Mithras und der Beginn des Christentums

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© Badisches Landesmuseum Karlsruhe / Layout: Raumeinsichten
Mithras und der Beginn des Christentums
Zu einer Ausstellung im Badischen Landesmuseum Karlsruhe
Sophia-Janet Aleemi
S
Dr. Sophia-Janet
Aleemi, Autorin,
Kontakt über den
Verlag Urachhaus
elbstverständlich wissen wir, dass das Römische Reich immens groß war, aber dass
man es dennoch durch eine bemerkenswerte
Verwaltungsstruktur gut beherrschen konnte.
Auch aus dem römischen Alltag ist uns vieles
bekannt. Wie es allerdings um die »Religion« in
diesem Imperium bestellt war, ist eine wenig
beachtete Frage. Mit dem kleinen Wort »heidnisch« wurde jahrhundertelang alles erledigt.
Dennoch: auf welches geistige Umfeld traf das
»Christentum« in seinen ersten Anfängen?
Bei dieser spannenden Frage setzt eine archäologische Ausstellung des Badischen Landesmuseums Karlsruhe an. Weil man in dieser
Region eine Reihe von Mithras-Heiligtümern
entdeckt hat und das Museum über wunderbare Schätze dieser Zeit verfügt, lag es nahe, das
Thema einmal intensiver zu untersuchen. Dies
ist nun geschehen, und das Ergebnis zeigt lauter
Überraschungen. Auch wenn der Ausstellungstitel »Imperium der Götter« vielleicht nicht ganz
glücklich gewählt ist, denn es handelt sich ja gerade nicht um die Klassiker aus dem Pantheon,
führt doch der Untertitel »Isis-Mithras-Christus«
in das zu bearbeitende Feld ein und legt Schwerpunkte. Freilich zeigt die Ausstellung noch weit
mehr: Götterbildnisse in aller Vielfalt, nie gesehene Kultgegenstände, Tempelmodelle. Es führte zu weit, sie hier alle würdigen zu wollen.
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ex oriente lux
Im Römischen Reich gab es nebeneinander viele
orientalische Kulte, nicht alle waren Mysterienkulte, und für den Begriff »Religion« gar ist
es eigentlich noch zu früh, sieht man einmal
von den monotheistischen Religionen wie dem
Judentum und dem sich gerade entwickelnden
Christentum ab. Über die Hellenen war aus
Ägypten ein Isis-Kult eingeführt worden. Aus
dem Schwarzmeer-Raum hatte man sich die
Muttergöttin Kybele geholt und zur Mater Magna gemacht. Aus Syrien (heute Südosttürkei)
kam Jupiter-Dolichenus. Dem Gott Mithras
hatte man lange Zeit persische Wurzeln zugeschrieben. Diese »neuen« Götter Roms wurden
im ganzen Reich verehrt, allerdings nicht überall gleich, sondern regional recht unterschiedlich. Man staunt heute über die Vielfalt der
Kultpraxis und die Tatsache, dass diese Kulte
von allen Herrschern toleriert wurden. Möglich
war dies, weil alle sich auf die römische Staatsräson verpflichten mussten. Der Kaiserkult
– seit Augustus ließen sich die Kaiser als Gott
verehren – sowie die Huldigung der alten römischen Göttertrias von Jupiter, Juno und Minerva waren Bedingung. Dann wurde man nicht
als staatsgefährdend betrachtet. Wie gefährlich
eine Zuwiderhandlung sein konnte, zeigt der römische Bacchanalien-Skandal von 186 v. Chr.,
Die Christengemeinschaft 1 | 2014
weltweit
der wegen angeblich staatsfeindlicher Orgien
im Dienste des orientalisch-griechischen Gottes
Bacchus 3400 sofortige Hinrichtungen zur Folge
hatte. Man geht jedoch inzwischen davon aus,
dass hier weniger revolutionäres Gedankengut
bekämpft wurde, sondern eher Argwohn gegen Fremdes das Motiv war. Die Christen indes
widersetzten sich den Staatsgeboten, nahmen
Verfolgung auf sich, und wuchsen als Population bis Mitte des 3. Jahrhunderts dennoch auf
beträchtliche 5 Millionen an. Wie dies zu erklären ist, weiß man bis heute nicht. Nun gab es
im 19. Jahrhundert einen Roman über die Katakombenchristen Roms, der in Millionenauflage erschienen ist und in 27 Sprachen übersetzt
wurde: Fabiola von Nicholas Wiseman erreichte
eine immense Breitenwirkung, vergleichbar den
Romanen von Dan Brown. In dem historischen
Roman Fabiola wird eine beispiellose Mission
der frühen Christen propagiert und ein Märtyrer-Mythos geschaffen. In Wirklichkeit aber gab
es damals keinerlei Missionstätigkeit, sondern
man wirkte über das Vorbild. Der fiktionale Erklärungsversuch bleibt Fiktion. Warum sich das
Christentum gegen die paganen Kulte durchsetzen konnte, ist weiterhin weder psychologisch
noch soziologisch befriedigend erklärbar.
Ab dem 1. Jahrhundert erreichten also nicht
nur orientalische Gottheiten Rom, sondern auch
das Christentum. Die Hauptgemeinsamkeiten
dieser neuen »Religionen«, das zeigt die Ausstellung sehr schön, waren ein Versprechen auf ein
Leben nach dem Tod, und dass man sich persönlich in allen seinen Nöten an diese Gottheiten
wenden konnte. Aus den Funden geht hervor,
dass, wenn ein Wunsch versagt blieb, man sich
ohne Weiteres an einen anderen Gott wandte.
Überhaupt erfahren wir einiges über die
Kultpraxis. So gab sich Isis als Göttin für alle,
während Mithras eher ein okkulter Gott war,
dem man sich in sehr kleinen reinen Männergemeinschaften zuwandte. Es gab eine feste
Hierarchie, die sich durch eine siebenstufige
Einweihung gliederte, man opferte und feierte
gemeinsam das Kultmahl, der Sonntag wurde
geheiligt, zur Wintersonnenwende feierte man
die Geburt des Sonnengottes. Jede Gemeinschaft
Die Christengemeinschaft 1 | 2014
hatte ihren eigenen kleinen Versammlungsort,
oft mit einem drehbaren Mithras-Relief-Bild,
welches das geistige Zentrum dieses Mithräums
bildete. Auf der Vorderseite eines solchen Altarbildes war der stiertötende Mithras abgebildet,
auf der Rückseite eine Kultmahldarstellung, bei
der der getötete Stier als Altartisch dient. Alfred Schütze deutet dies in seinem zu dieser Thematik bis heute unübertroffenen Buch Mithras
(1972) folgendermaßen: Das Ereignis der Stier­
überwindung enthüllt von der anderen Seite,
der geistigen Seite, den wahren Sinn des Opfers.
»Die ›Kehrseite‹ des Geschehens, das einseitig betrachtet, als eine bloße Tötung erscheinen könnte,
offenbart das wahre Antlitz des Vorgangs: Es geht
nicht um Vernichtung, sondern um Verwandlung.
Wie Rückenmark und Blut des geopferten Stieres
sich in Brot und Wein verwandeln, so wird der
Leib zum Altar. Die niedere tierische Natur des
Menschen, die (…) im Bild des Stieres erscheint,
soll nicht ausgerottet werden, sondern als Grundlage eines höheren göttlichen Geschehens dienen.
Mithras und Helios vollbringen an dem zum Altar
verwandelten niederen Menschentum die heilige
Opferhandlung eines Sakraments.« Ganz plastisch wird einem hier exemplarisch vor Augen
geführt, dass es in den Mithras-Mysterien, wie
übrigens in allen Mysterien, um die Überwindung der niederen Natur als Voraussetzung zu
einem geistigen Aufstieg ging.
Über 200 Mithräen hat man bislang entdeckt und erforscht. Das aus Santa Maria Capua Vetere (Neapel) wurde für die Ausstellung
als begehbares Modell 1:1 nachgebaut. Diese
Mithräen sind allenthalben vielfältiger, als man
es je gedacht hat, und stellen die Forscher vor
ganz neue Rätsel. Vor allem die These, dass die
»Mithras-Religion« aus Persien nach Rom kam –
die Legende berichtet, dass sie von Piraten und
Sklaven mitgebracht wurde –, wird heute als
nicht mehr haltbar betrachtet. Dies wird durch
archäologische Funde bzw. fehlende Funde belegt. Der persische Mithra erscheint nämlich
tatsächlich als ein völlig anderer als der römische. Ebenso der Mi-itra der Hethiter. Und im
Übrigen auch wiederum ganz anders als der
indische Mitra, der ja in der Regel gemeinsam
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Imperium der
Götter. Isis-Mithras-­
Christus. Badisches
Landesmuseum
­Karlsruhe. Noch bis
zum 18. Mai 2014,
Dienstag bis Sonntag,
10.00 bis 18.00 Uhr
www.landesmuseum.de
weltweit
Kopf des Mithras,
Rom, Mithräum
unter Santo Stefano
Rotondo (Castra
Peregrinorum),
Ende 2. bis Anfang
3. Jahrhundert.
Fundort, Vergoldungsspuren, der
nach oben gewandte
Blick und die
typische Mützenform weisen diesen
Kopf als den des
Mithras aus. ©Rom,
Museo Nazionale
Romano - Terme di
­Diocleziano
Modell des Isis-­
Tempels von
Pompeji
Modellbauer: Bernhard Steinmann
© Badisches Landesmuseum Karlsruhe
mit Varuna auftritt. Mag sein, dass der Transfer der Götterverehrung anders oder überhaupt
nicht stattgefunden hat. Es bleibt dennoch die
Frage offen, ob nicht doch an allen Orten dasselbe »geistige Konzept Mithra(s)«, dieselbe
Götteridee, als sich wandelnde Realität wahr38
genommen wurde und in zeitlich und lokal unterschiedlicher Weise in eine irdisch sinnvolle
und realisierbare Form gebracht wurde. Leider
wird dieser Komplex in der Ausstellung und
auch im Katalog völlig ausgeklammert. Auch die
Wurzeln der Isis in Ägypten spielen für die Ausstellung bedauerlicherweise keine Rolle. Sowohl
Isis als auch Mithras werden als rein römische
Götter aufgefasst, was sie ja auch durch die römische Eingliederung, den Inkulturationsprozess, geworden sind. Eine solche Auffassung hat
natürlich ihren Reiz, denn dadurch kann man
sie gewissermaßen isoliert betrachten, und ist
nicht gezwungen, nach Sinnzusammenhängen
und Bedeutungen zu suchen, was Archäologen
ohnehin nicht als ihre Aufgabe erachten. Es
ist ausdrücklich beabsichtigt, die Ausstellung
als »Bilderbücher, die wir eher mit neugierigem
Blick als mit Verständnis durchblättern« zu betrachten, so die Kuratorin Susanne Erbelding.
Die Karlsruher Ausstellung zeigt eine Fülle von teilweise grandiosen Objekten, welche
die orientalisch-römische Götterwelt plastisch
machen, man kann eine 1:1 Rekonstruktion
der heute unzugänglichen »Marcellinus- und
Petrus-Katakombe« begehen, kann in einem
nachgebauten Mithräum verweilen und kann
Götterbildnisse und Weihereliefs aus nächster Nähe eindrucksvoll erleben, nicht zuletzt
sieht man eine Großzahl erlesener Objekte der
frühen Christen. Die Erklärungen dazu fallen
leider allzu sparsam aus, denn man möchte die
Besucher nicht mit Texten belasten. Wer hinterher den Katalog studiert, wird das Gesehene
sicherlich besser einordnen können, aber auch
hier vermisst man die »geistige Seite« dessen
was da betrachtet wird, geht es doch immerhin um Mysterien und Religion. Somit eröffnet
die Ausstellung tatsächlich einen Reigen neuer
Fragestellungen für weitere Forschungen nicht
nur der Archäologie. Und das ist gut so. Gewiss
wird man nun auch das Mithras-Buch von Alfred Schütze (das im umfangreichen Literaturverzeichnis des Katalogs fehlt) mit neuen Augen
und großem Gewinn lesen. Und man wird sich
wiederum neu fragen, wie sich das Christentum
in diesem Umfeld durchsetzen konnte.
Die Christengemeinschaft 1 | 2014
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