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Seltene und importierte Infektionskrankheiten Botulismus
2.3 Botulismus
Erreger
Clostridium botulinum (Gattung Clostridium, Familie Bacillaceae), ein obligat anaerober Sporenbildner bildet Neurotoxine, deren Typen A, B, E
und F bei Menschen eine Intoxikation verursachen.
Vorkommen
Die Sporen von Clostridium botulinum kommen
ubiquitär im Erdreich und Meeresboden vor. Erkrankungen an Botulismus sind in Deutschland
sehr selten, werden aber regelmäßig beobachtet.
Infektionsweg
Lebensmittelbedingter Botulismus: Aufnahme
von Toxinen, die in kontaminierten Lebensmitteln unter anaeroben Bedingungen bei Temperaturen zwischen 3 und 50 ºC durch ein Auskeimen
der Sporen gebildet werden können. In erster Linie sind es nicht adäquat zubereitete Konserven
wie z. B. eingemachtes Gemüse oder Fleisch- und
Fischzubereitungen. Falls toxinhaltige Nahrungsmittel vor dem Verzehr nicht ausreichend
gekocht bzw. erhitzt werden, kommt es nach dem
Verzehr zu einer Intoxikation.
Wundbotulismus: Erkrankungen durch Toxinresorption aus mit C. botulinum infizierten Wunden
(in Deutschland v. a. bei i. v.-Drogenabhängigen).
Säuglingsbotulismus („infantiler Botulismus“)
wird verursacht durch eine Besiedlung des Magen-Darmtraktes von Säuglingen mit der Vegetativform von C. botulinum. Die Toxinbildung
erfolgt in vivo. Diese Form kann auch bei Erwachsenen mit veränderter Anatomie oder veränderter
bakterieller Besiedlung des Magen-Darmtraktes
auftreten. Eine häufige Quelle der Clostridiumsporen beim Säuglingsbotulismus ist Honig.
Obwohl betroffene Patienten häufig relevante Mengen an Clostridien und Toxinen mit dem
Stuhl ausscheiden, sind bisher keine direkten
Mensch-zu-Mensch-Übertragungen beschrieben
worden.
Prophylaxe
Herstellung von Konserven o. a. Lebensmitteln
unter Bedingungen, bei denen Sporen von Clostridium botulinum nicht überleben. Auf klärung
über adäquate Konserven- und Speisenzubereitung im häuslichen Bereich, weil hier die Risiken
erfahrungsgemäß höher sind als bei kommerzieller Herstellung. Besondere Vorsicht bei nicht
einwandfreien Speisen! Konserven mit Bombagen oder bei denen nach dem Öffnen Gas und
Flüssigkeit entweichen, sind zu verwerfen. Durch
Kochen (10–15 Min.) wird das hitzelabile Toxin
zerstört, auf verdächtige Speisen sollte trotzdem
verzichtet werden. Säuglinge bzw. Kleinkinder
dürfen im 1. Lebensjahr keinen Honig erhalten!
Inkubationszeit
Bei lebensmittelbedingtem Botulismus 12–36
Stunden (in Einzelfällen auch kürzer oder länger), sie ist abhängig von der aufgenommenen
Toxinmenge. Je früher die Symptomatik beginnt,
desto ausgeprägter ist die Intoxikation und umso
höher die Letalität. Beim Säuglingsbotulismus ist
die Inkubationszeit nicht bestimmbar.
Symptomatik/Verlauf
Lebensmittelbedingter Botulismus: Zu Beginn
der Erkrankung werden häufig Übelkeit, Erbrechen und Durchfälle angegeben. Der weitere
klinische Verlauf des klassischen Botulismus ist
primär gekennzeichnet von neurologischen Manifestationen, anfangs meist verschwommenes
Sehen, Doppelbilder, Lichtscheu, Schluckstörungen und ein trockener Mund. In aller Regel
manifestiert sich anschließend eine symmetrische, absteigende, schlaffe Parese. Die Patienten
sind bei vollem Bewusstsein und fieberfrei (erst
bei komplizierenden Sekundärinfektionen entwickeln die Patienten Fieber). Abortive Verläufe
sind möglich. Bei frühzeitiger, adäquater Therapie kann die Letalität des klassischen Botulismus
auf 5–10 % gesenkt werden. Die Rekonvaleszenz
dauert meist Monate bis Jahre.
Säuglingsbotulismus beginnt mit Obstipation,
Verweigerung der Nahrungsaufnahme, Ruhelosigkeit. Mit fortschreitender Intoxikation treten
Schluckstörungen, Ptosis der Augenlider und
zunehmende muskuläre Hypotonie auf. Einige
Säuglinge werden respiratorisch insuffizient.
Säuglingsbotulismus wird als einer der möglichen
Auslöser des plötzlichen Kindstods diskutiert.
Botulismus Seltene und importierte Infektionskrankheiten
Nach Botulismus entwickelt sich keine Immunität.
Diagnostik
Nachweis des Toxins im Serum, in Erbrochenem, im Mageninhalt, in Stuhl- oder Nahrungsmittelproben. Erregeranzucht aus dem Stuhl
(typischerweise bei Säuglingsbotulismus) bzw.
Wundmaterial (Wundbotulismus). Der Toxinnachweis erfolgt im Tierversuch (Maus) oder
immunologisch. Wegweisend für die Diagnose
beim lebensmittelbedingten Botulismus können
die Nahrungsmittelanamnese und Suche nach
weiteren Erkrankungsfällen in der Umgebung
sein. Beratung und Spezialdiagnostik bietet z. B.
das Konsiliarlaboratorium für anaerobe Bakterien am Institut für Med. Mikrobiologie und Infektionsepidemiologie der Universität Leipzig an.
Differenzialdiagnose
Poliomyelitis, Tetanus, Tollwut, Enzephalitiden
und Intoxikationen anderer Genese.
Therapie
Sofortige Magen- und Darmentleerung. Die Behandlung mit Antitoxin und eine unterstützende
symptomatische, intensivmedizinische Therapie
sollte möglichst frühzeitig begonnen werden. Bei
Säuglingsbotulismus orale Gabe von Penicillin.
Meldevorschriften
Meldepflicht bei Krankheitsverdacht, Erkrankung und Tod gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 des IfSG
und bei Nachweis des Erregers oder des Toxins in
Verbindung mit einer akuten Infektion gemäß §
7 Abs. 1 Nr. 7 IfSG.
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Titelfotos: Dr. Hans R. Gelderblom/Kazimierz Madela(oben)/Robert Koch-Institut
Oben: Clostridium difficile NCTC 13307
Mitte: Corynebacterium diphtheriae mitis, Darstellung mit Polkörnchen
Unten: SARS-CoV, Severe acute respiratory syndrome coronavirus, Virusreplikation
Steckbriefe seltener und importierter Infektionskrankheiten
Robert-Koch-Institut, Berlin 2011
ISBN
978-3-89606-240-6
Herausgeber
Robert Koch-Institut
www.rki.de
Redakteur
Dr. sc. med. Wolfgang Kiehl
An der vorliegenden Neuauflage haben aus dem RKI mitgewirkt:
Dr. Anton Aebischer, Dr. Katharina Alpers, Dr. Mona Askar, Susanne Behnke,
Dr. Justus Benzler, Dr. Helen Bernard, Dr. Udo Buchholz, Dr. Silke Buda, Dr. Mirko
Faber, Dr. Lena Fiebig, Dr. Christina Frank, Dr. Manuel Dehnert, Dr. Yvonne Deleré,
Dr. Brigitte Dorner, Sandra Dudareva, Dr. Tim Eckmanns, Susanne Glasmacher,
PD Dr. Walter Haas, Dr. Osamah Hamouda, Dr. Wiebke Hellenbrand, Dr. Michael
Höhle, Bettina Keller, Dr. Albrecht Kiderlen, Christian Klotz, Dr. Judith Koch,
Dr. Gabriele Laude, Dr. Astrid Lewin, Dr. Ulrich Marcus, Dr. Astrid Milde-Busch,
Prof. Dr. Matthias Niedrig, Dr. Wolfgang Rabsch, Dr. Sabine Reiter, Dr. Bettina
Rosner, Dr. Julia Sasse, Dr. Irene Schöneberg, Mario Schummert, Prof. Dr. Frank
Seeber, Prof. Dr. Klaus Stark, Dr. Kathrin Tintelnot, Dr. Maria Wadl, Dr. Dirk Werber,
Dr. Ole Wichmann.
Die Kapitel zu den Bartonella-Infektionen wurden von Prof. Dr. Volkhard Kempf,
Frankfurt/Main bearbeitet.
Die vorige Auflage war erarbeitet worden von:
Dr. Katharina Alpers, Dr. Gabriele Laude, Jens Mehlhose, Prof. Dr. Matthias Niedrig (verantwortlich), Prof. Klaus Stark, Dr. Kathrin Tintelnot (alle RKI);
Prof. Dr. Gert-Dieter Burchardt, Prof. Dr. Herbert Schmitz, Prof. Dr. Egbert Tannich (alle
Bernhard-Nocht-Institut);
Dr. Barbara Reinhardt (Universität Ulm).
Mitgearbeitet hatten: Dr. Justus Benzler, Dr. Christina Frank, Dr. Andreas Jansen, Dr. Wolfgang
Kiehl, Dr. Judith Koch, Dr. Katrin Leitmeyer, Prof. Dr. Georg Pauli, Dr. Doris Radun, Dr. Irene
Schöneberg, Dr. habil. Eckart Schreier, Dr. Brunhilde Schweiger (alle RKI) sowie Dr. Martin
Pfeffer (München).
Satz & Druck
Westkreuz-Druckerei Ahrens KG Berlin/Bonn
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