Das Ende des Zufalls

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BIG DATA
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Das Ende des Zufalls
Big-Data-Analysen und der Daten-Panoramablick versprechen: Wer durch diese Brillen in
die Zukunft blickt, wird den Zufall eliminieren.
Die Zeiten haben sich geändert, und die
Art, wie Zahlen und statistische Funktionen eingesetzt werden, auch. Datenanalyse ist heute eine hoch technologisierte,
algorithmusgetriebene Wissenschaft, die ein
großes Maß an Kreativität und auch Intuition in
der Konstruktion der eingesetzten Modelle
erfordert. Am Einsatz der richtigen Analysemodelle entscheidet sich der Erfolg eines
Smart Data Feedback Loops, entscheidet
sich, ob aus Big Data auch Big Value entstehen kann.
Drei Analysetypen
Prinzipiell sind es drei Arten von Analysemodellen, die heute angewendet werden:
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Descriptive Analytics – die beschreibende Analyse des historischen oder momentanen Zustands, vergleichbar mit dem
Begriff Business Intelligence (BI), der Prozesse und Technologien umfasst, die darauf
ausgerichtet sind, aus Unternehmens-,
Markt- und Wettbewerberdaten relevante
Informationen über die bisherige Performance eines Unternehmens zu bekommen.
Natürlich auch, um daraus Schlüsse für das
zukünftige Handeln ziehen zu können. Fast
alle Management-Reporting-Systeme in den
Bereichen Finanzen, Produktion, Marketing
und Verkauf nutzen seit langer Zeit diese
Form der zurückschauenden Analyse. Sehr
oft geht es bei „Descripitive Analytics“ auch
um die Quantifizierung von Geschäftsbeziehungen, um Kunden in bestimmte Nut-
Contact Center & CRM Marktführer 2/2013
zergruppen oder nach bestimmten Verhaltensmustern einzuordnen.
So können damit Bedarfsplanungsentscheidungen auf vielen unterschiedlichen
Gebieten wie Infrastrukturmaßnahmen von
Kommunen oder Preisstrukturen für Energienutzung unterstützt werden. Immer öfter
werden diese Analyseergebnisse aber auch
als Basis für eine Erweiterung der Analyse
in Richtung vorausschauender Modelle genützt.
Predictive Analytics – die vorhersagende oder vorausschauende Analyse. Sie verwendet eine Vielzahl statistischer Modelle,
Maschinenlernen, „Data Mining“ (die systematische Auswertung von Datenbestand)
und Spieltheorien, um gegenwärtige und
historische Daten zu analysieren und daraus
die Wahrscheinlichkeit zukünftiger Entwicklungen zu berechnen. In der Wirtschaft
geht es dabei sehr oft um das Herausarbeiten
von Mustern, die mit bestimmten Risiken
oder Chancen verbunden sind. Sehr oft angewendet wird diese Form der Analysen bereits im Zusammenhang mit Kundenmanagement-Systemen (CRM).
Der Vorteil für die Unternehmen besteht
nicht nur in der Generierung höherer Umsätze, sondern auch in der Vertiefung der
Kundenbeziehung durch gezieltere Serviceangebote. „Predictive Analytics“ zielen sehr
oft auf die Vorhersage von ganz bestimmten
individuellen Verhaltensmustern. Wenn Sie
also im Supermarkt plötzlich an der Kassa
einen Coupon bekommen, mit dem Sie das
nächste Mal einen Artikel günstiger kaufen
können, muss das nicht unbedingt eine generelle Aktion sein, sondern kann mithilfe
eines Predictive-Analytics-Modells schon
auf Sie ganz persönlich abgestimmt worden
sein. Obama hat das, wie schon erwähnt,
eingesetzt, um herauszufinden, welche Unterstützer zu welchen Promi-Events eingeladen werden sollen, um so die Spenden zu
maximieren.
Prescriptive Analytics – die vorschreibende oder besser gesagt empfehlende Analyse. Die dafür eingesetzten Analysemodelle
sollen klare Handlungsanleitungen ausarbeiten, die dazu führen, angestrebte Ziele
zu erreichen. Diese Vorschläge und ihr Einfluss auf die Zielerreichung können in Simulationsmodellen dargestellt werden. Die
präskriptive Analyse sagt also nicht nur vorher, was geschehen wird und wann, sondern
auch gleich, warum. Damit ermöglicht sie
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den Entscheidenden, den Einfluss bestimmter Handlungsmuster bereits im Voraus zu
evaluieren. Alle internen und externen relevanten Daten, alle zu berücksichtigenden
Regeln und Restriktionen des jeweiligen zu
analysierenden Geschäftsfalls und die notwendigen mathematischen Modelle von angewandter Statistik bis zur Analyse sozialer
Verhaltensmuster werden dazu in einem
Analysemodell kombiniert.
Daraus werden Entscheidungsoptionen
erstellt, wie sich zukünftige Chancen nutzen
oder Risiken vermeiden lassen. Auch die
Auswirkungen, die sich aus jeder Entscheidungsoption ergeben, werden aufgezeigt.
Da hierbei kontinuierlich neue Datenlagen
automatisch eingespeist und mitverarbeitet
werden können, erhöht sich die Vorhersagegenauigkeit. Somit können auch die Entscheidungsoptionen laufend optimiert und
an die jeweilige aktuelle Situation angepasst
werden. Dies ist die perfekte Umsetzung
unseres Smart Data Feedback Loops.
Sollte sich im Zuge der Big-Data-Entwicklung der kommenden Jahre herausstellen, dass diese Modelle ihre Treffsicherheit
in komplexen Systemen unter Beweis stellen
können, so braucht es wenig Fantasie, um
zu erkennen, was dies vor allem für die großen Entscheidungen in Politik und Wirtschaft, aber auch unserer Gesellschaft insgesamt bedeuten würde. Die Bereiche der
gesamten Gesundheitsvorsorge, alle großflächigen Infrastruktur-Investments könnten damit vorausschauend in Simulationsmodellen evaluiert und Zufallsentscheidungen vermieden werden. Selbst in kleineren Fällen, wie der Frage, ob der Neubau
eines Krankenhauses sinnvoller als die
Erweiterung eines bestehenden ist, könnten die Varianten simulativ durchgespielt
werden.
Natürlich gibt es auch Kritiker, die sagen,
dass diese Modelle immer nur die „known
unknowns“ – also alles, von dem wir wissen,
dass wir es nicht wissen – berücksichtigen
können, aber die „unknown unknowns“ –
also Dinge, von denen wir nicht wissen,
dass wir sie nicht wissen, Dinge, deren Existenz wir nicht kennen – unberücksichtigt
lassen.
Tatsache ist, dass die Mehrzahl der Anwendungen von prädikativen Analysen nicht
auf die Vorhersage von extremen Ereignissen
wie Erdbeben oder sonstigen Ausnahmesituationenund Katastrophen ausgerichtet ist,
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sondern auf die Vorhersage von Alltagsvorgängen und langfristigen Trends. Aber die
Zukunft wird zeigen, wie verlässlich die Modelle in den unterschiedlichen Bereichen
tatsächlich sein können. Sich ausschließlich
auf ihre Verlässlichkeit zu verlassen wäre
ebenso falsch, wie sie nur deshalb nicht zu
nutzen, weil sie vielleicht in Extremsituationen nicht zufriedenstellend funktionieren.
Bliebe zu fragen, was für diese Extremsituationen die Alternative wäre.
Das 360 Grad-Datenpanorama
– wie Big-Data gespeist wird
Der große Sprung in Richtung Vorausberechenbarkeit unserer Welt ist nicht durch
die Technologien rund um Big Data allein,
sondern durch die digitale Vernetzung und
die damit verbundene Nachvollziehbarkeit
fast aller unserer Aktivitäten ermöglicht worden. Ohne sie wäre die derzeitige Revolution
der Analysemodelle nicht denkbar. Der Radius des aus der Datengenerierung gewonnenen Ausblicks ergibt mittlerweile ein 360
Grad-Panorama und ist damit allumfassend
– 24 Stunden am Tag, 365 Tage im Jahr.
Die zentrale Rolle spielen dabei alle „sozialen Quellen“. Manche von ihnen haben
wir schon seit vielen Jahren, wie zum Beispiel
die Kredit- und Kundenkarten, die unser
Kaufverhalten aufzeichnen, andere wie die
Daten aus unserem Suchverhalten im Internet, dem Gebrauch unserer Smartphones
oder aus der Verwendung von externen Sensoren wie „Smart Meter“, also intelligenter
Zähler und Messgeräte für den Energieverbrauch, werden erst seit Kurzem ausgewertet.
Zu einem eigenständigen Segment haben
sich das Monitoring und die Analyse der
Aktivitäten in den sozialen Netzwerken entwickelt. Eigene Monitoring-Tools und entsprechende Plattformen versuchen, für ihre
Kunden die Aktionen und Kommentare der
User in analysefähige Informationen umzusetzen. Oft wird nur zugehört und gesammelt, manchmal werden aber auch schon
andere Datenquellen und komplexe Analysemodelle damit verknüpft.
Beispiel Smartphone –
Datenspuren, die uns vorhersagbar machen
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Sonntag sein wirst. Und es gibt nur wenige
Menschen, die bei dieser Meldung nicht
innehalten. Weil sie dermaßen unglaublich
klingt. Wo wir wann und wo sein werden,
das entscheiden doch noch immer wir
selbst, frei und unabhängig. Wie sollte da
jemand vorherbestimmen können, wo wir
an einem bestimmten Tag sein werden?
Aber es ist so, auch wenn unser Kopf nicht
verstehen kann, wie das funktionieren soll
– und unser Bauch es absolut nicht akzeptieren will. Aus den Daten des Mobiltelefons kann vorhergesagt werden, wo man
sich aufhalten wird.
Studien zeigen, dass durch die systematische Auswertung von Bewegungsdaten schon
relativ genau vorhergesagt werden kann, wo
sich das Handy und damit sein Besitzer in
Zukunft befinden werden. Wenn dazu noch
die Bewegungsdaten der Bekannten auswertet werden, verbesserte sich die Genauigkeit
auf bis zu drei Meter.
Noch sind eine Reihe von Fragen zu klären, bevor dieses System in die Praxis umgesetzt werden kann. Die jetzt verwendeten
Datensätze können aber sehr leicht verfeinert
und mit zusätzlichen relevanten Daten aus
sozialen Netzwerkkontakten angereichert
werden – und so zu einer noch genaueren
Analyse führen.
Nicht nur was Du sagst
ist entscheidend, sondern vor
allem was Du tust
Durch die Analyse unserer Verhaltensdaten
können Datenwissenschaftler heute sagen,
welcher Typ von Mensch man ist, was man
kauft und welche Krankheitsrisiken man hat
und ob man deswegen möglicherweise bald
im Krankenhaus landen wird. Und wenn
man auch nur Teile dieser Informationen hat,
so können aus dem sozialen Umfeld, in dem
man sich bewegt, viele der fehlenden Informationen hochgerechnet werden. Vor uns
liegen also Zeiten mit bisher nicht gekannten
Möglichkeiten der Datengenerierung, Speicherung und Analyse.
Rudi Klausnitzer ist Medienfachmann und -berater und
Autor des Buches „Das Ende
des Zufalls”.
Die Schlagzeilen klangen unglaublich:
Dein Telefon weiß, wo du am nächsten
2/2013 Contact Center & CRM Marktführer
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