Welchem Zweck und welcher Aufgabe können Öffentliche Güter dienen? Mike Nagler (Leipzig) Tagung: „Das Öffentliche als Leitlinie für linke lokale Politik“, Erfurt redroxx Erfurt Rosa-Luxemburg-Stiftung Thüringen Tagung: Das Öffentliche als Leitlinie für linke lokale Politik 13.01.2012 Rosa-Luxemburg-Stiftung Thüringen / redroxx Erfurt Was sind öffentliche Güter? - Wertfrage und Aushandlungsfrage die innerhalb einer Gesellschaft gestellt werden muss. Von der öffentlichen Hand (dem Staat / Kommunen etc.) bereitgestellte Güter und Dienste, z. B.: Bildung, Verkehrswege, Gesundheitsfürsorge. Zum Teil unentgeldlich/zum Teil kostendeckend zur Verfügung gestellt (Bewertung zu Kosten die ihre Erstellung verursacht.) Kein Markt der die Preise durch Angebot und Nachfrage bestimmt Nach der Wirtschaftstheorie: - Niemand kann von ihrem Konsum ausgeschlossen werden. Es besteht keine Rivalität im Konsum. Æ Gewinnorientierte private Produzenten versuchen diese Güter in private umzudeklarieren. (Eigentumsfrage) Æ Diese bieten diese Güter (die sich nicht rechnen) nicht mehr an, da ihr Eigentumsrecht nicht in Geld umzumünzen ist. Tagung: Das Öffentliche als Leitlinie für linke lokale Politik 13.01.2012 Rosa-Luxemburg-Stiftung Thüringen / redroxx Erfurt Was sind öffentliche Güter? Æ Æ Æ Æ Deshalb: Das Problem der Versorgung mit öffentlichen Gütern ist ein Paradebeispiel für Marktversagen. Wenn die Koordination unserer wirtschaftlichen Aktivitäten nur über Märkte liefe, müssten wir auf viele Güter verzichten. (neoliberale Ideologie: „der Markt regelt alles“ -> wozu das führt siehe Praxisbeispiele -> Wegfall oder Marktpreise, und d.h. Gefahr des Ausschlusses von Gruppen.) Aber selbst ein Zusammenschluss aller an öffentl. Gütern Interessierten führt normalerweise nicht zu deren Produktion. Deshalb ist ein kollektiver Akteur nötig mit hinreichender Kontrolle über das Verhalten der Beteiligten um die stabile Versorgung mit öffentlichen Gütern zu gewährleisten. (sprich: der Staat, die Kommune, oder auch kleinteiligere Strukturen) Planung statt Markt (und Kooperation statt Konkurrenz) Tagung: Das Öffentliche als Leitlinie für linke lokale Politik 13.01.2012 Rosa-Luxemburg-Stiftung Thüringen / redroxx Erfurt Gemeingüter und Kommune - Vereinbarung von funktionierenden Regeln zur Herstellung, zum Vertrieb und zur Nutzung der Gemeingüter auf der gleichen gesellschaftlichen Ebene. (Kommune/Land/Bund/EU) - Je weiter weg von den NutzerInnen die Ebene ist, auf der über die Regeln zur Nutzung entschieden wird, desto aufwändiger und schwieriger ist es, den Austausch über die Regeln der Nutzung möglichst demokratisch zu gestalten. (Situation: Beteiligung in Kommune/Land/Bund/EU: Je geringer die politische Bedeutung (Handlungsspielraum) einer Ebene ist, desto größer sind die Möglichkeiten der Partizipation.) Æ Kommunen als gesellschaftliche Ebene zur Herstellung von Gemeingütern besonders geeignet, da hier die Nähe von NutzerInnen und HerstellerInnen gegeben ist. (Aber: Durch Machtkonzentrationen auf übergeordneten Ebenen werden „Regeln“ festgeschrieben die bis in die Kommunen hinein wirken. --> Entdemokratisierung) Tagung: Das Öffentliche als Leitlinie für linke lokale Politik 13.01.2012 Rosa-Luxemburg-Stiftung Thüringen / redroxx Erfurt Gemeingüter und Kommune - Kommunale Selbstverwaltung --> gemeinsames Nutzen gemeinsamer Güter (nicht nur Eigentumsfrage sondern auch wie die der demokratischen Gestaltung) - Entscheidungsgründe, warum ein Gut oder eine Dienstleistung von der Kommune erstellt werden soll könnten folgende sein: Æ Soll mit der Leistungserstellung eine bestimmte gesellschaftliche Entwicklung gesteuert werden? Beispielsweise wenn Kita-Plätze zur Verfügung gestellt werden, damit allen Kindern eine hinreichend gute persönliche Entwicklung ermöglicht wird. Æ Soll eine gesellschaftliche Teilhabe auch für nicht vermögende Bevölkerungsgruppen ermöglicht werden? Beispielweise wenn Kommunen öffentliche Bibliotheken betreiben. Tagung: Das Öffentliche als Leitlinie für linke lokale Politik 13.01.2012 Rosa-Luxemburg-Stiftung Thüringen / redroxx Erfurt Gemeingüter und Kommune Æ Handelt es sich um Güter und Dienstleistungen, die zur öffentlichen Daseinsvorsorge zu rechnen sind? Bspw. Bildungseinrichtungen, Krankenhäuser u.ä. Æ Gibt es aus der Natur des Gutes oder der Dienstleistung heraus eine Bindung an ein bestimmtes Territorium? Bspw. öffentlicher Nahverkehr, Wasser- und Stromversorgung etc. Æ Besteht die Gefahr einer Konzentration oder privaten Monopolbildung? Das Berliner Beispiel der Wasserversorgung hat gezeigt, wie notwendig es ist, dass diese Dienstleistungen in öffentlicher Hand bleiben. Æ Ergeben sich hohe Regulierungskosten, wenn externe Effekte bei einer Marktlösung vermieden werden sollen? Gerade bei der Regulierung der Energiemärkte hat sich gezeigt, dass einerseits die Kosten für die Regulierung hoch sind und diese trotzdem kaum positive Effekte für die BürgerInnen bringen. Tagung: Das Öffentliche als Leitlinie für linke lokale Politik 13.01.2012 Rosa-Luxemburg-Stiftung Thüringen / redroxx Erfurt Beispiel Leipzig Bürgerbegehren und -entscheid 2007 / 2008 ¾ Hintergrund: Privatisierung verschiedener kommunaler Unternehmen in Planung (vor allem: Stadtwerke Leipzig, Ratsbeschluss vom Nov. 2006 getragen von CDU, SPD, FDP Æ Hauptargument: Haushaltsengpass) ¾ Ohne BB / BE ist Privatisierung kaum aufzuhalten (praktisch ohne Alternative / wichtiges Exempel direkter Demokratie.) Stopp der „neoliberalen Hegemonie“ im Osten möglich? ¾ Ziel: den Ausverkauf öffentlichen Vermögens u. öffentl. Unternehmen stoppen ¾ Ziel: „öffentliche Daseinsvorsorge“ nicht rein gewinnorientierten Konzernen überlassen. gegen „Durchkommerzialisierung“ des gesamten gesellschaftlichen Lebens ¾ Ziel: demokratische Einflußnahme auf kommunale (öffentliche) Infrastruktur ¾ Um dadurch: ökologisch nachhaltige u. sozial gerechte Politik zu ermöglichen ¾ Privatisierung der Gewinne und Sozialisierung der Verluste vermeiden Tagung: Das Öffentliche als Leitlinie für linke lokale Politik 13.01.2012 Rosa-Luxemburg-Stiftung Thüringen / redroxx Erfurt Beispiel Leipzig Bürgerbegehren und -entscheid 2007 / 2008 Sammeln, Kleben, Werben Tagung: Das Öffentliche als Leitlinie für linke lokale Politik 13.01.2012 Rosa-Luxemburg-Stiftung Thüringen / redroxx Erfurt Beispiel Leipzig Bürgerbegehren und -entscheid 2007 / 2008 ÆErgebnis: Wahlbeteiligung 41% (170.621 Menschen) (im Vergleich: OBM Wahl 32% Wahlbet.) ÆZustimmung 88 % für den Erhalt der kommunalen Unternehmen Æ „Rote Karte für hemmungslose Privatisierer“ (OBM Jung) Æ Für 3 Jahre sind Privatisierungen der Daseinsvorsorge ausgeschlossen Tagung: Das Öffentliche als Leitlinie für linke lokale Politik 13.01.2012 Rosa-Luxemburg-Stiftung Thüringen / redroxx Erfurt Beispiel Leipzig Bürgerbegehren und -entscheid 2007 / 2008 Æ Ergebnis ist Grund zum Feiern (trotz >50% Nichtwähler) Æ lokaler Privatisierungswahn vorläufig gestoppt ÆProbleme der Kommunalfinanzen sind aber natürlich ungelöst Æ Kommunalpolitik muß unter Beteiligung der BürgerInnen Alternativen + Phantasie entwickeln Æ Gemeinwohl vor privaten Gewinninteressen: Breiter Konsens, der neoliberale Hegemonie brechen kann! Tagung: Das Öffentliche als Leitlinie für linke lokale Politik 13.01.2012 Rosa-Luxemburg-Stiftung Thüringen / redroxx Erfurt Aber: Æ Bis heute keine öffentliche Debatte: Wie wollen WIR mit UNSEREN kommunalen Unternehmen wirtschaften? (Geringe bis keine Einflussmöglichkeiten bei der Gestaltung der Dienstleistung.) Æ Bindende Wirkung des Bürgerentscheids ist im Januar 2011 ausgelaufen. Æ Aktuell Debatte seit Februar 2011: 100%-Privatisierung von zwei großen Tochterfirmen der Stadtwerke (HL komm + perdata) steht zur Abstimmung auf der TO des Stadtrats im Januar 2012. (--> Kein Umdenken / Richtungswechsel seit dem Bürgerentscheid erkennbar.) Tagung: Das Öffentliche als Leitlinie für linke lokale Politik 13.01.2012 Rosa-Luxemburg-Stiftung Thüringen / redroxx Erfurt Deshalb - Märkte müssen dem Gemeinwesen untergeordnet werden Unsere Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung muss sich an Grundrechten sowie sozialen und ökologischen Zielen orientieren. sämtliche laufenden Liberalisierungs- und Privatisierungsprozesse sind zu stoppen und alle vergangenen zu überprüfen. (inkl. PPP) öffentliche Hand muss wieder gestärkt werden (Rekommunalisierung -> Siehe bspw. aktuell Volksentscheid zur Übernahme der Netze in Hamburg) Aber gleichzeitig muss Demokratisierung / Partizipation gewährleistet werden. (Wie wollen WIR mit UNSEREN Unternehmen wirtschaften?) Gemeingüter können/sollen Bürger auch aktivieren, sich stärker um „ihre“ Belange zu kümmern → vgl. Argumente zu Volksentscheiden/direkter Demokratie Æ Gebot der Stunde lautet: weniger Wettbewerb – mehr Kooperation, öffentliche Verantwortung und Gemeingüter. (Kommunalisierung und Demokratisierung) Tagung: Das Öffentliche als Leitlinie für linke lokale Politik 13.01.2012 Rosa-Luxemburg-Stiftung Thüringen / redroxx Erfurt Diskussion Æ Inwiefern brauchen auch Gemeingüter bzw. Commons im politischen Bereich Verkleinerungen / Dezentralisierungen um sie demokratischer zu verwalten? Æ Existiert überhaupt ein Bewusstsein für Commons / Gemeingüter in der Gesellschaft? Oder braucht man einen Bewusstseinswandel hin zu Gemeingütern? Und wenn, wie kann er vollzogen werden? Æ …. Tagung: Das Öffentliche als Leitlinie für linke lokale Politik 13.01.2012 Rosa-Luxemburg-Stiftung Thüringen / redroxx Erfurt