Krebs und Evolution Schülerforum des Deutschen Krebsforschungszentrums Freitag, den 26. September 2008 Hans-Joachim Gebest Krebsinformationsdienst Deutsches Krebsforschungszentrum Heidelberg KID Krebs ein weltweites Thema Die häufigsten Todesursachen • Infektionskrankheiten 17.000.000 /Jahr • Herz-Kreislauf 15.000.000 /Jahr • Krebs 7.000.000 /Jahr • Krebsneuerkrankungen 10.000.000 /Jahr KID Krebs weltweit Bestimmte Krebsformen sind häufiger in hoch entwickelten Ländern: • Prostata, Brust, Darm Andere Krebsformen sind häufiger in Entwicklungsländern: • Leber, Magen, Zervix WHO 2006 KID (Gebärmutterhals) Krebs in Deutschland • In Deutschland erkranken jährlich über 436.000 Menschen an Krebs • Das mittlere Erkrankungsalter liegt für Frauen bei 69 und Männern bei 68 Jahre • 3 - 4 Millionen Menschen leben derzeit in Deutschland mit der Diagnose Krebs (WHO: derzeit 24,6 Millionen weltweit) • Die Zahl der Krebskranken nimmt zu (WHO Schätzung für 2020: ~ 30 Millionen) * Daten bezogen auf 2004 Krebs in Deutschland - RKI 2008 KID Konstanz des Wissens Keplersche Gesetze z Die Umlaufbahn eines Trabanten ist eine Ellipse Johannes Kepler (1571-1630) „Die Mathematik allein befriedigt den Geist durch ihre außerordentliche Gewissheit“ z In gleichen Zeiten überstreicht die Strecke zwischen Objekt und Gravizentrum gleiche Flächen 16. Jahrhundert Foto. Wikipedia KID Wandel des Wissens Therapieempfehlung von Paracelsus… Paracelsus (1493-1541) „Die Behandlung muss mit dem vorgenommen werden, was die Krankheit erzeugt hat“. z … einen lebenden Krebs mit verbundenen Scheren auf die befallene Brust legen und ihn dort sterben lassen - dann sei auch "der andre Krebs gestorben und vergangen… 16. Jahrhundert Foto. Wikipedia KID Krebsformen in Deutschland ©Robert KID Koch-Institut / 2008 Krebssterbefälle in Deutschland ©Robert KID Koch-Institut / 2008 Krebs als Todesursache Krebstodesfälle weltweit (deaths per year) WHO 2006 KID • Lunge (1.3 mio d/y) • Magen (~ 1 mio d/y) • Leber (662.000 d/y) • Darm (655.000 d/y) • Brust (502.000 d/y) Krebs - Botschaften • Das Wissen über Krebs ist rasant gestiegen • Jeder kann sein Krebsrisiko reduzieren • Früherkennung verbessert die Prognose • Krebs wird zunehmend gezielter behandelbar • Gegen Krebs kann geimpft werden KID Krebs - Wortstamm • vom Griechischen „karkinos“ (seitwärts laufender Krebs) • Venenzeichnung auf der Bauchdecke (Magenkrebs) • Krebs > Malignom > Karziom > Cancer (Tumor, Neoplasie) Abb. NEJM August 1999 KID (engl) Krebs ist bösartig - maligne Trias 1. ungebremstes Zellwachstum 2. Infiltration und Zerstörung des umgebenden Gewebes 3. Metastasierung (Absiedlung in andere Organe) KID Krebs ist ... • nicht eine Erkrankung (über 100 verschieden Krebsarten!) • nicht seelische bedingt • nicht ansteckend (aber 15-20% bedingt durch Infektionen) • eine genetische Störung • ohne Zellteilung nicht denkbar • Folge der Störung eines fundamentalen biologischen Prozesses KID Die Zelle • Zellerneuerung Ç • Der Mensch besteht aus 100 Billionen Zellen Eine 1 mit 14 Nullen Æ 100.000.000.000.000 • Die Zellen stehen in einem Fließgleichgewicht • Pro Minute entstehen etwa 300 Millionen Zellen allein 2,5 Millionen rote Blutzellen pro Sek. KID • Programmierter Zelltod (Apoptose) È Zellteilung „Omnis cellula e cellula“ Rudolf Virchow (1821-1902) • Alle Zellen entstehen durch Zellteilung • Pro Menschenleben sind das 1016 Zellteilungen Eine 1 mit 16 Nullen - 10.000.000.000.000.000 • Eine Zellteilung dauert ungefähr 24 Stunden • Jede neue Zelle besitzt das gesamte Genom aus: B. Alberts, Molekulare Zellbiologie KID Feinbau eines Chromosoms aus: LINDER: Biologie.Schroedel Verlag KID Die menschliche DNA besteht aus circa 3 Milliarden Basenpaaren Chromosomen eukaryoter Zellen • Der Zellkern einer menschlichen Zelle hat einen ungefähren Durchmesser 5-8 µm und enthält ca. 2m DNA (Doppelhelix) KID Gene - Chromosomen - Genom • 80.000 Disketten mit 1,4 MB (112 GB) • Gene befinden sich auf den Chromosomen • Gene sind bestimmte Abschnitte der DNA • Genprodukte sind Proteine (Eiweiße) KID • Daten Æ Gene (DNA) • Diskette Æ Chromosom • Stapel Æ Genom Transskription und Translation • 28% des Genoms kann in RNA transkribiert werden • nur 5% hiervon aber in Proteine übersetzt (translatiert) • Proteinkodierende Abschnitte (Exons) werden von nichtkodierenden Abschnitten (Introns) unterbrochen • Spleißen > Herausschneiden von Introns KID KID Vom Organismus zur DNA aus: LINDER: Biologie.Schroedel Verlag KID Anzahl der Gene nicht entscheidend • Fadenwurm C. elegans Æ 19.000 Gene ~ 1mm lang, Lebenszeit: 7 bis 10 Tage, Genom 1998 entschlüsselt 98,7% mit dem Schimpansen identisch • Mensch Æ 20.000 - 25.000 Gene* • Reis Æ 60.000 - 80.000 Gene * Human Gene Project, Nature 21 October 2004 KID Mutation Durch eine Mutation wird die in der DNA gespeicherte Information verändert und dadurch können einzelne Merkmale (der Phänotyp) verändert werden. aus: W. Hiddemann, Die Onkologie KID Mutation • stille Mutationen • letale Mutationen • loss of function • gain of function (0,001%) Alle Menschen sind zu 99,9 Prozent ihrer Erbinformation gleich. Nur 0,1 Prozent unserer Gene begründen unsere Individualität KID Wachstumsregulation von Zellen • Zellen teilen sich in unserem Körper nicht einfach grundlos, sondern nur bei spezifischem Bedarf • Beispiel: Nachproduktion von Erythrozyten O2-Partialdruck im Geweben (Nieren) Bildung des Hormons Erythropoeitin über Blutweg ins Knochenmark Nachschub von Erythrozyten angeregt KID Zellzyklus Checkpoints • Die Zellteilung ist äußerst streng geregelt ProtoOnkogene Tumor SuppressorGene aus: B. Alberts, Molekulare Zellbiologie KID Krebsgene Die plakativen Begriffe Onkogen, Tumorsuppressorgen oder Tumorgen verweisen nicht auf die physiologische Bedeutung dieser Gene, sondern auf eine besondere Konsequenz ihrer Fehlregulation KID Krebsgene Tumorgene sind Mitglieder einer heterogenen Gruppe von positiven und negativen Regulatoren der normalen Zellproliferation, Apoptose und Gewebedifferenzierung KID Krebsgene Die Anhäufung von Störungen solcher Gene, seien sie ererbt oder im Laufe des Lebens erworben, können schließlich nicht mehr kompensiert werden und führen zur malignen Transformation KID Mutation und Selektion aus: www.camcases.com KID Stem cells Trumpp Andreas KID Stem cells Trumpp Andreas KID Sequenzielle Mutationen ~ 10-15 Jahre Die sequenzielle Mutationen von Tumorgenen mündet in Entwicklung eines kolorektalen Karzinoms aus: C. Wagner, Molekulare Onkologie KID Krebswissen heute Kebsentstehung ⎮ ein mehrstufiger Prozess 21. Jahrhundert Quelle: The Biology of Cancer © Garland KID Science 2007) Genetik und Epigenetik Genetik • Organisation der DNA in Genen und regulatorischen Sequenzen, • Veränderung von DNA durch Mutationen • Vererbung Epigenetik • Genregulation und -expression • Expression kodierter Gene • individuelle Ausprägung von Merkmalen KID (Phänotyp) Genexpression Das Realisieren der Information, die in der DNA eines Gens gespeichert ist, nennt man Genexpression BioTeach KID Genexpression KID Epigenetische Regulation DNA-Hypermethylierung • Promotorregion (Startregion für RNA-Polymerase) • gesteuert von Histonproteinen • Promotorregion Æ Gen-Inaktivierung (gene silencing) • Cytosin (CG-Sppression) (gefolgt von Guanin) CpG-Dinukleotid • Hypomethylierung Æ genetische Instabilität (Neoplasie) • Tumorzelle Æ Methylierung Æ Wachstumsvorteil KID DNA-Methylierung HTA: Histonacetyltransferase, DMNTs: DNA-Methyltransferase HDACs: Histonacetylasen, MBDS: Methylgruppen bindende Domänen T: Transskriptionsfaktoren DÄB 101, 27, 2.Juli 2004 KID DNA-Methylierung beim Prostata-CA DÄB 101, 27, 2.Juli 2004 KID Krebs - Verlauf • Mit einer Krebserkrankung beginnt ein willentlich nicht beeinflussbarer Prozess • Der spontane Verlauf ist von eigendynamischen biologischen Prozessen gekennzeichnet • Spontanheilungen sind möglich, werden aber nur sehr selten beobachtet KID Krebsentstehung • Triebkraft ist das Prinzip der Evolution Mutation und Selektion • Krebszellen entkommen der Zellzyklusregulation • Störungen der zellulären Signalmechanismen • Krebsentstehung ist ein mehrstufiger Prozess KID Krebsprävalenz in Schweden Causes of increasing cancer prevalence in Sweden aus: The Lancet 1999; Vol 354 KID Krebs und Alter Beziehung zwischen Alter und Auftreten kolorektaler Karzinome 100 Inzidenz-Rate pro 100.000 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 10 20 30 40 50 Alter Die Krebsgefahr steigt mit zunehmenden Lebensalter Robert Koch - Institut © KID 60 70 80 C. Wagener Krebs und Lebensstil Krebs hat auch etwas mit unserem Lebensstil zu tun! aus: W. Hiddemann, Die Onkologie KID Neuerkrankungsraten Lungenkrebs Stadt-Land-Vergleich in Utha (USA) aus: W. Hiddemann, Die Onkologie KID Krebs und Lebensstil aus: W. Hiddemann, Die Onkologie KID Erstaunen… Der Beginn aller Wissenschaften ist das Erstaunen, dass die Dinge sind, wie sie sind. Aristoteles (384-322 v. Chr.) KID