Frage Die letzte Wann klappt es wieder mit der Liebe, Herr von Schlieffen? Heißt das, 2010 war insgesamt ein Jahr der Abbrüche? Ab- und Umbrüche, Neuanfänge. Ein Neuanfang kann nur so neu sein, wie etwas Altes wirklich abgeschlossen wurde. Ganz platt gesagt: Je mehr Altes ich mitschleppe, desto weniger Platz habe ich für Neues. Dieses Jahr war aus astrologischer Sicht extrem spannend, weil es eine epochale Umbruch-Konstellation gab. Ein Hauptgrund für viele Ereignisse war eine Opposition zwischen Pluto und Uranus. In diesem Jahr war also niemand sicher? Nein, niemand. Aber im Grunde ging es darum, sich von etwas zu befreien, von dem man sich schon lange hätte befreien können oder sollen. Es ist nicht so, dass man vom Schicksal böse geschlagen wurde, weil einem etwas genommen wurde, an dem man hing. Man hatte einfach miteinander keine Wachstumsperspektive mehr. Sie meinen die berühmte Chance in der Krise. Aus astrologischer Perspektive waren diese Trennungen einfach eine Konsequenz eines faulen Kompromisses, den man vor sich selbst nicht mehr rechtfertigen konnte. Was war denn dieses Jahr anders als in anderen Jahren? Wir haben gerade eine Konstellation, die es immer bei ganz großen, epochalen Umbrüchen gab. Jeder hat Lebenskonstrukte und Beziehungen, die wie Stützräder beim Fahrradfahren wirken. Sie stützen einen jahrelang, aber dann halten sie einen plötzlich davon ab, wirklich frei zu ZUR PERSON Alexander Graf von Schlieffen studierte nach seinem Abitur zunächst Malerei in Wien, Frankfurt und Düsseldorf. Er beschäftigte sich mit Porträtmalerei. Nach den ersten Ausstellungen legte er sich ein Atelier in Köln zu. Eine Nachbarin und Freundin versuchte ihn immer wieder für die Astrologie zu begeistern. Er hielt das für „esoterischen Kitsch“. Als er eines Tages bei ihr saß und auf einen Kaffee wartete, nahm er das einzige Buch aus dem Regal, das ihm nicht zu abgehoben astrologisch erschien. Danach beschäftigte er sich intensiver mit dem Thema. Er fing an, europaweit Astrologie zu lehren, publizierte diverse Bücher, moderierte eine tägliche Astrologieshow „Sonne, Mond und Sterne“, schrieb die Horoskope für „Vanity Fair“ und hat mit „2011 – das große Jahreshoroskop“ soeben sein fünftes Hörbuch im Headroom Verlag veröffentlicht. fahren. Dieses Jahr 2010 ging es darum, die Stützräder abzumontieren und richtig Fahrrad fahren zu lernen. Das könnte man natürlich jedes Jahr sagen. Aber die Abbrüche in diesem Jahr schienen dramatischer abzulaufen als sonst. Das waren auch keine Trennungen im Sinne von: Ich glaube, ich suche mir jetzt mal jemand, der lustiger ist oder der lieber ausgeht als du. Stattdessen waren es richtige Werte-Krisen. Das kann eigentlich nicht glimpflich oder zart über die Bühne gehen. In solchen Situationen die Stützräder abzuschrauben, um den Aufbruch ins Neue zu wagen, ist ziemlich radikal. Das ist ein Quantensprung im Hinblick auf die eigenen Möglichkeiten und Fähigkeiten, hin zu mehr Freiheit. Wer Fahrrad fahren kann, ist freier. Man erschließt sich ganz neue Möglichkeiten. Gab es Tierkreiszeichen, die davon nicht betroffen waren? Es gibt vier, die etwas besser wegkamen: Wassermann, Löwe, Stier und Skorpion. Aber ein Horoskop ist ein ziemlich komplexes Gebilde, das aus mehr besteht als aus dem Wissen, dass ich Zwilling bin oder Waage oder Schütze. Deshalb beschäftigt man sich ja immer mit den Konstellationen der Planeten. Was war denn das Besondere an der Konstellation in diesem Jahr? In diesem Sommer befanden sich fünf Planeten in einem großen Quadrat um die Erde herum, was ganz selten passiert, nur alle paar Hundert Jahre. In der Astrologie arbeitet man mit den Planeten-Zyklen, die alle paar Jahre stattfinden. Der kleinste astrologische Zyklus, den wir kennen, ist der Mondzyklus, mit dem beispielsweise viele Bauern arbeiten. Ein größerer Zyklus ist das Jahr, in dem sich die Erde einmal um die Sonne dreht. Dann gibt es 28-Jahres-, 200-Jahres- und 700Jahres-Zyklen. Momentan befinden wir uns gerade in einem 700-Jahres-Zyklus: Diese Konstellation gab es immer bei ganz großen kulturellen, epochalen Umbrüchen, zum Höhepunkt des Römischen Reiches beispielsweise. Der letzte 700Jahres-Zyklus begann 1989, was doch ein ziemlich bedeutsames Jahr für die gesamte europäische Kultur war. Jetzt, 21 Jahre später, sieht man die ersten Früchte dieses neuen 700-Jahre-Zyklus. Wenn man es also aus dieser Perspektive betrachtet, wird klar, dass es momentan nicht um irgendeine kleine Krise geht, die auch wieder vorbeigeht. Es geht um einen grundsätzlichen Strukturwandel in der Gesellschaft. HEADROOM VERLAG Berliner Illustrirte Zeitung: Es kommt einem so vor, als habe es in diesem Jahr mehr Trennungen gegeben als je zuvor. Ist das nur eine gefühlte Einschätzung oder richtig? Alexander von Schlieffen: Das stimmt tatsächlich. Allerdings waren das keine überraschenden Trennungen, auch wenn es vielleicht so gewirkt haben mag. Es waren Trennungen, die schon seit längerer Zeit überfällig waren, weil man sich in unterschiedliche Richtungen entwickelt hatte. Das gilt übrigens auch für berufliche Trennungen, die dieses Jahr stattgefunden haben. Im Sommer 2010 gab es eine sehr seltene Konstellation: Sechs Planeten bildeten ein großes Kreuz untereinander. ALEXANDER VON SCHLIEFFEN, ASTROLOGE Das heißt also, die Trennungen und Abbrüche des Einzelnen sind nur ein Teil davon? Das heißt, dass das individuelle Schicksal nur ein Ausdruck einer umfassenderen Neuorientierung ist. und die Art und Weise, wie Menschen überhaupt miteinander leben können und werden. Die Formen, die wir bisher miteinander leben, decken unsere Möglichkeiten bei Weitem noch nicht ab. Soll einem das jetzt helfen, wenn man gerade liebeskummerkrank und unglücklich ist? Nach meiner Erfahrung ist es für viele Menschen sehr tröstlich zu wissen: Du bist nicht das Opfer eines individuellen Schicksals, und du bist auch nicht allein in diesem Zustand. Der Zustand ist so, weil er den Konstellationen entspricht, das vergeht wieder. Das ganze Gesellschaftsbild ändert sich, es gibt einen Wandel der Grundwerte. „Beziehungen“ bleiben das spannende Thema der nächsten Jahre – zwischenmenschliche Beziehungen, die Beziehungen des Menschen zur Erde, Beziehungen der Kulturen untereinander Gibt es eigentlich Tierkreiszeichen, die überhaupt nicht zusammenpassen? In der Art: Der Zwilling braucht es gar nicht erst mit dem Fisch zu versuchen? Ich persönlich betrachte eher zwei gleiche Tierkreiszeichen mit Vorsicht. Da kann sich das Gute verdoppeln, aber auch das Problematische. Paare etwa, die zu gut zusammenpassen, aber etwa auch einander Zwangsneurosen bestätigen. Bringt es in Anbetracht der Planeten, die gerade um die Erde herum stehen, überhaupt etwas, sich im Moment auf etwas Neues einzulassen? + Es besteht immer die Gefahr, dass man in das Alte zurückfällt – die Stützräder sind das Alte, Bekannte, das Neue ist aber noch nicht gewiss. Es ist richtig, nach vorne zu sehen und gleichzeitig zu reflektieren: Was hat mich bisher vor dem Schritt in die Freiheit gehindert? – Aber gleichzeitig muss man wissen: Wenn ich den Schritt in die Freiheit mache, muss ich eine ganze Wegstrecke lang aushalten können, dass ich nicht ganz sicher bin, wo es eigentlich hingeht. Das ändert sich im nächsten Jahr aber. Und bis dahin kann man sich ernsthafte Absichten sparen, weil es im Moment nicht über Affären hinausgehen kann? „Affäre“ klingt so abwertend, nach Unverbindlichkeiten, und darum geht es momentan ganz sicher nicht. Sondern darum, dass ich mich von einer alten Ge- schichte befreit habe, und jetzt muss ich mich erst einmal sortieren und schauen, wo es hingehen könnte. Also muss man jetzt erst einmal ein bisschen probieren. Ohne diese „Übungsphase“ kommt man auch nicht weiter. Das Ziel ist momentan also, kein genaues Ziel zu haben und das auszuhalten. Wenn ich das schaffe, kann ich wirklich etwas Neues machen. Diese Phase der Ungewissheit geht bis zum nächsten Frühjahr. Dann geht es – von den astrologischen Energien her betrachtet – nach vorne weiter. Aber wenn man weiß, das muss jetzt eben eine Zeit lang mal so sein, man muss es nur aushalten – dann kann man anders damit umgehen. Das Interview führte Katharina von der Leyen; Mitarbeit: Judith Innerhofer