Das französische Parteiensystem der V. Republik I. Vorgeschichte 1

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Heinrich-Heine-Universität
Institut für Sozialwissenschaften
Politikwissenschaft I
Hauptseminar. Politisches System und Politik in Frankreich
Dozent: Dr. Nils Bandelow
Referentin: Stefanie Noßwitz
Datum: 3. Juli 2003
Das französische Parteiensystem der V. Republik
I.
Vorgeschichte
1. Entstehung der Parteien
-
die 1901 gegründete Partei der Radikalsozialisten gilt als erste politische Partei Frankreichs.
der kommunistische Flügel gründete 1920 als Mehrheitsflügel die Kommunistische Partei
(heutige Bezeichnung: PCF).
bis zum Ende der III. Republik gab es keine strukturierte rechte Partei.
Bei vielen Parteien und Parteienbündnissen handelte es sich um lose strukturierte und fragile
Gebilde.
2. Ursache für das späte Entstehen
-
II.
eine wechselhafte, durch zahlreiche Brüche gekennzeichnete politische Geschichte
Frankreichs.
die rousseauistische Tradition der politische Philosophie, die mit der Vorstellung von der
„volonté générale“ betont antipluralistische und parteienfeindliche Züge aufweist.
Entwicklung der Parteien war von einem ausgeprägten Antiparteienaffekt begleitet.
Entwicklung des Parteiensystems seit 1958
1. Einführung in das Parteiensystem
Für die Charakterisierung des französischen Parteinsystems der V. Republik hat sich der Begriff der
Biopolarisation eingebürgert, gemeint ist damit eine Teilung des Parteiensystems in zwei annähernd
gleich starke Blöcke:
Auf Seiten der Linken sind dies die Parti Socialiste (PS) und die Parti Communiste Francais (PCF)
und auf der Rechten das gaullistische Rassemblement pur la République (RPR) und die liberalkonservative Parteinkonföderation Union pour la démocratie Francaise (UDF).
2. Die Entwicklung des Systems in der V. Republik
a) Konzentration des Parteiensystems und Herausbildung einer bipolaren Struktur des
Parteienwettbewerbes zwischen 1962 und 1973
- Entstehung einer dominanten und stabilen Mehrheitskoalition mit den Gaullisten als
tragendem Pfeiler.
- Herausbildung einer Parteienallianz, der Linksunion, zwischen der sozialistischen Partei und
der Parti Communiste Francais (PCF).
- Verschwinden der extremen Rechte und der polit ischen Mitte.
b). Hochphase der „quadrille bipolaire“, der bipolaren Konstellation von je zwei Parteien der Linken
(PS, PCF) und der Rechten (Gaullisten und UDF) zwischen 1974 und 1984
-
Zahl der bedeutsamen Parteien nahm ab -> Bildung einer bipolaren Struktur
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Zwei Hauptgründe:
- Institutionen der V. Republik zwangen die Parteien im jeweils zweiten Wahlgang dazu, zwei
Lager zu bilden.
- Erfolgreiche Entwic klung der gaullistischen UNR bzw. UDR (jetzt UDF) zur hegemonialen
Partei der Rechten.
-> Konsolidierung und Vitalität der vier bestimmenden Parteien
c) erneute Fragmentierungstendenzen im Parteiensystem seit 1984
- bipolare Struktur des Parteinwettbewerbs lockerte sich.
- Die Achtziger waren von dem Aufstieg neuer Parteien gekennzeichnet.
d) Neuere Entwicklungen nach den Parlamentswahlen 1997
- Die Linken befinden sich in einer gestärkten Position.
- Die Rechten stürzt die Niederlage in eine Krise.
e) Die aktuelle Situation – Die UMP
- Zusammenschluss der RPR und der UDF zur Union pour un Mouvement Populaire (UMPUnion für eine Volksbewegung).
- Ansiedlung im politischen Spektrum der rechten Mitte.
Ursache des Zusammenschlusses:
- Vereinigung der franz. Rechten schon öfters diskutiert, blieb immer im Vorsatz stecken.
- Aufbau der UMP wurde möglich, als Chirac die Chance ergriff, die sich während der
Präsidentschaftswahl 2002 bot.
III.
Die Rolle und Funktion der Parteien im Regierungssystem der V. Republik
1. Die institutionellen Rahmenbedingungen
a) Die verfassungsrechtliche Stellung
Artikel 4 lautet: „Parteien und politische Gruppierungen wirken bei den Wahlen mit. Ihre Bildung und
die Ausübung ihrer Tätigkeiten erfolgen frei. Sie haben die Grundsätze der nationale n Souveränität
und der Demokratie zu beachten.“
-> Parteien erhalten zum ersten Mal einen verfassungsrechtlichen Status und die Garantie zur
freiheitlichen Ausübung ihrer Aktivitäten.
b) Weitere Besonderheiten
- geringer Organisationsgrad
- Finanzkraft ist stark beschränkt.
- Zersplitterung und Instabilität der Parteienlandschaft.
2. Die Rolle der Parteien
a) Die Präsidentialisierung der Parteien
- Einfluss des präsidentiell ausgerichteten Wettbewerbs auf die politischen Akteure wird
Präsidentialisierung genannt.
- Zentrale Bedeutung der Wahl hat zur Folge, dass Parteien im Wettbewerb besserer
Ausgangspositionen haben, die einen aussichtsreichen potentiellen Präsidenten als Kandidaten
vorweisen können.
b) Präsidentialisierung als Schwächung der Parteien?
- keine überparteiliche Präsidentschaftswahl
- aber Personalisierung des Wettbewerbs
è kann nicht als Schwächung bezeichnet werden
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3. Funktionen
a) Integration und Mobilisierung
- Begrenzte Integrationskraft und Mobilisierungskräfte
b) Repräsentation und Willensbildung
- Vielfalt an gesellschaftlichen Kräften spiegelt sich wider.
- Durch regelmäßige Abspaltungen, Neugründungen und Umstrukturierungen der Parteiein und
Namensänderungen sind die polt. Gruppierungen eine „politische Familie“.
c) Selektion und Rekrutierung von polischem Personal
- Karrieretyp der lokalen Honoratioren
- Karrieretyp des Parteiaktivisten
- Karriereweg des „Kabinettabgeordneten“
d) Einfluss auf die Regierungsbildung
- kann stark schwanken und hängt von den politischen Mehrheitskonstellationen ab.
- Die Regierungen der postgaullistischen V. Republik sind Parteienregierungen, ein Großteil der
Minister gehört einer der Regierungsparteien an.
e) Einfluss auf die Regierungspolitik
- Einfluss der Parteien und ihrer parlamentarischen Funktionen auf die Regierungspolitik
unterschiedet sich in den einzelnen Präsidentschaften und wird durch die bestehenden
Mehrheitsverhältnisse sowie durch das Selbstverständnis von Regierung und
Regierungsparteien geprägt.
- Grundsätzlich gilt, dass stabile Mehrheiten und geschlossenes Abstimmungsverhalten die
Stabilität des Regierens in der V. Republik bedingen.
IV.
Fazit
1. Wie haben sich Rolle und Funktion der Parteien verändert?
- hängt von der Vergleichsperspektive ab
- nimmt man die beiden vorhergegangenen Republiken, so wird man eine funktionale
Aufwertung und eine deutliche Stabilisierung des Parteiensystems erkennen können.
- im Vergleich zu anderen west- und nordeuropäischen politischen Systemen sind Rolle und
Einfluss begrenzt.
2. Wie ist die Rolle der Parteien abschließend zu bewerten?
- haben einen Wandel durchgemacht
- V. Republik ist nicht das Präsidialsystem geworden, dass sich de Gaulle vorgestellt hat.
- Die V. Republik hat sich als stabiles und funktionsfähiges System erwiesen.
- Es kam zur Stabilisierung des Parteiensystems und zur Stärkung der Parteistrukturen.
Literatur:
Haensch, Günther/Tümmers, Hans J: Frankreich. Politik, Gesellschaft, Wirtschaft. München 1998.
Kempf, Udo: Von de Gaulle bis Chirac. Das politische System Frankreichs. 3.Auflage. Opladen 1997.
Lasserre, Rene/Schild, Joachim/Uterwedde Henrik: Frankreich – Politik, Wirtschaft, Gesellschaft.
Opladen 1997.
Pütz, Christine: Rolle und Funktionen der Parteien in der V. Republik. In: Ruß, Sabine/Schild,
Joachim/Schmidt, Jochen/Stephan, Ina (Hrsg.): Parteien in Frankreich – Kontinuität und Wandel in der
V. Republik. Opladen 2000.
Schild, Joachim: Parteien, Parteiensystem und politische Konfliktlinien im Wandel. In: Christadler,
Marieluise/Uterwedde, Henrik (Hrsg.): Länderbericht Frankreich. Bundeszentrale für politische
Bildung. Bonn 1999.
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