ein Integral
über, ergibt sich der
Massenmittelpunkt zu
mges rS = ∫ r dm
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
204
Übungsaufgabe 18:
Gegeben sei ein homogener (gleichmäßige Massenverteilung) quaderförmiger Stab der Querschnittsfläche A und Länge l.
Bestimmen Sie den Massenmittelpunkt des Stabes.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
205
Potentielle Energie eines Systems
Es sei yn die Höhe des n-ten Massenpunkts über dem
Boden (Bezugshöhe), dann ist die potentielle Energie
des Massenpunktsystems gegeben durch
N
N
N
n =1
n =1
Epot = ∑ FG ,n yn = ∑ mn g yn = g ∑ mn yn
Da
n =1
N
∑m
n =1
gilt auch
Hochschule Bremen
n
yn = mges y S
Epot = mges g y S
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
206
Übungsaufgabe 19:
Zwei durch eine dünne Stange verbundene Massen
m1 und m2 befinden sich im Gleichgewicht, wenn
man die Drehachse in den Massenmittelpunkt legt.
Wo liegt der Massenmittelpunkt, wenn sich der Drehpunkt nicht im Massenmittelpunkt befindet?
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
207
Bewegung des Massenmittelpunkts
Die Bewegung eines Körpers (Massenpunktsystems)
ist allgemein sehr komplex, z.B. die translatorischen
und rotatorischen Bewegungen einer in die Höhe geworfenen Münze.
Zur Beschreibung der translatorischen Bewegung (der
Bahn oder Trajektorie) eines Körpers genügt es die
Bewegung des Massenmittelpunktes zu betrachten.
Aus der Definitionsgleichung für den Massenmittelpunkt
N
mges rS = ∑ mn rn
n =1
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
208
erhält man durch differenzieren nach der Zeit die Geschwindigkeit
N
N
drS
drn
oder mges vS = ∑ mn vn
mges
= ∑ mn
dt n =1
dt
n =1
und nach nochmaligem differenzieren die Beschleunigung
N
mges aS = ∑ mn an
n =1
des Massenmittelpunktes, wobei
Fn = mn an
die am n-ten Massenpunkt angreifende resultierende
Kraft angibt.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
209
Die auf den n-ten Massenpunkt wirkende Kraft setzt
sich aus
• inneren Kräften, durch Wechselwirkung mit anderen Massenpunkten des Systems sowie
• äußeren Kräften, durch äußere Beeinflussung des
Systems
entsprechend
N
a
Fn = Fn + ∑ Fni,l
l =1,l ≠ n
zusammen, wobei Fna die resultierende äußere und Fni,l
die innere vom l-ten auf den n-ten Massenpunkt ausgeübte Kraft bezeichnet.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
210
Einsetzen in die obige Gleichung liefert
N
N
N
mges as = ∑ Fn = ∑ F + ∑
n =1
a
n
n =1
N
i
F
∑ n ,l
n =1 l =1,l ≠ n
Wegen des 3ten Newtonschen Axioms gilt
Fni,l = − Fl i,n
d.h., wenn der l-te Massenpunkt eine Kraft Fni,l auf
den n-ten Massenpunkt ausübte dann übt der n-te
Massenpunkt eine gleichgroße entgegengesetzte Kraft
Fl i,n = − Fni,l auf den l-ten Massenpunkt aus, und demN
N
zufolge ist
∑ ∑ Fni,l = 0
n =1 l =1,l ≠ n
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
211
Das 2te Newtonsche Axiom für ein Massenpunktsystem lautet schließlich
N
F = ∑ Fna = mges aS
a
n =1
der Massenmittelpunkt eines Systems bewegt sich
unter dem Einfluss der resultierenden äußeren Kraft
wie ein Massenpunkt mit der Masse
N
mges = ∑ mn
n =1
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
212
2.4.2 Impulserhaltung
Der Impuls eines Massenpunktes ist definiert als
p = mv
Er kann interpretiert werden als ein Maß für die
Schwierigkeit einen in Bewegung befindlichen
Massenpunkt in den Ruhezustand zu versetzen.
Beispiel:
Für einen LKW und PKW mit mLKW >> mPKW und
vLKW = vPKW folgt FLKW >> FPKW .
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
213
Das 2te Newtonsche Axiom lässt sich auch verallgemeinert als Funktion des Impulses durch
dp d (mv ) dm
dv
=
=
F=
v +m
dt
dt
dt
dt
bzw. bei Zeitunabhängigkeit der Masse durch
dp
dv
=m
F=
dt
dt
darstellen, d.h. die auf einen Massenpunkt wirkende
resultierende äußere Kraft ist gleich der zeitlichen
Änderung des Impulses dieses Massenpunktes.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
214
Gegeben seien nun zwei Massenpunkte die entsprechend dem 3ten Newtonschen Axiom aufeinander
gleichgroße aber entgegengesetzt gerichtete Kräfte
ausüben.
Für die Kraft von Massenpunkt 1 auf 2 bzw. Massenpunkt 2 auf 1 gilt
dp
dp
F2,1 = 1 bzw. F1, 2 = 2
dt
dt
und wegen F2,1 = − F1, 2 über
dp dp
d ( p1 + p2 )
F2,1 + F1, 2 = 1 + 2 =
=0
dt
dt
dt
die Beziehung p1 + p2 = pges = const.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
215
Verallgemeinerung dieses Ergebnisses auf ein System
von N Massenpunkten liefert zusammen mit
N
∑m
n =1
n
vn = mges vS
für den Gesamtimpuls eines Massenpunktsystems
N
N
n =1
n =1
pges = ∑ pn = ∑ mn vn = mges vS
und nach zeitlicher Ableitung
N
N
N
N
dpges
dp n
dv n
=∑
= ∑ mn
= ∑ mn an = ∑ Fna
dt
dt
n =1 dt
n =1
n =1
n =1
dv
= mges S = mges aS = F a
dt
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
216
das Gesetz der Impulserhaltung
N
N
n =1
n =1
pges = mges vS = ∑ mn vn = ∑ pn = const.
wenn die resultierende äußere Kraft null ist.
Wirkt auf ein System keine resultierende Kraft, dann
ist die Geschwindigkeit seines Massenmittelpunktes
konstant und der Gesamtimpuls des Systems bleibt
erhalten, d.h. er ist zeitlich konstant.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
217
Übungsaufgabe 20:
Eine erwachsene Person der Masse mE = m und ein
Kind der Masse mK = m/2 stehen zusammen auf einer Eisfläche mit vernachlässigbarer Reibung. Nach
Abstoßen voneinander bewegt sich die erwachsene
Person mit einer Geschwindigkeit von vE = 0,3 m/s
relativ zur Eisfläche .
Wie weit sind die beiden nach 5 Sekunden voneinander entfernt?
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
218
2.4.3 Stoßvorgänge
Grundbegriffe
1) Gerader Stoß, d.h. die Bahnen beider Schwerpunkte liegen auf einer Geraden.
(1dimensionales Problem)
m1
Hochschule Bremen
v1
m2
v2
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
2) Schiefer Stoß, d.h. die
Bahnen beider Schwerpunkte liegen in einer
Ebene und schließen
einen Winkel ein.
(Stoßnormale)
Hochschule Bremen
v1
m1
v2
m2
(2dimensionales Problem)
3) Zentraler Stoß, d.h. die
Schwerpunkte der Stoßpartner liegen auf der
Normalen zur Berührungsebene durch den
Berührungspunkt.
219
v2
m1
Stoßnormale
m1
m2
v1
Berührungsebene
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
220
4) Exzentrischer Stoß, d.h.
die Schwerpunkte liegen nicht auf der Stoßnormalen. Es tritt Rotation auf.
Stoßnormale
v1
v2
m1
m1
m2
Berührungsebene
5) Elastischer Stoß, d.h. die kinetische Gesamtenergie vor und nach dem Stoß ist gleich.
6) Inelastischer Stoß, d.h. die kinetische Gesamtenergie vor und nach dem Stoß ist verschieden.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
221
Gerader, zentraler, elastischer Stoß
m1
v1, a
vor dem Stoß
m2
v2 , a
m1
v1, e
m2
v2 , e
nach dem Stoß
Aus dem Gesetz der Impulserhaltung
m1 v1,a + m2 v2,a = m1 v1,e + m2 v2,e
und dem Energieerhaltungssatz (elastischer Stoß)
1
1
1
1
m1 v12,a + m2 v22,a = m1 v12,e + m2 v22,e
2
2
2
2
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
222
erhält man durch Umformen
bzw.
oder
m1 (v1,a − v1,e ) = m2 (v2,e − v2,a )
m1 (v12,a − v12,e ) = m2 (v22,e − v22,a )
m1 (v1,a − v1,e )(v1,a + v1,e ) = m2 (v2,e − v2,a )(v2,e + v2,a )
sowie nach Division den Zusammenhang
v1,a + v1,e = v2,e + v2,a
bzw.
v1,a − v2,a = − (v1,e − v2,e )
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
223
D.h. nach dem Stoß entfernen sich die Körper mit
der gleichen Relativgeschwindigkeit mit der sie sich
vor dem Stoß aufeinander zu bewegt haben.
Um bei gegebenen Anfangsgeschwindigkeiten v1,a und
v2,a die Endgeschwindigkeit v1,e und v2,e nach dem Stoß
berechnen zu können, müssen wir nur noch das Gleichungssystem
m1 v1,e + m2 v2,e = m1 v1,a + m2 v2,a
− v1,e + v2,e = v1,a − v2,a
bzw. in Matrixschreibweise
⎛ m1 m2 ⎞ ⎛ v1,e ⎞ ⎛ m1 v1,a + m2 v2,a ⎞
⎟
⎜⎜
⎟⎟ ⎜⎜ ⎟⎟ = ⎜⎜
⎟
⎝ − 1 1 ⎠ ⎝ v2,e ⎠ ⎝ v1,a − v2,a ⎠
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
224
nach v1,e und v2,e auflösen. Man erhält
(m1 − m2 ) v1,a + 2 m2 v2,a
v1,e =
m1 + m2
und
2 m1 v1,a + (m2 − m1 ) v2,a
v2 , e =
m1 + m2
Spezialfälle:
1) m1 = m2 ⇒ v1, e = v2, a & v2, e = v1, a
d.h. Körper tauschen Geschwindigkeit, insbesondere ist vor dem Stoß
Körper 2 in Ruhe so ist nach dem Stoß Körper 1 in Ruhe.
2) v2, a = 0, m1 > m2 ⇒ sgn (v1, e ) = sgn (v2, e )
m1 < m2 ⇒ sgn (v1, e ) = − sgn (v2, e )
für
m1 << m2 ⇒ v2, e ≈ 0 & v1, e ≈ −v1, a vollständige Reflexion
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
225
Übungsaufgabe 21:
Auf einem reibungsfreien Tisch gleitet ein Körper
der Masse 4 kg und Geschwindigkeit 6 m/s einem
Körper der Masse 2 kg und Geschwindigkeit 3 m/s
hinterher.
Bestimmen Sie die Geschwindigkeit beider Körper
nach dem als elastisch angenommen Zusammenstoß.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
226
Gerader, zentraler, inelastischer Stoß
Bei inelastischen Stößen geht kinetische Energie beispielsweise durch Reibungs- und inelastische Verformungsarbeit, d.h. Arbeit die von nichtkonservativen
Kräften verrichtet wird, verloren.
Es muss also der verallgemeinerte Energiesatz der
Mechanik
Wnk = ΔEpot + ΔEkin = ΔE
zur Bestimmung der Geschwindigkeiten nach dem
Stoß herangezogen werden, wobei hier ΔEpot = 0 angenommen werden kann.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
227
Neben
1
1
1
1
m1 v12,a + m2 v22,a = m1 v12,e + m2 v22,e + ΔE
2
2
2
2
und dem Impulserhaltungssatz
m1 v1,a + m2 v2,a = m1 v1,e + m2 v2,e
ist noch eine weitere Bestimmungsgleichung notwendig um bei gegebenem v1,a und v2,a die Geschwindigkeit
v1,e und v2,e sowie den Energieverlust ΔE bestimmen
zu können.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
228
Ohne eine weitere Gleichung lässt sich die Aufgabe
(2 Gleichungen mit 3 Unbekannten) nur noch für
solche Fälle lösen, bei denen sich die Körper nach
dem Stoß mit der gleichen Geschwindigkeit, d.h. mit
ve = v1,e = v2,e
bewegen (2 Gleichungen mit 2 Unbekannten).
Für diesen Spezialfall, des sogenannten unelastischen
Stoßes (vollständig inelastischen Stoßes), lautet der
Impulserhaltungssatz
m1 v1,a + m2 v2,a = (m1 + m2 ) ve
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
229
Hieraus erhalten wir nach Umformen die gesuchte
Geschwindigkeit
m v + m2 v2,a
ve = 1 1,a
m1 + m2
und nach Einsetzen von ve in
1
1
1
m1 v12,a + m2 v22,a = (m1 + m2 ) ve2 + ΔE
2
2
2
den beim vollständigen inelastischen Stoß entstandenen Energieverlust.
m1 m2
(v1,a − v2,a )2
ΔEV ,inel =
2 (m1 + m2 )
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
230
Übungsaufgabe 22:
Ein Geschoss der Masse 0,01 kg bewege sich horizontal mit einer Geschwindigkeit von 400 m/s und
dringe in einen Holzklotz der Masse 0,39 kg ein der
sich auf einem reibungsfreien Tisch befinde.
Bestimmen Sie
a) die Endgeschwindigkeit des Klotzes mit dem
Geschoss,
b) die mechanische Energie des Systems aus
Geschoss und Klotz vor und nach dem Aufprall.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
Schiefer, zentraler,
elastischer Stoß
231
v1, e
v1⊥, eS = v1⊥, aS
|| S
1, e
v
v1⊥, aS
v2⊥, eS = v2⊥, aS
m1
v1, a
m2
v2 , a
|| S
1, a
v2 , e
v
v2||,Se
v2||,Sa
Hochschule Bremen
v2⊥, aS
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
232
•
Elastische Wechselwirkung findet nur in Richtung der Stoßnormalen, die Senkrecht auf den
Berührungsflächen steht und im Fall des zentralen Stoßes mit der Verbindungslinie der Massenmittelpunkte zusammenfällt, statt.
•
Ohne eine nichtkonservative Kraft, d.h. z.B. ohne
Reibung, kann senkrecht zur Stoßnormalen keine
Kraft übertragen werden.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
233
Nach zerlegen von v1,a , v1,e , v2,a und v2,e in
v1,a = v1⊥,aS + v1||,Sa , v1,e = v1⊥,eS + v1||,Se ,
v2,a = v2⊥,aS + v2||,Sa , v2,e = v2⊥,eS + v2||,Se
und bezeichnen der Beträge entsprechend
v1⊥,aS = v1⊥,aS , v1||,Sa = v1||,Sa , v1⊥,eS = v1⊥,eS , v1||,Se = v1||,Se ,
v2⊥,Sa = v2⊥,aS , v2||S,a = v2||,Sa , v2⊥,eS = v2⊥,eS , v2||S,e = v2||,Se
gilt für die senkrechten Komponenten
m1 v1⊥,aS = m1v1⊥,eS ,
m2 v2⊥,Sa = m2 v2⊥,eS
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
234
sowie für die parallelen Komponenten nach dem
a) Impulserhaltungssatz
m1 v1||,Sa + m2 v2||S,a = m1v1||,Se + m2 v2||S,e
b) Energieerhaltungssatz
2
2
2
2
1
1
1
1
m1 (v1||,Sa ) + m2 (v2||S,a ) = m1 (v1||,Se ) + m2 (v2||S,e )
2
2
2
2
Lösen des Gleichungssystems liefert analog zum geraden Stoß für
|| S
|| S
(
)
m
m
v
m
v
−
+
2
2 1, a
2 2,a
Körper 1: v1⊥,eS = v1⊥,aS , v1||,Se = 1
m1 + m2
Körper 2:
Hochschule Bremen
v2⊥,eS = v2⊥,Sa , v2||S,e =
2m1v1||,Sa + (m2 − m1 )v2||S,a
m1 + m2
Technische Physik (Kapitel 2) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
235
Übungen zur
Technischen Physik / Kapitel2
Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
Aufgabe 2-1:
Ein Fahrzeug A startet mit der Anfangsgeschwindigkeit v0, A = 2 m/s und einer Beschleunigung a .
10 Sekunden danach startet vom gleichen Punkt aus ein zweites Fahrzeug B mit der Anfangsgeschwindigkeit v0, B = 12 m/s und der gleichen Beschleunigung.
a)
b)
c)
d)
Wie weit ist bei einer Beschleunigung von a = 0,5 m/s 2 A von B schon entfernt, wenn B startet?
Welche Zeit t1 benötigt B bei der gleichen Beschleunigung um A einzuholen?
Welche Strecke haben die beiden Fahrzeuge bis dahin zurückgelegt?
Wie groß darf die Beschleunigung a der beiden Fahrzeuge maximal sein, damit A von B
überhaupt eingeholt werden kann?
Aufgabe 2-2:
Von einem 50m hohen Turm wird ein Körper in horizontaler Richtung mit der Anfangsgeschwindigkeit v0 = 20 m/s geworfen (g = 9,81 m/s2).
a) Wie lauten die Bewegungsgleichungen in x- und y-Richtung (x(t), vx(t), ax(t ), y(t), vy(t), ay(t))?
b) Nach welcher Zeit trifft der Körper am Boden auf?
c) In welcher Entfernung vom Fußpunkt des Turmes trifft er auf?
d) Mit welcher Geschwindigkeit trifft er auf?
e) Skizzieren Sie ein Weg-Zeit-, Geschwindigkeits-Zeit- und Beschleunigungs-Zeit-Diagramm
sowohl für die x- als auch für die y-Richtung.
Aufgabe 2-3:
Von einer Kaimauer wird ein Rettungsring aus der Höhe y = 6 m über der Wasseroberfläche unter
dem Winkel α = 25° gegen die Horizontale schräg nach oben abgeworfen. Die Wurfweite in
horizontaler Richtung beträgt 15 m (ohne Luftwiderstand, g = 9,81 m / s 2 ).
a) Wie lauten die Bewegungsgleichungen für x(t ), y (t ), v x (t ), v y (t ), a x (t ), a y (t ) ?
b) Welche Anfangsgeschwindigkeit hat der Rettungsring?
c) Mit welcher Geschwindigkeit schlägt der Rettungsring auf der Wasseroberfläche auf?
d) Bis zu welcher maximalen Höhe y max steigt der Rettungsring?
Aufgabe 2-4:
Ein Wasserstrahl, der horizontal aus einer Rohrleitung ausströmt, trifft 2m unterhalb und 4m entfernt
von der Austrittsöffnung gegen eine senkrechte Wand.
a) Wie groß ist die Ausströmgeschwindigkeit aus der Rohröffnung?
b) Mit welcher Geschwindigkeit und unter welchem Winkel trifft der Strahl auf die Wand?
Aufgabe 2-5:
Bei Vernachlässigung der Eigenrotation sei der Betrag der Erdbeschleunigung mit
g = 9,81 m s 2 gegeben. Die Erdbeschleunigung ist wegen der Eigenrotation der Erde aber ortsabhängig (Erdradius rE = 6370 km , Dauer einer Erdumdrehung TE = 23,93 h ). Um welchen Wert ∆g
müsste der Betrag der Erdbeschleunigung g in der Bundesrepublik Deutschland (mittlere geographischen Breite ϕ = 50° ) korrigiert werden?
Übungen zur
Technischen Physik / Kapitel2
Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
Aufgabe 2-6:
Ein Geschoss fliegt über ein Gebiet 45° nördlicher Breite mit der konstanten Relativgeschwindigkeit
v = 500m/s gegenüber der Erde in nördlicher Richtung. Bestimmen Sie die seitliche Abweichung des
Geschosses von der Meridianrichtung infolge des Wirkens der Coriolis-Kraft für eine Flugstrecke von
s = 30km . (Voraussetzung: Schuss nahezu parallel zur Erdoberfläche, Vernachlässigung der
Erdanziehung und der Luftreibung)
Aufgabe 2-7:
Ein Fahrzeug habe die Masse m=850kg und fahre mit konstanter Geschwindigkeit (reibungsfrei)
bergauf. Die Straße gewinnt auf 1km eine Höhe von 80m. Wie groß ist die Geschwindigkeit des
Fahrzeugs, wenn der Motor eine Leistung von 20kW entwickelt?
Aufgabe 2-8:
Eine Bergbahn der Masse m = 1600kg soll innerhalb von T = 1 24 h eine Strecke von s = 210m mit
einer Steigung von 16% bewältigen. Welche Antriebsleistung muss der Motor bei Vernachlässigung
der Reibung aufbringen?
Aufgabe 2-9:
Eine motorbetriebene Lore soll innerhalb von t = 1,5min auf eine Höhe h = 17 m befördert werden.
Welche Masse m darf die Lore maximal haben, wenn der Antriebsmotor die Leistung P = 5,5kW hat
und mit einem Wirkungsgrad η = 0,6 gerechnet wird.
Aufgabe 2-10:
Bestimmen Sie die Koordinaten des Massenmittelpunktes des dargestellten homogenen Körpers,
der sich aus Würfeln der Kantenlänge a = 10cm
zusammensetzt.
Übungen zur
Technischen Physik / Kapitel2
Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
Aufgabe 2-11:
Bestimmen Sie die Koordinaten des Massenmittelpunktes des dargestellten homogenen Körpers,
der sich aus Würfeln der Kantenlänge a = 12cm
zusammensetzt.
z
y
x
Aufgabe 2-12:
Eine Kugel mit der Masse m1 = 250g trifft auf eine an einem Faden hängende ruhende zweite Masse
von m 2 = 2,5kg . Nach einem vollständig inelastischen zentralen Stoß (beide Massen verbinden sich
zu einem Körper) überwindet diese neue Pendelmasse einen Höhenunterschied von 0,5m. Wie groß
war die Geschwindigkeit der Kugel vor dem Stoß?
Aufgabe 2-13:
Ein Block der Masse m B = 12kg ruhe auf einem ebenen Boden. Ein Klumpen Kitt der Masse
m K = 0,5kg werde horizontal gegen den Block geworfen und bleibe an diesem kleben. Beide Körper
bewegen sich dann 12cm weit in horizontaler Richtung. Wie groß ist bei einer Gleitreibungszahl
µ G = 0,5 die Anfangsgeschwindigkeit des Kittklumpens?
Aufgabe 2-14:
Drei elastische Kugeln, mit den Massen m1 = 4m, m2 = 2m und m3 = m sind an parallelen Fäden
nebeneinander so aufgehängt, dass sie sich genau seitlich berühren. Die erste Kugel wird so
ausgelenkt, dass ihr Schwerpunkt um h1 = 5cm angehoben ist. Nach dem Freilassen stößt sie mit der
Geschwindigkeit v1 auf die zweite Kugel und diese wiederum mit der Geschwindigkeit v 2 auf die
dritte. Um welche Höhe h3 wird die dritte Kugel dabei hochgehoben?
3. Schwingungen
3.1 Harmonische Schwingungen
Experiment:
Ruhelage
x
m
x
x=0
Der an der Feder befestigte Gegenstand der Masse m
gleite reibungsfrei auf einer horizontalen Fläche.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
236
Nach Auslenken aus der Ruhelage erfährt der Gegenstand nach dem Hookeschen Gesetz durch die Feder
die Kraft
Fx = −c x
Mit dem 2ten Newtonschen Gesetz kann Fx auch durch
dv
d 2x
Fx = m a x = m = m v = m 2 = m x
dt
dt
ausgedrückt werden. Gleichsetzen liefert die homogene Differentialgleichung
c
c
x = − x bzw. x + x = 0
m
m
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
237
Hieraus entnimmt man die für harmonische Schwingungen charakteristische Eigenschaft, das die Beschleunigung
1) proportional zur Auslenkung und
2) dieser entgegengesetzt gerichtet
ist.
Bedingung für eine harmonische Schwingung
Ist die Beschleunigung eines Gegenstandes proportional zu seiner Auslenkung und dieser entgegengesetzt, dann führt der Gegenstand eine einfache harmonische Schwingung aus.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
238
Der experimentell gewonnene Kurvenverlauf ist sinusförmig.
t
x
A
Hochschule Bremen
T
Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
239
Der Kurvenverlauf lässt sich durch die Funktion
x(t ) = A cos(ω t + ϕ 0 )
mathematisch beschreiben, wobei
ω = 2π f und f = 1 T
mit
T
- Schwingungsdauer, Periode, Periodendauer
(ist die Zeit die der Gegenstand benötigt um eine
vollständige Schwingung durchzuführen)
f
- Frequenz
(ist die Anzahl der Schwingungen pro Sekunde)
ω
ϕ0
ϕ =ωt+ϕ0
Hochschule Bremen
- Kreisfrequenz
- Anfangsphase (Nullphasenwinkel)
- Phase (Phasenwinkel, Momentanphase)
Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
240
Δt1 Δt 2
x(t )
t1
t0
t2
t
T
ϕ0,1 = ω Δt1 , ϕ0,2 = ω Δt2 , Δti = t0 - ti , i=1,2
A cos(ω t + ϕ0,1) ,
Hochschule Bremen
A cos(ω t) ,
A cos(ω t + ϕ0,2)
Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
241
Lösen der homogenen Differentialgleichung
c
x+ x =0
m
Die experimentellen Untersuchungen motivieren den
Lösungsansatz
x(t ) = A cos(ω t + ϕ 0 )
Differenzieren liefert die Geschwindigkeit
v = x = −ω A sin(ω t + ϕ 0 )
Nach nochmaligem Differenzieren erhält man die Beschleunigung
a = v = x = −ω 2 A cos(ω t + ϕ 0 ) = −ω 2 x(t )
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
242
Einsetzen von x und x in die Differentialgleichung
ergibt
c
− ω 2 x(t ) + x(t ) = 0
m
Somit löst der Ansatz
x(t ) = A cos(ω t + ϕ 0 )
die homogene Differentialgleichung, wenn die Konstanten der harmonischen Schwingung, d.h. die
•
•
Masse m und
Federkonstante c
mit der Kreisfrequenz ω über
c
ω2 =
m
verknüpft sind.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
243
x(t )
Zur Analyse des
Zeitverhaltens der
Auslenkung, der
Geschwindigkeit
und der Beschleunigung wählen wir
o.B.d.A. ϕ0=0, d.h.
x(t) = A cos(ωt)
A
− T
1
4
1
4
0
T
1
2
T
3
4
T
t
T
v(t )
ωA
t
a(t )
v(t) = -ω A sin(ωt)
ω2A
a(t) = - ω2A cos(ωt)
t
Hochschule Bremen
244
Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
Die Geschwindigkeit und Auslenkung sind um 90°
die Beschleunigung und Auslenkung um 180° zueinander phasenverschoben.
t=0: Anfangszustand
Auslenkung maximal, d.h. A,
Geschwindigkeit 0,
Beschleunigung maximal negativ, d.h. -ω 2A
t=T/4: Gleichgewichtslage
Auslenkung 0,
Geschwindigkeit maximal negativ, d.h. -ω A,
Beschleunigung 0
usw.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
245
Zwei identische Gegenstände, die an gleichartigen Federn befestigt sind, werden aus unterschiedlichen Anfangsauslenkungen heraus gleichzeitig losgelassen.
Gleichgewichtslage
Gegenstand 1
m
x=0
x
A1 = 5 cm
Gegenstand 2
m
x=0
Hochschule Bremen
x
A2 = 10 cm
Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
246
Trotz unterschiedlicher Auslenkungen erreichen beide Gegenstände zur selben Zeit die Gleichgewichtslage, d.h. die Schwingungsdauer hängt nicht von der
Auslenkung ab.
x cm
Gegenstand 1
Gegenstand 2
10
5
t s
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
247
Die Schwingungsdauer hängt nur von der
• Masse m und
• Federkonstanten c
ab.
Allgemein gilt:
Die Frequenz/Schwingungsdauer einer harmonischen
Schwingung hängt nicht von deren Amplitude ab.
Beispiel:
Der auf einem Klavier angeschlagene Ton (Frequenz)
hängt nicht von seiner Lautstärke (Amplitude) ab.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
248
3.2 Energiebilanz bei harmonische
Schwingungen
Bei harmonischen Schwingungen wandeln sich kinetische und potentielle Energie ineinander um.
Wenn keine Reibung auftritt bleibt die Gesamtenergie
erhalten und sie ist die Summe aus potentieller und
kinetischer Energie
Eges = Epot + Ekin
Für ein Feder-Masse-System errechnet sich die
potentielle Energie zu
1
Epot = c x 2 mit x = A cos(ω t + ϕ 0 )
2
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
249
Für die kinetische Energie gilt
1
Ekin = m v 2 mit v = −ω A sin (ω t + ϕ 0 )
2
Einsetzen von Epot und Ekin in die Beziehung für Eges
liefert
1
Eges = A2 (c cos 2 (ω t + ϕ 0 ) + mω 2 sin 2 (ω t + ϕ 0 ))
2
Nach Ausnutzen von c = mω 2 erhält man wegen
cos 2 (ω t + ϕ 0 ) + sin 2 (ω t + ϕ 0 ) = 1
den Ausdruck
1
1
Eges = c A2 = mω 2 A2 = const.
2
2
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
250
D.h., die Gesamtenergie einer harmonischen Schwingungen ist
• zeitlich konstant
• proportional zum Quadrat der Amplitude
Ausdrücken der potentiellen und kinetischen Energie
als Funktion der Gesamtenergie ergibt
Eges
2
(1 + cos(2ω t + 2ϕ 0 ))
Epot = Eges cos (ω t + ϕ 0 ) =
2
und
Eges
2
(1 − cos(2ω t + 2ϕ 0 ))
Ekin = Eges sin (ω t + ϕ 0 ) =
2
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
251
Epot =
Eges = const.
E
0
T 2
Ekin =
Eges
2
Hochschule Bremen
(1 - cos(2ωt ))
Eges
2
(1 + cos(2ωt ))
t
T
Epot = Ekin =
Eges
2
Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
252
Folgerungen:
1) Die Mittelwerte der potentiellen und kinetischen
Energie sind wegen
Eges = Epot + Ekin
gegeben durch
1
Eges
2
2) Die kinetische und potentielle Energie wandeln
sich mit der doppelten Systemfrequenz, d.h. mit
2ω , periodisch ineinander um.
Epot = Ekin =
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
253
Übungsaufgabe 3-1:
Ein Gegenstand der Masse m = 3 kg schwingt an einer
Feder mit einer Amplitude xmax = 4 cm und einer
Schwingungsdauer von T = 2 s.
a) Wie groß ist die Gesamtenergie?
b) Wie groß ist die maximal Geschwindigkeit des
Gegenstandes?
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
254
3.3 Schwingungssysteme
3.3.1 Masse an senkrecht aufgehängter Feder
FF
y0 =
mg
c
FG = m g
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
0
y0
0
y
y'
255
Wirksame Kräfte sind die
• Federkraft
• Gewichtskraft
Das 2te Newtonsche Gesetz liefert die Bewegungsgleichung
m y = −c y + m g
Im bewegungslosen Zustand befindet sich die Masse
in ihrer Gleichgewichtslage y0 und es gilt
mg
0 = −c y + m g oder y =
c
Koordinatentransformation gemäß
y ' = y − y0
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
256
liefert unter Berücksichtigung von
y' = y
y ' = y und
auf die Bewegungsgleichung angewendet den Ausdruck
m y ' = −c ( y '+ y0 ) + m g
= −c y '−c y0 + m g
Wegen c y0 = m g folgt
m y ' = −c y '
mit der bekannten Lösung
y ' = A cos(ω t + ϕ 0 )
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
257
Folgerungen:
1) Gewichtskraft bewirkt eine Verschiebung der
Ruhelage von y = 0 nach y ' = 0 ( y = y0 )
2) Bei Auslenkungen um die Ruhelage y '= 0 ist die
rücktreibende Federkraft FF = −c y ' wirksam.
3) Die Masse schwingt um die Ruhelage y '= 0 mit
derselben Kreisfrequenz
ω= c m
wie im Fall der horizontalen Schwingung.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
258
Übungsaufgabe 3-2:
Ein Gegenstand der Masse m = 4 kg hängt an einer
Feder mit der Federkonstanten c = 200 N/m.
a) Wo befindet sich die neue Gleichgewichtslage y0?
b) Wie groß ist die Gesamtenergie einschließlich der
potentiellen Energie des Gegenstandes, wenn die
Feder um zusätzliche 12 cm gedehnt wird?
c) Wie groß ist die Schwingungsdauer?
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
259
3.3.2 Mathematisches Pendel
Das mathematische Pendel
besteht aus einer punktförmigen Masse m die an einem masselosen unelastischen Faden der Länge L
aufgehängt ist.
β
l
FZ
m
s
Ein mathematische Pendel
ist somit eine Idealisierung
des rechts abgebildeten Fadenpendels.
Hochschule Bremen
− FG sin β
FG cos β
FG = m g
Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
260
Wirksame Kräfte sind die
• Gewichtskraft
FG = m g
FZ = − FG cos β = − m g cos β
• Zugkraft
• Rückführungskraft FR = − FG sin β = − m g sin β
Es sei s die vom tiefsten Punkt (von der Ruhelage)
aus gemessene Bogenlänge mit
s=lβ
Außerdem ist s die Rückführungsbeschleunigung
(Tangentialkomponente der Beschleunigung) des
Massenpunktes.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
261
Nach dem 2ten Newtonschen Gesetz ergibt sich die
nichtlineare Differentialgleichung
⎛s⎞
⎛s⎞
m s = − m g sin ⎜ ⎟ oder s = − g sin ⎜ ⎟
⎝l⎠
⎝l⎠
Für s viel kleiner als l, d.h. s/l sehr klein, gilt mit
sin (s l ) ≈ s l
approximativ die lineare Differentialgleichung
g
s=− s
l
d.h. für kleine Winkel β = s/l ist die Rückführungsbeschleunigung der Auslenkung s proportional.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
262
Somit beschreibt die Pendelbewegung für kleine Auslenkungen näherungsweise eine harmonische Schwingung.
Mit ω2=g/l sehr klein ist die Lösung der linearen Differentialgleichung
s = −ω 2 s
gegeben durch
s = s0 cos(ω t + ϕ 0 )
wobei s0 die maximale Bogenlänge der Pendelbewegung angibt. Die Schwingungsdauer des mathematischen Pendels lautet
l
2π
T=
= 2π
g
ω
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
263
Folgerungen:
1) Die Schwingungsdauer nimmt mit der Wurzel
der Pendellänge zu.
2) Die Schwingungsdauer hängt nicht von der
Masse ab, da die Rückführungskraft proportional zur Masse ist.
3) Die Schwingungsdauer ist unabhängig von der
Amplitude
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
264
Durch Einsetzen von s=lβ in die nichtlineare Differentialgleichung erhält man mit
lβ = − g sin β oder β = − ( g l )sin β = −ω 2 sin β
eine Beschreibung der Pendelbewegung durch den
Auslenkungswinkel β.
Für kleine Winkel β, d.h. sinβ ≈β, lässt sich die nichtlineare Differentialgleichung durch die lineare Differentialgleichung
β = −ω 2β
approximieren. Die Lösung dieser Gleichung lautet
β = β 0 cos(ω t + ϕ 0 )
wobei β0 = s0/l den maximalen Auslenkungswinkel
bezeichnet.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
265
Bei großen Schwingungsamplitude, d.h. der Übergang
zur linearen Differentialgleichung ist unzulässig, beobachtet man
• immer noch periodische aber
• keine harmonischen Bewegungen und
• eine geringe Abhängigkeit der Periodendauer von
der Amplitude
Für große Amplituden kann man die Periode als Reihenentwicklung angeben
2
⎧⎪ 1
⎫⎪
β
1
3
⎛
⎞
⎛
⎞
2
4 ⎛ β0 ⎞
0
T = T0 ⎨1 + 2 sin ⎜ ⎟ + 2 ⎜ ⎟ sin ⎜ ⎟ + …⎬
⎪⎩ 2
⎪⎭
⎝ 2 ⎠ 2 ⎝ 4⎠
⎝ 2 ⎠
wobei T0 = 2π l g der Schwingungsdauer für kleine
Amplituden entspricht.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
266
Übungsaufgabe 3-3:
Eine einfache Pendeluhr ist so kalibriert, dass sie für
β0 = 10° die Zeit exakt wiedergibt. Um wie viel geht
die Uhr vor, wenn sich die Winkelamplitude stark
verringert?
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
267
3.3.3 Flüssigkeitspendel
Das Flüssigkeitspendel besteht aus einem U-Rohr mit
konstantem Querschnitt A,
in das eine Flüssigkeit der
Dichte ρ eingefüllt wurde.
y
mFl
y
Im Gleichgewichtszustand
stellt sich eine U-förmige
Flüssigkeitssäule der Länge
l ein.
Hochschule Bremen
l
Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
268
Wird die Flüssigkeitssäule aus der Gleichgewichtslage gebracht, so bewirkt die überstehende Flüssigkeitsmasse mFl und eine rücktreibende Gewichtskraft
FR = − mFl g
Nach dem 2ten Newtonschen Gesetz gilt
− mFl g = mges y
Die überstehende Flüssigkeitsmasse ergibt sich aus
mFl = VFl ρ = 2 y A ρ
Einsetzen liefert die lineare Differentialgleichung des
Flüssigkeitspendels
2 Aρ g
mges y = −2 A ρ g y oder y = −
y = −ω 2 y
mges
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
269
mit der Lösung
und
ω=
y = y0 cos(ω t + ϕ 0 )
2 Aρ g
mges
bzw. T =
2π
ω
= 2π
mges
2 Aρ g
ω
angibt.
wobei y0 die maximale Höhenauslenkung
Drückt man die gesamte Masse durch
mges = A l ρ
aus, dann vereinfacht sich die lineare Differentialgleichung zu
2g
y= −
y = −ω 2 y
l
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
mit der Lösung
und
ω=
270
y = y0 cos(ω t + ϕ 0 )
2g
l
bzw.
T=
2π
ω
= 2π
l
2g
Folgerungen:
1) Die Schwingungsdauer hängt nicht von der Dichte
der Flüssigkeit und nicht vom Querschnitt des URohres ab.
2) Die Schwingungsdauer eines Flüssigkeitspendels
entspricht der eines mathematischen Pendels, wenn
die Fadenlänge gleich der halben Länge der Flüssigkeitssäule ist.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
271
3.4 Gedämpfte Schwingungen
Bei physikalischen Schwingungen tritt immer in
irgendeiner Form Reibung auf, die der Schwingung
Energie entzieht, d.h. ein sich selbst überlassenes
schwingendes System kommt nach einiger Zeit zur
Ruhe.
Auslenkung eines gedämpften
Schwingungssystems
Die Bewegung verläuft
• in Form einer harmonischen Schwingung
• mit exponentiell abnehmender Amplitude
Hochschule Bremen
t
Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
272
Beispiel eines gedämpften Schwingungssystems
Reale Schwingungssysteme
können durch ein ideales
Feder-Masse-System plus
zusätzlicher Dämpfung,
die z. B. durch Reibung
eines in eine Flüssigkeit
eintauchenden Kolbens
entsteht, nachgebildet
werden.
Hochschule Bremen
m
Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
273
Die Reibungskraft ist hierbei in guter Näherung entgegengesetzt proportional zur Geschwindigkeit, d.h.
FR = −b v
(Reibungsgesetz für viskose Reibung)
Die Konstante b beschreibt das Maß der Dämpfung,
sie heißt Dämpfungskoeffizient. Die zugehörige lineare Differentialgleichung ergibt sich mit dem 2ten
Newtonschen Gesetz
F = m a = −b v − c y = FR + FF
zu
b
c
y =− y− y
m
m
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
274
Mit der Kreisfrequenz der ungedämpften Schwingung
ω0 = c m ,
s −1
[ ]
sowie nach Definition des Abklingkoeffizienten
δ = b (2m ),
s −1
[ ]
lautet die lineare Differentialgleichung
y = −2 δ y − ω 02 y
Das Verhältnis
(dimensionslos)
D = δ ω0 ,
bezeichnet man als Dämpfungsgrad der gedämpften
Schwingung.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
275
Ferner wird
b
b
=
mω 0
mc
Verlustfaktor und dessen Kehrwert
mc
mω 0
1
1
Q= =
=
=
d 2D
b
b
Güte genannt.
d = 2D =
Mit dem charakteristischen Parameter D lautet die
lineare Differentialgleichung
y + 2 Dω 0 y + ω 02 y = 0
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
276
Lösung der Differentialgleichung
Man unterscheidet drei Fälle
a) Schwingungsfall, D < 1 bzw. ω0 > δ
Die Lösung lautet y (t ) = A e −δ t cos(ω d t + ϕ 0 )
wobei
ωd =
c
b2
−
m 4m 2
= ω 02 − δ 2
= ω0 1 − D 2
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
277
Folgerungen
1) Die Kreisfrequenz der gedämpften Schwingung
ωd ist kleiner als die Kreisfrequenz der ungedämpften Schwingung ω0.
2) Die Amplitude nimmt entsprechend der
Exponentialfunktion e-δ t ab.
Für den zeitlichen Verlauf der Schwingungsenergie
(mechanische Gesamtenergie) gilt deshalb
Esch = Esch,0 e −2δ t
wobei Esch,0 die Schwingungsenergie (mecheanische
Gesamtenergie) zum Zeitpunkt t=0 angibt.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
278
Für zwei aufeinanderfolgende Schwingungsmaxima gilt
yi +1 = yi e −δ Td
mit
T0
2π
2π
2π
1
Td =
=
=
=
ωd
ω 02 − δ 2 ω 0 1 − D 2
1− D2
Umformen zu
yi
= eδ Td = k
yi +1
zeigt, dass das Verhältnis zweier aufeinanderfolgender
Schwingungsmaxima konstant ist.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
279
Für das Amplitudenverhältnis zweier Schwingungsmaxima die einen zeitlichen Abstand von n-Perioden
besitzen gilt
yi
= eδ nTd = k n
yi + n
Zur Bestimmung des Abklingkoeffizienten δ bildet
man das logarithmische Dekrement, d.h.
⎛ yi ⎞
⎟⎟ = ln k = δ Td
Λ = ln⎜⎜
⎝ yi +1 ⎠
Hieraus ergibt sich der Abklingkoeffizient durch Umstellen zu
ln ( yi yi +1 ) Λ
δ=
=
Td
Td
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
280
b) Kriechfall, D > 1 bzw. ω0 < δ
Als Lösung findet man
y (t ) = A1 e
bzw.
y (t ) = A1 e
⎛⎜ −δ + δ 2 −ω 2 ⎞⎟ t
0
⎝
⎠
+ A2 e
ω 0 ⎛⎜ − D + D 2 −1 ⎞⎟ t
⎝
⎠
⎛⎜ −δ − δ 2 −ω 2 ⎞⎟ t
0
⎝
⎠
+ A2 e
ω 0 ⎛⎜ − D − D 2 −1 ⎞⎟ t
⎝
⎠
mit ωd imaginär.
Die Konstanten A1 und A2 werden durch die Angabe der Anfangsbedingungen, d.h. durch y(0)
und y (0) festgelegt.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
281
Folgerungen
1) Es tritt keine Schwingung mehr auf.
2) Die Amplitude nimmt sehr langsam ab.
y
A1+A2
T0
Hochschule Bremen
2T0
3T0
4T0
t
Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
282
c) Aperiodischer Grenzfall, D = 1 bzw. ω0 = δ
Für diesen Fall lautet die Lösung
y (t ) = ( A1 + A2t ) e −δ t
bzw.
y (t ) = ( A1 + A2t ) e −ω 0 D t
mit ωd=0.
Die Konstanten A1 und A2 werden wieder mit
Hilfe der Anfangsbedingungen ermittelt.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
283
Folgerungen
1)
Beim aperiodischen Grenzfall tritt gerade keine Schwingung mehr auf.
2)
Der aperiodische Grenzfall spielt eine wichtige Rolle,
wenn unter Vermeidung von Schwingungen ein möglichst schnelles Einstellverhalten erzielt werden soll.
y
A1
T0
Hochschule Bremen
t
Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
284
3.5 Erzwungene Schwingungen
•
In gedämpften Schwingungssystemen wird Energie abgegeben und die Schwingung klingt ab.
•
Damit gedämpfte Schwingungssysteme weiter
schwingen muss Energie hinzugefügt werden.
•
Wird ein Schwingungssystem von außen durch
eine periodische Kraft zu einer Schwingung angeregt (gezwungen), dann bezeichnet man dies
als erzwungene Schwingung.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
285
Mit dem Newtonschen
Bewegungsgesetz gilt
FF + FR + FE = m a
Die erregende periodischen Kraft sei gegeben durch
F = Fˆ cos(ω t )
E
E
E
FE
FF = −c y
F = ma
m
FR = −bv
wobei F̂E den Maximalwert der erregenden
Kraft angibt.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
286
Einsetzen von
FF = −c y, FR = −b v und FE = FˆE cos(ω E t )
in die Bewegungsgleichung liefert mit a=y und v=y
m y = −b y − c y + FˆE cos(ω E t )
bzw.
b
c
FˆE
y =− y− y+
cos(ω E t )
m
m
m
Nach Berücksichtigung von
D = δ ω 0 und ω 0 = c m mit δ = b (2m )
ergibt sich die lineare Differentialgleichung der erzwungenen Schwingung zu
FˆE
2
y + 2 D ω0 y + ω0 y =
cos(ω E t )
m
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
287
Lineare Differentialgleichung mit konstanten
Koeffizienten
homogene Differentialgleichung, z.B.
y + 2 D ω 0 y + ω 02 y = 0
inhomogene Differentialgleichung, z.B.
FˆE
2
y + 2 D ω0 y + ω0 y =
cos(ω E t )
m
d.h. freie Schwingungen (ungedämpft oder gedämpft)
gehorchen einer homogenen, erzwungene Schwingungen einer inhomogenen linearen Differentialgleichung
mit konstanten Koeffizienten.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
288
Die allgemeine Lösung einer linearen inhomogenen
Differentialgleichung ist
yinh = yhom + ypar
wobei
yhom die allgemeine Lösung der linearen
homogenen Differentialgleichung
und
ypar irgendeine die lineare inhomogenen
Differentialgleichung befriedigende
partikuläre Lösung
bezeichnet.
Die Lösung der linearen homogenen Differentialgleichung mit konstanten Koeffizienten wurde im vorangegangenen Kapitel angegeben, sie lautet
yhom = Ah e −δ t cos(ω d t + ϕ 0 )
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
289
Da das Schwingungssystem der Erregerschwingung
nach einer Einschwingzeit folgt, wählt man für die
partikuläre Lösung den Ansatz
ypar = Ap cos(ω E t − ϑ ) ,
wobei ϑ die Phasenverschiebung zwischen der erregenden und der erzwungenen Schwingung angibt. Aus
Re{y + 2 D ω 0 y + ω 02 y} = Re FˆE m e jω E t
folgt
y + 2 D ω 0 y + ω 02 y = FˆE m e jω E t
{(
(
)
}
)
mit dem partikulären Lösungsansatz
ypar = Ap e j (ω E t −ϑ )
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
290
Ableiten y = j ω E Ap e j (ω E t −ϑ )
y = j 2 ω E2 Ap e j (ω E t −ϑ ) = −ω E2 Ap e j (ω E t −ϑ )
und Einsetzen in die lineare inhomogene Differentialgleichung mit konstanten Koeffizienten liefert
FˆE jω E t
j (ω E t −ϑ )
2
2
(− ω E + j 2 Dω 0ω E + ω 0 ) = m e
Ap e
m Ap
2
2
(ω 0 − ω E + j (2 Dω 0ω E )) ˆ = e jϑ
FE
Durch Vergleich von Betrag und Phase erhält man
2 Dω ω
tan ϑ = 2 0 2E
ω0 − ω E
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
291
und
Ap =
FˆE
(
m ω 02 − ω E2
) + (2 D ω
2
2
)
ω
E
0
Die Lösung der linearen inhomogenen Differentialgleichung mit konstanten Koeffizienten lautet schließlich
yinh = Ah e −δ t cos(ω d t + ϕ 0 ) + Ap cos(ω E t − ϑ )
mit
2 Dη
tan ϑ =
1−η 2
und
Ap =
(
FˆE
)
c 1 − η 2 + (2 D η )
2
2
wobei η = ωE /ω0 und m = c / ω 02 ausgenutzt wurde.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
292
Einschwingvorgang und stationärer Zustand bei einer
erzwungenen Schwingung
yhom = Ah e −δ t cos(ω d t )
ypar = Ap cos(ω E t − ϑ )
ϑ
ωE
yinh = yhom + ypar
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
293
Frequenzgang der Amplitude (Amplitudengang)
A p (ω ) =
(ω
FˆE m
2
0
−ω
) + (2 D ω ω )
2 2
2
0
Frequenzgang der Phase (Phasengang)
tan ϑ (ω ) =
Hochschule Bremen
2 Dω0 ω
ω 02 − ω 2
Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
294
Amplitudengang
Ap ,res
FˆE c
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
295
Phasengang
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
Resonanzfrequenz
ω res = ω 0 1 − 2 D 2
(< ω
d
= ω0 1 − D 2
296
)
bezeichnet die Frequenz bei der der Amplitudengang
sein Maximum annimmt, d.h.
FˆE m
A p ,res = A p (ω res ) =
(ω 02 − ω res2 )2 + (2 D ω 0 ω res )2
=
Hochschule Bremen
FˆE
c 2 D 1− D
2
≥ A p (ω ) ∀ω
Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
297
3.6 Überlagerung von Schwingungen
Superpositionsprinzip
Die Auslenkung sich überlagernder Schwingungen
können addiert werden, wenn die Auslenkungen den
elastischen (linearen) Bereich des Schwingungssystems nicht übersteigen. Bei der Überlagerung von
Schwingungen unterscheidet man zwischen
• parallelen und
• senkrecht aufeinander stehenden
Schwingungsrichtungen.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
298
Die überlagerten Schwingungen können sich in ihrer
• Phase,
• Amplitude,
• Frequenz
unterscheiden.
Frequenzart
gleiche
Frequenz
Bewegungsrichtung
parallel
Schwingungen gleicher Frequenz unterschiedlicher Amplitude und/oder Phase
unterschiedliche Schwebung
Fourier-Synthese
Frequenz
Hochschule Bremen
senkrecht
verschiedene Ellipsen
je nach Amplitude und
Phasenlage
Lissajous-Figuren
ganzzahlige Frequenzverhältnisse
Lissajous-Figuren
Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
299
3.6.1 Überlagerung harmonischer Schwingungen gleicher Raumrichtung und gleicher
Frequenz
Es seien y1 (t ) = A1 cos(ω t + ϑ1 ) = Re{A1 e j (ω t +ϑ1 ) }
{
y2 (t ) = A2 cos(ω t + ϑ2 ) = Re A2 e j (ω t +ϑ2 )
}
zwei sich überlagernde harmonische Schwingungen.
Die resultierende harmonische Schwingung ist dann
y (t ) = y1 (t ) + y2 (t ) = A1 cos(ω t + ϑ1 ) + A2 cos(ω t + ϑ2 )
{
= Re{A e (
}
{
= Re A1 e j (ω t +ϑ1 ) + Re A2 e j (ω t +ϑ2 )
j ω t +ϑ1 )
1
Hochschule Bremen
+ A2 e j (ω t +ϑ2 )
}
Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
{(
= Re{Ae (
) }
{
y (t ) = Re A1e jϑ1 + A2 e jϑ2 e jω t = Re Ae jϑ e jω t
j ω t +ϑ )
}= A cos(ω t + ϑ )
}
300
}
wobei sich A und ϑ aus
Ae jϑ = A1e jϑ1 + A2 e jϑ2
= A1 cos ϑ1 + A2 cos ϑ2 + j ( A1 sin ϑ1 + A2 sin ϑ2 )
zu
A=
=
=
( A1 cos ϑ1 + A2 cos ϑ2 )2 + ( A1 sin ϑ1 + A2 sin ϑ2 )2
A12 + A22 + 2 A1 A2 (cos ϑ1 cos ϑ2 + sin ϑ1 sin ϑ2 )
A12 + A22 + 2 A1 A2 cos(ϑ1 − ϑ2 )
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
301
und
tan ϑ =
ergibt.
A1 sin ϑ1 + A2 sin ϑ2
A1 cos ϑ1 + A2 cos ϑ2
Spezialfälle:
a) ϑ1 = ϑ2 ⇒ ϑ = ϑ1 = ϑ2 und A = A1 + A2,
d.h. maximale Verstärkung
b) A1 = A2 und ϑ2 = ϑ1 + (2n-1) π mit n ∈ ⇒ A = 0, d.h. Auslöschung
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
Amplitude
2
maximale Verstärkung (ϑ1= ϑ2=0)
0
-2
0
0.1
0.2
Amplitude
1
0.3
0.4
0.5
0.6
0.7
0.8
0.9
1
0.8
0.9
1
0.8
0.9
1
Auslöschung (ϑ1=0°, ϑ2=180°)
0
-1
0
0.1
0.2
2
Amplitude
302
0.3
0.4
0.5
0.6
0.7
beliebige Überlagerung (ϑ1=0°, ϑ2=60°)
0
-2
0
0.1
Hochschule Bremen
0.2
0.3
0.4
0.5
Zeit
0.6
0.7
Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
303
Übungsaufgabe 3-4:
Zwei harmonische Schwingungen gleicher Frequenz
haben die Amplituden A1 = 5 cm und A2 = 3 cm und
einen Phasenunterschied von ϑ1 − ϑ2 = 60°. Welche
Amplitude A und welcher Nullphasenwinkel ϑ hat
die durch Überlagerung resultierende harmonische
Schwingung?
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
304
3.6.2 Überlagerung harmonischer Schwingungen gleicher Raumrichtung und unterschiedlicher Frequenzen
Geringe Frequenzunterschiede
• Bei der Überlagerung zweier harmonischer
Schwingungen mit nur geringfügigem Frequenzunterschied treten Schwebungen auf.
• Die Amplitude der resultierenden Schwingung
schwillt langsam an und wieder ab.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
305
Reine Schwebung:
Voraussetzung A1 = A2 = A o.B.d.A. sei ϑ1 = ϑ2 = 0
Die Überlagerung der Schwingungen
y1 (t ) = A cos(ω1 t ) und y2 (t ) = A cos(ω 2 t )
liefert mit Hilfe des Additionstheorems
⎛α + β ⎞ ⎛α − β ⎞
cos α + cos β = 2 cos⎜
⎟
⎟ cos⎜
2
2
⎠
⎠ ⎝
⎝
die resultierende Schwingung
y (t ) = y1 (t ) + y2 (t ) = A [cos(ω1 t ) + cos(ω 2 t )]
⎛ ω − ω 2 ⎞ ⎛ ω1 + ω 2 ⎞
t ⎟ cos⎜
t⎟
= 2 A cos⎜ 1
⎝ 2
⎠ ⎝ 2
⎠
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
306
Überlagerung bei kleinen Frequenzunterschieden (Schwebung)
Amplitude
1
0
-1
0
0.5
1
1.5
2
2.5
3
3.5
4
4.5
5
0
0.5
1
1.5
2
2.5
3
3.5
4
4.5
5
0
0.5
1
1.5
2
2.5
Zeit
3
3.5
4
4.5
5
Amplitude
1
0
-1
Amplitude
2
0
-2
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
307
Die resultierende Schwingung ist eine harmonische
Schwingung mit der Kreisfrequenz
ω + ω2
ω= 1
2
und einer sich mit der Schwebungsfrequenz
⎞
⎛ ω1 − ω 2
f s = f1 − f 2
= π ( f1 − f 2 )⎟
⎜
⎠
⎝ 2
ändernden Amplitude, d.h.
y (t ) = 2 A cos(π f s t ) cos(ω t )
Die Periodendauer der Schwebung ergibt sich zu
1
1
1
TT
Ts =
=
=
= 1 2
fs
f1 − f 2 1 T1 − 1 T2
T2 − T1
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
308
Die Frequenz der resultierenden Schwingung lautet
ω ω1 + ω 2 2π f1 + 2π f 2 f1 + f 2
=
=
=
f =
2π
4π
4π
2
und die Schwingungsdauer errechnet sich zu
2
2
2T T
T=
=
= 1 2
f1 + f 2 1 T1 + 1 T2 T2 + T1
Die Amplitude der resultierenden Schwingung ist
doppelt so groß wie die der Ausgangsschwingung.
Unreine Schwebung: A1 ≠ A2
Bei unreinen Schwebungen wird die Amplitude nie
null, sondern lediglich periodisch minimal.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
309
Überlagerung bei kleinen Frequenzunterschieden (Schwebung)
Amplitude
1
0
-1
0
0.5
1
1.5
2
2.5
3
3.5
4
4.5
5
0
0.5
1
1.5
2
2.5
3
3.5
4
4.5
5
0
0.5
1
1.5
2
2.5
Zeit
3
3.5
4
4.5
5
Amplitude
1
0
-1
Amplitude
2
0
-2
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
310
Große Frequenzunterschiede
• Es tritt keine Schwebung und keine harmonische
Schwingung mehr auf.
• Die Schwingung mit der größeren Frequenz
schwingt um die periodische Achse, die durch
die Schwingung mit der geringen Frequenz
gegeben ist.
• Die Amplitude der resultierenden Schwingung ist
gleich der Summe der Amplituden der Einzelschwingungen.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
311
Überlagerung bei großen Frequenzunterschieden
Amplitude
1
0
-1
0
0.5
1
1.5
2
2.5
3
3.5
4
4.5
5
0
0.5
1
1.5
2
2.5
3
3.5
4
4.5
5
0
0.5
1
1.5
2
2.5
Zeit
3
3.5
4
4.5
5
Amplitude
1
0
-1
Amplitude
2
0
-2
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
312
Übungsaufgabe 3-5:
Die Überlagerung zweier Stimmgabelschwingungen
liefert eine resultierende Schwingung der Frequenz
f = 441 Hz und Schwebungsfrequenz fs = 2 Hz.
Welche Frequenzen haben die Stimmgabeln?
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
313
3.6.3 Überlagerung harmonischer Schwingungen gleicher Raumrichtung mit ganzzahligen Frequenzverhältnissen
Bei der Überlagerung von Schwingungen deren Frequenzen ein ganzzahliges Verhältnis besitzen entsteht
wieder ein periodisches Schwingungsmuster.
Beispiel: Überlagerung der Schwingungen
y1 (t ) = A1 cos(ω t ) und y2 (t ) = A2 cos(3ω t )
liefert
y (t ) = y1 (t ) + y2 (t ) = A1cos(ω t ) + A2 cos(3ω t ) = A f (t )
mit f (t)=f (t-T) wobei T=1/f=2π/ω und A=A1+A2.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
314
Überlagerung mit ganzzahligem Frequenzverhältnis
2
Amplitude
1
0
-1
-2
0
0.5
1
1.5
2
2.5
3
3.5
4
4.5
5
0
0.5
1
1.5
2
2.5
Zeit
3
3.5
4
4.5
5
2
Amplitude
1
0
-1
-2
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
315
2
Amplitude
1
0
-1
-2
0
0.5
1
1.5
2
2.5
Zeit
3
3.5
4
4.5
5
0
0.5
1
1.5
2
2.5
Frequenz
3
3.5
4
4.5
5
Amplitude
1.5
1
0.5
0
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
316
Amplitudenspektrum
Die Funktion, die die Abhängigkeit der Amplitude
als Funktion der (Kreis-) Frequenz angibt, d.h. zeigt
welche Frequenzen mit welchen Amplituden zur
resultierenden Schwingung beitragen, bezeichnet
man als Amplitudenspektrum.
Fourier-Synthese
Durch Überlagerung von Schwingungen mit ganzzahligen Frequenzverhältnissen und geeignet gewählten Amplituden kann prinzipiell jede gewünschte periodische Funktion erzeugt (synthetisiert)
werden.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
317
Amplitude
Amplitude
Amplitude
Überlagerung mit ganzzahligem Frequenzverhältnis
1
0
-1
0
0.5
1
1.5
2
2.5
3
3.5
4
4.5
5
0
0.5
1
1.5
2
2.5
3
3.5
4
4.5
5
0
0.5
1
1.5
2
2.5
Zeit
3
3.5
4
4.5
5
1
0
-1
1
0
-1
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
318
Amplitude
1
0.5
0
-0.5
-1
Amplitude
0
0.5
1
1.5
2
2.5
Zeit
3
3.5
4
4.5
5
1
0.5
0
0
Hochschule Bremen
1
2
3
4
Frequenz
5
6
Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
7
319
Fourier-Analyse
Die Zerlegung eines periodischen Schwingungsmusters in seine Elementarschwingungen, d.h. in
Schwingungen mit Frequenzen die ganzzahlige
Vielfache einer Grundfrequenz sind, wird FourierReihenanalyse genannt.
Fourier konnte zeigen, dass sich jedes periodische
Schwingungsmuster in eine Fourier-Reihe, d.h. in
eine Reihe von elementaren Cosinus und Sinusschwingungen, gemäß
a0 ∞
y (t ) = + ∑ ak cos( kω t ) + bk sin( kω t )
2 k =1
zerlegen lässt.
Hochschule Bremen
k =1:
k =2:
k =3:
•
•
•
k =n:
Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
320
Grundschwingung
1te Oberschwingung
2te Oberschwingung
(1te Harmonische)
(n-1)-te Oberschwingung
(n-te Harmonische)
(2te Harmonische)
(3te Harmonische)
ak und bk bezeichnet man als Fourier-Koeffizienten.
Sie geben an mit welcher Amplitude die korrespondierenden Elementarschwingungen in der Gesamtschwingung enthalten sind.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
321
Sie berechnen sich zu
T
2
ak = ∫ y (t ) cos(kω t ) dt
k = 0,1, …
T0
und
T
2
bk = ∫ y (t ) sin(kω t ) dt
k = 1, 2, …
T0
Anmerkung:
Auch nichtperiodsiche Funktionen können spektral,
d.h. in ihre harmonischen Anteile, zerlegt werden.
Die Fourier-Reihe geht dabei in das Fourier-Integral
∞
y (t ) = ∫ ( A(ω ) cos(ω t ) + B (ω ) cos(ω t ) ) dω
0
über.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
322
Übungsaufgabe 3-6:
Bestimmen Sie die Fourier-Reihe der periodischen
Funktion
∞
y (t ) = ∑ f (t − nT )
mit
n = −∞
⎧− 1 für − T / 2 < t < 0
⎪
f (t ) = ⎨0 sonst
⎪1 für 0 < t < T / 2
⎩
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
323
Überlagerung mit ganzzahligem Frequenzverhältnis
Amplitude
1
0.5
0
-0.5
-1
Amplitude
0
0.5
1
1.5
2
2.5
Zeit
3
3.5
4
4.5
5
1
0.5
0
0
Hochschule Bremen
2
4
6
8
Frequenz
10
12
14
16
Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
324
3.6.4 Überlagerung harmonischer Schwingungen mit ganzzahligem Frequenzverhältnis, die senkrecht zueinander schwingen
Gegeben seien zwei senkrecht zueinander verlaufende gleichfrequente Schwingungen
x(t ) = Ax sin(ω t ) und y (t ) = Ay sin( ω t + ϑ )
Mit dem Additionstheorem
sin(α + β ) = sin α cos β + cos α sin β
lässt sich y(t) umformen zu
y (t ) = Ay cos ϑ sin( ω t ) + Ay sin ϑ cos( ω t )
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
325
Einsetzen von sin(ω t ) = x(t ) Ax und
⎛ x(t ) ⎞
⎟⎟
cos(ω t ) = 1 − sin 2 (ω t ) = 1 − ⎜⎜
⎝ Ax ⎠
in y(t) liefert
2
⎛ x(t ) ⎞
⎟⎟
y (t ) =
cos ϑ x(t ) + Ay sin ϑ 1 − ⎜⎜
Ax
⎝ Ax ⎠
Ay
2
bzw.
⎛ x(t ) ⎞
y (t ) x(t )
⎟⎟
−
cos ϑ = sin ϑ 1 − ⎜⎜
Ay
Ax
⎝ Ax ⎠
Hochschule Bremen
2
Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
326
sowie nach quadrieren die allgemeine Ellipsengleichung
y 2 (t ) x 2 (t ) 2 y (t ) x(t )
2
+
−
cos
ϑ
=
sin
ϑ
2
2
Ay
Ax
Ax Ay
Die Phasenverschiebung ϑ erhält man aus
sin ϑ =
=
Hochschule Bremen
y (t )
Ay
x (t ) =0
x(t )
Ax
y (t ) =0
Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
327
Übungsaufgabe 3-7:
Gegeben seien zwei senkrecht zueinander verlaufende gleichfrequente Schwingungen
x(t ) = Ax sin(ω t ) und y (t ) = Ay sin( ω t + ϑ )
Berechnen und skizzieren Sie die Lissajous-Figuren
für die Spezialfälle ϑ = 0, ϑ = π/2 und ϑ = π .
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
ϑ=45°
y-Ampl.
ϑ=0°
ϑ=135°
ϑ=90°
1
1
1
1
0
0
0
0
-1
-1
-1
0
x-Ampl.
1
-1
-1
0
x-Ampl.
-1
-1
1
328
0
x-Ampl.
1
-1
0
x-Ampl.
1
Frequenzverhältnis fx : fy = 1 : 1
y-Ampl.
ϑ=180°
ϑ=225°
ϑ=270°
ϑ=315°
1
1
1
1
0
0
0
0
-1
-1
-1
-1
0
x-Ampl.
Hochschule Bremen
1
-1
0
x-Ampl.
1
-1
-1
0
x-Ampl.
1
-1
0
x-Ampl.
Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
1
329
ϑ=45°
y-Ampl.
ϑ=0°
ϑ=135°
ϑ=90°
1
1
1
1
0
0
0
0
-1
-1
-1
0
x-Ampl.
1
-1
-1
0
x-Ampl.
-1
-1
1
0
x-Ampl.
1
-1
0
x-Ampl.
1
Frequenzverhältnis fx : fy = 1 : 2
y-Ampl.
ϑ=180°
ϑ=225°
ϑ=315°
1
1
1
0
0
0
0
-1
-1
-1
-1
0
x-Ampl.
Hochschule Bremen
1
-1
0
x-Ampl.
1
-1
-1
0
x-Ampl.
1
-1
ϑ=45°
1
1
1
0
0
0
0
-1
-1
0
x-Ampl.
1
1
-1
-1
0
x-Ampl.
-1
-1
1
330
ϑ=135°
ϑ=90°
1
-1
0
x-Ampl.
Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
ϑ=0°
y-Ampl.
ϑ=270°
1
0
x-Ampl.
1
-1
0
x-Ampl.
1
Frequenzverhältnis fx : fy = 1 : 3
y-Ampl.
ϑ=180°
ϑ=225°
ϑ=270°
ϑ=315°
1
1
1
1
0
0
0
0
-1
-1
-1
-1
0
x-Ampl.
Hochschule Bremen
1
-1
0
x-Ampl.
1
-1
-1
0
x-Ampl.
1
-1
0
x-Ampl.
Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
1
331
ϑ=45°
y-Ampl.
ϑ=0°
ϑ=135°
ϑ=90°
1
1
1
1
0
0
0
0
-1
-1
-1
0
x-Ampl.
1
-1
-1
0
x-Ampl.
-1
-1
1
0
x-Ampl.
1
-1
0
x-Ampl.
1
Frequenzverhältnis fx : fy = 2 : 3
y-Ampl.
ϑ=180°
ϑ=225°
ϑ=270°
ϑ=315°
1
1
1
1
0
0
0
0
-1
-1
-1
-1
0
x-Ampl.
Hochschule Bremen
1
-1
0
x-Ampl.
1
-1
-1
0
x-Ampl.
1
-1
0
x-Ampl.
Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
1
332
3.6.5 Gekoppelte Schwingungssysteme
Gegeben seien zwei gleiche horizontal schwingende
Feder-Masse-Pendel betrachtet, die durch eine Kopplungsfeder verbunden sind.
0
c12
c
m
Hochschule Bremen
0
v1
v2
c
m
Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
333
Es gibt zwei Schwingungszustände, bei denen keine
Energieübertragung stattfindet. Sie werden Fundamentalschwingungen genannt.
Gleichphasige Schwingung
Das Kopplungsglied ist unwirksam, da die Kopplungsfeder in ihrer Ausdehnung unverändert bleibt.
Demzufolge schwingen die Massen mit der Frequenz der ungedämpften harmonischen (1te-Fundamental) Schwingung, d.h.
ω1 = ω 0 =
Hochschule Bremen
c
,
m
f1 = f 0 =
1
2π
c
m
Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
334
Gegenphasige Schwingung
Aus Symmetriegründen bleibt die Mitte des Kopplungspunktes in Ruhe.
Somit kann jedem Körper die Federkonstante der
eigenen Feder c und die Federkonstante der halben
Kopplungsfeder 2c12 zugeordnet werden.
Reihenschaltung: cges=c1·c2 /(c1+c2)
Parallelschaltung: cges= c1+c2
Damit ergibt sich die Frequenz der 2ten-Fundamental-Schwingung zu
ω2 =
Hochschule Bremen
c + 2 c12
,
m
f2 =
1
2π
c + 2 c12
m
Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
335
Bei Schwingungen die nicht gleich- oder gegenphasig ablaufen, d.h. im allgemeinen Fall, findet
eine Überlagerung der Fundamentalschwingungen gemäß
⎛ ω − ω 2 ⎞ ⎛ ω1 + ω 2 ⎞
x1 (t ) = A cos⎜ 1
t ⎟ cos⎜
t⎟
⎝ 2
⎠ ⎝ 2
⎠
⎛ ω − ω 2 ⎞ ⎛ ω1 + ω 2 ⎞
x2 (t ) = A sin ⎜ 1
t ⎟ sin ⎜
t⎟
2
2
⎝
⎠ ⎝
⎠
so statt, dass eine Schwebung entsteht mit der
Schwebungsfrequenz
f s = f1 − f 2
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
336
Auslenkung von x1
2
1
0
-1
-2
0
0.5
1
1.5
2
2.5
3
3.5
4
4.5
5
0
0.5
1
1.5
2
2.5
Zeit
3
3.5
4
4.5
5
Auslenkung von x2
2
1
0
-1
-2
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 3) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
337
Übungen zur
Technischen Physik / Kapitel 3
Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
Aufgabe 3-1:
An einer Schraubenfeder mit der Federkonstante c = 6 N/m hängt ein Körper mit der Masse m = 100 g.
Durch eine vertikal nach unten gerichtete Kraft wird der Körper zunächst um die Strecke y0 = 15 cm
aus seiner Gleichgewichtslage ausgelenkt. Der Körper wird dann freigegeben und führt zunächst eine
freie Schwingung aus.
a) Wie groß war die Kraft, die den Körper um die Strecke y0 ausgelenkt hat?
b) Wie lange ist die Schwingungsdauer T der freien Schwingung?
c) Wie lauten die Bewegungsgleichungen der freien Schwingung y(t), v(t), a(t)?
d) Berechnen Sie die Geschwindigkeit und die Beschleunigung jeweils für die Gleichgewichtslage
und für die maximale Auslenkung.
Aufgabe 3-2:
Ein Körper der Masse m = 300 g hängt an einer Schraubenfeder. Er führt Schwingungen mit einer
Schwingungsdauer von T = π/2 s und einer Amplitude von A = 120 cm aus.
a) Berechnen Sie die Federkonstante c der Schraubenfeder.
b) Geben Sie die Bewegungsgleichungen der freien Schwingung y(t), v(t), a(t) an.
c) Berechnen Sie die Geschwindigkeit und die Beschleunigung jeweils für die Gleichgewichtslage
und für die maximale Auslenkung.
d) Skizzieren Sie den zeitlichen Verlauf der potentiellen, der kinetischen und der gesamten Energie.
Aufgabe 3-3:
a) Wie groß ist das logarithmische Dekrement einer gedämpften Schwingung y = y 0 e −δ t sin(ω d t ) ,
wenn die Schwingungsdauer Td durch die Dämpfung gerade doppelt so groß ist wie die der
ungedämpften Schwingung T0, d.h. Td = 2 T0?
b) Wie groß ist bei dieser Schwingung das zweite Schwingungsmaximum y2, wenn das erste Td = 2
y1 = 10 cm beträgt?
c) Es sei Td = 0,9 s. Geben Sie die Größen δ, ωd und ω0 an. Welcher der drei möglichen Fälle liegt
vor?
Aufgabe 3-4:
Auf einer Fernverkehrsstraße folgen mehrere Bodenwellen der Höhe h = 5 cm im gleichen Abstand
l = 11 m aufeinander. Ein PKW der Masse m = 980 kg (Masse der Räder nicht enthalten) befahre diese
Strecke. Die Gesamtfederkonstante seiner Federn sei c = 1,3·105 N/m und die Dämpfungskonstante
seiner Stoßdämpfer b = 2,8 .103 kg/s.
a) Bei welcher Geschwindigkeit v sind die vertikalen Schwingungen des PKW am größten?
b) Welchen Maximalwert kann die vertikale Schwingungsamplitude des PKW annehmen?
Übungen zur
Technischen Physik / Kapitel 3
Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
Aufgabe 3-5:
Durch Überlagerung der Töne zweier Stimmgabeln, von denen die zweite durch Anbringen einer
Zusatzmasse ein wenig verstimmt ist, entsteht eine Schwebung, deren Dauer gleich dem 50fachen der
Schwingungsdauer T2 der verstimmten Stimmgabel ist.
a) Um wie viel Prozent weicht die Schwingungsdauer T2 von der Schwingungsdauer T1 der ersten
Stimmgabel ab?
b) Mit welcher Frequenz schwingt die zweite Stimmgabel, wenn f1 = 440 Hz beträgt?
Aufgabe 3-6:
Eine angezupfte Saite von 87,4 cm Länge erzeugt den gleichen Ton wie eine Stimmgabel. Verlängert
man die Saite bei gleichbleibender Saitenspannung um 0,6cm, so erzeugt die Überlagerung der Töne
von Saite und Stimmgabel eine Schwebung der Frequenz fs = 3 Hz. Mit welcher Frequenz schwingt
die Stimmgabel? (Anmerkung: die Frequenz einer Saite ist umgekehrt proportional zu seiner Länge)
Aufgabe 3-7:
a) Zwei Schwingungen gleicher Raumrichtung, Frequenz und Amplitude überlagern sich derart, dass
die resultierende Schwingung wiederum die gleiche Amplitude hat. Wie groß ist die
Phasenverschiebung ∆ϑ zwischen den beiden Schwingungen und ∆ϕ zwischen einer dieser
Schwingungen und der resultierenden Schwingung?
b) Welche Phasendifferenz ϕ weisen zwei sich senkrecht zueinander überlagernde Schwingungen
gleicher Frequenz auf, wenn deren Lissajous-Figur mit der Amplitude Ax = 40 cm die x-Achse bei
x0 = 13,7 cm schneidet.
Aufgabe 3-8:
Ein Punkt nimmt gleichzeitig an zwei zueinander senkrechten harmonischen Schwingungen (x(t) und
y(t)) von gleicher Frequenz mit den Amplituden Ax = 3 cm und Ay = 4 cm teil, deren Anfangsphasen
sich um a) ∆ϕ = 0, b) ∆ϕ = π/2, c) ∆ϕ = 3π/4 unterscheiden. Welche resultierende Schwingung
vollführt der Punkt in den drei Fällen?
4. Mechanische Wellen
4.1 Grundlagen der Wellenausbreitung
Wellenausbreitung wird bei
schwingungsfähigen Systemen
die räumlich miteinander gekoppelt sind beobachtet.
Aufgrund der Kopplung überträgt sich die Schwingung eines Systems auf das Nachbarsystem.
Fortschreitende Wellen zwischen gekoppelten
Fadenpendeln: a) Gekoppelte Fadenpendel,
b) Transversalwelle und c) Longitudinalwelle
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
1
Transversal- oder Querwelle
Schwingt das 1te Pendel in y-Richtung, d.h. senkrecht zur Ausbreitungsrichtung, so breitet sich dieser
Schwingungszustand von Pendel zu Pendel aus. Es
entsteht eine laufende Welle, bei der Ausbreitungsrichtung und Schwingungsrichtung senkrecht zueinander sind. Derartige Wellen bezeichnet man als
Transversal- oder Querwellen.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
2
Longitudinal- oder Längswelle
Schwingt das 1te Pendel in x-Richtung, d.h. in Ausbreitungsrichtung, so breitet sich auch dieser Schwingungszustand von Pendel zu Pendel aus. Bei der dadurch hervorgerufenen laufenden Welle, liegen jetzt
jedoch Ausbreitungsrichtung und Schwingungsrichtung parallel zueinander. Derartige Wellen werden
Longitudinal- oder Längswellen genannt.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
3
Ausbreitungszustände einer Transversalwelle
y
t=0
x
t=1/8 T
x
t=2/8 T
x
t=3/8 T
x
t=4/8 T
x
t=5/8 T
x
t=6/8 T
x
t=7/8 T
x
t=8/8 T
x
λ
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
4
Ausbreitungszustände einer Longitudinalwelle
t=0
x
t=1/8 T
t=2/8 T
t =3/8 T
t =4/8 T
t =5/8 T
t =6/8 T
t =7/8 T
t =8/8 T
t
Hochschule Bremen
λ
Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
5
Longitudinalwelle dargestellt als Transversalwelle
y
x
Wellen transportieren keine Materie, sie übertragen
lediglich Schwingungszustände und damit Energie.
Die Energieübertragung ist notwendig, um die einzelnen Schwinger (Oszillatoren) zu Schwingungen
anzuregen.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
6
Der Abstand zweier gleichartiger Schwingungszustände im Wellenfeld wird Wellenlänge λ genannt.
Da die Welle innerhalb der Periodendauer T den
Weg λ zurücklegt, ergibt sich die Fortpflanzungsoder Ausbreitungsgeschwindigkeit der Welle zu
λ
c=
T
Die Ausbreitungsgeschwindigkeit einer Welle ist
das Produkt aus Wellenlänge λ und Frequenz f
c=λ f
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
7
• In Gasen und Flüssigkeiten (ohne innere Reibung)
sind nur Longitudinalwellen ausbreitungsfähig.
• An Grenzflächen von Flüssigkeiten können sich
transversale Oberflächenwellen, z.B. Wasserwellen, ausbreiten.
• In Festkörpern sind alle Wellentypen, d.h.
– Longitudinalwellen (Kompressionswelle, Primärwelle, P-Wave)
– Transversalwellen (Scherungswelle, Sekundärwelle, S-Wave)
•
•
•
•
Oberflächenwellen
Biegewellen
Dehnwellen
Torsionswellen
ausbreitungsfähig.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
8
Wellen werden auch nach der geometrischen Form
ihrer Wellenfronten oder Phasenflächen, d.h. Flächen
konstanter Phase, klassifiziert.
Phasenflächen
Wellentypen
Ebenen
ebene Welle
Zylinder
Zylinderwelle
Kugeln
Kugelwelle
Sind auf den Phasenflächen außerdem noch die Amplituden konstant, so bezeichnet man die Wellen als
homogene Wellen.
Wellen deren Amplitude auf den Phasenflächen nicht
konstant ist, werden inhomogene Wellen genannt.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
9
Wellenfronten/Phasenflächen
einer Kreiswelle
einer ebenen Welle
r
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
x
10
4.2 Wellengleichung
Wellen werden durch Gleichungen der Form
1 ∂ 2 f ( x, y , z , t )
Δ f ( x, y , z , t ) = 2
c
∂t 2
mit
∂ 2 f ( x, y , z , t ) ∂ 2 f ( x, y , z , t ) ∂ 2 f ( x, y , z , t )
Δf ( x, y, z , t ) =
+
+
∂x 2
∂y 2
∂z 2
beschrieben. Man erhält diese sogenannte Wellengleichung direkt aus dem 2ten Newtonschen Gesetz, indem man die Kräfte betrachtet, die auf ein einzelnes
Massen- bzw. Volumenelement wirken.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
11
Für den 1dimensiomalen Fall (ebene Welle) vereinfacht sich die Wellengleichung zu
∂ 2 f ( x, t ) 1 ∂ 2 f ( x, t )
= 2
2
∂t 2
∂x
c
Die allgemeine Lösung der Wellengleichung ist nach
d‘Alembert eine Funktion vom Typ
⎛ x⎞
f ( x, t ) = g ⎜ t ± ⎟
⎝ c⎠
Die Größe c besitzt die Dimension einer Geschwindigkeit. Sie gibt die Ausbreitungsgeschwindigkeit
der Welle an.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
12
Für die Ausbreitungsgeschwindigkeit unterschiedlicher
Wellentypen in verschiedenen Medien findet man
Ausbreitungsgeschwindigkeit
Wellentyp
Longitudinalwelle
in Gasen
c= κp ρ
Longitudinalwelle
in Flüssigkeiten
c= K ρ
Longitudinalwelle
in dünnen Stäben
c= E ρ
Torsionswelle
in dünnen Rundstäben
c= G ρ
Transversalwelle
einer gespannten Saite
c = F ( Aρ )
Hochschule Bremen
κ Adiabatenexponent
p Druck
ρ Dichte
K Kompressionsmodul
E Elastizitätsmodul
G Schubmodul
F Spannkraft
A Querschnitt
Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
13
4.3 Harmonische Wellen
Von besonderer Bedeutung ist die harmonische Anregung. Der 1te Oszillator am Ort x=0 werde gemäß
f (0, t ) = A cos(ω t + ϑ )
angeregt. Ein Oszillator an einem beliebigen Ort x wird
gegenüber dem 1ten Oszillator zeitlich um die Laufzeit
Δt = x c
verspätet, d.h. gemäß
f1 ( x, t ) = A cos(ω (t − Δt ) + ϑ )
= A cos(ω (t − x c ) + ϑ ) = A cos(ω t − (ω c) x + ϑ )
harmonisch schwingen.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
14
Aus
ω = 2π f und c = λ f
folgt mit der Konstanten
ω 2π f 2π
k= =
=
λf
λ
c
die man Wellenzahl nennt, die Wellenfunktion
f1 ( x, t ) = A cos(ω t − k x + ϑ )
einer nach rechts (in pos. x-Richtung) laufenden Welle.
Der Ausdruck für eine nach links (in neg. x-Richtung)
laufende Welle ergibt sich durch Vorzeichenwechsel
von x zu
f 2 ( x, t ) = A cos(ω t + k x + ϑ )
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
15
Durch die Wellenfunktion
f ( x, t ) = A cos(ω t ± k x + ϑ )
wird die Orts- und Zeitabhängigkeit der Auslenkung
einer Welle zum Ausdruck gebracht.
An einem festen Ort x=a beobachtet man
p (t ) = f (a, t ) = A cos(ω t + (ϑ ± k a )) = A cos(ω t + ϑ1 )
d.h. eine harmonische Schwingung.
Zu einem bestimmten Zeitpunkt t=τ ergibt sich
q ( x) = f ( x,τ ) = A cos(± k x + (ϑ +ωτ )) = A cos(± k x +ϑ2 )
das Momentanbild einer harmonischen Welle.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
16
4.4 Doppler-Effekt
Bewegen sich Quelle und Empfänger einer Welle
relativ zueinander, so nimmt der Empfänger mit der
Frequenz fE eine von der Frequenz fQ der Quelle
verschiedene Frequenz wahr.
Bei Schallwellen wurde dieser Effekt erstmals von
C. Doppler im Jahre 1842 beschrieben.
Zur Berechnung der Empfangsfrequenz sind die folgenden Fälle zu unterscheiden.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
17
Wellenfelder zum Doppler-Effekt
a) ruhende Quelle,
bewegter Empfänger
b) bewegte Quelle,
ruhender Empfänger
vE
Q
λ
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
vQ
Q
λΕ
18
4.4.1 Quelle ruht, Empfänger bewegt sich
Empfänger bewegt sich mit vE radial auf die Quelle zu
bzw. von der Quelle weg.
⇒ Wellenberg/Verdichtung und Wellental/Verdünnung
wechseln beim Empfänger in rascherer Folge bzw.
langsamerer Folge.
Der zeitliche Abstand zweier aufeinanderfolgender
Wellenberge/Verdichtungen beträgt am Empfänger
TE =
Hochschule Bremen
λ
c + vE
bzw.
TE =
λ
c − vE
Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
19
Der Empfänger registriert also die Frequenz
fE =
c + vE
λ
bzw.
fE =
c − vE
λ
die sich mit c =λ fQ zu
⎛ v ⎞
f E = f Q ⎜1 + E ⎟
c ⎠
⎝
bzw.
⎛ v ⎞
f E = f Q ⎜1 − E ⎟
c ⎠
⎝
ergibt.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
20
4.4.2 Empfänger ruht, Quelle bewegt sich
In Bewegungsrichtung eilt die Quelle ihren eigenen
Wellenzügen hinterher
⇒ Der Abstand der Wellenfronten verringert sich vor
der Quelle bzw. vergrößert sich hinter der Quelle.
Für einen Empfänger auf den sich die Quelle zubewegt
bzw. von dem sich die Quelle wegbewegt ist die wirksame Wellenlänge durch
λE = λ − vQTQ
bzw.
λE = λ + vQTQ
gegeben.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
21
Der Empfänger nimmt also wegen
λ
c
c = λ fQ =
fE =
und
TQ
λE
die Frequenz
fE =
fQ
1 − vQ c
bzw.
fE =
fQ
1 + vQ c
wahr.
4.4.3 Empfänger und Quelle bewegen sich
Bewegen sich Empfänger und Quelle relativ zum
Ausbreitungsmedium so unterscheidet man 4 Fälle.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
22
Empfänger & Quelle bewegen sich aufeinander zu
fQ
Frequenz einer ruhenden
fQ' =
Ersatzquelle (vor der Quelle)
1 − vQ c
c + vE
1 + vE c
⎛ v ⎞
f E = f Q ' ⎜1 + E ⎟ = f Q
= fQ
c ⎠
1 − vQ c
c − vQ
⎝
Empfänger & Quelle bewegen sich voneinander weg
fQ
Frequenz einer ruhenden
fQ' =
Ersatzquelle (hinter der Quelle)
1 + vQ c
c − vE
1 − vE c
⎛ v ⎞
f E = f Q ' ⎜1 − E ⎟ = f Q
= fQ
c ⎠
c + vQ
1 + vQ c
⎝
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
23
Empfänger folgt Quelle
fQ
Frequenz einer ruhenden
fQ' =
Ersatzquelle (hinter der Quelle)
1 + vQ c
c + vE
1 + vE c
⎛ v ⎞
f E = f Q ' ⎜1 + E ⎟ = f Q
= fQ
c ⎠
c + vQ
1 + vQ c
⎝
Quelle folgt Empfänger
fQ
Frequenz einer ruhenden
fQ' =
Ersatzquelle (vor der Quelle)
1 − vQ c
c − vE
1 − vE c
⎛ v ⎞
f E = f Q ' ⎜1 − E ⎟ = f Q
= fQ
c ⎠
c − vQ
1 − vQ c
⎝
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
24
Anmerkung
Die angegebenen Formeln sind nicht anwendbar beim
Doppler-Effekt von elektromagnetischen Wellen. Dort
ist nicht die Geschwindigkeit relativ zu einem ruhenden Koordinatensystem, sondern nur die Relativgeschwindigkeit v von Quelle und Empfänger zueinander maßgebend. Es ergibt sich bei
Annäherung
bzw.
Entfernung
f E = fQ
Hochschule Bremen
c+v
c−v
f E = fQ
c−v
c+v
Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
25
4.4.4 Quelle bewegt sich mit Überschallgeschwindigkeit
Mit vQ → c rücken die Wellenfronten vor der Quelle
immer dichter zusammen, bis sie schließlich bei vQ = c
alle durch einen gemeinsamen Punkt gehen und die
Einhüllende einer ebenen Wand gleicht.
Bei vQ > c, d.h. Überschallgeschwindigkeit, durchstößt
die Quelle diese Wand (sogenannte Schallmauer) und
es stellt sich ein Wellenfeld mit einer kegelförmigen
Einhüllenden, dem sogenannten Machschen-Kegel,
ein.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
26
Die kegelförmige Wellenfront nennt man auch
Kopfwelle.
Da sich die Wellenfront auf dem Kegelmantel konstruktive addieren, hört ein von der kegelförmigen
Wellenfront getroffener Beobachter einen explosionsartigen Knall.
Der halbe Öffnungswinkel des Machschen-Kegels
ergibt sich zu
ct
c
1
sin α =
=
=
vQ t vQ Ma
wobei Ma die Machsche-Zahl bezeichnet.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
27
ct
α
Q
vQ t
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
vQ
28
4.5 Überlagerung von Wellen
4.5.1 Interferenz
Die Überlagerung zweier oder mehrerer Wellen gleicher Frequenz, d.h. die Überlagerung von Wellen mit
festen Phasenbeziehungen, führt je nach den Phasendifferenzen zwischen den Wellen zu räumlichen Erscheinungen die man Interferenz nennt.
Kohärenz
Wellen, zwischen denen zeitlich feste Phasenbeziehungen bestehen werden als kohärent bezeichnet.
Überlagerung kohärenter Wellen ⇒ (beobachtbare) Interferenz
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
29
Überlagerung zweier kohärenter Kreiswellen
Empfänger
1te-Quelle
r1
2te-Quelle
Hochschule Bremen
r2
Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
30
A1
cos(ω t − k r + ϑ1 )
r
A
f 2 ( r , t ) = 2 cos(ω t − k r + ϑ2 )
r
f1 ( r , t ) =
Das resultierende Wellenfeld, das sich durch Addition der beiden Wellen ergibt, lautet am Empfangsort
f E ( r , t ) = f1 ( r , t ) + f 2 ( r , t )
~
~
= A cos ω t + ϑ
(
)
mit
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
(
~
~
~
~~
~ ~
A = A12 + A12 + 2 A1 A2 cos ϑ1 − ϑ2
und
31
)
~
~ ~
~
A1 sin ϑ1 + A2 sin ϑ2
tan ϑ = ~
~ ~
~
A1 cos ϑ1 + A2 cos ϑ2
~
wobei
~ A
A1 = 1 ,
r1
und
~
ϑ1 = ϑ1 − k r1 ,
Hochschule Bremen
~
A
A2 = 2
r2
~
ϑ2 = ϑ2 − k r2
Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
32
Überlagerung zweier kohärenter ebener Wellen
gleicher Ausbreitungsrichtung
Wellenfronten der 1ten ebenen Welle
x
Δx
Wellenfronten der 2ten ebenen Welle
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
33
Für A1=A2=A, d.h. gleiche Amplituden, folgt aus
⎛
2π
⎛
⎞⎞
f ( x, t ) = A ⎜⎜ cos(ω t − k x ) + cos⎜ ω t − k x +
Δx ⎟ ⎟⎟
λ
⎝
⎠⎠
⎝
nach Anwenden des Additionstheorems
⎛α + β ⎞
⎛α − β ⎞
cos α + cos β = 2 cos⎜
⎟ cos⎜
⎟
2
2
⎝
⎠
⎝
⎠
die Wellenfunktion
π ⎞
⎛π
⎞
⎛
f ( x, t ) = 2 A cos⎜ Δx ⎟ cos⎜ ω t − k x + Δx ⎟
λ ⎠
⎝λ ⎠
⎝
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
34
Spezialfälle:
a) Gangunterschied Δx=0:
Die Amplitude der resultierenden Welle ist doppelt so
groß wie die der Ausgangswellen. Die Nulldurchgänge
liegen am selben Ort wie bei den Ausgangswellen.
b) Gangunterschied Δx=λ/2:
Die beiden Ausgangswellen schwingen an jedem Ort
gegenphasig und löschen sich deshalb überall aus.
c) Gangunterschied Δx= λ/4:
Die Amplitude der resultierenden Welle ist 2 -mal
größer als die der Ausgangswellen. Die Nulldurchgänge liegen genau mittig zwischen denen der Ausgangswellen.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
35
Konstruktive Interferenz
Bei der Überlagerung zweier Wellen bei der die Amplitude der resultierenden Welle gleich der Summe der Amplituden der Ausgangswellen ist, d.h. Δx = n λ mit n ∈ ,
spricht man von konstruktiver Interferenz.
f1(x,t = 0)
x
f2(x,t = 0)
x
f (x,t = 0)
x
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
36
Destruktive Interferenz
Bei der Überlagerung zweier Wellen bei der die Amplitude der resultierenden Welle zu null auslöscht, d.h.
Δx = (2n +1) λ/2 mit n ∈ , spricht man von destruktiver
Interferenz.
f1(x,t = 0)
x
f2(x,t = 0)
x
f (x,t = 0)
x
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
37
4.5.2 Stehende Wellen
Durch Überlagerung zweier ebener Wellen gleicher
Amplitude und Frequenz aber entgegengesetzter
Ausbreitungsrichtung, d.h.
f1 ( x, t ) = A cos(ω t − k x )
f 2 ( x, t ) = A cos(ω t + k x + ϑ )
entsteht eine resultierende Welle mit
f ( x , t ) = f1 ( x , t ) + f 2 ( x , t )
= A (cos(ω t − k x ) + cos(ω t + k x + ϑ ))
ϑ⎞ ⎛
ϑ⎞
⎛
= 2 A cos⎜ k x + ⎟ cos⎜ ω t + ⎟
2⎠
2⎠
⎝
⎝
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
38
in pos. x-Richtung laufende Welle
in neg. x-Richtung laufende Welle
resultierende stehende Welle
t=0
x
t = 1/8 T
x
t = 2/8 T
x
t = 3/8 T
x
t = 4/8 T
x
t = 5/8 T
x
t = 6/8 T
x
t = 7/8 T
x
t = 8/8 T
K
Hochschule Bremen
B
K
B
K
B
K
B
x
K
Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
39
In äquidistanten Abständen von λ/2 treten ortsfeste
Schwingungsknoten und Schwingungsbäuche auf.
f (x,t)
t=4/8T
t=0, t=8/8T
t=1/8T, t=7/8T
t=2/8T, t=6/8T
x
λ/2
Hochschule Bremen
t=3/8T, t=5/8T
Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
40
Man bezeichnet die so entstandenen stationären
Schwingungszustände deshalb auch als stehende
Wellen.
Ein stehendes Wellenfeld tritt z.B. bei der Überlagerung einer einfallenden und einer reflektierten
Welle auf.
Ob sich beim stehenden Wellenfeld an der Reflexionsstelle ein Schwingungsknoten oder Schwingungsbauch ausbildet, hängt von den Reflexionseigenschaften der Kontaktstelle / Grenzschicht ab.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
41
Reflexion einer Seilwelle am festen Ende
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
42
Reflexion einer Seilwelle am losen Ende
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
43
Eine Seilwelle erfährt bei der Reflexion am
• festen Ende einen Phasensprung von π (180°)
⇒ Schwingungsknoten
• losen Ende keinen Phasensprung
⇒ Schwingungsbauch
Eine Schallwelle (Teilchenauslenkung) erfährt bei
der Reflexion am
• geschlossenen (gedackten) Pfeifenende einen
Phasensprung von π(180°)
(Schwingungsknoten)
• offenen Pfeifenende keinen Phasensprung
(Schwingungsbauch)
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
44
Seilwelle am Übergang vom schweren zum leichten Seil
Seilwelle am Übergang vom leichten zum schweren Seil
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
45
Saite mit beidseitig fest eingespannten Enden
Stimmgabel
Saite
l
Regt man eine beidseitig fest eingespannte Saite durch
eine harmonische Schwingung an, so beobachtet man
für bestimmte Frequenzen (Resonanzfrequenzen der
Saite) ein stehendes Wellenfeld.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
46
Da sich an den befestigten Enden immer Schwingungsknoten befinden müssen, besitzt die Grundschwingung
(1te Harmonische) einen Schwingungsbauch in der
Saitenmitte, d.h.
λ1
l=
2
wobei λ1 die Wellenlänge der Grundschwingung angibt.
Mit c=λ1 f1 ergibt sich die Frequenz der Grundschwingung zu
c
c
f1 =
wobei
c=
Hochschule Bremen
=
λ1
2l
F
Aρ
Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
47
Grundschwingung
B
K
2te Harmonische
K
B
K
K
B
K
3te Harmonische
K
B
K
K
B
B
K
4te Harmonische
K
B
K
K
B
K
B
B
K
5te Harmonische
K
B
K
B
K
B
K
B
K
B
K
l
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
48
Die 2te, 3te,..., n-te Harmonische (1te, 2te,..., (n-1)-te
Oberschwingung) besitzt zwischen den Befestigungsstellen 1, 2,..., (n-1)-Knoten und damit die Frequenz
f n = n f1 = n
c
λ1
=n
c
2l
Das zu der jeweiligen Frequenz zugehörige Schwingungsmuster wird Schwingungsmode oder kurz Mode
genannt.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
49
Saite mit nur einem fest eingespannten Ende
Stimmgabel
Saite
l
Auch bei Saiten mit einem festen und einem losen Ende
können sich bei geeigneter Anregung stehende Wellen
ausbilden.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
50
Da sich am festen Ende ein Schwingungsknoten
und am losen Ende ein Schwingungsbauch befinden muss gilt für die Wellenlänge der Grundschwingung
λ
l=
1
4
Für den nächsthöheren Schwingungsmode, d.h.
für die 3te Harmonische gilt
l=
Hochschule Bremen
3
λ3
4
Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
51
Grundschwingung
B
K
3te Harmonische
K
B
K
B
5te Harmonische
B
K
B
K
K
B
B
7te Harmonische
K
K
B
K
B
K
K
B
B
9te Harmonische
B
K
K
B
K
B
B
B
K
B
l
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
52
Die Bedingung für stehende Wellen lautet demzufolge
λ
l=n
n
4
Mit c=λn fn ergeben sich die Resonanzfrequenzen
schließlich zu
f n = n f1 = n
c
λ1
=n
c
4l
für n = 1, 3, 5,...
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
53
4.5.3 Wellengruppen
Eine zeitlich begrenzte Schwingung hat einen räumlichen begrenzten Wellenzug zur Folge, der als Wellenpaket oder Wellengruppe bezeichnet wird.
Ist τ die Zeitdauer der Schwingung, so ergibt sich unter der Voraussetzung, dass
alle Teilwellen des Wellenpakets dieselbe Ausbreitungs-(Phasen-) geschwindigkeit besitzen, die Länge
des Wellenzuges zu
l = cτ
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
54
Dispersion
Unter Dispersion versteht man die Frequenzabhängigkeit der Phasengeschwindigkeit einer harmonischen
Welle.
Liegt Dispersion vor, so
besitzt jede Teilwelle eine
andere Phasengeschwindigkeit, was zu einer Formänderung bzw. zum Auseinanderlaufen des Wellenpakets führt.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
55
Der Einfluss der Dispersion kann am Beispiel der
Schwebungsgruppe, die durch Überlagerung zweier ebener Wellen mit geringfügig unterschiedlichen
Frequenzen aber gleichen Amplituden entsteht, d.h.
f1 ( x, t ) = A cos(ω1 t − k1 x )
f 2 ( x, t ) = A cos(ω 2 t − k 2 x )
mit ω1 ≈ ω2, diskutiert werden.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
56
Die Superposition beider Teilwellen liefert mit
f ( x , t ) = f1 ( x , t ) + f 2 ( x , t )
= A {cos(ω1 t − k1 x ) + cos(ω 2 t − k 2 x )}
Δk ⎞
⎛ Δω
= 2 A cos⎜
t−
x ⎟ cos(ω t − k x )
2
2
⎝
⎠
eine modulierte Trägerwelle, wobei
ω = (ω1 + ω 2 ) 2
k = (k1 + k 2 ) 2
Δ ω = ω1 − ω 2
Δk = k1 − k 2
bezeichnet.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
57
Die Trägerwelle wird dabei durch den 2ten Faktor
cos(ω t − k x )
die Modulation der Amplitude, durch die sich eine
periodische Abfolge von Wellengruppen ausbildet,
durch den 1ten Faktor
Δk
⎛ Δω
cos⎜
t−
2
⎝ 2
⎞
x⎟
⎠
l = cgr / | f1 − f2|
beschrieben.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
58
Nach Ausklammern von Δω/2 beim 1ten und ω
beim 2ten Faktor lautet die Wellenfunktion
⎛ Δω ⎛
⎜t − x
f ( x, t ) = 2 A cos⎜
⎜ 2 ⎜ c gr
⎝
⎝
⎞⎞
⎟ ⎟ cos⎛⎜ ω ⎛⎜ t − x ⎞⎟ ⎞⎟
⎜
⎟
⎟⎟
c
⎝
⎠
⎝
⎠
⎠⎠
mit c = ω/k und cgr= Δω/Δk .
Hierbei bezeichnet c die Phasengeschwindigkeit
der Trägerwelle und cgr die sogenannte Gruppengeschwindigkeit mit der sich die Wellengruppe als
Ganzes ausbreitet.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
59
Liegt keine Dispersion vor, d.h. c(f1) = c(f2) = c,
dann gilt
c = cgr
Bei Dispersion, d.h. c(f1) ≠ c(f2) gilt
c ≠ cgr
Die Bedeutung der Gruppengeschwindigkeit besteht
darin, dass sie und nicht die Phasengeschwindigkeit, die Geschwindigkeit des Informations- und
Energietransports bei Wellengruppen bestimmt.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
60
Allgemein ergibt sich die Gruppengeschwindigkeit
für beliebige durch Fourier-Synthese erzeugte Wellengruppen zu
c gr =
dω
dk
Ausnutzen von k = ω /c( f (ω)) bzw. ω = k c(λ (k))
mit ω = 2π f und k = 2π /λ liefert schließlich
c( f )
c gr ( f ) =
f d c( f )
1−
c df
Hochschule Bremen
bzw.
c gr (λ ) = c (λ ) − λ
dc
dλ
Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
61
4.6 Reflexion, Brechung und Beugung
4.6.1 Elementarwellen
Huygensches Prinzip
Jeder von einer Wellen getroffene Raumpunkt kann
als Ausgangspunkt einer sogenannten Elementarwelle aufgefasst werden.
Die von allen Punkten einer Wellenfront gleichzeitig
ausgesendeten Elementarwellen ergeben als Einhüllende eine Wellenfront die der Wellenfront des ursprünglichen Erregungszentrums entspricht.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
62
Unter einer Elementarwelle versteht man bei 2- bzw.
3dimensionaler Ausbreitung eine Kreis- bzw. Kugelwelle.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
Ebene Welle
Hochschule Bremen
63
Kreis- bzw. Kugelwelle
Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
64
Huygens-Fresnelches Prinzip
Die an einem beliebigen Raumpunkt des Wellenfeldes beobachtete Schwingung lässt sich durch die
Überlagerung sämtlicher Elementarwellen, die von
einer Wellenfront ausgehen, beschreiben.
Die Ausbreitung einer Welle vollzieht sich unter
gegenseitiger Interferenz der von den Wellenfronten
ausgehenden Elementarwellen.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
65
4.6.2 Reflexion
Reflexion ebener Wellen an ebenen Grenzflächen
Einfallslot
1
1'
2
B
D
F
ε εr
A
Hochschule Bremen
2'
E
C
Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
66
Die Laufzeit der einfallenden Welle von B nach C
ergibt sich zu
BC
τ=
c
Der Radius der von A ausgehenden Elementarwelle
beträgt nach der Zeit τ
rA = cτ = AD
Es gilt also
BC = AD
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
67
Alle Elementarwellen die von Punkten zwischen A und
C ausgehen, z.B. E, haben als Radien Zwischenwerte,
z.B.
τ
rE = c = EF
2
derart, dass sich als gemeinsame Tangente die Wellenfront CD ausbildet.
Die beiden Dreiecke ABC und ADC
– sind rechtwinklig (Wellenfront ⊥ zur Ausbreitungsrichtung)
– haben gemeinsame Basis AC und
– gleichlange Seiten BC = AD
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
68
Somit gilt für die gegen das Einfallslot gemessenen
Winkel ε (Einfallswinkel) und εr (Ausfalls- bzw.
Reflexionswinkel) die Beziehung ε = εr.
Reflexionsgesetz
Die Ausbreitungsrichtung der einfallenden Welle,
das Einfallslot und die Ausbreitungsrichtung der
reflektierten Welle liegen in einer Ebene, d.h.
einfallender Strahl, Einfallslot und reflektierter
Strahl liegen in einer Ebene.
Der Einfallswinkel ε ist gleich dem Reflexionswinkel εr.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
69
Reflexion von Kugelwellen an ebenen Grenzflächen
Kugelwellen werden an einer ebenen Grenzfläche so
reflektiert, dass die
reflektierten Wellen
Z'
von einem Zentrum
Z' auszugehen scheinen, das bzgl. der
Grenzfläche spiegelZ
symmetrisch zum
wirklichen Zentrum
Z liegt.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
70
4.6.3 Brechung
Brechung ebener Wellen an ebenen Grenzflächen
Einfallslot
1
2
Medium 1
Ausbreitungsgeschwindigkeit c1
B
ε1
E
A
ε2
F
D
1'
Hochschule Bremen
C
Medium 2
Ausbreitungsgeschwindigkeit c2
2'
Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
71
Die Laufzeit der einfallenden Welle von B nach C
berechnet sich zu
BC
τ=
c1
Der Radius der von A ausgehenden Elementarwelle
beträgt nach der Zeit τ in Medium 2
c
rA, 2 = c 2τ = 2 BC = AD
c1
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
72
Alle Elementarwellen die von Punkten zwischen A und
C ausgehen, z.B. E, haben als Radien Zwischen-werte,
z.B.
τ
rE , 2 = c 2 = EF
2
derart, dass sich als gemeinsame Tangente die Wellenfront CD ausbildet.
Aus den Dreiecken ABC und ADC folgt
sin ε 1 =
Hochschule Bremen
BC
AC
Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
und
sin ε 2 =
73
AD c 2 BC
= ⋅
AC c1 AC
Dividiert man beide Ausdrücke durcheinander, so
erhält man mit
sin ε 1 c1
=
= const.
sin ε 2 c 2
das bereits von Snellius 1621 experimentell gefundene und deshalb nach ihm benannte Snelliussche Brechungsgesetz.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
74
4.6.4 Beugung
Eine ebene Welle treffe senkrecht auf
– eine Wand mit Öffnung (Wellenfronten parallel zur Wand)
– ein Hindernis (Wellenfronten parallel zum Hindernis)
Beugung an
einer Öffnung
d = 7λ / 2
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
75
Beugung an
einer Öffnung
d = 7λ / 4
d = 3λ / 8
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
76
Beugung
an einem
Hindernis
d = 14λ
d = 7λ
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
77
Die Erklärung das Wellen in den Schattenraum gelangen, also um die Berandung der Öffnung / des
Hindernisses herum in den Schattenraum gebeugt
werden, liefert wieder das Huygens-FresnelschePrinzip.
Jeder Punkt des Mediums und somit jeder Punkt der
Öffnung ist Ausgangspunkt einer Elementarwelle.
Die Überlagerung aller Elementarwellen liefert ein
Interferenzmuster, dass im Schattenbereich zwar
abgeschwächt ist, aber das dort nicht verschwindet.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
78
Streuung an einem Hindernis
Ist die Ausdehnung des Hindernisses d < λ, so spricht
man von Streuung.
Die einfallende ebene
Welle passiert das Hindernis fast ungestört.
Vom Hindernis geht
nur eine schwache
Kreiswelle aus.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
79
Beugung am Doppelspalt
Die Öffnungen seien so klein, dass sich hinter ihnen
kreisförmige Elementarwellen ausbreiten. Der Abstand der beiden Öffnungen sei d.
Wir unterscheiden die folgenden Betriebsarten
a) Gleichtakt,
d.h. die Elementarwellen sind in Phase
b) Gegentakt,
d.h. die Elementarwellen haben einen Phasenunterschied von ϑ =π
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
80
a)
Hochschule Bremen
b)
Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
a)
Hochschule Bremen
d = 4λ
d = 2λ
81
b)
Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
82
a)
Hochschule Bremen
d=λ
b)
Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
83
Im Nahbereich erkennt man noch deutlich die konzentrischen Kreiswellen.
In größerem Abstand bilden sich keilförmige Bereiche aus.
• An deren Rändern dieser Bereiche ist die Auslenkung minimal (destruktive Interferenz)
• In deren Zentren dieser Bereiche ist die Auslenkung maximal (konstruktive Interferenz) .
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
84
MAX
MIN
MAX
MIN
MAX
MIN
MAX
MIN
MAX
MIN
MAX
MIN
MAX
MIN
MIN
MAX
MAX
d
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
85
Die Verbindungslinien der Orte mit
• konstruktiver Interferenz und
(durchgezogene rote Linien)
• destruktiver Interferenz
(punktierte rote Linien)
lassen sich durch eine Schar konfokaler Hyperbeln
beschreiben.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
86
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
87
Auf jedem Punkt des zugehörigen Hyperbelpaares ist
der Gangunterschied g der Elementarwellen
• bei konstruktiver Interferenz ein ganzzahliges Vielfaches der Wellenlänge λ, d.h. es gilt
g = mλ
m = 0 ,1,2, … und m ≤ d / λ
• bei destruktiver Interferenz ein ungradzahliges Vielfaches der halben Wellenlänge λ/2, d.h. es gilt
g = (2k + 1)
Hochschule Bremen
λ
2
k = 0 ,1,2,… und k ≤ d / λ − 1 / 2
Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
88
In Entfernungen r >> d gilt
a) Hyperbeln ≈ Asymptoten
b) αm ≈ α'm ≈ α'm für m = 0,1,2,... und m = d /λ
c) Die Strecken r1,r2 und r sind nahezu parallel
Intensitätsmaxima
r2
r1
r
αm
Intensitätsminima
r2
r1
r
αk
mλ
αk
αm
Q2
Hochschule Bremen
(2k+1) λ/2
d
Q1
Q2
d
Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
Q1
89
Hieraus ergeben sich die Richtungen αm ( m = 0,1,...
mit m ≤ d /λ ), in denen für r >> d Intensitätsmaxima (konstruktive Interferenz) auftreten zu
sin α m = m
λ
d
Entsprechend ergeben sich die Richtungen αk ( k =
0,1,... mit k ≤ d /λ − ½ ), in denen für r >> d Intensitätsminima (destruktive Interferenz) auftreten zu
sin α k = (2k + 1)
Hochschule Bremen
λ
2d
Technische Physik (Kapitel 4) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
90
Übungen zur
Technischen Physik / Kapitel 4
Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
Aufgabe 4-1:
Eine Transversalwelle breitet sich in Richtung der positiven x-Achse ungedämpft mit der Geschwindigkeit c = 1 m/s aus. Die Ausbreitung beginnt zur Zeit t = 0 s im Koordinatenursprung. An diesem
Ort ist die Auslenkung zu diesem Zeitpunkt Null; sie wächst in der unmittelbar folgenden Zeit zunächst an. Die Amplitude beträgt ymax = 20 cm, die Frequenz f = 0,25 Hz.
a) Wie groß ist die Wellenlänge λ?
b) Zu welchem Zeitpunkt t beginnt ein Teilchen am Ort mit der Koordinate x = 100 m zu schwingen?
c) Welche Auslenkung y hat dieses Teilchen zur Zeit t = 30 s?
Aufgabe 4-2:
Es breite sich eine harmonische Welle in positiver x-Richtung aus. Sie habe die Amplitude A = 0,1 m,
die Wellenlänge λ = 0,3m und die Schwingungsdauer T = 2 s
a) Wie groß sind Frequenz, Kreisfrequenz, Wellenzahl und Ausbreitungsgeschwindigkeit?
b) Welche Auslenkung beobachtet man am Ort x=1 m zur Zeit t1 = 5 s und t2 = 10 s, wenn die Wellen
den Ort x = 0 m zur Zeit t = 0 s mit der Auslenkung null erreichen?
Aufgabe 4-3:
Auf einem Seil breitet sich eine Welle mit der Amplitude A = 5,0 cm und der Periodendauer T = 0,25 s
in positiver x-Richtung aus. In der Entfernung x = λ/2 vom Ort der Erregung der Welle befindet sich
zum Zeitpunkt t = 0 s gerade ein Wellental.
a) Wie lautet die Wellenfunktion?
b) Wie groß sind zu den Zeitpunkten t = 0 s bzw. t = T/4 die Auslenkung, Geschwindigkeit und Beschleunigung der erregenden Schwingung (x = 0 cm)?
Aufgabe 4-4:
Über ein Seil laufen Wellen in positiver x-Richtung mit der Phasengeschwindigkeit c = 0,8 m/s. Die
Periodendauer mit der jeder Seilpunkt dabei schwingt sei T = 0,5 s und die Amplitude A = 8 cm. Zur
Zeit t = 0 befinde sich bei x = 3λ/4 gerade ein Wellenberg.
a) Berechnen Sie die Wellenlänge λ.
b) Stellen Sie die Funktion f(x,t) für diese Welle auf.
c) Zeichnen Sie die Momentanbilder der Welle f(x,t) für t = T/2 und t = 3T/4.
d) Stellen Sie die Funktion f(x,t) an der Stelle x = λ/4 dar.
Aufgabe 4-5:
Schallwellen die vom menschlichen Ohr wahrgenommen werden können, haben Frequenzen im Bereich 16 Hz ≤ f ≤ 20 kHz. Welche Wellenlänge besitzen die Schallwellen, wenn der Adiabatenexponent κ = 1,4, die Dichte ρ = 1,3 kg/m3 und der Ruhedruck p = 1,074·105°Pa beträgt?
Aufgabe 4-6:
Ein Stahlsaite hat eine Länge von l = 40 cm. (Dichte von Stahl ρ = 7,8 g/cm3)
a) Bei welcher Saitenspannung σ = F/A erzeugt die Saite in ihrer Grundschwingung einen Ton mit
der Frequenz 200 Hz? Welcher Zugkraft F entspricht dies bei einem Saitendurchmesser von
d = 0,5 mm?
b) Welche Grundfrequenz ergäbe sich, wenn die Saite halb so lang und doppelt so dick wäre und nur
unter einem Viertel der Zugkraft stünde?
Übungen zur
Technischen Physik / Kapitel 4
Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
Aufgabe 4-7:
Die Sirene eines Polizeifahrzeuges, das mit der Geschwindigkeit v1 = 75 km/h fährt, erzeugt einen Ton
der Frequenz fS = 2,5 kHz. (Schallgeschwindigkeit c = 340 m/s)
a) Welche Frequenz fF besitzt der Ton, den der Fahrer eines Wagens hört, der mit einer Geschwindigkeit von v2 = 30 km/h dem Polizeifahrzeug folgt?
b) Wie groß ist fF, wenn v1 = v2 ist?
Aufgabe 4-8:
Beim Annähern eines Rennwagens nimmt ein Beobachter einen um 4/3 höheren Ton als bei dessen
Entfernen wahr. Welche Geschwindigkeit v hat der Rennwagen?
(Schallgeschwindigkeit c = 340m/s )
Aufgabe 4-9:
Zwei Züge fahren mit gleicher Geschwindigkeit v aufeinander zu. Die Frequenz des Pfeiftones des
einen Zuges wird im anderen Zug um den Faktor 9/8 erhöht wahrgenommen Wie groß ist v? (Schallgeschwindigkeit c = 340 m/s)
Aufgabe 4-10:
Ein Lokomotivführer, der mit der Geschwindigkeit von 90 km/h auf einen Tunnel zufährt, lässt ein
Pfeifsignal der Frequenz f = 500 Hz ertönen.
a) Welche Frequenz fB hört ein ruhender Beobachter, an dem der Zug bereits vorbeigefahren ist?
b) Am Tunneleingang wird das Signal reflektiert. Welche Frequenz fR hört der Beobachter?
c) Wie groß ist die Frequenz fL des reflektierten Signals für Lokomotivführer?
Aufgabe 4-11:
Eine Concorde fliegt mit doppelter Schallgeschwindigkeit 2 × 340 m/s in einer Höhe von 2000 m über
uns hinweg. Zur Zeit t = 0 s befinde sich die Concorde senkrecht über uns. Zu welchem Zeitpunkt
hören wir den Überschallknall?
Aufgabe 4-12:
Eine in positiver x-Richtung fortschreitende Seilwelle, die am Ort ihrer Erregung x = 0 m zum Zeitpunkt t = 0 s einen Wellenberg hat, triff nach einem Laufweg x = l senkrecht auf eine Wand und wird
an ihr reflektiert. Wie lautet die Wellenfunktion der einfallenden Welle f1(x,t), der reflektierten Welle
f2(x,t) und der Überlagerung der einfallenden und reflektierten Welle f(x,t)?
Übungen zur
Technischen Physik / Kapitel 4
Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
Aufgabe 4-13:
In einem langen Metallstab breite sich eine ebene Schallwelle aus, die am Ort ihrer Erregung x = 0 m
zum Zeitpunkt t = 0 s ein Wellental hat und die bei x = l an der an Luft grenzenden Stirnfläche des
Stabes reflektiert wird. Wie lautet die Wellenfunktion der einfallenden Welle f1(x,t), der reflektierten
Welle f2(x,t) und der Überlagerung der einfallenden und reflektierten Welle f(x,t)?
Aufgabe 4-14:
Ein Hörer sitzt zwischen den Boxen seiner Stereoanlage, wobei er 3 m Abstand von der einen und 4 m
Abstand von der anderen Box hat. Wenn er alte Monoaufnahmen hört, löschen sich Schallwellen bestimmter Frequenzen an seinem Ort aus. Welche Frequenzen führen zur Auslöschung?
Aufgabe 4-15:
Die Tiefe E-Saite einer Gitarre besteht aus Stahl der Dichte ρ = 7700 kg/m3. Sie habe eine Länge von
75 cm und einen Durchmesser von 0,65 mm. Mit welcher Zugkraft muss die Saite eingespannt werden, um auf das tiefe E, d.h. f = 82,5 Hz, gestimmt zu sein?
Aufgabe 4-16:
Zwei ebene Schallwellen gleicher Ausbreitungsrichtung mit den Frequenzen f1 = 300 Hz und
f2 = 330 Hz überlagern sich. Die Ausbreitungsgeschwindigkeit sei für beide c1 = c2 = 330 m/s.
a) Wellchen räumlichen Abstand haben zwei aufeinanderfolgende Wellengruppen?
b) Wie groß ist die Schwebungsfrequenz des an einem festen Ort mit einem Mikrofon aufgezeichneten Signal?
c) Wie groß ist die Gruppengeschwindigkeit einer Schwebungsgruppe?
Aufgabe 4-17:
Unter welchem Winkel ε2 treten Schallwellen aus, die unter einem Winkel ε1 = 10° bzw. 20° bezogen
auf das Einfallslot
a) vom Wasser
b) von der Luft
auf die Wasser-Luft-Grenzfläche treffen? (cL = 340 m/s, cW = 1480 m/s)
Aufgabe 4-18:
Bei einem Doppelspalt-Experiment mit einem Spaltabstand d = 19,5 cm beobachtet man das Maximum 2ter Ordnung unter einem Winkel von 5,887°.
a) Welche Wellenlänge und Frequenz hat die einfallende Schallwelle? (K = 2,246 GPa,
ρ = 998,2 kg/m3
b) Wie viele Maxima und Minima können insgesamt wahrgenommen werden?
5. Thermodynamik
Die Thermodynamik befasst sich mit der
• Temperatur
• Wärme und
• Umwandlung von Energie.
5.1 Temperatur
Die Temperatur ist ein Maß dafür, wie warm oder kalt
ein Körper ist. Sie ist genauer ein Maß für die mittlere
kinetische Energie der Moleküle des betreffenden
Körpers.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
1
Die Definition der Temperatur ist nicht trivial, denn
es ist nicht einfach die Temperatur so zu definieren,
dass verschiedenartige Thermometer am selben Objekt den gleichen Messwert anzeigen.
Beim Erwärmen oder Abkühlen eines Gegenstandes
ändern sich einige seiner physikalischen Eigenschaften, z.B. Volumen, Druck (Gase bei konstantem Volumen) und elektrischer Widerstand.
Eine physikalische Eigenschaft die man wegen ihrer
Temperaturabhängigkeit zur Temperaturmessung
heranziehen kann nennt man thermometrische Eigenschaft.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
2
5.1.1 Thermischer Kontakt und thermisches
Gleichgewicht
Ein warmer Körper A und ein kalter Körper B befinden sich in thermischem Kontakt, wenn sich deren
thermometrischen Eigenschaften ändern, z.B. Längenänderung lA ↓, lB↑
Die Körper befinden sich im thermischen Gleichgewicht, wenn sich die thermometrischen Eigenschaften nach einer gewissen Zeit nicht mehr ändern.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
Körper A und B befinden
sich in thermischem Kontakt
mit C, haben untereinander
aber keinen direkten Kontakt.
3
C
A
B
Befinden sich A mit C und B mit C im thermischen
Gleichgewicht, so sind A und B auch untereinander
im thermischen Gleichgewicht.
D.h. nach zusammenbringen von
A und B (thermischer Kontakt)
ändern sich die thermometrischen
Eigenschaften von A und B nicht.
Hochschule Bremen
A
Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
B
4
Nullter Hauptsatz der Thermodynamik
Befinden sich zwei Körper in thermischem Gleichgewicht mit einem Dritten, so stehen sie auch untereinander in thermischem Gleichgewicht.
Mit Hilfe des nullten Hauptsatzes kann man nun
eine Temperaturskala definieren, sofern man davon
ausgeht, dass zwei im thermischen Gleichgewicht
befindliche Körper die gleiche Temperatur besitzen.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
5
5.1.2 Celsius- und Fahrenheit-Skala
Thermometer in Eiswasser
eintauchen.
Warten bis sich thermisches
Gleichgewicht einstellt.
l0
Markieren der Höhe der
Quecksilbersäule.
Markierung gibt den Gefrierpunkt des Wassers an.
Hochschule Bremen
Eiswasser
Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
6
Thermometer in siedendes
Wasser eintauchen.
l100
Warten bis sich thermisches
Gleichgewicht einstellt.
Markieren der Höhe der
Quecksilbersäule.
Markierung gibt den Siedepunkt des Wassers an.
siedendes
Wasser
Wärme
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
7
Der Gefrier- und Siedepunkt des Wassers werden als
Temperatur-Fixpunkte zur Definition der von Celsius
1742 vorgeschlagenen Celsius-Skala herangezogen.
• Gefrierpunkt = 0°C
• Siedepunkt = 100°C
• unterteilen des Intervalls von 0°C bis 100°C in
100 gleiche Teile
• erweitern der Gradeinteilung unterhalb von 0°C
und oberhalb von 100°C durch lineare Extrapolation
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
8
Mit den Längen l0 und l100 für die Quecksilbersäule
bei 0°C bzw. 100°C beträgt die Temperatur eines Gegenstandes
l − l0
ϑ=
⋅ 100°C
l100 − l 0
wobei l die Länge der Quecksilbersäule nach dem Erreichen des thermischen Gleichgewichts von Thermometer und Gegenstand angibt.
Die Umrechnungsformel zwischen der Celsius- und
der im angelsächsischen gebräuchlichen FahrenheitSkala lautet
5 ⎛ϑ
⎞
ϑ = ⎜ F − 32 ⎟ °C
9 ⎝ °F
⎠
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
9
Anmerkungen:
Die Anzeigen verschiedenartiger Thermometer stimmen nur
an den Kalibrierungspunkten exakt überein.
Da die ausgenutzten thermometrischen Eigenschaften sich nur
nahezu linear mit der Temperatur ändern, weichen die Anzeigen zwischen 0°C und 100°C leicht aber oftmals akzeptabel
voneinander ab.
Oberhalb und unterhalb dieses Bereiches nehmen die Unterschiede jedoch mit zunehmendem Abstand von den Kalibrierungspunkten deutlich zu.
Außerdem ist der Messbereich eines Quecksilberthermometers
beschränkt (Quecksilber erstarrt/siedet bei –39°C/357°C).
Neben der Genauigkeitsfrage ist also auch die Frage nach dem
für den interessierenden Temperaturbereich geeigneten Thermometertyp zu stellen.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
10
5.1.3 Gasthermometer und die Kelvin-Skala
Das Gefäß A ist mit einem
Gas, die über einen Schlauch
verbundenen Gefäße B und
C sind mit Quecksilber gefüllt.
Durch Anheben bzw. Absenken
von C wird der Füllstand in B
(Nullmarke) und damit das Gasvolumen in A konstant gehalten.
Der Druck in A wird durch die
Höhe h der Quecksilbersäule in
C angezeigt.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
11
Sind P0 und P100 die Drücke bei 0°C bzw. 100°C und ist P der
Druck bei der Temperatur des Messobjekts, dann gilt
P − P0
ϑ=
⋅ 100°C
P100 − P0
Messung des Siedepunkts von Schwefel mit verschiedenen
Gasthermometern konstanten Volumens.
446.5
Luft
N2
H2
446
ϑ / °C
Der Gasdruck P100 bei
100°C wird durch Änderung der Gasmenge
variiert.
O2
445.5
445
444.5
444
0
200
Hochschule Bremen
400
600
P100 / mmHg
800
1000
Bei Verringerung der
Gasmenge streben die
Messwerte für alle Gase
gegen 444,6°C.
Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
12
Da die Temperaturmessung mit Gasthermometern geringer Gasdichte nahezu unabhängig vom verwendeten Gas ist, kann mit Hilfe von Gasthermometern eine
Temperaturskala definiert werden.
Druck-Temperatur-Diagramm für ein Gasthermometer konstanten Volumens
P
ϑ
-273,15°C
Die extrapolierte Gerade schneidet die Temperaturachse unabhängig von der Gasart bei –273,15°C
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
13
Es ist schwierig den Gefrier- und Siedepunkt des
Wassers an verschiedenen Orten zu reproduzieren.
(der Siedepunkt z.B. ändert sich mit dem äußeren Luftdruck)
Ein besser zu reproduzierender Bezugspunkt
ist der Tripelpunkt des
Wassers bei dem
• Wasserdampf
• flüssiges Wasser
• und Eis
miteinander im Gleichgewicht stehen.
Hochschule Bremen
P
flüssiges
Wasser
kritischer
Punkt
Eis
PTr
=6,105 hPa
Tripelpunkt
Dampf
ϑTr=0,01°C
Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
ϑ
14
Die Temperaturskala ist so definiert worden, dass
die Temperatur des Tripelpunktes
(ϑTr = 0,01 °C)
TTr = 273,16 K
beträgt und der Skalennullpunkt, d.h. 0 K, beim absoluten Nullpunkt von ϑ = -273,15 °C liegt.
Die so definierte Kelvin-Skala hat dieselbe Skaleneinteilung wie die Celsius-Skala, d.h. Temperaturdifferenzen in der Celsius- und Kelvin-Skala sind
gleich und die Umrechnung zwischen beiden Skalen besteht in einer einfachen Addition.
⎞
⎛ϑ
T =⎜
+ 273,15 ⎟ K
⎠
⎝ °C
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
15
5.2 Thermische Ausdehnung
5.2.1 Festkörper
Festkörper dehnen sich mit wenigen Ausnahmen bei
steigender Temperatur aus. Die Ausdehnung hängt von
der Temperaturerhöhung und von der Art des Stoffes
ab.
In bestimmten Temperaturbereichen ist die relative
Längenänderung Δl/l der Temperaturänderung ΔT proportional, d.h.
Δl
= α ΔT
l
wobei der stoffabhängige Proportionalitätsfaktor α den
linearen Längenausdehnungskoeffizienten bezeichnet.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
16
Mit l1=l(T1) folgt für l2=l(T2) aus
Δl = l 2 − l1 = l1 α ΔT = l1 α (T2 − T1 )
die Beziehung
l 2 = l1 (1 + α ΔT ) = l1 (1 + α (T2 − T1 ))
oder wegen ΔT = (T2 − T1) = (ϑ2 − ϑ1) = Δϑ
l 2 = l1 (1 + α Δϑ ) = l1 (1 + α (ϑ 2 − ϑ1 ))
Der lineare Längenausdehnungskoeffizient ist selber
Temperaturabhängig. Für verschiedene Temperaturbereiche verwendet man daher unterschiedliche mittlere
lineare Längenausdehnungskoeffizienten α.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
17
Temperaturbereich
Stoff
0°C ≤ϑ ≤ 100°C
0°C ≤ϑ ≤ 500°C
Aluminium
23,8 · 10-6/K
27,4 · 10-6/K
Kupfer
16,4 · 10-6/K
17,9 · 10-6/K
Stahl C60
11,1 · 10-6/K
13,9 · 10-6/K
gewöhnliches Glas
9 · 10-6/K
10,2 · 10-6/K
Quarzglas
0,51 · 10-6/K
0,61 · 10-6/K
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
18
Bei großen Temperaturbereichen erweist sich die lineare Beziehung oftmals als nicht mehr hinreichend genau. Statt α = const. (Näherung 0ter Ordnung) approximiert man α dann durch eine linear von der Temperatur abhängige Funktion (Näherung 1ter Ordnung)
α = α 1 + β Δϑ
wobei α den Längenausdehnungskoeffizienten bei ϑ1
angibt. Einsetzen von α liefert
(
l 2 = l1 1 + α 1 Δϑ + β (Δϑ )
Hochschule Bremen
2
)
Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
19
Die Längenausdehnung hat bei jedem Körper auch
eine Volumenänderung zur Folge. Ist l1 bzw. l2 die
Kantenlänge desselben Würfels bei den Temperaturen ϑ1 bzw. ϑ2, so gilt für die korrespondierenden
Volumina V1 und V2 die Beziehung
V2 = l 23
= (l1 (1 + α (ϑ 2 − ϑ1 )))
3
= l13 (1 + α (ϑ 2 − ϑ1 ))
3
(
= V1 1 + 3α (ϑ 2 − ϑ1 ) + 3α 2 (ϑ 2 − ϑ1 ) + α 3 (ϑ 2 − ϑ1 )
Hochschule Bremen
2
Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
3
20
)
Wegen α<<1 können die Terme mit α2 und α3 vernächlässigt werden. Man erhält somit in guter Näherung
V = V (1 + γ (ϑ − ϑ ))
2
1
2
1
und für die relative Volumenänderung
ΔV
= γ Δϑ = γ ΔT
V
wobei γ den Raumausdehnungskoeffizienten mit
γ = 3α
bezeichnet und
Δϑ = ϑ 2 − ϑ1 = T2 − T1 = ΔT
ausgenutzt wurde.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
21
Die Dichte ρ = m/V eines Körpers ist umgekehrt
proportional zum Volumen. Ist V1 das Volumen
und damit ρ1 = m/V1 die Dichte bei ϑ0 = 0°C, dann
ist die Dichte bei der Temperatur ϑ durch
m
ρ (ϑ ) =
V0 (1 + γ (ϑ − ϑ0 ))
m V0
ρ0
=
=
1+ γ ϑ 1+ γ ϑ
≈ ρ 0 (1 − γ ϑ )
gegeben
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
22
5.2.2 Flüssigkeiten
Flüssigkeiten besitzen keine Eigengestalt. Bei Flüssigkeiten sind somit nur dieVolumen- und die damit verbundenen Dichteänderungen von Interesse. Analog zu
Festkörper gelten die Beziehungen
ΔV
= γ Δϑ = γ Δ T
V
und
V2 = V1 (1 + γ (ϑ 2 − ϑ1 ))
sowie für die Dichte
ρ (ϑ ) =
Hochschule Bremen
ρ0
≈ ρ 0 (1 − γ ϑ )
1+ γ ϑ
Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
23
wobei der Raumausdehnungskoeffizient γ größer ist,
vgl. hierzu die vorherige und die folgende Tabelle.
Stoff
γ bei ϑ = 20°C
Wasser
208 · 10-6/K
Quecksilber
182 · 10-6/K
Pentan
1580 · 10-6/K
Ethylalkohol
1100 · 10-6/K
Heizöl
950 · 10-6/K
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
24
Anomalie des Wassers
Die Dichte des Wassers besitzt bei ϑ = 4°C ihr Maxikg
mum von
ρ max = 0,999973 3
dm
d.h.
•
•
⇒
Gewässer frieren von
oben zu
es findet keine Wärmekonvektion statt
Wärmeleitung ist nicht
sehr effektiv
tiefe Seen frieren nicht
bis zum Grund durch
0.99995
ρ in kg/dm3
•
1
kg
dm
ρmax=0,999973 3
0.99990
0.99985
0.99980
0.99975
0.99970
0
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
ϑ in °C
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
25
5.2.3 Gase
Bei Gasen hängt das Volumen vom Druck und der
Temperatur ab.
Gesetz von Gay-Lussac bei konstantem Druck
Experimentelle Untersuchungen ergaben, dass das
Gasvolumen bei konstantem Druck gemäß
V (ϑ ) = V0 (1 + γ ϑ )
linear mit der Temperatur variiert, wobei der Raumausdehnungskoeffizient für alle Gase nahezu gleiche Werte annimmt und V0 das Volumen bei ϑ0 =
0°C angibt.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
26
Stoff
γ bei p0 (Normdruck)
Luft
0,003674 · 1/K
Wasserstoff
0,003663 · 1/K
Helium
0,003660 · 1/K
Kohlenstoffdioxid
0,003726 · 1/K
Die Unterschiede zwischen den Raumausdehnungskoeffizienten einzelner Gase verringert sich bei abnehmendem Druck. Bei verschwindendem Druck,
d.h. p → 0, ergibt sich für alle Gase mit
1
1
γ =
= 0,003661
273,15 K
K
der gleiche Raumausdehnungskoeffizient.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
27
Auf diesen Grenzzustand stützt sich das Modell des
idealen Gases.
Graphische Darstellung
des Gay-Lussacschen Gesetzes bei p=const.
V = V0 (1 + γ ϑ )
p≈0
V
V0
-273,15°C
0K
Hochschule Bremen
0 °C
ϑ
273,15 K
Τ
Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
28
Das Gay-Lussacsche Gesetz gilt bei sehr tiefen Temperaturen nicht mehr, da
• reale Gase beim abkühlen kondensieren
• das Volumen am absoluten Nullpunkt wegen des
Eigenvolumens der Atome nicht null wird.
Als Funktion der absoluten Temperatur (KelvinSkala) lautet das Gay-Lussacsche Gesetz
V
T
= const.
V (T ) = V0
bzw.
T
T0
mit T0 = 273,15 K.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
29
Gesetz von Gay-Lussac bei konstantem Volumen
Bei konstant gehaltenem Volumen kann der Druck
p als Funktion der veränderlichen Temperatur durch
p (ϑ ) = p 0 (1 + γ ϑ )
beschrieben werden. Hierbei gibt p0 den Gasdruck
bei ϑ0 = 0°C an.
Ausdrücken des Gay-Lussacschen Gesetzes als Funktion der absoluten Temperatur (Kelvin-Skala) liefert
T
p
p (T ) = p 0
= const.
bzw.
T0
T
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
30
und damit die Grundlage für die Temperaturmessung
mittels Gasthermometer, z.B. mit pTr, TTr am Tripelpunkt folgt
p (T )
T = TTr
pTr
Graphische Darstellung
des Gay-Lussacschen Gesetzes bei V=const.
P = P0 (1 + γ ϑ )
V = const.
P
P0
-273,15°C
0K
Hochschule Bremen
0 °C
ϑ
273,15 K
Τ
Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
31
5.3 Zustandsgleichung idealer Gase
Komprimiert bzw. expandiert man ein Gas bei konstanter Temperatur, dann steigt bzw. sinkt der Druck
während das Volumen ab- bzw. zunimmt.
Der Druck ändert sich umgekehrt proportional zum
Volumen. Bei konstanter Temperatur gilt somit für
das Produkt aus Druck und Volumen die als Gesetz
von Boyle-Mariotte bekannte Beziehung
p V = const.
Die Gesetze von Boyle-Mariotte und Gay-Lussac
lassen sich zu einer Gleichung, der sogenannten Zustandsgleichung idealer Gase verknüpfen.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
32
Zustandsgleichung idealer Gase
T1, V1, P1
T2, V´, P1
T2, V2, P2
Wärme
a) Anfangszustand
Hochschule Bremen
b) Erwärmung bei
konstantem Druck
c) Kompression bei
konstanter Temperatur
Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
33
1. Schritt (Zustandsänderung von a) nach b))
Das Gay-Lussacsche Gesetz liefert
V ′ = V1
T2
T1
2. Schritt (Zustandsänderung von b) nach c))
Aus dem Boyle-Mariotteschen Gesetz folgt
V2 = V ′
p1
p2
Durch Einsetzen von V' ergibt sich die Zustandsgleichung
idealer Gase zu
p1V1 p 2V2
=
T1
T2
bzw.
pV
= const.
T
Anmerkung: Sie gilt für konkrete Werte von p, V und T unabhängig davon
wie sie erreicht wurden, d.h. in welcher Reihenfolge (auch gleichzeitig)
sich die Zustandsgrößen p, V und T ändern.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
34
Gedankenexperiment
Es seien zwei identische Behälter mit gleichen Mengen desselben Gases bei gleicher Temperatur gefüllt,
d.h. es gilt für beide Systeme die Zustandsgleichung
pV = C T
wobei C die Proportionalitätskonstante angibt.
Fügt man nun beide Behälter zusammen, so erhält
man das doppelte Gasvolumen V'=2V bei unverändertem Druck P und gleicher Temperatur T.
Aus
pV ′ = C ′T
folgt wegen V'=2V, dass C'=2C sein muss.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
35
Also ist C proportional zur Gasmenge und man
schreibt
C=k N
B
Hierbei gibt N die Anzahl der Gasmoleküle an während kB die sogenannte Boltzmann-Konstante bezeichnet.
Experimentell findet man, dass die Boltzmann-Konstante für alle Gase denselben Wert annimmt.
k B = 1,381 ⋅ 10 − 23
J
K
Oft ist es günstiger, die Menge eines Gases durch
die Stoffmenge n, d.h. durch die Anzahl der Mole
anzugeben.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
36
Ein Mol einer Substanz enthält
1
N A = 6,022 ⋅ 10 23
mol
Teilchen, wobei die Avogadro-Zahl NA der Anzahl der
Atome in 12g des Kohlenstoffisotops 12C entspricht.
Liegt von einer Substanz die Stoffmenge n vor, dann
enthält diese
N =nN
A
Teilchen. Einsetzen von N über C = kB N in die Zustandsgleichung liefert
pV = k B N T = n k B N A T = n R T
wobei
J
R = k B N A = 8,314
mol ⋅ K
die allgemeine (molare) Gaskonstante bezeichnet.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
37
Die allgemeine Gaskonstante R ist unabhängig von
der Gasart.
⋅ K)]
pV/(nT) [J / (mol
8.8
8.6
H2
8.4
N2
8.2
CO
8
O2
7.8
7.6
0
Hochschule Bremen
10000
20000
p [hPa]
30000
40000
Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
38
Für reale Gase ist der Wert von pV/nT über einen relativ weiten Druckbereich einigermaßen konstant. Im
Bereich von 0 – 5000 hPa ist die maximale Abweichung < 0,1% (0,08 J/(mol⋅K)).
Man spricht von einem idealen Gas, wenn pV/nT für
alle Drücke konstant ist und somit die Zustandsgleichung für ideale Gase pV = n R T gilt.
Die Masse eines Mols nennt man molare Masse. Für
das Kohlenstoff-Isotop 12C ist sie durch
g
M = 12
mol
gegeben.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
39
Die molare Masse einer Verbindung ist gleich der
Summe der molaren Massen der Komponenten, z.B.
gilt für CO2
C:
M = 12 g/mol
O2: M = 2 ⋅ 16 g/mol
⇒ CO2: M = 12 g/mol + 32 g/mol = 44 g/mol
Die Masse m eines Gases der Stoffmenge n ist
m = nM
Für die Dichte ρ eines idealen Gases gilt
m nM
ρ= =
V
V
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
40
und mit n/V = p/RT schließlich
M
ρ=
p
RT
Also ist die Dichte ρ eines idealen Gases bei konstanter Temperatur T proportional zum Druck p.
Drückt man in der Zustandsgleichung für ideale Gase
pV = n R T die Stoffmenge n durch m/M aus, so erhält man
R
p V = m T = m RS T
M
wobei die Größe Rs = R/M eine für jede Gasart eigene Konstante, die sogenannte spezielle (individuelle)
Gaskonstante bezeichnet.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
41
5.4 Kinetische Gastheorie
Bisher haben wir das Verhalten der Gase durch die
makroskopischen Zustandsänderungen p, V und T
beschrieben.
Nach der kinetischen Gastheorie rührt der Druck eines Gases von den Stößen seiner Teilchen auf die Gefäßwände her. Dieser Druck errechnet sich nach dem
2ten Newtonschen Gesetz aus der Kraft, d.h. der zeitliche Änderung des Impulses,
dp d (mv)
=
F=
dt
dt
die die Wand auf die Teilchen ausübt, da diese wegen
des 3ten Newtonschen Gesetzes gleich der Kraft ist,
die die Teilchen auf die Wand ausüben.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
42
Es gelten nun im folgenden die Annahmen:
1) Das Gas besteht aus einer großen Anzahl von
Teilchen, den Molekülen.
2) Die räumliche Ausdehnung der Teilchen ist so
klein, dass ihr Eigenvolumen gegenüber dem
Gefäßvolumen vernachlässigbar ist.
3) Zwischen den Teilchen bestehen keine Wechselwirkungskräfte, ausgenommen bei einem Zusammenstoß.
4) Die Zusammenstöße der Teilchen untereinander
und mit den Gefäßwänden verlaufen völlig elastisch.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
43
N Gasmoleküle befinden sich in einem quaderförmigen Behälter. Im Zeitintervall Δt treffen die Moleküle
gegen eine Wand in der yz-Ebene der Fläche A deren
Geschwindigkeit vx > 0 und deren Abstand zur Wand
höchstens vx Δt ist.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
44
Die Anzahl ergibt sich somit zu
N
~
N=
v x Δt A
V N
Volumen
Dichte der
Teilchen
1
2
N
v x > 0 gilt nur für die
Hälfte der Moleküle
Die Impulskomponente des i-ten Moleküls in x-Richtung beträgt + m vx vor dem Auftreffen und - m vx
nach dem Auftreffen auf die Wand.
Die Impulsänderung des i-ten Moleküls ist durch den
Stoß daher
Δp = 2 m v
i
Hochschule Bremen
x
Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
45
~
Die gesamte Impulsänderung der N Gasmoleküle ist
dann schließlich
~
~
N
N
~
Δp = ∑ Δp i = ∑ 2 m v x = N 2 m v x
i =1
=
i =1
1 N
N
v x Δt A 2 m v x = m v x2 A Δt
2 V
V
Die Kraft ergibt sich zu
⎛
⎞
Δp
Impulsänderung
⎜⎜
⎟⎟
F=
Δt
⎝ Zeitspanne der Änderung ⎠
=
Hochschule Bremen
N
m v x2 A
V
Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
46
Für den Druck, der definiert ist als Kraft pro Fläche,
F N
erhält man
p = = m v x2
A V
Auflösen nach pV liefert
pV = N m v x2
Die Moleküle besitzen i.a. unterschiedliche Geschwindigkeiten. Die obigen Beziehungen bleiben jedoch im
Mittel gültig, wenn man v x2 durch den Mittelwert
1 N 2
2
v x = ∑ v xi
N i =1
ersetzt.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
47
Bringt man diesen Sachverhalt über die mittlere kinetische Energie in x-Richtung
1
1 N ⎛1
1 N
2
2 ⎞
E kin , x = m v x = ∑ ⎜ m v xi ⎟ = ∑ E kin , xi
2
N i =1 ⎝ 2
⎠ N i =1
in die obige Gleichung ein, so folgt
1
pV = N m v x2 = 2 N m v x2 = 2 N E kin , x
2
und nach einem Vergleich mit
pV = N k B T
die Identität.
1
1
E kin , x = m v x2 = k B T
2
2
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
48
Also ist die mittlere kinetische Energie in x-Richtung
gleich ½ kBT.
Da alle Richtungen gleichberechtigt sind gilt im Mittel
v x2 = v y2 = v z2
und
v 2 = v x2 + v y2 + v z2 = 3 v x2
Hieraus folgt wegen
1
v x2 = v 2
3
für die mittlere kinetische Energie der Moleküle eines
idealen Gases die Beziehung
1
1
3
E kin = m v 2 = m 3 v x2 = k B T
2
2
2
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
49
Die mittlere kinetische Energie ist proportional zur absoluten Temperatur, d.h. die absolute Temperatur ist
ein Maß für die Translationsbewegung der Moleküle.
(Moleküle können auch Rotations- und Schwingungsenergie
besitzen, die jedoch für die Druckberechnung irrelevant ist.)
Die Translationsenergie von n mol eines Gases mit N
Molekülen ist
1
3
3
E kin , g = N E kin = N m v 2 = N k B T = n RT
2
2
2
Die Translationsenergie eines Gases beträgt
3
k BT pro Moleküle
2
Hochschule Bremen
bzw.
3
R T pro Mol.
2
Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
50
Die Molekülgeschwindigkeit kann mit dem Mittelwert
von v2, d.h.
3k T 3 N A kB T 3 RT
v2 = B =
=
m
NA m
M
durch
v RMS = v 2 =
3kB T
=
m
3 RT
M
die quadratisch gemittelten Geschwindigkeiten (engl.
Root-Mean-Square (RMS)) abgeschätzt werden.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
51
Geschwindigkeitsverteilung von Molekülen
Die Molekülgeschwindigkeiten eines Gases werden
durch eine Verteilungsdichtefunktion fv(v) beschrieben.
f (v)
∫
∞
0
f v (v) dv = 1
∞
v = ∫ v f v (v) dv
f (v‘)
0
v RMS =
dv
Hochschule Bremen
vw _ vRMS
v
∫
∞
0
v 2 f v (v) dv
v
Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
52
Diese Verteilung wird Maxwell-Boltzmann-Geschwindigkeitsverteilung genannt. Es sei N die Gesamtzahl
aller Molekühle, dann gibt
dN = N f v (v) dv
die Anzahl der Moleküle an, die eine Geschwindigkeit
zwischen v und v + dv besitzen.
Die wahrscheinlichste Geschwindigkeit vw ist die Geschwindigkeit bei der die Verteilungsdichtefunktion
ihr Maximum annimmt.
Die Maxwell-Boltzmann-Geschwindigkeitsverteilung
kann mit Methoden der statistischen Mechanik ermittelt werden.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
53
Die Verteilungsdichtefunktion der Geschwindigkeitsverteilung lautet
3/ 2
⎛ mv 2 ⎞
4 ⎛ m ⎞
2
⎜⎜
⎟⎟ v exp⎜⎜ −
⎟⎟
f v (v ) =
π ⎝ 2 k BT ⎠
⎝ 2 k BT ⎠
Sie nimmt ihr Maximum bei der wahrscheinlichsten
Geschwindigkeit
2 k BT
vw =
m
an. Ein Vergleich von vw mit
v RMS =
Hochschule Bremen
3 k BT
m
Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
54
liefert
3
vw
2
d.h. die quadratisch gemittelte Geschwindigkeit ist um
den Faktor 3 / 2 größer als die wahrscheinlichste Geschwindigkeit vw.
v RMS =
Man kann die Maxwell-Boltzmann-Verteilung auch
durch die Verteilung der kinetischen Energie Ekin ausdrücken. Mit der Energieverteilungsdichtefunktion
fE(Ekin) ergibt sich die Anzahl der Moleküle mit einer
kinetischen Energie zwischen Ekin und Ekin + dEkin zu
dN = N f E ( E kin ) dE kin
Hochschule Bremen
Wegen
Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
E kin =
folgt aus
55
1
m v 2 und dE kin = m v dv
2
N f v (v) dv = N f E ( E kin ) dE kin
und
⎛ mv 2 ⎞
⎟⎟ dv
f v (v) dv = C v exp⎜⎜ −
⎝ 2 k BT ⎠
2
⎛ mv 2 ⎞
v
⎟⎟ m v dv
= C exp⎜⎜ −
m
⎝ 2 k BT ⎠
=C
Hochschule Bremen
⎛ E kin ⎞
2 E kin
⎟⎟ dE kin = f E ( E kin ) dE kin
exp⎜⎜ −
3
m
⎝ k BT ⎠
Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
56
mit
3/ 2
4 ⎛ m ⎞
⎟⎟
⎜⎜
C=
π ⎝ 2 k BT ⎠
die Energieverteilungsdichtefunktion
4 ⎛ m ⎞
⎟⎟
⎜⎜
f E ( E kin ) =
π ⎝ 2 k BT ⎠
=
2 ⎛ 1 ⎞
⎟⎟
⎜⎜
π ⎝ k BT ⎠
3/ 2
3/ 2
2
m3
E kin
⎛ E kin ⎞
⎟⎟
exp⎜⎜ −
⎝ k BT ⎠
⎛ E ⎞
E kin exp⎜⎜ − kin ⎟⎟
⎝ k BT ⎠
der Maxwell-Boltzmann-Energieverteilung.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
57
5.5 Zustandsänderung realer Gase
5.5.1 Van-der-Waalssche Zustandsgleichung
Bei Normdruck zeigen die meisten Gase ideales Verhalten. Mit steigendem Druck oder sinkender Temperatur weichen reale Gase aber immer stärker vom
idealen Verhalten ab, da die Gasdichte zu- und der
Teilchenabstand abnimmt. D.h.
•
•
die Anziehungskräfte zwischen den Molekülen und
das Eigenvolumen der Gase
dürfen nicht mehr vernachlässigt werden.
Die Van-der-Waalssche Zustandsgleichung trägt diesem Sachverhalt Rechnung. Sie beschreibt das verhalten realer Gase über weite Druckbereiche besser als
die Zustandsgleichung idealer Gase.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
58
Die Van-der-Waalssche Zustandsgleichung lautet für
n mol eines Gases
⎛
a n2 ⎞
⎜⎜ p + 2 ⎟⎟ (V − b n ) = n R T
V ⎠
⎝
wobei über b das Eigenvolumen der Gasmoleküle eines Mols und über den Term a n2/v2 die Anziehung
der Gasmoleküle berücksichtigt werden.
Die für die Parameter a und b einzusetzenden Werte
hängen von der betrachteten Gasart ab. Sie werden
experimentell bestimmt.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
59
5.5.2 Verlauf der Isothermen realer Gase
pV-Diagramm
D
Oberhalb der sogenannten kritischen Temperatur
gehorchen die Isothermen
recht gut der van-derWaalsschen Zustandsgleichung.
Unterhalb der kritischen
Temperatur beschreibt die
van-der-Waalssche Zustandsgleichung die Isothermen nur noch außerhalb des schraffierten
Bereichs hinreichend
korrekt.
Hochschule Bremen
Gebiet des idealen Gases
K
B
C
Koexistenzgebiet
Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
A
60
Zustand A
Die Gasmenge nimmt bei T < Tkrit bzw. ϑ < ϑkrit und niedrigem
Druck ein großes Volumen ein.
Komprimieren von Zustand A nach B bei T=const.
⇒
der Druck nimmt zu
Komprimieren von Zustand B nach C bei T=const.
⇒
der Druck steigt nicht mehr weiter an, sondern das Gas
beginnt sich bei konstantem Druck zunehmend von B
nach C zu verflüssigen. (Entlang der horizontalen Strecke
BC stehen Gas und Flüssigkeit im Gleichgewicht.)
Zustand C
Die Gasmenge ist vollständig verflüssigt.
Komprimieren von Zustand C nach D bei T=const.
⇒
kleine Volumenänderungen erfordern extrem hohe Druckzunahmen, da Flüssigkeiten nahezu inkompressibel sind.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
Dampfdruck
Dampfdruck von Wasser
Der konstante Druck,
bei dem Gas und Flüssigkeit bei einer bestimmten Temperatur
im Gleichgewicht stehen wird Dampfdruck
genannt.
t in °C
P in hPa
0
20
40
60
80
100
120
6,11
23,4
73,8
199
474
1013,25
1985
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
61
62
Kritischer Punkt
Der maximale
Dampfdruckpunkt
wird als kritischer
Punkt bezeichnet
(Gipfel des Koexistenzgebietes).
kritische Temperatur1) einiger Stoffe
Stoff
Tkrit in K
Helium
5,3
Kohlendioxid
304,2
Neon
44,4
Sauerstoff
154,8
Schwefeldioxid
430,9
Wasserstoff
33,3
Wasser
647,4
1) Oberhalb seiner kritischen Temperatur kann ein Gas nicht mehr verflüssigt werden.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
63
5.5.3 Phasendiagramm
Die graphische Darstellung des Drucks eines Stoffes
als Funktion der Temperatur bei konstantgehaltenem
Volumen bezeichnet
man als PhasendiaP
gramm.
kritischer
flüssiges
B
Die verschiedenen
Zustände fest, flüssig und gasförmig
werden Phasen genannt.
Hochschule Bremen
Punkt
Wasser
A
Eis
PTr
=6,105 hPa
Tripelpunkt
C
Dampf
TTr=273,16 K
Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
T
64
Die drei Phasengrenzlinien sind die
A: Dampfdruckkurve
Phasegrenzlinie zwischen flüssigem und gasförmigem Zustand
B: Schmelzkurve
Phasegrenzlinie zwischen festem und flüssigem
Zustand
C: Sublimationskurve1)
Phasegrenzlinie zwischen festem und gasförmigem
Zustand
1)
Den direkten Übergang vom festen in den gasförmigen Zustand nennt
man Sublimation.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
65
5.6 Wärme
5.6.1 Wärmekapazität
Führt man einer Substanz Wärmeenergie zu, dann steigt
in aller Regel die Temperatur (Phasenübergänge wie
Schmelzen oder Verdampfen ausgenommen).
Die für eine Temperaturänderung nötige Wärmemenge
Q ist proportional zu T und zur Masse m der betrachteten Substanz, d.h.
Q = C ΔT = m c ΔT
Hierbei bezeichnet
•
•
C die Wärmekapazität, d.h. die zur Erwärmung der Substanzmenge um 1 K (1 °C) erforderliche Wärmemenge
c die spezifische Wärmekapazität, d.h. die Wärmekapazität
pro Masseneinheit der Substanz c = C/m
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
66
Die Einheit der Wärmemenge war früher die Kalorie.
Sie wurde definiert als die zur Erwärmung von 1g
Wasser um 1°C notwendige Wärmemenge.
Heute ist die SI-Einheit Joule gebräuchlich mit
1 cal = 4,184 J
Die spezifische Wärmekapazität des Wassers ergibt
sich somit zu
cwasser = 1 cal/(g·°C) = 1 kcal/(kg·°C)
= 1 kcal/(kg·K) = 4,184 kJ/(kg·K)
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
67
Messung zeigen eine geringe Temperaturabhängigkeit von cwasser. Zwischen 0°C und 100°C sind die
Abweichungen kleiner 1%.
Das Produkt aus spezifischer Wärmekapazität c und
molarer Masse M gibt die molare Wärmekapazität,
d.h. die Wärmekapazität pro Mol,
Cm = M c
an. Die Wärmekapazität von n mol eines Stoffes ist
C = n Cm
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
68
Spezifische Wärmekapazität c und molare Wärmekapazität
Cm einiger Flüssigkeiten und Festkörper bei 20°C
Substanz
c in kJ/(kg·K)
C in J/(mol·K)
Aluminium
0,9
24,3
Blei
0,128
26,4
Gold
0,126
25,6
Kupfer
0,386
24,5
Quecksilber
0,140
28,3
Silber
0,233
24,9
Wolfram
0,134
24,8
Zink
0,387
25,2
Ethanol
2,4
111
Wasser
4,18
75,2
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
69
Die spezifische bzw. molare Wärmekapazität von
Gasen hängt von den Versuchsbedingungen, z.B.
von der Volumenänderung des Gases und der dafür
aufzuwendenden Volumenänderungsarbeit, ab.
Für die Praxis von Bedeutung sind
a)
b)
Temperaturänderungen bei konstantem Volumen, die
isochore Wärmekapazität wird mit dem Index ”V”
gekennzeichnet, d.h. CV, cV, CV,m
Temperaturänderungen bei konstantem Druck, die
isobare Wärmekapazität wird mit dem Index ”p”
gekennzeichnet, d.h. Cp, cp, Cp,m
(Bei Flüssigkeiten und Festkörpern ist wegen der meist geringen Volumenänderung / Volumenänderungsarbeit keine Unterscheidung notwendig, d.h. C = Cp ≈ CV)
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
70
5.6.2 Kalorimetrie
m2, c2
m1, c1
mB, cB
Hochschule Bremen
Mischungskalorimeter
m1 Masse und
c1 spez. Wärmekapazität
der Flüssigkeit
m2 Masse und
c2 spez. Wärmekapazität
des Festkörpers
mB Masse und
cB spez. Wärmekapazität
des Behälters
Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
71
Wärmekapazitäten werden mit Kalorimetern gemessen.
Die Flüssigkeitsfüllung (meist Wasser) des Kalorimeters habe die Masse m1 und die Anfangstemperatur T1.
Nach Eintauchen eines Körpers der m2 mit der Temperatur T2 stellt sich nach einiger Zeit die Mischtemperatur Tm ein. Der Körper gibt die Wärmemenge
QK ,ab = m2 c 2 (T2 − Tm )
ab. Die Flüssigkeit und der Behälter des Kalorimeters
nehmen die Wärmemenge
QF ,auf = m1c1 (Tm − T1 )
und
QB ,auf = m B c B (Tm − T1 ) = C B (Tm − T1 )
auf.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
72
Hier bezeichnet mB und cB die Masse und die spezifische Wärmekapazität bzw. CB die Wärmekapazität des
Kalorimeterbehälters.
Da Qab = Qauf ist, gilt die Energiebilanzgleichung
QK ,ab = QF ,auf + QB ,auf
und damit
m2 c 2 (T2 − Tm ) = (m1c1 + C B )(Tm − T1 )
Umstellen liefert für die zu messende spezifische Wärmekapazität des Körpers den Ausdruck
(m1c1 + C B )(Tm − T1 )
c2 =
m2 (T2 − Tm )
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
73
5.6.3 Phasenumwandlung
Wird einer Substanz bei konstantem Druck Wärme
zugeführt dann steigt i.a. ihre Temperatur.
Wenn sich die Temperatur trotz Wärmezufuhr nicht
erhöht, so findet i.d.R. ein Phasenübergang statt.
Wichtigste Phasenübergänge sind bei
a) Wärmezufuhr
•
•
•
schmelzen (fest → flüssig)
verdampfen (flüssig → gasförmig)
sublimieren (fest → gasförmig)
b) Wärmeabfuhr
•
•
•
kondensieren (gasförmig → flüssig)
erstarren (flüssig → fest)
desublimieren (gasförmig → fest)
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
74
Latente Wärme
Bei allen Phasenübergängen wird Wärme zu- bzw.
abgeführt ohne dass sich die Temperatur ändert. Diese Wärme bezeichnet man deshalb als latente (verborgene) Wärme.
Die Phasenübergänge lassen sich mit Hilfe der Theorie des molekularen Aufbaus der Substanzen erklären.
Wird z.B. der Phasenübergang von flüssig nach gasförmig betrachtet, dann dient die zugeführte Wärme
zur Überwindung der Anziehungskräfte zwischen den
Molekülen, d.h. die
Hochschule Bremen
•
•
Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
75
kinetische Energie bleibt konstant
(also auch T=const.)
potentielle Energie der Moleküle erhöht sich
Bei jeder Substanz finden die Phasenübergänge bei
bestimmten Temperaturen der
• Verdampfungstemperatur / auch Siedepunkt
genannt, (flüssig ↔ gasförmig)
• Schmelztemperatur / auch Schmelzpunkt
genannt, (fest ↔ flüssig)
statt.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
76
Zur Phasenumwandlung der Masse m einer bestimmten Substanz werden die folgenden Wärmemengen benötigt.
nach
fest
flüssig
gasförmig
_________
Schmelzwärme
Q = m⋅qS
Sublimationswärme
Q = m⋅(qS+ qV) 1)
Verdampfungswärme
Q = m⋅ qV
von
fest
Erstarrungswärme
Q = - m⋅qS
Desublimationswärme
Q = - m⋅(qS+ qV)
flüssig
gasförmig
1)
_________
Kondensationswärme
Q = - m⋅ qV
_________
qS und qV bezeichnen die spezifische Schmelz- bzw. Verdampfungswärme der betreffenden Substanz.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
77
Temperaturverlauf von Wasser bei Wärmezufuhr
ϑ [°C]
100
200
793
Siedepunkt
spez.
Verdampfungswärme
kJ
kg
v
q = 2257
3050
p = 1013,25 hPa
80
60
spezifische
Wärmekapazität
kJ
kg·K
40
q = 344
20
0
c = 4,184
spez. Schmelzwärme
kJ
s
kg
41
-20
Schmelzpunkt
375
c = 2,05
200
Hochschule Bremen
kJ
kg·K
400
600
800
1000
3000
Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
Q [kJ/kg]
78
Schmelz- und Siedepunkt sowie spez. Schmelz- und Verdampfungswärme einiger Substanzen bei 1013,25 hPa.
Substanz
Schmelzpunkt
in K
qS
in kJ/kg
Siedepunkt
in K
qV
in kJ/kg
Blei
600
24,7
2023
858
Gold
1336
62,8
3081
1701
Kupfer
1356
205
2839
4726
Quecksilber
234
11,3
630
296
Silber
1234
105
2436
2323
Zink
692
102
1184
1768
Ethanol
159
109
351
879
Sauerstoff
54,4
13,8
90,2
213
Stickstoff
63
25,7
77,35
199
Wasser
273,15
334
373,15
2257
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
79
5.7 Wärmeübertragung
Wärmetransportmechanismen
•
Wärmeleitung
-
•
Konvektion / Wärmemitführung
-
•
Energieübertragung durch Molekülstöße bzw. gekoppelte Gitterschwingungen (Phononentransport)
Wärmeübertragung durch frei oder erzwungene
Strömung von Materie (Massentransport)
Wärmestrahlung
-
Hochschule Bremen
Wärmeübertragung durch elektromagnetische
Wellen (Photonentransport)
Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
80
5.7.1 Wärmeleitung
Die Enden eines zylindrischen wärmeleitenden Stabes
werden, z.B. durch Wasserdampf und Eisbad, auf unterschiedlichen Temperaturen gehalten.
I=ΔQ / Δt
Wasserdampf
Eisbad
wärmeleitender Stab
Nach einiger Zeit stellt sich ein stationärer gleichmässig vom warmen zum kalten Ende abnehmender Temperaturverlauf ein.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
81
Aus der Temperaturänderung ΔT entlang eines kleinen
Stabstückes der Länge Δx berechnet sich der Temperaturgradient zu ΔT/Δx.
T
373,15 K
ΔT
273,15 K
Δx
x
In der Zeit Δt fließt die Wärmemenge ΔQ durch den
Stab. Der Wärmestrom der dem Temperaturgradienten
stets proportional ist ergibt sich dann zu
ΔT
ΔQ
=λA
I=
Δt
Δx
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
82
wobei A den Querschnitt des Stabes angibt und
⎡ W ⎤
λ in ⎢
⎥
m
K
⎣
⎦
eine materialspezifische Proportionalitätskonstante,
die sogenannte Wärmeleitfähigkeit, bezeichnet.
Auflösen nach ΔT liefert
Δx
ΔT =
I = RL I
λA
mit dem Wärmewiderstand
Δx
⎡K⎤
RL =
in ⎢ ⎥
λA
⎣W⎦
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
83
Wärmestrom durch unterschiedlich wärmeleitende
Schichten
T2
T1
T3
Es seien T1 > T2 > T3.
Nach dem sich ein
stationärer Zustand
eingestellt hat muss
I
I
der nun konstante
Wärmestrom durch
beide Schichten derRL,1
RL,2
selbe sein und es gilt
T1 − T2 = RL ,1 I
und
T2 − T3 = RL , 2 I
wobei RL,1 und RL,2 die Wärmeleitungswiderstände
der beiden Schichten bezeichnet.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
84
Addieren der beiden Gleichungen liefert schließlich
ΔT = T1 − T3 = (RL ,1 + RL , 2 ) I = RL , ges I
Hierbei gibt RL,ges= RL,1+ RL,2 den Wärmeleitungswiderstand der gesamten Schichtanordnung, d.h. die
Reihenschaltung der Wärmewiderstände der einzelnen Schichten, an.
Dieses Prinzip der Reihenschaltung kann auf beliebig viele Schichten verallgemeinert werden, z.B. für
n-Schichten gilt
n
RL , ges = ∑ RL ,i
i =1
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
85
Wärmeleitfähigkeit λ einiger Materialien
Substanz λ in W/(m·K)
Substanz
λ in W/(m·K)
Aluminium
237
Beton
0,19 – 1,3
Eisen
80,4
Glas
0,7 – 0,9
Gold
318
Holz
0,11 – 0,15
Kupfer
401
Mineralfaser
0,04
Silber
429
Wasser
0,609
Stahl
46
Luft
0,026
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
86
5.7.2 Wärmeübergang
Grenzen zwei Medien unmittelbar aneinander, z.B.
Luft an Wand, so wird beim Wärmetransport an
der Übergangsstelle eine Temperaturdifferenz beobachtet.
Diese Erscheinung bezeichnet man als Wärmeübergang.
T
Medium 1
Medium 2
T1
T2
dx
Hochschule Bremen
x
Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
87
Am Wärmeübergang können je nach Aggregatszustand
der Medien und Beschaffenheit der Grenzflächen
•
•
•
Wärmeleitung
Wärmestrahlung
Konvektion
beteiligt sein.1)
Für den Wärmestrom I gilt
I = α A ΔT = ΔT RÜ
wobei α den für die jeweilige Übergangsstelle charakteristischen Wärmeübergangskoeffizienten bezeichnet.
1)
Die Annahme des Temperatursprungs ΔT im Bereich verschwindend kleiner
Dicken Δx stellt nur eine näherungsweise Beschreibung der komplexen Zusammenhänge dar.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
88
5.7.3 Wärmedurchgang
Den Wärmetransport durch mehrschichtige Wände
beschreibt man allgemein durch die Beziehung
I = k A ΔT = ΔT RD
Der Proportionalitätsfaktor k wird dabei Wärmedurchgangskoeffizient genannt. Er lässt sich durch
die Wärmeleitfähigkeiten λi und die Wärmeübergangskoeffizienten αi ausdrücken.
Es gilt
n
Δxi n +1 1
1
=∑
+∑
k i =1 λi
i =1 α i
bzw.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
89
n
n
n +1
Δxi n +1 1
1
RD =
=∑
+∑
= ∑ R L ,i + ∑ RÜ ,i
k A i =1 λi A i =1 α i A i =1
i =1
T
T1
α3
α2
α1
λ1
λ2
α4
λ3
x
T2
Δx1
Hochschule Bremen
Δx2
Δx3
Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
x
90
5.7.4 Konvektion
Freie Konvektion
Die in Flüssigkeiten und Gasen durch ungleichmäßige
Erwärmung entstehenden Dichteunterschiede führen
zur Ausbildung von Flüssigkeits- bzw. Gasströmungen,
der sogenannten freien Konvektion. Die Moleküle des
strömenden Mediums führen dabei thermische Energie
mit sich.
Erzwungene Konvektion
Wird die Bewegung des zum Transport thermischer
Energie dienenden Stoffes vorwiegend durch äußere
Kräfte, z.B. durch Pumpen oder Ventilatoren, bewirkt,
so spricht man von erzwungener Konvektion.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
91
5.7.5 Wärmestrahlung
Im thermischen Gleichgewicht, d.h. T1 = T2, gilt
Abgestrahlte Leistung = Empfangene Leistung ≠ 0
Bei Temperaturdifferenz gilt
Netto-Wärmestrom = Differenz aus abgestrahlter und
empfangener Leistung
Die Strahlungsleistung einer Oberfläche hängt von der
•
•
Temperatur (nichtlineare Abhängigkeit, heiße Körper
strahlen überproportional stärker)
Beschaffenheit
der Oberfläche ab.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
92
Absorptionsgrad
absorbierte Strahlung Pa
α=
=
einfallende Strahlung Pe
Pe
Reflexionsgrad
ρ=
reflektierte Strahlung Pr
=
einfallende Strahlung Pe
Pr
Transmissionsgrad
τ=
transmittierte Strahlung Pt
=
einfallende Strahlung
Pe
Hochschule Bremen
Pt
Pa
α + ρ + τ = 1,
da
Pe = Pr + Pa + Pt
Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
93
Für nichttransparente Stoffe, d.h. τ = 0, gilt
ρ = 1−α
Im allgemeinen sind α, ρ und τ Funktionen der Frequenz f bzw. Wellenlänge λ ( f = c/λ ).
•
•
•
Ein Körper, der die gesamte auf ihn einfallende Strahlung
absorbiert, d.h. es gilt α = 1 für alle Frequenzen bzw. Wellenlängen und Temperaturen, heißt schwarzer Strahler.
Körper, die die einfallende Strahlung nicht vollständig absorbiert heißen graue Strahler, sofern über dem gesamte
Frequenz- bzw. Wellenlängenbereich α = const. < 1 gilt.
Einen Körper mit ρ = 1 nennt man einen weißen oder
ideal spiegelnden, einen Körper mit τ = 1 einen absolut
durchlässigen oder absolut transparenten Körper.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
94
Schematischer Aufbau eines Hohlraumstrahlers
(schwarzen Körpers)
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
95
Kirchhoffsches Gesetz
Spiegel
T
Platte 1
P1, α1
T
Spiegel
Platte 2
P2, α2
Pi = Strahlungsleistung, αi = Absorptionsgrad
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
96
Die auf die Platte 1 bzw. Platte 2 einfallende Strahlungsleistung ergibt sich zu
P2 + ρ 2 P1 = P2 + (1 − α 2 ) P1
bzw.
P1 + ρ1 P2 = P1 + (1 − α 1 ) P2
Für die einfallenden Strahlungsleistungen muss
P2 + (1 − α 2 ) P1 = P1 + (1 − α 1 ) P2
gelten, da sonst trotz anfänglich gleicher Temperatur ein kontinuierlicher Energiestrom von einer zur
anderen Platte flösse und somit von selbst ein Temperaturunterschied entstünde.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
97
Umformen liefert über
P2 + P1 − α 2 P1 = P1 + P2 − α 1 P2
schließlich
P1 P2
=
= const. ⇒ P1 ∝ α 1 , P2 ∝ α 2
α1 α 2
Nun sei Platte 2 ein schwarzer Körper, d.h.
α 2 = α s ≡ 1 und P2 = Ps
Daraus folgt mit
Hochschule Bremen
P1 = α 1 Ps
Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
98
das Kirchhoffsche-Strahlungsgesetz
α1 = ε1
wobei ε1 den Emissionsgrad der Platte 1 bezeichnet.
Folgerungen
• je besser eine Fläche absorbiert desto besser
strahlt sie ab
• schwarze Flächen absorbieren nicht nur am
besten, sie strahlen auch am meisten
• die Strahlungsleistung P einer Fläche kann auf
die eines schwarzen Körpers gleicher Fläche
bezogen werden, d.h. ε = P/Ps
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
99
Stefan-Boltzmann Gesetz
Nach dem Stefan-Boltzmann Gesetz ergibt sich die
Strahlungsleistung eines schwarzen Körpers der
Fläche A zu
Ps = σ A T 4
mit der Konstanten
2 π 5 k B4
W
−8
σ =
=
⋅
5
,
67
10
15 c 2 h 3
m2 K4
wobei kB die Boltzmann-Konstante, c die Vakuumlichtgeschwindigkeit und h das Plancksche Wirkungsquatum bezeichnet.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
100
Für einen grauen Körper der Fläche A erhält man
wegen des Kirchhoffschen Gesetzes
P = α Ps = ε Ps
Ein grauer Körper der Temperatur T1 emittiert die
Leistung
Pe = ε σ A T14
und absorbiert gleichzeitig die von der Umgebung
mit der Temperatur T2 eingestrahlte Leistung
Pa = α σ A T24 = ε σ A T24
Die Nettostrahlungsleistung eines grauen Strahlers
mit der Temperatur T1 ist bei der Umgebungstemperatur T2
Pnetto = ε σ A (T14 − T24 )
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
101
Newtonsches Abkühlungsgesetz
Weicht die absolute Temperatur eines Körpers nur
wenig von der absoluten Umgebungstemperatur ab,
so ergibt sich aus
T14 − T24 = (T12 + T22 )(T12 − T22 ) = (T12 + T22 )(T1 + T2 )(T1 − T2 )
wenn man wegen T1 ≈ T2 in den Summen T2 durch T1
ersetzt
T14 − T24 ≈ (T12 + T12 )(T1 + T1 )(T1 − T2 ) = 4T13 ΔT
die Nettoleistung näherungsweise zu
Pnetto = ε σ A (T14 − T24 ) ≈ 4 ε σ A T13 (T1 − T2 )
D.h., die Abkühlungsgeschwindigkeit eines Körpers ist näherungsweise proportional zur Temperaturdifferenz von Körper
und Umgebung.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
102
5.8 Erster Hauptsatz der Thermodynamik
Der erste Hauptsatz der Thermodynamik macht eine
Aussage über die Energieerhaltung.
Er besagt, dass die Summe aus zu- und abgeführter
Wärmemenge Q und verrichteter oder zugeführter
Arbeit W gleich der Änderung der inneren Energie1)
ΔU ist, d.h.
ΔU = Q + W
Vorzeichenkonvention
Wärme bzw. Arbeit in
das System wird positiv
gezählt,
d.h. Q bzw. W > 0
Hochschule Bremen
System
ΔU
Wärme bzw. Arbeit
aus dem System
wird negativ gezählt,
d.h. Q bzw. W < 0
Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
103
In differentieller Form gilt für die Änderung der
inneren Energie
dU = dQ + dW
Die innere Energie ist eine Zustandsgröße, d.h. sie
beschreibt den jeweiligen Zustand des Systems
unabhängig davon auf welchem Weg dieser erreicht
wurde.
Die ausgetauschte Wärme Q und die am oder vom
System verrichtete Arbeit W sind Prozessgrößen, sie
werden vom konkreten Prozessverlauf bestimmt.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
104
Allgemeine Formulierung des 1ten Hauptsatzes
• In einem abgeschlossenen System bleibt die
Summe aller Energien konstant.
• Es gibt keine Maschine die ständig Arbeit abgibt,
ohne gleichzeitig entsprechende Energie aufzunehmen, d.h. es gibt kein Perpetuum Mobile 1ter Art.
Innere Energie idealer Gase
Aus der kinetischen Gastheorie folgt für die mittlere
kinetische Translationsenergie der Moleküle
3
3
E kin = n R T = N k B T
2
2
wobei n und N die Stoffmenge bzw. die Anzahl der
Molekül des Gases bezeichnet.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
105
Die Translationsbewegung besitzt 3 Freiheitsgrade (x-,
y- und z-Richtung). Auf jeden Freiheitsgrad entfällt je
Molekül die mittlere kinetische Energie
1
E kin = k B T
2
Neben den translatorischen Freiheitsgraden können die
Molekül Freiheitsgrade der Rotation und Schwingung
besitzen.
Gleichverteilungssatz
Befindet sich eine Substanz im Gleichgewicht, so entfällt auf jeden einzelnen Freiheitsgrad eine mittlere kinetische Energie von kBT/2 pro Teilchen.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
106
Dieser Gleichverteilungssatz liefert für die mittlere kinetische Energie eines Moleküls mit f Freiheitsgraden
f
E kin = k B T
2
Üben die Gasmolekühle keine Wechselwirkungen aufeinander aus, so ist die innere Energie durch die kinetische Energie der Moleküle, die nur von der Temperatur abhängt, gegeben.
f
f
U = n R T = N k BT
2
2
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
107
Freiheitsgrade der unterschiedlichen Molekülformen
Molkülform
Freiheitsgrade
Symbol
der
der
der
gesamt
Translation Rotation Schwingung
punktförmig
3
0
0
3
starre Hantel
3
2
0
5
schwingende
Hantel
3
2
2
7
starr,
mehratomig
3
3
0
6
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
108
5.9 Berechnung der Wärmekapazität
Wird einem Gas bei V = const. Wärme zugeführt, so
tritt keine Volumenänderungsarbeit auf, d.h. dW = 0.
Mit der zugeführten Wärmemenge
dQV = CV dT
folgt aus dem 1ten Hauptsatz der Thermodynamik
dQV = dU − dW = dU
der Zusammenhang
dU = CV dT
Hochschule Bremen
und
CV =
dU
dT
Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
109
Wird einem Gas bei p = const. Wärme zugeführt,
dann verrichtet das Gas beim Ausdehnen die Volumenänderungsarbeit
dW = − p dV
Mit der zugeführten Wärmemenge
dQ p = C p dT
und dem 1ten Hauptsatz der Thermodynamik
dQ p = dU + p dV = dH 1)
ergibt sich die innere Energie zu
1) Den
Term dH = dU + p dV bezeichnet man auch als die Änderrung der Enthalpie H. Diese ist definiert als H = U + p V.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
110
dU = C p dT − p dV
Durch Gleichsetzen von
dU = CV dT und dU = C p dT − p dV
erhält man
CV dT = C p dT − p dV
Umstellen liefert die Differenz der Wärmekapazitäten
dV
C p − CV = p
dT
Aus der Zustandsgleichung idealer Gase
pV = n R T
folgt mit dV/dT = n R/p schließlich
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
111
C p − CV = n R
Die isochore Wärmekapazität ergibt sich wegen
CV = dU dT
und der inneren Energie
f
f
U = n R T zu CV = n R
2
2
Für die isobare Wärmekapazität folgt
⎛f
⎞
C p = CV + n R = ⎜ + 1⎟ n R
⎝2
⎠
Der Quotient aus isobarer und isochorer Wärmekapazität wird Adiabatenexponent genannt.
C p C p ,m c p
2
κ=
=
=
= 1+
CV CV ,m cV
f
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
112
Cp,m
CV,m
κ
He
20,79
12,52
1,66
Ne
20,79
12,68
1,64
Ar
20,79
12,45
1,67
Kr
20,79
12,45
1,67
Xe
20,79
12,52
1,66
N2
29,12
20,80
1,40
H2
28,82
20,44
1,41
O2
29,37
20,98
1,40
CO
29,04
20,74
1,40
CO2
36,62
28,17
1,30
N2O
36,90
28,39
1,30
H2O
36,12
27,36
1,32
Gas
einatomig
zweiatomig
mehratomig
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
113
5.10 Spezielle Zustandsänderungen
idealer Gase
5.10.1 Isotherme Zustandsänderung
isotherme Kompression
Wärmebad
isotherme Expansion
Wärmebad
p(V)
p(V)
Q
T = const.
Hochschule Bremen
Q
T = const.
Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
114
Für die isotherme Zustandsänderung gilt
p V = n R T = const.
Im p,V-Diagramm ist die Isotherme eine Hyperbel.
p
p2
T1<T2<T3.
2
1
p1
W
V1
Hochschule Bremen
V2
T3 = const.
T2 = const.
T1 = const.
V
Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
115
Wird das Gas vom Anfangszustand 1 auf den Endzustand 2 komprimiert, so muss dem System Volumenänderungsarbeit zugeführt werden.
Wegen dT = 0 und damit dU = 0 lautet der 1te Hauptsatz hier
dQ = −dW = p dV
Die bei der Volumenänderung verrichtete Arbeit
errechnet sich zu
V2
V2
⎛ V1 ⎞
dV
W = − ∫ p dV = −n R T ∫
= n R T ln⎜⎜ ⎟⎟
V1
V
⎝ V2 ⎠
V1
Die Volumenänderungsarbeit entspricht der Fläche
unter der Kurve im p,V-Diagramm.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
116
5.10.2 Isochore Zustandsänderung
Für die isochore Zustandsänderung gilt
p nR
=
= const.
T
V
Im p,V-Diagramm ist die Isochore eine vertikale
Gerade.
p
p2
2
T2 = const.
p1
1
T1 = const.
V1 = V2
Hochschule Bremen
V
Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
117
Wird das Gas vom Anfangszustand 1 auf den Endzustand 2 isochor erwärmt, so muss dem System Wärme
zugeführt werden.
Wegen dV = 0 verrichtet das Gas keine Volumenänderungsarbeit. Der 1te Hauptsatz nimmt daher die
Form
dU = dQ
an. D.h. die ganze dem Gas zugeführte Wärme dient
ausschließlich der Erhöhung der inneren Energie
ΔU = U 2 − U 1 = ΔQ = CV ΔT = CV (T2 − T1 )
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
118
5.10.3 Isobare Zustandsänderung
isobare
Expansion
p = const.
Q
V(T)
isobare
Kompression
p = const.
Q
V(T)
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
119
Für die isobare Zustandsänderung gilt
V nR
=
= const.
T
p
Im p,V-Diagramm ist die Isobare eine horizontale
Gerade.
p
1
p1 = p2
2
T2 = const.
T1 = const.
V1
Hochschule Bremen
V2
V
Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
120
Aus der Zustandsgleichung des idealen Gases
pV = n R T
folgt für konstanten Druck durch Differentiation
dV
d ⎛ n RT ⎞ n R
⎜⎜
⎟⎟ =
=
⇒ p dV = n R dT
dT dT ⎝ p ⎠
p
Der 1te Hauptsatz lautet dann
dU = dQ − p dV = dQ − n R dT
Einsetzen von
dU = CV dT und C p − CV = n R
liefert schließlich
CV dT = dQ − (C p − CV )dT ⇒ dQ = C p dT
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
121
Es ist also
CV
1
f
dU CV
da
=
=
=
<1
Cp κ
f +2
dQ C p
Von der einem Gas zugeführten Wärmemenge dQ geht
der Bruchteil dU = CV /Cp dQ in die innere Energie des
Gases über. Die Differenz dQ – dU = (1 – CV /Cp) dQ
entfällt auf die Volumenänderungsarbeit.
Die bei der Volumenänderung von V1 auf V2 isobar
verrichtete Arbeit ist
W = − ∫ p dV = p(V1 − V2 ) = n R(T1 − T2 )
V2
V1
Die Volumenänderungsarbeit entspricht der Fläche
unter der Isobaren.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
122
5.10.4 Adiabatische Zustandsänderung
adiabatische
Expansion
Wärmeisolation
p(V,T)
ΔQ = 0
p↓, V↑, T↓
adiabatische
Kompression
ΔQ = 0
p(V,T)
p↑, V↓, T↑
Wärmeisolation
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
123
Für die adiabatische Zustandsänderung gilt dQ = 0.
Damit lautet der 1te Hauptsatz
dU = dW = − p dV
⇒ Adiabatische Expansion, dabei verrichtet das Gas
Arbeit auf Kosten seiner inneren Energie.
⇒ Adiabatische Kompression, dabei erhöht sich die
innere Energie des Gases um den Betrag der aufgewendeten Kompressionsarbeit.
Um den Zusammenhang zwischen den Zustandsgrößen
herzuleiten differenziert man pV = n R T und erhält
d
( pV ) = d (n R T ) ⇒ dp V + p dV = n R
dT
dT
dT
dT
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
124
bzw. nach Umformen
p dV + V dp
nR
Einsetzen in dU = CV dT liefert für den 1ten Hauptsatz
C
dU = V ( p dV + V dp ) = − p dV
nR
Berücksichtigt man ferner den Zusammenhang n R =
Cp - CV, so folgt
CV
( p dV + V dp ) = − p dV
C p − CV
dT =
⎛ CV
⎞
CV
⎜
+ 1⎟ p dV = −
V dp
⎜C −C
⎟
C p − CV
V
⎝ p
⎠
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
125
und schließlich
C p dV
dp
=−
CV V
p
Mit dem Adiabatenexponenten κ = CV/Cp ergibt sich
nach Integration
κ ln V = − ln p + const. ⇒ ln V κ + ln p = ln pV κ = const.
die Poissonsche Adiabatengleichung
pV κ = const.1)
Mit Hilfe des allgemeinen Gasgesetzes pV/T = const.
lässt sich die Adiabatengleichung auf andere Zustandsgrößenpaare umrechnen.
(
1) Der
)
ln ist eine streng monoton wachsende Funktion.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
126
Man erhält T V κ −1 = const. und
1−κ
T κ p 1−κ = const. bzw. T p κ = const.
Im p,V-Diagramm ist eine adiabatische Expansion
dargestellt. p
1
p1
T1 = const.
2
p2
V1
Hochschule Bremen
T2 = const.
W
V2
V
Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
127
Adiabaten verlaufen im p,V-Diagramm steiler als Isothermen, da der Druck wegen
const.
p=
, κ >1
κ
V
stärker sinkt bzw. steigt als bei der isothermen Expansion bzw. Kompression. Deshalb nimmt die Temperatur des Systems bei adiabatischer Expansion bzw.
Kompression ab bzw. zu.
Die Volumenänderungsarbeit ergibt sich wegen
p1V1κ = p V κ = const. ⇒ p = p1 V1κ V κ
durch Integration zu
V2
V2
V1
V1
W = − ∫ p (V ) dV = − p1V1κ ∫ dV V κ
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
128
p1V1κ −1 1
W =
κ − 1 V κ −1
V2
V1
p1V1κ −1 ⎛ 1
1 ⎞
⎜
=
− κ −1 ⎟⎟
κ −1
⎜
κ − 1 ⎝ V2
V1 ⎠
p1V1 ⎛ V1κ −1 ⎞
⎜⎜ κ −1 − 1⎟⎟
=
κ − 1 ⎝ V2
⎠
Die Volumenänderungsarbeit entspricht auch hier der
Fläche unter der Kurve im p,V-Diagramm.
Eine einfachere Berechnung der Volumenänderungsarbeit ermöglicht der 1te Hauptsatz. Wegen dQ = 0
folgt aus dW = dU = CV dT nach Integration
W = CV ∫ dT = CV (T2 − T1 ) = n CV ,m (T2 − T1 )
T2
T1
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
129
5.10.5 Polytrope Zustandsänderung
Vollkommen adiabatische oder isotherme Zustandsänderungen lassen sich in der Praxis nicht verwirklichen. Technische Vorgänge weisen Zustandsänderungen auf die zwischen denen von Adiabaten und
Isothermen liegen.
Diese sogenannten polytropen Zustandsänderungen
gehorchen der Zustandsgleichung
p V k = const.
wobei k den Polytropenexponenten mit
1< k <κ
angibt.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
130
Formal lassen sich alle behandelten Zustandsänderungen als Sonderfälle der polytropen Zustandsänderung mit
k −κ
dQ = C k dT und C k = CV
k −1
auffassen, wobei k Werte im Bereich 0 ≤ k < ∞ annimmt.
Polytrope Expansion bei unterschiedlichen Polytropenexponenten k.
k = 0 : isobare
k = 1 : isotherme
k = κ : adiabatische
k = ∞ : isochore
Zustandsänderung
Hochschule Bremen
p
p1
1
k<1
k=1
1<k<κ
k=κ
k>κ
V1
Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
V2
V
131
5.11 Kreisprozesse
Bei den sogenannten Kreisprozessen, bei denen das
System nach Durch- p
abgegebene
lauf einer Reihe von
Volumenänderungsarbeit
1
zugeführte
Zustandsänderungen p1
Volumenänderungsarbeit
in seinen AusgangsNutzarbeit
zustand zurückkehrt,
2
ist die Volumenände- p2
rungsarbeit betragsmäßig gleich der von
der p,V-Kurve umV1
V2
V
schlossenen Fläche.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
132
5.11.1 Carnotscher Kreisprozess
Beim Carnotschen Kreisprozess werden vier verschiedene Zustandänderungen durchlaufen.
Rechtsläufiger Prozess
p
pA
Q1
A
B
pB
pD
pC
T1
D
C
T2
Q2
VA VD
Hochschule Bremen
VB
VC
V
Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
133
A→B:
Unter Zufuhr der Wärmemenge Q1 aus dem Speicher
mit der höheren Temperatur T1 erfolgt eine isotherme
Expansion von VA auf VB bei T1.
gewonnene Ausdehnungsarbeit
⎛V ⎞
W AB = n R T1 ln⎜⎜ A ⎟⎟ < 0
⎝ VB ⎠
isotherme Expansion
T1
Q1
Q1 = −W AB , W AB = Q1
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
134
B→C:
Adiabatische Expansion, wobei sich das Gas auf die
Temperatur des kälteren Speichers T2 abkühlt. Wegen
des Wärmeabschlusses findet kein Wärmeaustausch
zwischen dem Gas und den Wärmespeichern statt.
gewonnene Ausdehnungsarbeit
WBC = CV (T2 − T1 )
adiabatische Expansion
Wärmeisolation
= n CV ,m (T2 − T1 ) < 0
Hochschule Bremen
T1 → T2
Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
135
C→D:
Isotherme Kompression von VC auf VD bei T2, wobei
die Wärmemenge Q2 an den kälteren Speicher der
Temperatur T2 abgeführt wird.
aufgewendete Arbeit
WCD
⎛ VC
= n R T2 ln⎜⎜
⎝ VD
⎞
⎟⎟ > 0
⎠
isotherme Kompression
T2(<T1)
Q2
WCD = −Q2 , WCD = Q2
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
136
D→A:
Adiabatische Kompression, wobei sich das Gas auf
die Temperatur des wärmeren Speichers T1 erwärmt.
Wegen des Wärmeabschlusses findet kein Wärmeaustausch zwischen dem Gas und den Wärmespeichern
statt.
adiabatische Kompression
aufgewendete Arbeit
WDA = CV (T1 − T2 )
Wärmeisolation
= n CV ,m (T1 − T2 )
T2 → T1
>0
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
137
Die gesamte Arbeit nach einem Umlauf errechnet sich
zu
W = W +W +W +W
AB
BC
CD
DA
Mit WBC = -WDA erhält man
⎛
⎛ VC ⎞ ⎞
⎛ VA ⎞
⎜
W = W AB + WCD = n R⎜ T1 ln⎜⎜ ⎟⎟ + T2 ln⎜⎜ ⎟⎟ ⎟⎟
⎝ VD ⎠ ⎠
⎝ VB ⎠
⎝
Ausnutzen der Poissonschen Adiabatengleichungen
T1V Aκ −1 = T2VDκ −1 , T1V Bκ −1 = T2VCκ −1
liefert dann schließlich wegen
V A VD
=
V B VC
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
138
den Ausdruck
⎛
⎛V ⎞
⎛ VB ⎞ ⎞
⎛ VA ⎞
⎜
W = n R⎜ T1 ln⎜⎜ ⎟⎟ + T2 ln⎜⎜ ⎟⎟ ⎟⎟ = n R(T1 − T2 ) ln⎜⎜ A ⎟⎟
⎝ VB ⎠
⎝ VA ⎠⎠
⎝ VB ⎠
⎝
Die Nutzarbeit, d.h. |W|, kann auch als Differenz der
zu- und abgeführten Wärmemenge gemäß
W = Q1 − Q2 = Q1 + Q2
berechnet werden.
Der thermische Wirkungsgrad ist definiert als Quotient aus Nutzarbeit und zugeführter Wärmeenergie
W Q1 − Q2 Q1 + Q2
Q
η=
=
=
= 1+ 2
Q1
Q1
Q1
Q1
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
139
woraus für den Carnot-Prozess mit
⎛V ⎞
Q1 = − n R T1 ln⎜⎜ A ⎟⎟
⎝ VB ⎠
und
⎛ VD ⎞
⎛ VA ⎞
⎜
⎟
Q2 = n R T2 ln⎜ ⎟ = n R T2 ln⎜⎜ ⎟⎟
⎝ VB ⎠
⎝ VC ⎠
folgt
n R(T1 − T2 ) ln (V B V A ) T1 − T2
=
ηC =
n RT1 ln (V B V A )
T1
Der thermische Wirkungsgrad des Carnot-Prozesses
wird allein durch die Temperaturen der beiden Wärmespeicher bestimmt und ist stets kleiner als 1.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
140
Energieflussdiagramm der Wärmekraftmaschine
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
141
Nur ein Teil der dem oberen Wärmespeicher entnommenen Wärmemenge Q1 wird durch die Wärmekraftmaschine in Nutzarbeit umgesetzt. Der andere Teil,
d.h.
T
Q2 = (η C − 1) Q1 = − 2 Q1
T1
wird vom System an den unteren Wärmespeicher als
Abwärme abgegeben.
Um einen hohen Wirkungsgrad zu erzielen, muss die
Wärme bei möglichst
• hoher Temperatur zugeführt und
• niedriger Temperatur abgeführt
werden. Ein Wirkungsgrad ηC nahe 1 ⇒ T2 nahe absolutem Nullpunkt.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
142
Linksläufiger Prozess
Durchläuft man den
Kreisprozess im Gegenuhrzeigersinn, d.h.
A-D-C-B-A, so kehren
sich die Vorzeichen der
Wärmemengen Q und
Arbeiten W um.
p
pA
Q1
A
B
pB
T1
pD
D
pC
C
T2
Q2
VA VD
VB
VC
V
Der Carnot-Prozess arbeitet dann als
• Kältemaschine
• Wärmepumpe
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
143
Kältemaschine
Bei einer Kältemaschine wird durch Zuführung mechanischer Arbeit eine bestimmte Wärmemenge Q2 aus
dem kälteren Speicher, z.B. das innere eines Haushaltskühlschranks, aufgenommen und dem wärmeren Speicher, d.h. dem Raum in dem sich der Kühlschrank befindet, die Wärmemenge
Q1 = W + Q2
zugeführt. Bei einer Kältemaschine ist die Leistungszahl
εK =
Hochschule Bremen
Q2 aus Kühlraum entzogene Wärme
=
dafür aufgewendete Arbeit
W
Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
144
maßgebend für den mit der aufgewendeten Arbeit W
aus einem Kühlraum erreichbare Wärmeentzug Q2.
Für den linksläufigen Carnot-Prozess erhält man mit
V
V
Q2 = n R T2 ln C = n R T2 ln B
VD
VA
und
V
W = n R (T1 − T2 ) ln B
VA
die Leistungszahl
V
n R T2 ln B
Q
VA
T2
=
ε K ,C = 2 =
V
W
T1 − T2
n R (T1 − T2 ) ln B
VA
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
145
Energieflussdiagramm der Kältemaschine
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
146
Wärmepumpe
Bei einer Wärmepumpe wird durch Zuführung mechanischer Arbeit einem wärmeren Speicher, z.B. der Heizungsanlage eines Hauses, eine bestimmte Wärmemenge Q1 zugeführt, und dafür einem kälteren Speicher,
d.h. einem Fluss, See etc., die Wärmemenge
Q2 = Q1 − W
entzogen. Bei einer Wärmepumpe ist die Leistungszahl
Q1 an Heizungsanlage abgegebene Wärme
εP =
=
W
dafür aufgewendete Arbeit
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
147
maßgebend für die mit der aufgewendeten Arbeit W an
eine Heizungsanlage abgebbare Wärmemenge Q1.
Für den linksläufigen Carnot-Prozess erhält man mit
V
V
Q1 = − n R T1 ln C = − n R T1 ln B
VD
VA
und
V
W = n R (T1 − T2 ) ln B
VA
die Leistungszahl
V
n R T1 ln B
Q1
VA
T1
=
=
ε P ,C =
V B T1 − T2
W
n R (T1 − T2 ) ln
VA
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
148
Energieflussdiagramm der Wärmepumpe
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
149
5.11.2 Technische Kreisprozesse
Stirling-Prozess (Heißgasmaschine)
p
1
2 Isothermen
2 Isochoren
Q12
Q41
T1
4
2
W
Q23
Q34
T2
3
V
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
150
V
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
151
1→2:
Arbeits- und Verdrängerkolben bewegen
sich beide nach unten, die auf T1 erwärmte
Luft expandiert und verrichtet dabei Ausdehnungsarbeit.
2→3:
Der Arbeitskolben bewegt sich im Bereich
des unteren Umkehrpunkts nur wenig, d.h.
V ≈ const., der Verdrängerkolben bewegt
sich dagegen nach oben und lässt dadurch
die heiße Luft von oben in das kältere Wärmereservoir unten strömen. Dabei nimmt
die Kupferwolle die Wärmemenge Q23 auf
und speichert sie.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
152
3→4:
Der Verdrängerkolben befindet sich im
Bereich des oberen Umkehrpunkts, der
Arbeitskolben bewegt sich nach oben und
komprimiert die auf T2 abgekühlte Luft.
4→1:
Wenn der Arbeitskolben den oberen Umkehrpunkt erreicht, d.h. V ≈ const., transportiert der Verdrängerkolben die komprimierte kalte Luft wieder in das obere Wärmereservoir. Beim durchströmen der Kupferwolle nimmt die Luft die Wärmemenge
Q41 wieder auf.
Für Q23 = - Q41, d.h. bei idealer Zwischenspeicherung (in der
Kupferwolle), ist der thermische Wirkungsgrad des StirlingProzesses gleich dem des Carnot-Prozesses.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
153
Diesel-Prozess (Verbrennungsmotor)
p
Q23
3
2
2 Adiabaten
1 Isobare
1 Isochore
W
4
Q41
1
V
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
154
1→2:
Die Luft wird adiabatisch hoch verdichtet,
d.h. die Luft wird sehr heiß.
2→3:
Der eingespritzte Kraftstoff verbrennt nach
Selbstzündung nahezu isobar.
3→4:
Die Expansion des verbrannten Gemisches
erfolgt adiabatisch.
4→1:
Der Austausch des verbrannten Gases durch
Frischluft wird durch eine isochore Wärmeabgabe angenähert.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
155
Clausius-Rankine-Prozess (Dampfkraftanlage)
p
Q12
2
1
2 Adiabaten
2 Isobaren
Dampfdruckkurve
W
3
4
Q34
V
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
156
1→2:
Durch Wärmezufuhr im Kessel wird das
Wasser isobar verdampft.
2→3:
Der Heißdampf entspannt sich in der Turbine
adiabatisch.
3→4:
Im Kondensator verflüssigt sich der Dampf
durch Wärmeabfuhr an das Kühlwasser.
4→1:
Die Speisewasserpumpe erhöht den Druck
adiabatisch von Kondensator- auf Kesseldruck.
Hochschule Bremen
Technische Physik (Kapitel 5) / Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
157
Übungen zur
Technischen Physik / Kapitel 5
Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
Aufgabe 5-1:
Wie viel Wasserdampf von ϑD = 100°C muss in das Wasser (Masse mW = 200 g, Temperatur
ϑW = 20°C) eines Kalorimeters der Wärmekapazität CK = 0,12 kJ/K eingeleitet werden, damit sich die
Mischungstemperatur ϑM = 50°C einstellt? Die spezifische Wärmekapazität von Wasser beträgt
cW = 4,19 kJ/(Kg·K), die spezifische Kondensationswärme von Wasserdampf QK = 2257 kJ/kg.
Aufgabe 5-2:
Ein Kalorimeter ist mit mK = 500 g kaltem Wasser der Temperatur ϑK = 10°C gefüllt (spezifische
Wärmekapazität von Wasser cW = 4,19 kJ/(kg·K)).
a) Zur Bestimmung der Wärmekapazität des Kalorimeters (Gefäß etc.) werden mW = 500 g warmes
Wasser der Temperatur ϑW = 80°C hinzugegeben und es wird eine Mischungstemperatur von
ϑM = 42°C gemessen. Wie groß ist die Wärmekapazität CK des Kalorimeters?
b) Anschließend wird ein Festkörper der Masse mF = 300 g einem Wasserbad von ϑW = 80°C entnommen und in das mit mK = 500 g Wasser von ϑK = 10°C gefüllte Kalorimeter gebracht. Wie
groß ist die spezifische Wärmekapazität des Festkörpers, wenn eine Mischtemperatur von
ϑM = 16,8°C ermittelt wird?
Aufgabe 5-3:
Eis der Masse m = 2 kg und der Temperatur ϑ = -8°C soll soviel Wärme zugeführt werden, dass es
zunächst schmilzt und anschließend die Hälfte des Wassers verdampft. Welche Wärmemenge Q muss
zugeführt werden, wenn die spezifische Schmelzwärme QS = 334 kJ/kg, die spezifische Verdampfungswärme QV = 2257 kJ/kg, die spezifische Wärmekapazität des Eises cE = 2,05 kJ/(kg·K) und die
spezifische Wärmekapazität des Wassers cW = 4,18 kJ/(kg·K) beträgt?
Aufgabe 5-4:
Eis der Menge mE = 100 g (spezifische Wärmekapazität cE = 2,09 kJ/(kg·K); spezifische Schmelzwärme QS = 334 kJ/kg) wird in ein Messing Kalorimeter (mMe = 250 g; cMe = 0,385 kJ/(kg·K)) gebracht,
das mW = 300 g Wasser (cW = 4,19 kJ/(kg·K)) der Temperatur ϑW = 90°C enthält. Als Mischungstemperatur wird ϑM = 49°C bestimmt. Welche Temperatur hatte das Eis?
Aufgabe 5-5:
a) Wie groß ist der Wärmestrom durch eine Fensterfläche von A = 2,5 m2 und l = 4 mm Glasdicke,
wenn an der Außen- bzw. Innenfläche die Temperatur ϑA = -5°C bzw. ϑI = 14°C herrscht?
b) Auf welchen Wert verringert sich der Wärmestrom bei einem gleich großen Doppelfenster, das
aus dem gleichen Glas besteht und eine d = 5 mm dicke Luftschicht zwischen den Glasscheiben
besitzt?
c) Ermitteln und skizzieren Sie den Temperaturverlauf durch das Doppelfenster.
(Wärmeleitfähigkeit des Glases λG = 1,16 W/(m·K), der Luft λL = 0,025 W/(m·K), Wärmeübergänge sollen unberücksichtigt bleiben)
Aufgabe 5-6:
Eine Hauswand besteht aus einer l1 = 25 cm dicken Mauer (Wärmeleitfähigkeit λ = 0,7 W/(m·K)) und
einer l2 = 5 cm dicken Außenisolierung (Wärmeleitfähigkeit λ = 0,06 W/(m·K)). Ermitteln sie den
Temperaturverlauf in der Wand und den durch die Wand je Flächeneinheit fließenden Wärmestrom,
wenn die Innentemperatur ϑ1 = 18°C und die Außentemperatur ϑ2 = -10°C beträgt. Wie ändert sich
der Temperaturverlauf in der Wand, wenn die Isolierschicht innen angebracht ist?
Übungen zur
Technischen Physik / Kapitel 5
Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
Aufgabe 5-7:
Eine Spezialglühlampe hat einen Glühfaden aus Wolfram von l = 80 cm Länge und d = 50 µm
Durchmesser.
a) Wie hoch ist die Temperatur des Glühfadens bei einer Leistung der Lampe von 100 W? Die gesamte elektrische Leistung soll mit einem Emissionsgrad ε = 0,3 abgestrahlt werden. Die Umgebungstemperatur betrage 20°C.
b) Wie hoch wäre die Temperatur des Glühfadens, wenn dieser ein schwarzer Körper wäre?
Aufgabe 5-8:
Einem elektrischen Heizkörper von 350 cm2 strahlender Oberfläche wird eine Leistung von 1,5 kW
zugeführt. Welche Temperatur nimmt der Heizkörper an, wenn die Raumtemperatur 250°C und der
Emissionsgrad ε = 0,9 beträgt? (Stefan-Boltzmann Konstante σ = 5,67 10-8 W/(m2 K4))
Aufgabe 5-9: Die Temperatur der Sonnenoberfläche werde mit TS = 5800 K und die Sonnenstrahlung
als Strahlung eines schwarzen Körpers angenommen.
a) Welche Energie strahlt die Sonne in jeder Sekunde ab?
b) Wie groß ist die Strahlungsenergie die je Sekunde von 1 m2 bei senkrechtem Einfall auf der Erdoberfläche empfangen wird?
(Sonnenradius rS = 6,97·108 m; mittlerer Erdbahnradius um die Sonne rE = 1,5·1011 m)
Aufgabe 5-10:
Luft vom Volumen V1 = 1 m3 und der Temperatur T1 = 300 K soll bei konstantem Druck von
p = 1013,25 hPa auf T2 = 1000 K erwärmt werden (κ = cp/cv = 1,4). Berechnen Sie
a) das Endvolumen V2,
b) die verrichtete Ausdehnungsarbeit W12,
c) die zuzuführende Wärme Q12 und
d) die Änderung der inneren Energie des Gases ∆U12!
Aufgabe 5-11:
In einem Zylinder ist V1 = 1 dm3 eines Gases bei einem Überdruck von 7p0 gegenüber dem äußeren
Luftdruck p0 = 1013,25 hPa eingeschlossen. Welche Arbeit verrichtet das Gas, wenn es bei konstanter
Temperatur bis auf den Innendruck p2 = 2p0 expandiert? Welche Nutzarbeit WN wird dabei verrichtet
und welche Wärme Q muss dem Gas zugeführt werden?
Aufgabe 5-12:
Ein Gewicht (Masse M = 100 kg) belastet einen in einem Zylinder beweglichen Kolben und versetzt
ein darin befindliches Gas (κ = 1,4) unter den konstanten Überdruck von 3p0, wobei der äußere Luftdruck p0 = 1013,25 hPa betrage. Welche Wärme Q muss dem Gas zugeführt werden um das Gewicht
um h = 1 m zu heben?
Übungen zur
Technischen Physik / Kapitel 5
Prof. Dr.-Ing. Dieter Kraus
Aufgabe 5-13:
Ein mit Luft der Umgebungstemperatur 20°C und dem Umgebungsdruck 1013,25hPa gefüllter Stoßdämpfer kann sein Volumen von V1 = 0,02 m3 auf V2 = 0,004 m3 reduzieren.
a) Welche Stoßenergie kann der Stoßdämpfer maximal aufnehmen, wenn die Kompression der Luft
adiabatisch (Adiabatenexponent κ = 1,4) erfolgt?
b) Wie groß ist die Änderung der inneren Energie des Gases und welche Werte erreichen dabei
Druck und Temperatur?
Aufgabe 5-14:
Ein ideales Gas expandiert vom Volumen V1 = 1 dm3 (Druck p1 = 4053 hPa) auf das Volumen
V2 = 2 dm3, wobei eine polytrope Zustandsänderung pVk = const. stattfindet. (Adiabatenexponent
κ = 1,4; Polytropenexponent k = 1,3)
a) Wie groß sind die Expansionsarbeit W12, die ausgetauschte Wärme Q12 und die Änderung der inneren Energie ∆U12 des Gases?
b) Wird der Umgebung Wärme entzogen oder zugeführt?
Aufgabe 5-15:
Mit einem idealen Gas wird ein Kreisprozess ausgeführt, der sich aus 3 Zustandsänderungen zusammensetzt, die in der Reihenfolge
1. isobare Ausdehnung,
2. isotherme Zustandsänderung und
3. isochore Zustandsänderung
durchlaufen werden. Stellen Sie den Prozess im p,V-Diagramm und im p,T-Diagramm dar! Welches
Vorzeichen hat die vom Gas abgegebene Arbeit?
Aufgabe 5-16:
Zwischen den zwei Wärmespeichern eines Carnot-Prozesses besteht eine Temperaturdifferenz von
140°C. Welche Temperaturen T1 und T2 haben die beiden Wärmespeicher, wenn der Wirkungsgrad
des Carnot-Prozesses 30% beträgt?.
Herunterladen