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ILDU
Das HEILBERUFE PflegeKolleg – ein gemeinsames Projekt von
Springer Pflege
Medizin
– Redaktion
– Redaktion
HEILBERUFE,
HEILBERUFE,
des
der
Verbandes
HAWK Hochder
Schwesternschaften
schule für angewandte
vomWissenschaft
Deutschen Roten
und Kunst
Kreuz Hildesheim/
e.V. und der
Alice
Holzminden/Göttingen
Salomon Hoschschule
und der
Berlin
Werner-Schule
– ist Fernfortbildung
vom Deutschen
zum
Mitmachen.
Roten Kreuz – ist Fernfortbildung zum Mitmachen.
So nehmen Sie teil:
Jedes PflegeKolleg besteht aus mehreren Fachbeiträgen zu
einem Thema und schließt mit einem Fragebogen ab.
Nicht-Abonnenten benötigen für die Online-Teilnahme eine
TAN im Wert von 15 €, die vom Tag der Einlösung an vier Wochen gültig ist. Diese TAN können Sie per E-Mail oder über
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Für die erfolgreiche Teilnahme an einem PflegeKolleg, die einen
zeitlichen Aufwand von 3 Stunden erfordert, erhalten Sie ein
anerkanntes Zertifikat; dieses sichert Ihnen zudem 3 Punkte im
Rahmen der Registrierung beruflich Pflegender beim Deutschen Pflegerat (DPR).
Zertifizierte
Zertifizierte
Fortbildung
Fortbildung
in Zusammenarbeit
in Zusammenarbeit
mitmit
G
3
Punkte
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Medikamentensicherheit
xxxxx
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PflegeKolleg 18/2016
x/2016
Füllen Sie als Abonnent/in den Fragebogen einfach unter
www.heilberufe.de online aus. Unmittelbar nach der Teilnahme
erfahren Sie, ob Sie bestanden haben und können sich Ihr
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dem Fragebogen.
PflegeKolleg
Medikamentensicherheit
Umgang mit Polypharmazie
Arzneimitteltherapie:
So erhöhen Sie die Sicherheit
Die Bevölkerung wird immer älter, somit leiden die Menschen immer häufiger unter verschiedenen Krankheiten gleichzeitig. Diese Multimorbidität in Kombination mit medizinischem Fortschritt und dem strengen Umsetzen medizinischer Therapieleitlinien führt zu
immer komplexeren Arzneimitteltherapien. Miriam und Christian Ude zeigen auf, wie
Pflegekräfte hier von Apotheken unterstützt werden können.
Polypharmazie
Arzneimitteltherapiesicherheit
AMTS-Team
Medikationsanalyse
Die Medikationsanalyse ist einestrukturierte
Analyse der aktuellen Gesamtmedikation eines
Patienten. Ziele
sind die Erhöhung
der Effektivität der
Arzneimitteltherapie und die Minimierung von
Arzneimittelrisiken. [nach ABDA
2014]
30
N
icht selten stößt man auf den Begriff der „Polypharmazie“, der sehr bildlich die Situation
zahlreicher, gerade pflegebedürftiger Menschen beschreibt: die Einnahme von mehr als drei
(oder mehr als fünf) systemisch wirkenden Arzneimitteln. Mit zunehmender Anzahl parallel eingenommener Arzneimittel steigt auch das Risiko für
Interaktionen, Unverträglichkeiten und sonstige
arzneimittelbezogene Probleme (AMBP, Tab. 1).
Dies hat Auswirkungen, die nachweislich zu einer
steigenden Anzahl an Krankenhauseinweisungen
führen. Nach Daten der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sind in Industriestaaten bis zu 10% der
Krankenhauseinweisungen auf arzneimittelbezogene Probleme zurückzuführen. Ziel im Sinne der
Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS) muss es
also sein, nicht nur der Auswahl und der Bereitstellung der notwendigen Arzneimittel größte Aufmerksamkeit zu schenken, sondern auch die Therapie intensiv und aufmerksam zu begleiten sowie bei
Bedarf zu optimieren. Diese Aufgaben lassen sich
am erfolgreichsten durch eine interdisziplinäre, vertrauensvolle Zusammenarbeit von Pflegekräften,
Apothekern und Ärzten umsetzen.
Ein interessanter Ansatz sind „AMTS-Teams“,
bestehend aus Pflegekräften und speziell weitergebildeten Apothekern, die beispielsweise auf den Stationen eines Pflegeheims etwaige arzneimittelbezogene Probleme direkt am Patienten analysieren. Seitens der Apotheke kann diese Therapiebegleitung
und -optimierung gefördert werden durch:
1.eine gezielte Medikationsanalyse und anschließend ein Medikationsmanagement
2.eine gezielte Optimierung der Arzneimittelhandhabung und Lagerung
Während der erste Aspekt vor allem die Analyse
und Optimierung der Arzneimitteltherapie im Fokus hat, beschäftigt sich Punkt 2 mit dem Umgang
mit Arzneiformen.
Medikationsanalyse und -management
Polypharmazie kennt keine abschließende Definition. In der Literatur findet man Grenzen von drei,
manchmal auch von fünf parallel systemisch eingenommenen Arzneimitteln. Unstrittig ist dagegen,
dass Polypharmazie die gleichzeitige Einnahme von
einer großen Anzahl an Arzneimitteln verbunden
mit einem erhöhten Risiko für Interaktionen und
arzneimittelbezogene Probleme meint. Keinesfalls
ist die Kombination von Arzneimitteln grundsätzlich nicht sinnvoll; z.B. funktionieren HIV- und
komplexe Hypertonie-Therapien nur aufgrund einer gezielten und wohl überlegten Kombination von
Arzneimitteln. Aber sie müssen durchdacht ausgewählt und das höhere Risiko für den Patienten kontinuierlich berücksichtigt werden. Ein erhöhtes, von
der Arzneimitteltherapie ausgehendes Risiko ist
auch ein Kriterium, gerade diesen Patienten eine
Medikationsanalyse zugutekommen zu lassen.
Die Institution Apotheke entwickelt sich in vielen Aspekten weiter. So bieten zunehmend mehr
speziell weitergebildete Apotheker neben den klas-
Heilberufe / Das Pflegemagazin 2016; 68 (10)
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K E Y WO R DS
Der bundeseinheitliche Medikationsplan
verbessert die
Adhärenz.
Verordnung eines
Arzneimittels
weitere AMBP
treten auf
Multimedikation
Auftreten von
UAWs
UAW wird als „neue“
Erkrankung
behandelt
© Ude
sischen, wichtigen Logistik-Aufgaben im Sinne einer pharmazeutischen Dienstleistung eine Medikationsanalyse und ein Medikationsmanagement (ungleich Medikamentenmanagement) für Patienten
an. Gerade diese beiden Angebote profitieren extrem von AMTS-Teams mit Pflegekräften vor Ort
auf den Stationen eines Pflegeheims. So ist ein guter
Informationsfluss und enger Kontakt zum Patienten gewährleistet.
Im Rahmen einer Medikationsanalyse werden
zunächst – ggf. im direkten Patientengespräch – alle
Informationen rund um den Patienten zusammengetragen. Die Medikation wird erfasst, Diagnosen
und Begleitumstände werden notiert. Auf dieser Basis bearbeitet der Apotheker den Patientenfall, um
etwaige arzneimittelbezogene Probleme zu erkennen, oder ggf. vom Patienten oder der Pflegekraft
geäußerte Unverträglichkeiten oder Schwierigkeiten in Relation zur Pharmakotherapie zu bewerten.
Grundlagen für den Apotheker sind hierbei Datenbanken, Literatur und Handlungsanleitungen (z.B.
Priscus-Liste, www.priscus.de, Forta-Kriterien).
Besonders anspruchsvoll für alle Beteiligten ist
das Aufdecken und Durchbrechen so genannter
Verschreibungskaskaden (Abb. 1): Ein Arzneimittel
verursacht eine Nebenwirkung, die fälschlicherweise als neue Erkrankung „diagnostiziert“ wird und
dann mit einem neuen, weiteren Arzneimittel therapiert wird. Richtig wäre hier die Änderung, Optimierung oder gar das Absetzen des ursprünglichen Arzneimittels gewesen. Um jedoch eine solche
Verschreibungskaskade entdecken zu können, be-
Abb. 1: Schematische Darstellung der Verschreibungskaskade (UAW: unerwünschte Arzneimittelwirkungen)
darf es vor allem eines gut geschulten und in ständigem Austausch stehenden Pflegepersonals, da dieses die Symptome (= Nebenwirkung/en) der Ursprungstherapie sensibel wahrnehmen muss. Ergebnis der Medikationsanalyse sind Lösungsvorschläge
für die erkannten arzneimittelbezogenen Probleme,
um die Therapie zu optimieren sowie Maßnahmen
der Therapietreue (Adhärenz) zu fördern. Alle Ergebnisse müssen abschließend interdisziplinär –
mit Ärzten und Pflegekräften – besprochen werden.
Der bundeseinheitliche Medikationsplan
Zu den adhärenzfördernden Maßnahmen zählt
auch ein korrekter, mit allen wichtigen Informatio-
Verschreibungskaskade:
Ein Arzneimittel
verursacht eine
Nebenwirkung,
die fälschlicherweise als neue
Erkrankung „diagnostiziert“ wird
und mit einem
weiteren Arzneimittel therapiert
wird.
BU N D E SE I N H E ITLI CH E R M E D I K ATI O N SPL AN
Der Bundeseinheitliche Medikationsplan enthält:
— Angaben zum Patienten
— Angaben zum Erstellenden
— Druckdatum
— Alle Arzneimittel und Rezepturen, die dem Patienten verschrieben wurden
— Vom Patienten selbst gekaufte Arzneimittel, soweit sie dem Ausstellenden bekannt sind und
für relevant gehalten werden
— Hinweise auf Medizinprodukte soweit diese für
relevant erachtet werden (z.B. Pens zur Applikation – Aufführen in Spalte „Hinweise“ beim entsprechenden Arzneimittel denkbar); Medizinprodukte mit Arzneimittelcharakter werden als
„Arzneimitteleintrag“ eingefügt
Merke: Der Medikationsplan ist ein Dokument für
den Patienten. Alle Eintragungen und Begriffe sollten somit laienverständlich und gut lesbar sein. Darauf ist auch bei Hinweise und Grund zu achten (z.B.:
nicht „dreimal täglich“, sondern „alle 8 Stunden“;
nicht „Hypertonie“, sondern „Bluthochdruck“).
Heilberufe / Das Pflegemagazin 2016; 68 (10)
Abb. 2: Muster eines Bundeseinheitlichen Medikationsplans
31
PflegeKolleg
Das Teilen
oder Mörsern von
Tabletten ist im
Pflegealltag
notwendig, aber
nicht immer
erlaubt.
Wichtig für eine
qualitätsgesicherte Lagerung ist
eine Verpackung,
die Qualität und
Wirksamkeit des
Arzneimittels
nicht
beeinträchtigt.
Medikamentensicherheit
nen ausgestatteter Medikationsplan. Ab Oktober
2016 wird in Deutschland auf Basis des E-HealthGesetzes der Bundeseinheitliche Medikationsplan
(Abb. 2) für alle Patienten mit mindestens drei dauerhaft, systemisch verordneten Arzneimitteln eingeführt, was in der Pflege wohl praktisch jeden Patienten betreffen wird. Nach aktuellem Stand wird
zunächst der behandelnde Hausarzt zuständig sein,
allerdings können auch Fachärzte und die Apotheke vor allem bei der Aktualisierung mitwirken. Da
auch die tatsächlich abgegebenen Fertigarzneimittel aufgeführt sein sollen, wird man um eine Mitarbeit der Apotheke in der Praxis nicht herumkommen, da die tatsächlichen Präparate in der Arztpraxis meist nicht bekannt sind. So schließt sich der
Kreis: Ein Ergebnis der beschriebenen interdisziplinären Zusammenarbeit und der Medikationsanalyse ist der (bundeseinheitliche) Medikationsplan,
der dann aber wiederum in bestimmten Fällen nicht
ohne eine weitere interdisziplinäre Zusammenarbeit auskommt.
Der richtige Umgang mit Arzneiformen
Arzneiformen sind heutzutage vielfältig und in sehr
unterschiedlicher Art und Weise vorhanden. Sie
werden täglich von Pflegekräften und Patienten angewendet. Doch schon bei der Handhabung fester,
oraler Darreichungsformen kann es zu massiven
Problemen kommen: Tabletten werden häufig mit
zu wenig Wasser eingenommen. Das Teilen oder gar
Mörsern von Tabletten ist im Pflegealltag notwen-
Tab. 1: Arzneimittelbezogene Probleme
Interaktionen und Unverträglichkeiten können basieren auf:
Arzneimittelauswahl
—— Arzneimittel fehlt (Leitlinien Standards)
—— Arzneimittel ist unnötig; Doppelverordnungen
Dosierung
—— Zu hoch, zu niedrig
—— Falsch
Unerwünschten Arzneimittelwirkungen
—— Schädliche, unbeabsichtigte, nicht verlangte
Wirkung eines Arzneimittels
Interaktionen
—— Polypharmazie
—— Mit Nahrungsmitteln
Lagerungsproblemen
—— Falsche Lagerung mit Qualitätsverlust
Anwendungsproblemen
—— Handhabung besonderer Arzneiformen
—— Besondere Applikationsformen
Definition
Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS) ist klar von Arzneimittelsicherheit abzugrenzen: während es
bei der Arzneimittelsicherheit um Produktsicherheit (Qualität, Wirksamkeit, Unbedenklichkeit) geht,
steht bei AMTS die Sicherheit des Arzneimittelprozesses im Fokus der Betrachtung.
AMTS ist die Gesamtheit der Maßnahmen zur Gewährleistung eines optimalen Medikationsprozesses
mit dem Ziel, Medikationsfehler und damit die Risiken für den Patienten bei der Arzneimitteltherapie
zu verringern. Neben der bestimmungsgemäßen Handhabung eines Arzneimittels wird dabei eine optimale Organisation des Medikationsprozesses angestrebt.
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dig, aber nicht immer erlaubt. Selbst bei einer Kerbe auf der Tablette kann man nicht automatisch
eine Teilbarkeit unterstellen. Es könnte sich um eine
Schmuckkerbe oder auch eine Kerbe für die Teilbarkeit zur erleichterten Einnahme handeln, aber
nicht zum Teilen in zwei dosisgleiche Hälften zur
Dosierungsverminderung. Auch zur Beurteilung einer Mörserbarkeit und/oder Sondengängigkeit von
Arzneimitteln bedarf es zwingend einer Einzelfallbeurteilung.
Auch die Gabe von Omeprazol durch eine Magensonde kann größere Probleme in der Praxis verursachen. Die sich in einer Kapsel befindlichen Omeprazol-Pellets („Kügelchen“) dürfen keinesfalls gemörsert werden, da ansonsten der magensaftresistente Überzug zerstört und die Wirkung aufgrund
des direkten Kontakts des Wirkstoffs mit Magensäure verloren geht. Diese Beurteilung kann und
muss nicht die Pflegekraft vor Ort leisten – hier leistet die Apotheke im Hintergrund Hilfestellung.
Dies ist durch die bereits beschriebenen AMTSTeams möglich, aber eben auch durch eine strenge
Therapiebetreuung seitens der Apotheke.
Korrekte Arzneimittellagerung als
Qualitätsaspekt in der Pflege
Die korrekte Lagerung von Arzneimitteln ist ein
wesentlicher, zunehmend mehr im Fokus stehender
Qualitätsaspekt in der Pflege von Patienten. Arzneiformen – wie z.B. Tabletten, Kapseln oder Zäpfchen
–können empfindlich auf Luftsauerstoff, Feuchtigkeit, zu hohe oder zu niedrige Temperaturen reagieren oder durch einen Bakterienbefall verderben.
Die Varianten zur Lagerung von Arzneimitteln
im Pflegebereich sind vielfältig: von Tabletten-Dosetts über offene Becher bis hin zu Karten- oder
Schlauchblistern ist alles denkbar. Wichtig für eine
qualitätsgesicherte Lagerung ist eine Verpackung,
die die Qualität und damit die Wirksamkeit des
Arzneimittels nicht beeinträchtigt. So gibt es zahlreiche Wirkstoffe und Zubereitungen (Kapseln, Tablettenüberzüge usw.), die sehr empfindlich sind
und beispielsweise auch den Kontakt mit anderen
Arzneimitteln nicht vertragen. Ein Herausnehmen
(Ausblistern) aus der Originalverpackung ist damit
immer kritisch zu hinterfragen. Keinesfalls dürfen
grundsätzlich alle Tabletten ohne ihre vom Hersteller bereitgestellte Primärverpackung in Bechern,
Dosetts oder Blisterkarten/-schläuchen gelagert
werden. Hersteller drücken dies immer häufiger
durch die Aufschrift „Nur in Originalverpackung
lagern“ auf dem Umkarton aus. Die betreuende
Apotheke muss hier höchst aufmerksam vorgehen
und Hilfestellung leisten. Gegebenenfalls muss sie
auch lange eingesetzte Lagerungshilfsmittel oder
-modalitäten gemeinsam mit den Pflegekräften kritisch in Frage stellen.
Heilberufe / Das Pflegemagazin 2016; 68 (10)
Fazit für die Pflege
— „AMTS-Teams“, bestehend aus Pflegekräften und
speziell weitergebildeten Apothekern, analysieren auf den Stationen eines Pflegeheims arzneimittelbezogene Probleme regelmäßig am Patienten.
— Ab Oktober 2016 wird in Deutschland der Bundeseinheitliche Medikationsplan für alle Patienten mit mindestens drei dauerhaft, systemisch
verordneten Arzneimitteln eingeführt.
— Zukünftig wird das kritische Hinterfragen der
Lagerungsmodalitäten von Medikamenten in der
Pflege an Bedeutung gewinnen. Eine Apotheke
kann ihr Engagement auch durch pharmazeutische Dienstleistungen erweitern. Dabei steht die
Therapiebegleitung im Sinne einer Medikationsanalyse und Hilfestellungen rund um Handhabung und Lagerung im Mittelpunkt.
AR Z N E I M IT TE L
S I CH E R HAN D HAB E N
Auf Risiken im Umgang mit Arzneimitteln im
Pflegealltag weist die Berufsgenossenschaft
für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege
(BGW) hin.
Grundsätzlich rät die BGW:
— Arzneimittel in einer ruhigen Arbeitsumgebung ohne störende Unterbrechungen zur
Applikation vorbereiten: am besten in einem
gesonderten, hinreichend beleuchteten Raum
— Arbeitsflächen vor Flüssigkeitsspritzern, Stäuben oder anderweitigen Kontaminationen
schützen
— Arbeitsflächen zusätzlich regelmäßig reinigen
und desinfizieren
— Wenn nicht auszuschließen ist, dass Arzneimittel mit den Händen berührt werden: Einmalhandschuhe tragen
Zur beschriebenen Betreuung des Medikationsprozesses gehört zwingend eine die Qualität des Arzneimittels schützende Lagerung dazu. Das ist im
Zweifel die Originalverpackung (= Blister) des Herstellers, die dann erst kurzfristig (< 24 Stunden) vor
der Einnahme entfernt wird. Eine engagierte Apotheke hilft auch beim Optimieren der Lagerung mit.
Eine sehr innovative Möglichkeit ist das in seiner
Form alleinstehende Medi®Timer-System. Es stellt
einerseits ein Werkzeug zur Übersetzung des Medikationsplans und damit der Ergebnisse der Medikationsanalyse dar und lagert andererseits alle Arzneimittel rechtskonform in ihren Originalverpackungen. So ist auch die vorbereitende Lagerung
von halbfesten und flüssigen Zubereitungen mit Patientenbezug problemlos möglich.
Dr. phil. nat. Miriam Ude
Fachapothekerin für
Arzneimittelinformation
Lehrbeauftragte der Goethe Universität Frankfurt am Main
Stern Apotheke
Frankfurter Str. 19, 64293 Darmstadt
[email protected]
Dr. phil. nat. Christian Ude
Fachapotheker für
Arzneimittelinformation
Lehrbeauftragter der Goethe Universität Frankfurt am Main
Stern Apotheke
Frankfurter Str. 19, 64293 Darmstadt
[email protected]
Heilberufe / Das Pflegemagazin 2016; 68 (10)
— Vor dem Bereitstellen von Infusionen, dem
Herstellen von Mischinfusionen, dem Aufziehen von Medikamenten und anderweitigen
Tätigkeiten mit Kontaminationsgefahr eine
hygienische Händedesinfektion durchführen
— Bei Tätigkeiten, die einen Hautkontakt der Unterarme mit freigesetzten Wirkstoffen nicht
ausschließen lassen, langärmligen Schutzkittel tragen
In einem Forschungsprojekt hat die BGW den
Umgang mit über 90 gängigen Antiinfektiva
nachstellen und analysieren lassen. Untersucht
wurden das Ausblistern, Teilen und Mörsern von
Tabletten, das Öffnen von Kapseln, das Auflösen
von Brausetabletten sowie das Vorbereiten und
Verabreichen von Infusionen und EinzeldosenAugentropfen. Ergebnis: Bei sämtlichen Tätigkeiten wurden Wirkstoffe in die Arbeitsumgebung
freigesetzt. Unbeabsichtigt mit ihnen in Kontakt
kommen, kann man direkt durch Berührung
oder Einatmen und indirekt über kontaminierte
Oberflächen.
Das Problem: Viele Arzneimittel können unter
Umständen sensibilisierend wirken oder kanzerogene, mutagene oder reproduktionstoxische
Eigenschaften (CMR-Eigenschaften) haben. Inwiefern ein Medikament im Pflegealltag Gefährdungen für die Beschäftigten mit sich bringt,
hängt von der Wirkstoffkonzentration sowie der
Expositionsdauer und -höhe ab. Allerdings sind
die Angaben der Pharmafirmen nicht arbeitsschutzbezogen. Die BGW hat Arzneistoffe mit
Verdacht auf sensibilisierende und CMR-Eigenschaften in einer Liste zusammentragen lassen.
www.bgw-online.de (Suchstichwort: EP-Akmrs)
33
PflegeKolleg
Medikamentensicherheit
Lebensmittel, Genussmittel und Medikamente
Gefährliche Mischung
Ob Grapefruit, Schokolade oder Milch – Lebensmittel können die Wirkung von Medikamenten beeinflussen. Pflegekräfte sollten daher besonders darauf achten, dass Patienten
ihre Medikamente richtig einnehmen.
K E Y WO R DS
Interaktion
Wirksamkeit
Enzymsystem
Gerinnungshemmung
Wer Arzneimittel
einnimmt, sollte
keinen Alkohol
trinken.
34
N
ahezu 12,5% aller Fertigarzneimittel enthalten Wirkstoffe, die in Wechselwirkung mit
Bestandteilen in Nahrungs- oder Genussmitteln treten, so die Bundesvereinigung Deutscher
Apothekerverbände (ABDA). Dabei können Lebensmittelinhaltsstoffe die Freisetzung des Arzneimittelwirkstoffes, seine Aufnahme aus dem Darm ins
Blut (Absorption), seine Verteilung im Körper, seinen Stoffwechsel oder seine Ausscheidung beeinflussen – im günstigsten Fall positiv.
Doch nicht selten haben diese Interaktionen negative Folgen für die Wirkung des Medikamentes.
So kann es zu einer Abschwächung oder Verkürzung der Wirkdauer bis hin zu einem Therapieversagen kommen. Auch das Auftreten unerwünschter Nebenwirkungen ist möglich. Pflegekräfte sollten daher unbedingt ein Auge auf eine sachgerechte Medikamenteneinnahme der Patienten haben.
Auskunft, welche Lebens-, Genuss- oder andere
Arzneimittel sich nicht mit dem Medikament vertragen, gibt der Beipackzettel. Im Folgenden stellen wir beispielhaft einige bedeutsame Interaktionen zwischen Nahrungsmitteln beziehungsweise
Genussmitteln und Arzneimitteln vor.
Alkohol: Wechselwirkung mit vielen
Arzneien
Alkohol löst die meisten Störwirkungen aus, da er mit
verschiedenen Enzymen im Körper agiert. Er wird in
der Leber mit Hilfe der Alkoholdehydrogenase, des
Cytochrom P450 Enzymsystems und der Katalase zunächst zu Acetaldehyd und dann weiter mit der Aldehyd-Dehydrogenase zu Acetat abgebaut. Da schätzungsweise 60% aller Medikamente ebenfalls mit
dem Cytochrom P450 Enzymsystem metabolisiert
werden, kommt es hier zu zahlreichen Wechselwirkungen. Als Induktor steigert Alkohol die Aktivität
des Enzymsystems und beschleunigt beispielsweise
den Abbau von Tetracyclinen (Doxycyclin, Minocyclin) und Antikoagulantien (Phenprocoumon, Warfarin), so dass keine ausreichend hohen Blutspiegel an
diesen Arzneien erreicht werden. Gefährlich ist die
Kombination aus Paracetamol und Alkohol: Die Enzyminduktion führt zu einer verstärkten Bildung von
leberschädigenden Stoffwechselprodukten des Paracetamol. Besonders bei erhöhten Dosen des Schmerzmittels ist das Risiko einer Leberschädigung hoch.
Umgekehrt können Arzneimittel den Alkoholabbau stören, so hemmt das Antibiotikum MetroniHeilberufe / Das Pflegemagazin 2016; 68 (10)
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Alkohol löst die meisten Störwirkungen
aus. Wer Medikamente einnimmt, sollte
auf Alkohol verzichten.
dazol die Alkoholdehydrogenase. Acetaaldehyd reichert sich an, Schwindel, Übelkeit und Erbrechen
sind die Folgen. Besonders riskant ist die gleichzeitige Einnahme von Alkohol und zentral wirksamen
Psychopharmaka wie Benzodiazepinen und Barbituraten. Akuter Alkoholkonsum verzögert deren
Abbau und verstärkt die sedierenden Effekte bis hin
zur Atemdepression.
Als „schlechteste Kombination, die man sich vorstellen kann“, bezeichnen Pharmakologen die parallele Aufnahme von Methotrexat und Alkohol. Beide Stoffe aktivieren die so genannten Sternzellen in
der Leber und stimulieren so die krankhafte Bildung von Bindegewebe. Aus einer stillen Fibrose
kann so in wenigen Jahren eine Leberzirrhose entstehen. Daher gilt: Wer Arzneimittel einnimmt,
sollte generell keinen Alkohol trinken. Besonders
ältere Menschen sollten dies beherzigen, da sie aufgrund eines verringerten Körperwasseranteils höhere Spiegel an Alkohol erreichen und diesen
schlechter verstoffwechseln als jüngere.
Grapefruit und Pomelo: Enzymhemmung
Grapefruit, Pomelo und ihre Säfte, nicht jedoch Zitronen und Orangen, treten mit zahlreichen Arzneiwirkstoffen in Wechselwirkung, u.a. Sildenafil, Cyclosporin, Terfenadin, Erythromycin, Nifedipin und
einigen Statinen (wie Simvastatin, Atorvastatin oder
Lovastatin). Schuld sind die Furanocumarine Bergamottin und 6‘,7‘-Dihydroxybergamottin sowie Abbauprodukte des in diesen Zitrusfrüchten enthaltenen Bitterstoffs Naringin. Sie hemmen in der Dünndarmschleimhaut – und bei höheren Dosen auch in
der Leber – das Enzymsystem Cytochrom P 450, das
die genannten Arzneimittel metabolisiert. Die Blockade führt zu einem starken Anstieg von Arzneistoffen im Plasma mit zum Teil gefährlichen Folgen.
So führt die Wechselwirkung zwischen Statinen und
Grapefruit oder Pomelo im schlimmsten Fall zu einer Strukturauflösung der quergestreiften Muskulatur (Rhabdomyolyse) und zu Nierenversagen. Erste
Anzeichen dafür sind Muskelschmerzen, -schwäche
und dunkler Urin. Da die Wirkung von Grapefruit
und Pomelo auch einige Tage nach dem Verzehr noch
anhält, sollten Patienten grundsätzlich auf Grapefruit, Pomelo und ihre Säfte verzichten.
Milch und Mineralwässer: Vorsicht bei
Antibiotika
Viele Arzneimittel wirken in Verbindung mit Kalzium und anderen Kationen, z.B. Eisen, deutlich
schlechter. Sie bilden im Magen-Darm-Trakt schwerlösliche Verbindungen, die nur schlecht resorbiert
werden. Bekannt ist die Wechselwirkung von Kalzium und bestimmten Antibiotika. Betroffen sind in
erster Linie die antibiotisch wirksamen Gyrasehemmer (z.B. Ciprofloxacin und Norfloxacin), TetracycHeilberufe / Das Pflegemagazin 2016; 68 (10)
lin sowie Doxycyclin, einem Derivat des Tetrayclins,
nicht jedoch Penicillin und Erythromycin. Die häufig geäußerte generelle Warnung „keine Milch mit
Antibiotika“ ist daher nicht gerechtfertigt.
Auch die zur Behandlung der Osteoporose eingesetzten Bisphosphonate Alendronsäure und Risedronsäure sowie Fluoride können mit Kalzium Komplexe bilden. Kalzium ist besonders reichlich in
Käse, Milch und Milchprodukten, wie Joghurt oder
Kefir, enthalten. Auch einige Mineralwässer enthalten mit mehr als 150 mg pro Liter nennenswerte
Mengen an diesem Mineralstoff. Arzneimittel, die
mit Kalzium Verbindungen eingehen können, sollten daher nicht gleichzeitig mit diesen Lebensmitteln eingenommen werden. Einzuhalten ist ein zeitlicher Abstand von mindestens zwei Stunden.
Die generelle
Warnung „keine
Milch mit Antibiotika“ ist nicht gerechtfertigt.
Grünes Gemüse: Gegenspieler von
Gerinnungshemmern
Noch vor einigen Jahren wurde Patienten unter
Macumar®-Behandlung von dem Verzehr von Spinat, Grün-, Rosenkohl oder Brokkoli abgeraten.
Diese Gemüse enthalten reichlich Vitamin K, welches die Bildung von Gerinnungsfaktoren fördert
und damit den gerinnungshemmenden Effekt von
Phenprocoumon oder Warfarin abschwächt.
Untersuchungen haben jedoch gezeigt, dass bei
einem regelmäßigen Verzehr kleinerer Mengen keine Nachteile zu erwarten sind. Die Patienten können also weiterhin grünes Gemüse essen, sollten jedoch Exzesse vermeiden. Wichtig ist, die Gerinnungsparameter engmaschig zu kontrollieren.
Koffein: Wirkverstärkung durch
Gyrasehemmer
Koffein wirkt anregend auf den Stoffwechsel. Doch
in Kombination mit Gyrasehemmern oder H2-Antihistaminika zur Dämpfung der Magensaftproduktion kann sich dieser Effekt verstärken und zu
Herzrasen und Schlafstörungen führen. Die Arzneistoffe blockieren das Cytochrom P450 Enzymsystem, das den Abbau von Koffein katalysiert. In Folge verstärkt sich die Wirkung des Koffeins. Nicht
nur Kaffee, auch Schwarz-, Grün-, Matetee, Cola
und Energydrinks enthalten Koffein und sollten
nicht mit den betroffenen Medikamenten eingenommen werden.
Koffein in Kombination mit Arzneimitteln kann
jedoch auch positive Wirkungen entfalten. So lindert die Substanz in Kombination mit Paracetamol
und Acetylsalicylsäure (ASS) Migräne und Kopfschmerzen vom Spannungstyp schneller und stärker als die Einzelsubstanzen. Einige Schmerzmedikamente enthalten deshalb zusätzlich Koffein. Das
Alkaloid hemmt die Cyclooxygenase (COX), ein Enzym, das die Bildung der Prostaglandine katalysiert.
Prostaglandine spielen bei der Entstehung von
Koffein kann sowohl positive als
auch negative
Wirkungen entfalten.
35
PflegeKolleg
Medikamentensicherheit
Schmerzen, Fieber und Entzündungen eine wichtige Rolle. Werden sie weniger gebildet, kommt es zu
einer Linderung der Beschwerden.
Tyramin: Antidepressiva behindern den
Abbau
Bei plötzlicher
Erhöhung des
Quickwertes unbedingt nach
dem Verzehr von
Gojibeeren fragen.
Lebensmittel, die einer Gärung oder Fermentation
unterworfen oder längere Zeit gelagert wurden, enthalten hohe Mengen an Tyramin. Das biogene
Amin entsteht bei der Zersetzung von Eiweiß aus
der Aminosäure Tyrosin. Bier, Rotwein, viele Käsesorten, Schokolade, eingelegte Heringe und Salami,
aber auch Bananen, zählen zu den Tyramin-reichen
Lebensmitteln. Tyramin wirkt blutdrucksteigernd,
wird jedoch durch das Enzym Monoaminooxidase
(MAO) rasch abgebaut. MAO katalysiert ebenfalls
den Abbau von Adrenalin, Noradrenalin, Dopamin
und Serotonin. Wird das Enzym gehemmt, kommt
es zu erhöhten Konzentrationen an diesen Substanzen, die eine stimmungsaufhellende und antriebsstarke Wirkung entfalten. MAO-Hemmer werden
deshalb unter anderem zur Behandlung von Depressionen eingesetzt. Nicht-selektive, irreversible
MAO-Hemmer, z.B. Tranylcypromin, zerstören dabei das Enzym, so dass alle Substanzen, die mithilfe von MAO verstoffwechselt werden, nicht abgebaut werden, auch nicht Tyramin.
Essen Patienten unter nicht-selektiver MAO-Hemmer-Medikation große Mengen tyraminreicher Lebensmittel, kann es zu einer hypertensiven Krise mit
lebensbedrohlichem Blutdruckanstieg und zerebralen Blutungen kommen („Cheese-Effekt“). Die Einnahme der nicht-selektiven, irreversiblen MAOHemmer ist deshalb mit einer streng tyraminarmen
Diät verbunden, die bis zu zwei Wochen nach Therapieende durchgeführt werden muss. Der Körper benötigt diese Zeit, um wieder ausreichende Konzentrationen an MAO zu bilden. Wenn möglich, kommen deshalb heute eher die selektiven, reversible
MAO-Hemmer, wie Moclobemid, zum Einsatz. Sie
behindern den Abbau von Adrenalin und der Neurotransmitter, nicht jedoch von Tyramin, so dass hier
eine tyraminarme Diät nicht erforderlich ist.
Gerbstoffe: Interaktion mit Mineralstoffen
Gerbstoffe (Tannine) binden im Magen-Darmtrakt
Eisenionen, die dann nur noch schlecht vom Körper aufgenommen werden können. Reich an Tanninen sind Schwarz- und Grüntee, Kaffee, Kakao und
Rotwein. Da auch andere Mineralstoffe und Spurenelemente, wie Kalzium und Zink, die Aufnahme
von Eisen behindern können, empfiehlt es sich, Eisenpräparate grundsätzlich zwischen den Mahlzeiten zu nehmen.
Auch Psychopharmaka und Antidepressiva sollten nicht mit gerbstoffhaltigen Lebensmitteln eingenommen werden, da Tannine auch diese Medika-
36
Fazit für die Pflege
— Fertigarzneimittel enthalten häufig Wirkstoffe,
die in Wechselwirkung mit Bestandteilen von
Nahrungs- oder Genussmitteln treten.
— Viele Wechselwirkungen von Medikamenten mit
Lebensmitteln lassen sich durch einfache Maßnahmen vermeiden, z.B. durch den richtigen zeitlichen Abstand zwischen der Medikamenteneinnahme und einer Mahlzeit.
— Informationen zur sachgerechten Einnahme gibt
der Beipackzettel. Dort ist auch vermerkt, welche
Lebens-, Genuss- oder andere Arzneimittel sich
nicht mit dem Medikament vertragen.
mente binden können, so dass sie schlecht aus dem
Darm aufgenommen werden. Dies kann die Wirksamkeit um bis zu 50% verringern.
Gojibeere: Interaktion mit
Gerinnungshemmern
Phenprocoumon und Warfarin können auch mit
Inhaltsstoffen der Gojibeere in Wechselwirkung treten. Die Früchte des Gemeinen Bocksdorns sind Bestandteil der Traditionellen Chinesischen Medizin.
Den Beeren wird eine Reihe gesundheitsfördernder
Eigenschaften nachgesagt, wie der Stärkung des Immunsystems oder der Senkung des Blutdrucks bei
Hypertonie. Seit einigen Jahren werden Gojibeeren
zunehmend auch in Deutschland in Form getrockneter Früchte, als Marmelade, Tee, Saft oder Extrakt
in Kapselform angeboten. Es zeigte sich jedoch,
dass das Blutungsrisiko bei Patienten unter Phenprocoumon- oder Warfarin-Medikation stark zunimmt, wenn diese Gojibeeren oder Zubereitungen
daraus verzehren. Wahrscheinlich blockieren Inhaltsstoffe der Beeren das Enzymsystem Cytochrom P 450, das den Abbau der Gerinnungshemmer katalysiert. Der genaue Wirkmechanismus ist
noch unklar. Patienten, die diese Gerinnungshemmer einnehmen, sollten Gojibeeren in jeder Form
vermeiden. Zur Ursachenabklärung bei plötzlicher
Erhöhung des Quickwertes (INR-Erhöhung) rät das
Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), unbedingt nach dem Verzehr von
Gojibeeren und Zubereitungen daraus zu fragen.
Beate Ebbers
Diplom-Oecotrophologin
[email protected]
Heilberufe / Das Pflegemagazin 2016; 68 (10)
PflegeKolleg
Medikamentensicherheit
INTOXIK ATIONEN MIT MEDIK AMENTEN
Den größten Anteil der Intoxikationen in Alten- und Pflegeheimen machen Vergiftungen mit Medikamenten aus. Zu diesem Ergebnis kam eine Analyse des
Giftinformationszentrums-Nord (GIZ-Nord).
folgten chemische Produkte mit 16%, Kosmetika/Hygieneprodukte mit 10%, „sonstige“ mit insgesamt 7%, Pflanzen mit 5%.
Die Daten von Vergiftungen in Alten- und Pflegeheimen wurden über einen Zeitraum von 19 Jahren analysiert. Eingeteilt
werden die Vergiftungsfälle in die Gruppen Arzneimittel, chemische Produkte (z.B. Reinigungsmittel, Desinfektionsmittel), Kosmetika/Hygieneprodukte,
Pflanzen und „sonstige“ (Nahrungs- und Genussmittel inclusive Tabak, Drogen, Agrochemikalien, Pilze,
Pestizide und Tierarzneimittel). Bei Vorliegen einer
Exposition dient der „Poisoning Severity Score“
(PSS) der Fallbeurteilung. Der WHO-Poisoning Severity Score unterscheidet fünf Schweregrade (symptomlos, leicht, mittelschwer, schwer, verstorben)
und umfasst Symptome an zwölf Organen
oder Organsystemen: Magen-Darm-Trakt,
Atemtrakt, Nervensystem, Herz-Kreislauf, Leber, Nieren, Blut, Muskulatur, Haut und Augen,
Stoffwechsel und Biss-/Stichverletzungen.
Prophylaktische Anfragen ohne Exposition
blieben für die Auswertung unberücksichtigt.
Zu Arzneimitteln gab es insgesamt 1.253 Anfragen. 560 Fälle davon resultierten aus einer Verwechslung der Medikation – hinsichtlich des Einnahmezeitpunkts im Tagesverlauf, der
Dosierung der Medikation sowie des Patienten. In 395 Fällen
handelte es sich um eine akzidentelle (versehentliche) Medikamenteneinnahme. Hinsichtlich des Schweregrades/der Symptomatik (PSS) aller Fälle hatten 408 Personen keine, 481 Personen
leichte Symptome, 115 Personen mittelschwere und 26 Personen schwere Symptome, bei den Intoxikationen mit Medikamenten gab es im Analysezeitraum zwei Todesfälle.
Vom 1. Juli 1996 bis 30. Juni 2016 wurde das
GIZ-Nord in 1.994 Vergiftungsfällen kontaktiert, die eindeutig Alten- und Pflegeheimen
zugeordnet werden konnten. Die Datenanalyse zeigte, dass sich mehr als die Hälfte der Anfragen (62%) auf Medikamente bezog. Es
160
Summe Patientenanzahl
Eine deutliche Zunahme der Medikamentenfehleinnahmen/
Verwechslungen war aufgrund der Auswertung der Tageszeitangaben um 18 Uhr zu beobachten, die Vergabe der Abendmedikation scheint eine besonders kritische Situation zu sein.
Durch Medikamentenfehleinnahmen oder Verwechslungen von
Medikamenten kann es zu schweren Störungen des Herz-Kreislauf-Systems, des Nervensystems oder auch zu Atemstörungen
kommen. Daher müssen auch Patienten, die anfangs ohne Symptome sind, gegebenenfalls ärztlich beurteilt beziehungsweise
stationär überwacht werden.
Zusammengestellt von Gabriele Schulze,
Annette Groeneveld, Priv. Doz. Dr. Andreas Schaper
Giftinformationszentrum-Nord
Robert-Koch-Straße 40, 37075 Göttingen
www.giz-nord.de
— Primäre Beratungs- und Erfassungsstelle für alle Vergiftungen und Vergiftungsverdachtsfälle in den vier norddeutschen Bundesländern Bremen, Hamburg, Niedersachsen und
Schleswig-Holstein
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— An sieben Tagen/24 Stunden erreichbar; beraten werden
Bürger, medizinisches Fachpersonal, Arztpraxen, Krankenhäuser, Rettungsdienste, Alten- und Pflegeheime, Kindergärten, in der Regel telefonisch
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Verwechslung der Medikation
GIZ-Nord
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©© GIZ Nord
©© vladacanon / iStock
Vergiftungen in Alten- und Pflegeheimen
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Tageszeit (h)
— Ausführliche Informationen zu Anfragen, Noxen (Substanzen) und Schwere der Vergiftungsfälle sind im jährlich erscheinenden Jahresbericht auf der Homepage www.giznord.de zu finden
GIZ-Nord: Medikamentenfehleinnahmen/Verwechslungen in
Pflegeheimen Juli 1996 - Juni 2016 in Relation zur Tageszeit.
38
Heilberufe / Das Pflegemagazin 2016; 68 (10)
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2. AMTS-Teams analysieren auf den Stationen
eines Pflegeheims regelmäßig arzneimittelbezogene Probleme. Sie bestehen aus ...
A …Pflegekräften und speziell weitergebildeten
Apothekern.
B …Ärzten und Apothekern.
C …Apothekern, die sich regional zusammengeschlossen haben.
7. Was ist beim Zusammenspiel von Arzneimitteln
und Alkohol zu beachten?
A Ein Gläschen Bier oder Wein kann nicht schaden.
B Wenn etwas Zeit seit der Einnahme vergangen ist,
spricht nichts gegen den Genuss von Alkohol.
C Wer Medikamente einnimmt, sollte keinen Alkohol
trinken.
5. Ab Oktober 2016 wird der bundeseinheitliche
Medikationsplan eingeführt. Für wen?
A Patienten mit mindestens fünf dauerhaft, systematisch verordneten Arzneimitteln.
B Patienten mit mindestens sieben dauerhaft, systematisch verordneten Arzneimitteln.
Name, Vorname
Straße
G
ILDU
C Patienten mit mindestens drei dauerhaft, systematisch verordneten Arzneimitteln.
4. Was ist eine Verschreibungskaskade?
A Folge der Verordnungen für einen Patienten; z.B.
beim Übergang vom Krankenhaus in die Betreuung
durch den Hausarzt.
B Ein Arzneimittel verursacht eine Nebenwirkung, die
fälschlicherweise als neue Erkrankung mit einem
weiteren Arzneimittel therapiert wird.
C Verschreibungen für einen Patienten über aufeinander folgende Lebensabschnitte hinweg.
N
TB
1. Der Begriff der „Polypharmazie“ steht für die
gleichzeitige Einnahme einer großen Anzahl an
Arzneimitteln. Warum ist dies kritisch zu sehen?
A Die Arzneimittel-Kosten für den einzelnen Patienten
sind zu hoch.
B Das Budget des verordnenden Arztes wird zu sehr
belastet.
C Das Risiko für Interaktionen und arzneimittelbezogene Probleme ist erhöht.
3. Wozu dient eine Medikationsanalyse?
A Der strukturierten Analyse der aktuellen
Gesamtmedikation eines Patienten.
B Der strukturierten Analyse der Gesamtmedikation
einer Station/eines Wohnbereichs.
C Der Erhebung der Verordnungen einer Arztpraxis.
E
Fernfortbildung
zum Mitmachen
3
Punkte
R
(Es ist jeweils nur eine Antwort richtig.)
IFIZIE
RT
FO
Medikamentensicherheit
ZE
PflegeKolleg Fragebogen
6. Lebensmittelinhaltsstoffe können die Wirkung
eines Medikamentes negativ beeinflussen. Was
kann passieren?
A Die Verträglichkeit verschlechtert sich in jedem Fall.
B Schwächung der Wirkdauer bis zu Therapieversagen.
C Dieser Fall tritt in der Praxis so gut wie nie auf.
8. Wo erhalte ich Informationen darüber, welche
Lebens-, Genuss- oder andere Arzneimittel sich
nicht mit dem Medikament vertragen?
A Ich gehe davon aus, dass der Patient Bescheid weiß.
B Auf dem Beipackzettel.
C Ich kontaktiere den behandelnden Arzt.
9. Was ist vor dem Bereitstellen von Infusionen,
dem Herstellen von Mischinfusionen, dem Aufziehen von Medikamenten und anderen Tätigkeiten mit Kontaminationsgefahr
durchzuführen?
A Eine hygienische Händedesinfektion.
B Normales Händewaschen.
C Es muss nichts Besonderes beachtet werden.
10. Nach einer GIZ-Analyse haben Vergiftungen mit
Medikamenten den größten Anteil an Intoxikationen in Pflegeheimen. Wann kommt es am häufigsten zu Fehleinnahmen/Verwechslungen?
A Um 9 Uhr
B Um 12 Uhr
C Um 18 Uhr
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Heilberufe / Das Pflegemagazin 2016; 68 (10)
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