Dass Nero auf den eingeebneten Trümmern Roms sich einen ebenso gigantischen wie prunkvollen Palast, das Domus aurea (goldenes Heim), errichten ließ, wurde als zusätzliches Indiz seiner Schuld gewertet. Aber dem mächtigen Monarchen hätten natürlich weit einfachere städtebauliche Mittel zur Verfügung gestanden, als unbedingt seine Hauptstadt zu vernichten. Überdies brach das Feuer nicht in den vom Kaiser so sehr verabscheuten Elendsvierteln aus, sondern in der Nähe seines eigenen Palastes. Dennoch wollten die Verdächtigungen nicht verstummen. Schließlich machte der Kaiser die kleine Christengemeinde Roms für die Katastrophe verantwortlich. Hunderte Unschuldige wurden deswegen grausam hingerichtet. Darin bestand die eigentliche und bewiesene Schuld des Tyrannen Nero. 5. Elagabalus – Ein dekadenter Junge blamiert Rom Roms jungem Kaiser war im Jahre 221 wieder nach einem seiner grotesken Scherze zumute. Ein Chronist berichtet: „In seinem Speisesaal ließ Elagabalus eine umkippbare Decke einbauen und so viele Veilchen und andere Blumen auf seine Gäste stürzen, dass einige umkamen, weil sie sich aus der Blütenlawine nicht mehr an die Luft emporarbeiten konnten.“ Roms Senatoren schüttelten sich vor Abscheu. Wie konnte es geschehen, dass ihr fast 1 000 Jahre altes Reich von einem weibischen Jüngling aus Syrien tyrannisiert wurde? Das Römische Weltreich steuerte im 3. Jahrhundert n. Chr. in eine schwere Staatskrise. Schon 193 waren in Rom binnen weniger Monate drei Kaiser hintereinander inthronisiert worden. 218 meuterten mehrere Legionen gegen den erst im Vorjahr ausgerufenen Kaiser Macrinus. Dahinter steckten zwei Frauen – Julia Maesa und ihre Tochter Julia Soaemias. Sie stammten aus Syrien und hatten in höchste römische Kreise eingeheiratet. Soaemias’ Sohn Varius Avitus war schon als Kind zum Oberpriester des Sonnengottes Elagabalus im syrischen Tempel zu Emesa (heute Homs) ernannt worden. Gemeinsam mit ihrem Liebhaber Gannys bestach Soaemias die Soldaten der III. Legion, den erst 15-jährigen Varius zum Kaiser zu proklamieren. Das geschah am 16. Mai 218. 20 Julia Maesa, die in der Hauptstadt großen Einfluss besaß, schilderte den römischen Politikern die Vorzüge ihres Enkels in schillernden Farben. Der Knabe hatte inzwischen den Namen geändert und nannte sich nach seinem Sonnengott Elagabalus. Das sollte nicht die einzige Skurrilität bleiben. Nachdem der neue Kaiser im Frühjahr 219 nach Rom übergesiedelt war, begann eine Kette von Exzessen, welche selbst das Treiben von Tyrannen wie Nero und Caligula in den Schatten stellte. Der frühreife Elagabalus hielt seinen Einzug in Rom geschminkt wie eine Zirkusdirne und in edelsteinbesetzten Gewändern. Das Symbol seines Sonnengottes, ein heiliger Meteorstein, wurde in prunkvoller Prozession in einen eigens errichteten Tempel überführt. Der Kaiser schritt rückwärts vor ihm her, um seinen Götzen keinen Moment aus den Augen zu verlieren. Innerhalb von drei Jahren heiratete Elagabalus drei Frauen und verstieß sie wieder. Dann „vermählte“ er sich mit einem Athleten, der den bezeichnenden Namen „Zoticus“ trug. Als Präfekten der Garde berief er den ehemaligen Tänzer Comazon. Im Jahre 220 führte Elagabalus eine chaotische Religionsreform durch. Sein orientalischer Sonnengott sollte oberster Beherrscher des Götterhimmels sein und noch über Jupiter stehen. Der Historiker Cassius Dio berichtet von den barbarischen Riten und Opfern, die der Kaiser seinem Gott darbrachte, „indem er Knaben erschlug und Zaubermittel benutzte“. Rief das schon große Empörung hervor, so sorgte das bizarre private und öffentliche Leben des Kaisers für dauernde Skandale. Er ließ Giftschlangen sammeln und abends im Theater freilassen. Je größer die Panik, desto besser amüsierte er sich. Einmal spannte er Löwen vor seinen Wagen, dann Tiger, dann Elefanten. Als er davon genug hatte, ließ er schöne junge Mädchen einfangen, spannte sie nackt vor seinen Karren und kutschierte mit ihnen unter irrsinnigem Gelächter durch Roms Straßen. Seinen Sklaven befahl er eines Tages, sie sollten 1 000 Pfund Spinn­weben herbeischaffen und setzte dafür Belohnungen aus. Wie der zeitgenössische Historiker Aelius Lampridius berichtet, „hatte er nichts Besseres zu tun, als überall nach Männern fahnden zu lassen, die übergroße Geschlechtsteile hatten, und sie in den Palast zu bringen, um ihre Liebeskünste zu genießen“. Laut Aurelius Victor, einem weiteren Chronisten, ließ der Kaiser „die obszönsten Menschen aus dem ganzen Erdkreis zu sich kommen“. 21 221 wurde offensichtlich, dass Elagabalus verrückt geworden war. Nachts schlich er sich mit einer Perücke kostümiert in die übelsten Tavernen und bot sich als Prostituierte an. Seine Gelage im Palast endeten oft tödlich. Einmal schloss er seine betrunkenen Gäste ein und ließ plötzlich im Dunkeln Löwen, Leoparden und Bären auf sie los. Niemand wusste, dass diese Tiere gezähmt und zahnlos waren. In der wilden Panik kamen mehrere Menschen ums Leben. Nun galt es, diesen geschminkten Lüstling möglichst bald loszuwerden. Als Alternative bot sich sein Cousin Alexander an und Elagabalus versuchte prompt, den erst 13-Jährigen ermorden zu lassen. Die damit beauftragte Prätorianergarde verweigerte den Befehl. Der Kaiser, ein notorischer Feigling, der nur an der Hand seiner Großmutter Maesa wagte, das Senatsgebäude zu betreten, musste reagieren. Am 11. März 222 begab er sich mit seiner Mutter Soaemias ins Prätorianerlager. Doch die Gardesoldaten ließen ihn kaum zu Wort kommen. Elagabalus rannte schließlich davon und versteckte sich in einer Latrine. Hier wurde er gemeinsam mit seiner Mutter erschlagen und geköpft. Ihre Leichen warf man in den Tiber. Die Gäste des Elagabalus erstickten unter Blüten Die nur drei Jahre währende Herrschaft des Elagabalus hatte großen Schaden angerichtet und das geheiligte Kaiseramt für lange Zeit seines Nimbus beraubt. Die sechs Imperatoren, die bis 244 auf Elagabalus folgten, wurden allesamt ermordet. 22