5. Elagabalus – Ein dekadenter Junge blamiert Rom

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Dass Nero auf den eingeebneten Trümmern Roms sich einen ebenso
gigantischen wie prunkvollen Palast, das Domus aurea (goldenes Heim),
errichten ließ, wurde als zusätzliches Indiz seiner Schuld gewertet. Aber
dem mächtigen Monarchen hätten natürlich weit einfachere städtebauliche Mittel zur Verfügung gestanden, als unbedingt seine Hauptstadt
zu vernichten. Überdies brach das Feuer nicht in den vom Kaiser so sehr
verabscheuten Elendsvierteln aus, sondern in der Nähe seines eigenen
Palastes.
Dennoch wollten die Verdächtigungen nicht verstummen. Schließlich
machte der Kaiser die kleine Christengemeinde Roms für die Katastrophe verantwortlich. Hunderte Unschuldige wurden deswegen grausam
hingerichtet. Darin bestand die eigentliche und bewiesene Schuld des
Tyrannen Nero.
5. Elagabalus – Ein dekadenter
Junge blamiert Rom
Roms jungem Kaiser war im Jahre 221 wieder nach einem seiner grotesken Scherze zumute. Ein Chronist berichtet: „In seinem Speisesaal
ließ Elagabalus eine umkippbare Decke einbauen und so viele Veilchen
und andere Blumen auf seine Gäste stürzen, dass einige umkamen, weil
sie sich aus der Blütenlawine nicht mehr an die Luft emporarbeiten
konnten.“ Roms Senatoren schüttelten sich vor Abscheu. Wie konnte
es geschehen, dass ihr fast 1 000 Jahre altes Reich von einem weibischen
Jüngling aus Syrien tyrannisiert wurde?
Das Römische Weltreich steuerte im 3. Jahrhundert n. Chr. in eine
schwere Staatskrise. Schon 193 waren in Rom binnen weniger Monate
drei Kaiser hintereinander inthronisiert worden. 218 meuterten mehrere Legionen gegen den erst im Vorjahr ausgerufenen Kaiser Macrinus.
Dahinter steckten zwei Frauen – Julia Maesa und ihre Tochter Julia
Soaemias. Sie stammten aus Syrien und hatten in höchste römische
Kreise eingeheiratet. Soaemias’ Sohn Varius Avitus war schon als Kind
zum Oberpriester des Sonnengottes Elagabalus im syrischen Tempel zu
Emesa (heute Homs) ernannt worden. Gemeinsam mit ihrem Liebhaber Gannys bestach Soaemias die Soldaten der III. Legion, den erst
15-jährigen Varius zum Kaiser zu proklamieren. Das geschah am 16.
Mai 218.
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Julia Maesa, die in der Hauptstadt großen Einfluss besaß, schilderte den
römischen Politikern die Vorzüge ihres Enkels in schillernden Farben.
Der Knabe hatte inzwischen den Namen geändert und nannte sich nach
seinem Sonnengott Elagabalus. Das sollte nicht die einzige Skurrilität
bleiben. Nachdem der neue Kaiser im Frühjahr 219 nach Rom übergesiedelt war, begann eine Kette von Exzessen, welche selbst das Treiben
von Tyrannen wie Nero und Caligula in den Schatten stellte.
Der frühreife Elagabalus hielt seinen Einzug in Rom geschminkt wie eine
Zirkusdirne und in edelsteinbesetzten Gewändern. Das Symbol seines
Sonnengottes, ein heiliger Meteorstein, wurde in prunkvoller Prozession
in einen eigens errichteten Tempel überführt. Der Kaiser schritt rückwärts vor ihm her, um seinen Götzen keinen Moment aus den Augen
zu verlieren. Innerhalb von drei Jahren heiratete Elagabalus drei Frauen
und verstieß sie wieder. Dann „vermählte“ er sich mit einem Athleten,
der den bezeichnenden Namen „Zoticus“ trug. Als Präfekten der Garde
berief er den ehemaligen Tänzer Comazon.
Im Jahre 220 führte Elagabalus eine chaotische Religionsreform durch.
Sein orientalischer Sonnengott sollte oberster Beherrscher des Götterhimmels sein und noch über Jupiter stehen. Der Historiker Cassius
Dio berichtet von den barbarischen Riten und Opfern, die der Kaiser
seinem Gott darbrachte, „indem er Knaben erschlug und Zaubermittel
benutzte“.
Rief das schon große Empörung hervor, so sorgte das bizarre private
und öffentliche Leben des Kaisers für dauernde Skandale. Er ließ Giftschlangen sammeln und abends im Theater freilassen. Je größer die Panik, desto besser amüsierte er sich. Einmal spannte er Löwen vor seinen
Wagen, dann Tiger, dann Elefanten. Als er davon genug hatte, ließ er
schöne junge Mädchen einfangen, spannte sie nackt vor seinen Karren
und kutschierte mit ihnen unter irrsinnigem Gelächter durch Roms
Straßen. Seinen Sklaven befahl er eines Tages, sie sollten 1 000 Pfund
Spinn­weben herbeischaffen und setzte dafür Belohnungen aus.
Wie der zeitgenössische Historiker Aelius Lampridius berichtet, „hatte
er nichts Besseres zu tun, als überall nach Männern fahnden zu lassen,
die übergroße Geschlechtsteile hatten, und sie in den Palast zu bringen,
um ihre Liebeskünste zu genießen“. Laut Aurelius Victor, einem weiteren Chronisten, ließ der Kaiser „die obszönsten Menschen aus dem
ganzen Erdkreis zu sich kommen“.
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221 wurde offensichtlich, dass Elagabalus verrückt geworden war. Nachts
schlich er sich mit einer Perücke kostümiert in die übelsten Tavernen
und bot sich als Prostituierte an. Seine Gelage im Palast endeten oft tödlich. Einmal schloss er seine betrunkenen Gäste ein und ließ plötzlich
im Dunkeln Löwen, Leoparden und Bären auf sie los. Niemand wusste,
dass diese Tiere gezähmt und zahnlos waren. In der wilden Panik kamen
mehrere Menschen ums Leben.
Nun galt es, diesen geschminkten Lüstling möglichst bald loszuwerden. Als Alternative bot sich sein Cousin Alexander an und Elagabalus
versuchte prompt, den erst 13-Jährigen ermorden zu lassen. Die damit
beauftragte Prätorianergarde verweigerte den Befehl. Der Kaiser, ein
notorischer Feigling, der nur an der Hand seiner Großmutter Maesa
wagte, das Senatsgebäude zu betreten, musste reagieren. Am 11. März
222 begab er sich mit seiner Mutter Soaemias ins Prätorianerlager. Doch
die Gardesoldaten ließen ihn kaum zu Wort kommen. Elagabalus rannte
schließlich davon und versteckte sich in einer Latrine. Hier wurde er
gemeinsam mit seiner Mutter erschlagen und geköpft. Ihre Leichen warf
man in den Tiber.
Die Gäste des Elagabalus erstickten unter Blüten
Die nur drei Jahre währende Herrschaft des Elagabalus hatte großen
Schaden angerichtet und das geheiligte Kaiseramt für lange Zeit seines
Nimbus beraubt. Die sechs Imperatoren, die bis 244 auf Elagabalus
folgten, wurden allesamt ermordet.
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