Alterungsprozess: Gib den Alten Zucker?

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DocCheck vom 02.12.2014 (Internet-Publikation, Köln)
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Alterungsprozess: Gib den Alten Zucker?
Viele Erkrankungen korrelieren mit zuckerreicher Ernährung. Dabei verbessern große Zuckermengen mit
zunehmendem Alter den Gesundheitszustand und verlängern das Leben, zumindest im Tierversuch. Ein
Vorbild für ältere Menschen?
Das Altern ist ein äußerst komplexer Vorgang. Die Verkürzung der Telomere scheint dabei eine wesentliche Rolle zu spielen. Diese molekularen Schutzkappen sitzen am Ende der Chromosomen und
jedes Mal, wenn sich eine Zelle teilt, nimmt ihre Länge ein wenig ab. Die Zellteilung verlangsamt sich
umso mehr, je kürzer die Telomere werden, bis sie schließlich ganz zum Stillstand kommt. Wissenschaftler konnten in einer Vielzahl von unterschiedlichen Zelltypen bereits beobachten, dass sich mit
abnehmender Telomerlänge Schäden im Erbgut der Zellen anhäufen.
Einem Forscherteam gelang nun der Nachweis, dass Mäuse mit verkürzten Telomeren auch einen
deutlichen erhöhten Bedarf an Glukose haben. Wie die Wissenschaftler um Tina Wenz, Karsten Hiller
und Lenhard Rudolph im Fachmagazin Nature Communications berichteten, führt bei diesen Tieren
ein Glukose-Mangel in der normalen Ernährung zu vorzeitigem Gewebeschwund und einer verringerten Lebenserwartung.
Enzym verlängert Telomere
Für ihre Experimente verwendeten Wenz und ihre Kollegen speziell gezüchtete Mäuse. Deren Erbgut
hatten die Forscher vorher mit genetischen Methoden so verändert, dass die Tiere keine Telomerase
mehr herstellen konnten. Dieses Enzym hilft Zellen normalerweise dabei, Telomere wieder zu verlängern, wenn diese in verkürzter Form vorliegen. Die genetisch modifizierten Mäuse entwickeln sich
trotz kürzerer Telomere in der ersten Lebensphase normal, zeigen jedoch, wenn der natürliche Alterungsprozess einsetzt, einen viel schnelleren Gewichtsverlust als ihre normalen Artgenossen.
Das Team um Wenz fand heraus, dass die Mäuse mit den verkürzten Telomeren unter einem gestörten Energiehaushalt leiden: Ihre Zellen besitzen weniger Mitochondrien und können deshalb ihren
Energiebedarf nicht mehr auf normale Weise decken. „Als Kompensation versuchen die Zellen, auf
die außerhalb der Mitochondrien stattfindende Glykolyse auszuweichen“, sagt Wenz, Gruppenleiterin
am Institut für Genetik der Universität Köln. „Allerdings ist diese Art der Energiegewinnung nicht sehr
effizient.“
Zellen verbrauchen mehr Nährstoffe
Die Zellen, so Wenz, müssten dabei wesentlich mehr Nährstoffe verbrennen, um die gleiche Menge
des Energieträgers ATP zu produzieren. Durch den beschleunigten Verbrauch von Nährstoffen befinden sich die Zellen in einem permanenten Hungerzustand, der dazu führen kann, dass keine Zellteilung mehr stattfindet und DNA- und Proteinschäden sich immer mehr anreichern. Alle diese Vorgänge tragen dazu bei, dass die betroffenen Mäuse rasant altern und innerhalb weniger Wochen
sterben.
Der Prozess der vorzeitigen Alterung ließ sich jedoch aufhalten, wenn die Forscher die genetisch
veränderten Mäuse rechtzeitig mit einer Kost fütterten, die mit Glukose angereichert war. Dadurch
erhöhte sich die Menge der Mitochondrien in den Zellen, der Energiehaushalt normalisierte sich und
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die Tiere legten an Gewicht wieder zu. Der positive Effekt war nicht von Dauer, nach zwei bis drei
Monaten verloren sie wieder an Gewicht.
Zusätzliche Glukose verlängert Lebensspanne
Die Tiere lebten dennoch 20,5 Prozent länger als Mäuse, die dauerhaft eine normale Kost erhalten
hatten. Die fortschreitende Störung des Energiehaushalts durch die verkürzten Telomere verursacht
möglicherweise einen immer größer werdenden Bedarf an Glukose, der ab einem gewissen Zeitpunkt
selbst mit einer speziellen Ernährung nicht mehr gedeckt werden kann, wie die Wissenschaftler in der
Veröffentlichung schreiben. Anschließend wiederholte das Forscherteam die Versuche mit menschlichen Bindegewebszellen. Je kürzer ihre Telomere waren, desto anfälliger reagierten die Zellen auf
den Entzug von Glukose. „Bindegewebszellen mit kurzen Telomeren haben nur wenige Mitochondrien, wenn nicht genügend Glukose zur Verfügung steht“ erklärt Wenz.
Behandlungsansatz für bestimmte Patientengruppen?
Sie kann sich vorstellen, dass die zeitlich begrenzte und kontrollierte Glukosegabe Patienten mit mitochondrialen Erkrankungen zugute kommen könnte, da bei diesen oft die Glykolyse als Kompensation aktiviert ist. Bei geriatrischen Patienten sieht Wenz ebenfalls ein Anwendungsgebiet für die Glukosegabe, da diese oft unter Mangelernährung und verringertem Körpergewicht leiden. Andere Experten sind von den Resultaten des Forscherteams überrascht: „In den vergangenen Jahren sind
immer mehr Hinweise aufgetaucht, die belegen, dass eine übermäßige Kalorienzufuhr zu Übergewicht und Insulinresistenz, aber auch zu vorzeitiger Alterung und Demenz führen kann“, sagt Michael
Faust, Leitender Oberarzt am Zentrum für Endokrinologie, Diabetologie und Präventivmedizin der
Uniklinik Köln. „Allerdings ist auch bekannt, dass gerade ältere Menschen mit Fehl- und Unterernährung eine ungünstige Prognose haben.“
Vorsicht bei Diabetes
Vielleicht, so der Mediziner, komme es schlicht auf den richtigen Zeitpunkt an. Während zu viele
Kalorien dem gesunden Organismus schaden, könnten sie für bereits gealterte Zellen von Vorteil sein.
Wie Wenz gibt er zu bedenken, dass die Ergebnisse der neuen Studie natürlich nicht eins zu eins von
der Maus auf den Menschen übertragen werden können. Hierbei, so Faust, müsse insbesondere
beachtet werden, dass viele ältere Menschen an Typ-2-Diabetes erkrankt sind und diese von einer
zusätzlichen Glukosegabe wohl nicht profitieren würden. „Für alle anderen“, findet der Mediziner,
„besteht aber Hoffnung auf Besserung ihres Zustandes, wenn sich die Ergebnisse in klinischen Studien am Menschen reproduzieren lassen.
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