Ludwig-Maximilians-Universität München Institut für Informatik Dr. S. Merz SS 2001 Begleitblatt 1 Temporale Logik Überblick: “Klassische Logik” 1. Aussagenlogik Sei V eine (höchstens abzählbar unendliche) Menge von atomaren Aussagen. Sprache LAL (V) (kurz: LAL ) der Aussagenlogik. Alphabet: • alle Elemente von V • die Zeichen false, →, (, ) Induktive Definition der Formeln: 1. Jede atomare Aussage v ∈ V ist eine Formel. 2. false ist eine Formel. 3. Sind A und B Formeln, so ist auch (A → B ) eine Formel. Abkürzungen: ¬A A∨B A∧B A↔B true für für für für für A → false ¬A → B ¬(A → ¬B ) (A → B ) ∧ (B → A) ¬false Semantik. Vorgegeben ist die Menge {f, t} von Wahrheitswerten. Eine Belegung B für LAL (V) ist eine Abbildung B : V → {f, t}. Induktive Fortsetzung einer gegebenen Belegung B auf alle Formeln von LAL (V): 1. B(v ) für v ∈ V ist gegeben. 2. B(false) = f. 3. B(A → B ) = t ⇐⇒ B(A) = f oder B(B ) = t. Für die weiteren Operatoren gilt dann: B(¬A) = t B(A ∨ B ) = t B(A ∧ B ) = t B(A ↔ B ) = t B(true) = t ⇐⇒ ⇐⇒ ⇐⇒ ⇐⇒ B(A) = f B(A) = t oder B(B ) = t B(A) = t und B(B ) = t B(A) = B(B ) Eine Formel A von LAL heißt gültig in B (in Zeichen |= A), wenn B(A) = t gilt. A heißt allgeB meingültig (Tautologie, |= A), wenn |= A gilt für alle B. A folgt aus einer Formelmenge F (F |= A B bzw. B1 , . . . , Bn |= A, falls F = {B1 , . . . , Bn }), wenn |= A gilt für jede Belegung B mit |= B für alle B B B ∈ F. Formale Systeme. Ein formales System Σ ist gegeben durch: • Axiome (Formeln einer logischen Sprache), • Herleitungsregeln der Gestalt A1 , . . . , An ` B (n ≥ 1) mit Formeln A1 , . . . , An , B . Die Formeln A1 , . . . , An heißen Prämissen, B heißt Konklusion (der Regel). Induktive Definition der Herleitbarkeit einer Formel F in Σ (in Zeichen: ` F , ` F ): Σ 1. Jedes Axiom ist herleitbar. 2. Ist A1 , . . . , An ` B eine Regel und sind A1 , . . . , An herleitbar, so ist auch B herleitbar. Ein formales System ΣAL der Aussagenlogik. Axiome: (Axiomenschemata) (al1) A → (B → A) (al2) (A → (B → C )) → ((A → B ) → (A → C )) (al3) (¬A → ¬B ) → (B → A) Regel: (Regelschema) (mp) A, A → B ` B Es gilt: • A`B ⇐⇒ • A1 , . . . , An ` B `A→B ⇐⇒ ` (A1 ∧ . . . ∧ An ) → B • F `A =⇒ F |= A (Korrektheit von ΣAL ) • F |= A =⇒ F `A (Vollständigkeit von ΣAL ) • insbesondere: `A ⇐⇒ |= A 2. Prädikatenlogik (1. Stufe) Signaturen. Eine Signatur SIG = (S , F , P ) ist gegeben durch: • eine Menge S von Sorten, • für jedes σ ∈ S ∗ , s ∈ S eine höchstens abzählbar unendliche Menge F (σ,s) von (σ, s)Funktionszeichen (falls σ = ε: Konstanten), und • für jedes σ ∈ S ∗ eine höchstens abzählbar unendliche Menge P (σ) von σ-Prädikatszeichen (falls σ = ε: atomare Aussagen). 2 Prädikatenlogische Sprache LPL (SIG) (kurz: LPL ) 1. Stufe über einer Signatur SIG = (S , F , P ). Alphabet: • alle Zeichen von F (σ,s) und P (σ) , für alle σ ∈ S ∗ , s ∈ S , • für jedes s ∈ S eine abzählbar unendliche Menge Xs von (Individuen-)Variablen, • das Gleichheitszeichen =, • die Zeichen false, →, ∃, (, ). Induktive Definition der Terme (mit ihren Sorten) 1. Jede Variable aus Xs ist ein Term der Sorte s. 2. Ist f ∈ F (s1 ...sn ,s) ein (s1 . . . sn , s)-Funktionszeichen und sind t1 , . . . , tn Terme der Sorten s1 , . . . , sn , so ist f (t1 , . . . , tn ) ein Term der Sorte s. Atomare Formeln: Alle Zeichenreihen der Gestalt • p(t1 , . . . , tn ), wobei p ∈ P (s1 ...sn ) ein (s1 . . . sn )-Prädikatszeichen und t1 , . . . , tn Terme der Sorten s1 , . . . , sn sind. • t1 = t2 , wobei t1 und t2 Terme gleicher Sorte sind. Induktive Definition der Formeln: 1. Jede atomare Formel ist eine Formel. 2. false ist eine Formel, und sind A und B Formeln, so ist (A → B ) eine Formel. 3. Ist A eine Formel und x ∈ Xs für ein s ∈ S , so ist ∃x A eine Formel. Abkürzungen und Schreibweisen: wie in der Aussagenlogik, zusätzlich ∀x A t1 6= t2 für ¬∃x ¬A für ¬(t1 = t2 ) Das Auftreten einer Variablen x in einer Formel A heißt gebunden, wenn es in einer Teilformel ∃x B vorkommt; andernfalls heißt es frei. Schreibweise: Ax (t) für die Formel, die sich aus A durch Ersetzen jedes freien Vorkommens von x durch t ergibt. Dabei seien x und t von gleicher Sorte, und t enthalte keine Variablen, die in A gebunden vorkommen. Semantik. Eine Struktur S für eine Signatur SIG = (S , F , P ) ist gegeben durch: • eine Trägermenge |S|s 6= ∅ für jedes s ∈ S , • eine Abbildung S(f ) : |S|s1 × · · · × |S|sn → |S|s für jedes (s1 . . . sn , s)-Funktionszeichen f (falls n = 0: S(f ) ∈ |S|s ), • eine Relation S(p) : |S|s1 × · · · × |S|sn → {f, t} für jedes s1 . . . sn -Prädikatszeichen p (falls n = 0: S(p) ∈ {f, t}). Eine Variablenbelegung ξ (bzgl. S) ist eine Zuordnung von je einem Element ξ(x ) ∈ |S|s zu jeder Variablen x ∈ Xs (für alle s ∈ S ). 3 Induktive Definition von S(ξ) (t) ∈ |S|s für Terme t der Sorte s: 1. S(ξ) (x ) = ξ(x ) für x ∈ Xs . 2. S(ξ) (f (t1 , . . . , tn )) = S(f )(S(ξ) (t1 ), . . . , S(ξ) (tn )). Definition von S(ξ) (A) für atomare Formeln A: 1. S(ξ) (p(t1 , . . . , tn )) = S(p)(S(ξ) (t1 ), . . . , S(ξ) (tn )). 2. S(ξ) (t1 = t2 ) = t ⇐⇒ S(ξ) (t1 ) = S(ξ) (t2 ). Induktive Fortsetzung von S(ξ) auf alle Formeln: 1. S(ξ) (A) für atomare Formeln A ist bereits definiert. 2. S(ξ) (false) = f. 3. S(ξ) (A → B ) = t ⇐⇒ S(ξ) (A) = f oder S(ξ) (B ) = t. 0 4. S(ξ) (∃x A) = t ⇐⇒ es gibt ξ 0 mit ξ 0 ∼x ξ und S(ξ ) (A) = t. (Dabei: ξ 0 ∼x ξ ⇐⇒ ξ 0 (y) = ξ(y) für y 6≡ x .) Für ∀x A gilt dann: S(ξ) (∀x A) = t ⇐⇒ 0 für alle ξ 0 mit ξ 0 ∼x ξ gilt S(ξ ) (A) = t. Eine Formel A von LPL heißt gültig in S (S erfüllt A, |= A), wenn S(ξ) (A) = t für jede Belegung ξ gilt. S A heißt allgemeingültig ( |= A), wenn |= A gilt für alle S. A folgt aus einer Formelmenge F (F |= A S bzw. B1 , . . . , Bn |= A), wenn |= A gilt für jedes S mit |= B für alle B ∈ F. S S Ein formales System ΣPL der Prädikatenlogik (korrekt und vollständig) Axiome: alle Axiome von ΣAL (∃I ) Ax (t) → ∃x A (eq1) x = x (eq2) x = y → (A → Ax (y)) Regeln: (mp) A, A → B ` B (part) A → B ` ∃x A → B falls x in B nicht frei vorkommt (Partikularisierung) 3. Theorien Eine (prädikatenlogische) Theorie (1. Stufe) T = (LPL (SIG), A) ist gegeben durch: • eine Sprache LPL (SIG), • eine Menge A von Formeln von LPL (SIG) (nicht-logische Axiome). Eine Struktur S für SIG heißt Modell von T , wenn jede Formel von A in S gültig ist. T heißt C-Theorie für eine Klasse C von Strukturen für SIG, wenn jede Struktur von C Modell von T ist. 4