Mitteilungen - Stadt St.Gallen

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Stadt St.Gallen
Botanischer Garten
Mitteilungen
September 2016 / 65. Jahrgang Nr. 9
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Die Echte Mispel, Zier- und Obstpflanze zugleich
Bis zur Neugestaltung der Abteilung Europa im Jahr 2011 wuchs die
stattliche Mispel (Mespilus germanica) versteckt hinter anderen Gehölzen. Dann wurde sie freigestellt, ganz zur Überraschung regelmässiger
Besucherinnen und Besucher, die das hübsche Gehölz
bis anhin kaum wahrgenommen hatten. Seither macht
das Obstgehölz gleich zweimal auf sich aufmerksam,
zuerst im späten Frühling mit den grossen weissen
Blüten und jetzt im Herbst mit den sonderbaren Früchten.
Eine zweite, weniger auffällig platzierte
Mispel gedeiht in der Abteilung Genetik.
Ihre Früchte sind deutlich grösser.
Beide Pflanzen sind Kultursorten.
Wären es Wildformen, wäre ein
Teil der Kurztriebe verdornt, zudem
wären sie vermutlich nicht veredelt.
Wie Austriebe der Veredlungsunterlage
beim Individuum in der Abteilung Europa
zeigen, ist die Mispel auf Weissdorn (Crataegus monogyna) gepfropft. Dies wird bei den Kultursorten der Mispel häufig praktiziert, sind doch die
Weissdorn-Arten ihre nächsten Verwandten. Als Veredlungsunterlagen möglich wären auch wilde Äpfel,
Birnen oder Quitten. Auch das zeigt, dass bei den kernobstartigen Rosengewächsen
(Maloideae), zu denen auch die monotypische Mispel gehört, die einzelnen Gattungen nahe
miteinander verwandt sind. Mit ihrer Blütezeit zwischen Mitte Mai und Mitte Juni ist die
Mispel die späteste der Obstgehölz-Arten, die in unserem Land kultiviert werden.
Trotz einer zaghaften Renaissance wird die Mispel in unseren Breiten eher selten kultiviert.
Das war nicht immer so. Mit den Römern gelangte die damals sehr geschätzte Obstpflanze
von der ursprünglichen Heimat in Südosteuropa und Kleinasien nach Mitteleuropa, wo sie
sich in warmen Regionen, so auch im Tessin und im Unterwallis einbürgerte. Carl von Linné
(1707-1778), der die Mispel wissenschaftlich beschrieben und ihr den Artnamen ‚germanica‘
verliehen hat, glaubte ein Florenelement Mitteleuropas vor sich zu haben.
Typisch für die kernobstartigen Rosengewächse ist der oberste Teil der Blütenachse (Blütenboden), der becherförmig eingesenkt ist. Dieser Achsenbecher ist es schliesslich, den
wir bei Samenreife als saftiges und aromatisches Fruchtfleisch verzehren. Er umfasst die
eigentliche Frucht, das Kerngehäuse oder „Bitzgi‘. Bei den Äpfeln und Birnen besteht es aus
fünf dünnwandigen, mehrsamigen Balgfrüchten, bei den Mispeln aus fünf einsamigen Nüssen mit stark verdickter, holziger Fruchtwand. Zudem verwächst der Achsenbecher bei den
Mispeln nur mit den fünf Fruchtknoten und den Basen der ebenso vielen Griffel. So entsteht
eine breite und tiefe Grube, in der fünf freie Griffel stehen und an deren Rand die fünf grossen Kelchblätter selbst an der reifen Frucht erhalten bleiben. Die Bezeichnung „Nussapfel“
charakterisiert diese einzigartigen Scheinfrüchte sehr treffend.
Der fleischig gewordene Achsenbecher wird erst weich und damit roh geniessbar, wenn er
durch Frosteinwirkung teigig geworden ist. Dann enthalten die Früchte, die sich zur Herstellung von Marmelade und Kompott gut eignen, rund 10% Zucker.
www.stadt.sg.ch
Zivildienst – ein Erfolgsmodell wird 20
„In einem botanischen Garten gibt es immer mehr zu tun als das Personal leisten kann“. So
formulierte kürzlich der Leiter eines grossen Universitätsgartens seine personelle Situation.
Vermutlich werden ihm die meisten Gartenleiterinnen und Gartenleiter beipflichten. Auch
der Botanische Garten St.Gallen kennt solche Phasen. Besonders prekär waren die Verhältnisse vor 30 Jahren, als der Verfasser dieser Zeilen seine Stelle im Botanischen Garten antrat. Personelle Engpässe und ein zu geringes Budget führten dazu, dass dringend notwendige Erneuerungen unterblieben und die Freilandanlagen von den hartnäckigsten Wildkräutern wie Acker-Schachtelhalm, Zaunwinde oder Sumpfkresse überwuchert waren. Dass hier
Gegensteuer nötig war, leuchtete allen ein. Aber wie? Das Personal tat was es konnte, eine
Aufstockung kam nicht in Frage. Freiwillige also? Das bedeutet, dass die einen für ihre Arbeit Lohn erhalten und die anderen nicht. Keine gute Idee. Arbeitslose im Einsatzprogramm?
Das gab es damals noch nicht. Praktika? Schon besser. 1987 trat erstmals eine Studentin ein
halbjähriges Praktikum an, und noch heute gibt es im Botanischen Garten diese Praktika für
junge Leute, denen es die Studienreglemente vorschreiben. Davon profitierten alle Beteiligten. Da solche Einsätze einen hohen Teil an Lerninhalten verlangen, konnte dies nicht die
alleinige Lösung der bestehenden Probleme sein. Kein Wunder, dass die Gartenverantwortlichen die damals aktuellen Bestrebungen, für Militärdienstverweigerer anstelle von Gefängnisstrafen einen Zivildienst zu schaffen, aufmerksam mitverfolgten. Als das Stimmvolk am
17. Mai 1992 dem eidgenössischen Zivildienstgesetz mit sagenhaften 82,5% Ja-Stimmen
zum Durchbruch verhalf, erkannte auch der Botanische Garten St.Gallen seine Chancen.
Botanischer Gärten sind als gemeinnützige Institutionen ebenso ideale Einsatzbereiche wie
Heime oder Spitäler. Hier wird deswegen niemand vom Stammpersonal die Stelle verlieren
und dem Gewerbe geht kein einziger Aussenauftrag verloren. Stattdessen kann der Pflegestandart und das Dienstleistungsangebot verbessert werden. Diese Argumentation fand
Gehör und bereits im Jahr 1994, zwei Jahre bevor das Zivildienstgesetz und die zugehörige
Verordnung in Kraft traten, kam im Botanischen Garten St.Gallen der erste Zivildienstler zum
Einsatz. Seither haben rund 60 Zivis in den öffentlichen Anlagen gearbeitet, was fast 20
Dienstjahren eines Hilfsgärtners entspricht. Nahezu immer sind dies motivierte und einsatzfreudige Personen, die sich gut ins bestehende Boga-Team integrieren. Dass diese anhaltende und tatkräftige Unterstützung zu einer Aufwertung des Botanischen Gartens geführt
hat, ist auf Schritt und Tritt sichtbar.- Genauso positiv wie für den Botanischen Garten
St.Gallen wirkt sich der Zivildienst für rund 4900 andere gemeinnützige Betriebe der
Schweiz aus. Der Zivildienst ist im öffentlichen Leben längst zu einer unverzichtbaren Institution geworden mit entsprechend hoher gesellschaftlicher Akzeptanz. Der Botanische Garten
St.Gallen wird weiterhin gerne mit Zivildienstleistenden zusammenarbeiten.
Hanspeter Schumacher
Pflanzentauschbörse
Überzählige intakte Pflanzen einfach auf den Kompost zu werfen widerstrebt vielen Gartenbesitzerinnen und –besitzern. Aber wohin damit? Dieses Dilemma bewog die Bioterra Regionalgruppe St.Gallen und Umgebung vor mehreren Jahren, eine Pflanzentauschbörse ins
Leben zu rufen. Der Erfolg gibt den Initiantinnen recht. Die nächste Pflanzentauschbörse
findet am Donnerstag, 13. Oktober 2016 ab 17.30 Uhr in der Orangerie des Botanischen
Gartens statt und dauert bis ca. 19.30 Uhr. Der Ablauf ist einfach: Pflanzen wenn möglich
beschriftet mitbringen, bloss Pflanzen holen oder beides. Es werden nur Pflanzen getauscht,
keine verkauft. Anmeldungen sind nicht erforderlich. Organisation und weitere Informationen: Luzia Steiner, Kamorstrasse 8, 9030 Abtwil, 071 311 29 11, [email protected]
Öffentliche Führungen im Botanischen Garten
Sonntag, 2. Oktober 2016 um 10.15 und 15.15 Uhr
Fritz Matzer: Das Reich der Pilze
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