OBERÖSTERREICHISCHE NACHRICHTEN, 16.12.2006 „Glaube nicht an Kräfte, die in der Lage sind, das zu verhindern“ WIEN. Für Bundespräsident Heinz Fischer stehen alle Zeichen auf große Koalition. Diese könne sogar wieder für längere Zeit Österreichs Politik prägen. Von Lucian Mayringer und Annette Gantner OÖN: Sind Sie enttäuscht, dass Ihr Weihnachtswunsch, eine neue Regierung zu haben, unerfüllt bleibt? Heinz Fischer: Jetzt steht die Genugtuung im Vordergrund, dass wir einen klaren Termin haben und aller Voraussicht nach in der ersten Jännerhälfte eine Regierung auf breiter Basis gebildet werden kann. OÖN: Sie teilen also die Einschätzung, dass der Zug eindeutig Richtung große Koalition unterwegs ist? Fischer: Ja. OÖN: Kam die Initiative für den straffen Terminplan von Ihnen? Fischer: Ich habe schon etliche Tage davor die Absicht gehabt, Alfred Gusenbauer als mit der Regierungsbildung Beauftragten zu ersuchen, ein konkretes Datum für den Verhandlungsabschluss zu nennen. Daraus ist das Projekt eines "Fahrplanes" entstanden. Gusenbauer und Wolfgang Schüssel haben in die gleiche Richtung gedacht. Das Resultat kennen Sie. OÖN: Gibt es in Ihrem Kalender am 11. Jänner schon einen Eintrag? Fischer: Ja, kann ich Ihnen zeigen, da steht "Angelobung". OÖN: Könnte es nicht auch sein, dass es an diesem Tag um eine Minderheitsregierung geht? Fischer: Wir konzentrieren uns jetzt alle auf eine Regierung auf breiter Basis. Sollte es in Österreich noch Kräfte geben, die in der Lage sind, das zu verhindern, was ich nicht glaube, dann muss man neue Überlegungen anstellen. OÖN: Sind Sie überzeugt, dass Schüssel und Gusenbauer miteinander regieren wollen? Fischer: Ich zweifle nicht am Willen von Gusenbauer, eine solche Regierung zu bilden und den Vorsitz zu übernehmen. Für mich sind auch die diesbezüglichen Erklärungen von Wolfgang Schüssel glaubwürdig, für den die Situation schwieriger ist, der aber genügend Erfahrung hat, um damit fertig zu werden. Und ich kenne die Haltung von Bürgermeister Häupl oder Landeshauptfrau Gabi Burgstaller (beide SP, Anm.) Ich habe auch sehr ausführlich mit den Landeshauptmännern Josef Pühringer und Herwig Van Staa sowie mit Landwirtschaftsminister Josef Pröll (alle VP, Anm.) und anderen Persönlichkeiten Meinungen ausgetauscht. Daraus kann man erkennen, dass die Argumente der Vernunft in beiden Parteien auf fruchtbaren Boden fallen. OÖN: Ist es klug von SP und VP, sich die heikelsten Themen für das Verhandlungsfinale aufzuheben? Fischer: Der psychologischen und politischen Dynamik folgend, beginnt man mit leichteren Fragen. Das hängt mit der Angst zusammen, gleich zu Beginn bei den großen Problemen Kompromisse mit großen Konzessionen zu machen und dann im Falle eines Scheiterns schon wichtige Teile der eigenen Position geopfert zu haben. OÖN: Ist nach 7 Jahren kleiner Koalition die Zeit wieder reif für die große? Fischer: Ich glaube, es entspricht dem Bedürfnis nach unterschiedlichen Konstellationen und nach dem Ausschöpfen der Potenziale, die in unterschiedlichen Regierungskonstellationen stecken, wenn es jetzt wieder eine oder einige Legislaturperioden einer Zusammenarbeit der beiden größten Parteien gibt. OÖN: Was muss unbedingt im Regierungsprogramm beider Parteien stehen? Haben Sie Prioritäten? Fischer: Ein Herzensanliegen von mir ist immer soziale Symmetrie und Gerechtigkeit. Es gibt jetzt wahrscheinlich ein Mondfenster, Strukturreformen in der Verfassung und Verwaltung dieses Landes zu machen. Ich bin ein überzeugter Verfechter eines Vorranges für Bildung, Wissenschaft und Forschung. Und wir dürfen die europäische Perspektive nicht aus den Augen lassen. OÖN: Sie fordern intensive Anstrengungen im Bildungsbereich. Ist die Gesamtschule eine gute Idee? Fischer: Ich glaube, die Verhandlungspartner sind gut beraten, darüber ernsthaft zu diskutieren. Es gibt viele Länder, die Sorge tragen, dass die Zeit eines gemeinsamen Unterrichts länger dauert als in Österreich und die damit gute Erfahrungen machen. OÖN: Zum Eurofighter-Kauf. Aus der VP kommt die Forderung an Sie als Oberbefehlshaber des Heeres, sich zu positionieren. Fischer: Ich habe mich immer klar zur Neutralität und zum Bundesheer bekannt. Zum Zeitpunkt der Anschaffung eines bestimmten Flugzeugtyps bin ich, wie alle wissen, nicht gefragt worden. Ich habe daher keinen Anlass, mich jetzt im Nachhinein für einen Flugzeugtyp auszusprechen und Vorgänge, die gerade vom Parlament untersucht werden, pauschal und ohne Kenntnis aller Details gutzuheißen.