202 21 Die Chalkogene (Erzbildner, 6.HG, 16. Gruppe des PSE) - weil sie namentlich mit den beiden ersten Gliedern (in Form der Oxide und Sulfide) maßgeblich am Aufbau der natürlichen Erze beteiligt sind. Erze: Metallhalige Gesteine und Mineralgemenge, aus denen mit technischen Methoden und mit wirtschaftlichem Nutzen Metalle oder Metallverbindungen gewonnen werden. Minerale: Homogene, durch natürliche Vorgänge entstandene Festkörper Elementares Vorkommen Schmp.[°C] Farbe Sauerstoff O O2 -219 hellblau Schwefel S S8 120 gelb Selen Se Sex 220 grau Tellur Te Tex 450 braun Polonium Po 254 Nichtmetalle Halbmetalle Metall (radioaktiv) 203 Valenzelektronenkonfiguration ns2p4 (n = 2 bis 6) .A. + 2e A 2- + 2H. H A H A = Atom Dimerisierung; Ring-und Kettenbildung A A ; A8, Ax (A A A) Edelgaselektonenkonfiguration Chalkogenide Oxide Sulfide Selenide Telluride Chalkogenwasserstoffe Wasser Schwefelwasserstoff Selenwasserstoff Tellurwasserstoff O2 Disauerstoff S8 Cyclooctaschwefel Sex (grau) Ketten Tex Kovalente Verbindungen (Sonderstellung des Sauerstoffs) Elektronegativität O 3,5 S 2,44 Valenzorbitale 2s, 3 x 2p maximale Bindigkeit Oxidationszahlen + H drei H O H -II, -I, 0 , C O Se 2,48 Te 2,01 neben s- und p-Orbitalen auch sechs (SF6) unbesetzte d-Orbitale (+II in Fluorverb.) -II (S2-, H2S) 0 (S8) +IV (SO32-) +VI (SO42-) 204 21.1 Schwefel Vorkommen: in freiem (elementar als Cyclooctaschwefel und gebundenem Zustand (vorwiegend sulfidisch und sulfatisch) Die Sulfide bezeichnet man je nach ihrem Aussehen als Kiese, Glanze und Blenden. Eisenkies (Schwefelkies, Pyrit) FeS2 auf Calcit, CaCO3 205 Bleiglanz, PbS auf Dolomit, CaMg(CO3)2 Zinkblende, ZnS mit niedrigem Fe-Gehalt, gelb (Honigblende od. karamellisierte Blende), rot (Rubinblende) auf Calcit, CaCO3 206 Wichtige Sulfate in der Natur sind Calciumsulfat (Gips, CaSO4 2H2O und Anhydrit, CaSO4), Magnesiumsulfat (Bittersalz, MgSO4 7H2O und Kieserit, MgSO4 H2O) und Bariumsulfat (Schwerspat, BaSO4). Als Bestandteil der Eiweißstoffe (Aminosäuren Methionin und Cystein) findet sich Schwefel in der Biosphäre auch organisch gebunden. Der Mensch enthält ca. 2,5 g des essentiellen Elements Schwefel pro kg Gewebe; schwefelreich sind insbesondere die Haare und Nägel. Der bei der Verwesung von Tierleichen oder beim Faulen von Eiern auftretende üble Geruch rührt hauptsächlich von Schwefelverbindungen (Schwefelwasserstoff, H2S und Mercaptanen, RSH her), die sich bei der Eiweißfäulnis bilden. Steinkohlen - die pflanzlichen Ursprungs sind - weisen bis zu 8 % Schwefel, teils in organischer, teils in Form von Schwefelkies auf. Erdöl enthält ebenfalls organisch gebundenen Schwefel, Erdgas Schwefelwasserstoff. Modifikationen: Es gibt Stoffe (neben Schwefel z. B. auch Phosphor, Kohlenstoff, Zinn, Eisen, Quecksilbersulfid), die je nach Zustandsbedingungen (Temperatur, Druck) in verschiedenen festen Zustandsformen (Modifikationen) existieren (bei Schwefel - und -Schwefel). Diese Erscheinung nennt man Polymorphie (Vielgestaltigkeit) und spricht von polymorphen Modifikationen. Die bereits beim Sauerstoff beobachtete Erscheinung, dass Elemente zudem in verschiedenen Molekülgrößen auftreten (bei Sauerstoff O2 und O3) bezeichnet man als Allotropie (Umwandlung in etwas anderes) und spricht von allotropen Modifikationen. Die ausgeprägte Tendenz des Schwefels Ringe oder Ketten auszubilden, ist die Ursache für die Bildung einer Vielzahl allotroper Modifikationen (Ringe z. B.: S10, S8, S7, S6, Kettenschwefel (µ-Schwefel) Sx, x = 103-106). Die bei Raumtemperatur stabile Molekülgröße wird durch kronenförmig gebaute (gewellte) S 8-Ringe (Cyclooctaschwefel, Kronenschwefel) repräsentiert, in dem die S-Atome durch Einfachbindungen verbunden sind. S8 (Cyclooctaschwefel, Kronenschwefel) S S S S S S S S 207 Vom festen S8-Schwefel gibt es zwei polymorphe Modifikationen. Bei Raumtemperatur ist der rhombische Schwefel (-Schwefel, -S8) thermodynamisch am stabilsten. Er bildet schwefelgelbe rhombische Kristalle. Bei 95,6 °C wandelt sich der -Schwefel unter geringem Wärmeverbrauch langsam in eine zweite, fast farblose, Modifikation den monoklinen Schwefel oder -Schwefel ( -S8) um. Monokliner Schwefel kristallisiert in Nädelchen. Blockartiger, zitronengelber, rhombischer (a) und nadelförmiger, hellgelber, monokliner (b) Schwefel a b Die Umwandlung von - in -Schwefel ist reversibel. - und -Schwefel sind unlöslich in Wasser, aber sehr gut löslich in Schwefelkohlenstoff, CS2. Oberhalb der Umwandlungstemperatur (96,5 °C) ist nur der monokline, unterhalb nur der rhombische Schwefel beständig; die Umwandlungsgeschwindigkeit ist allerdings unter normalen Bedingen so klein, dass beispielsweise Nadeln des bei höherer Temperatur gewonnenen monoklinen Schwefels bei Zimmertemperatur erst im Laufe einiger Tage unter Bildung kleiner rhombischer Kriställchen zerfallen. Beim Erwärmen über den Schmelzpunkt hinaus bilden sich Modifikationen, die sich in der Molekülgröße unterscheiden (Versuch): - Raumtemperatur: -S8 - T > 95,6 °C: -S8 - T > 119 °C: hellgelbe, leicht bewegliche Flüssigkeit, die mit zunehmender Temperatur undDauer des Erwärmungsvorganges abnehmende Mengen an S8-Ringen (-Schwefel) und zunehmende Mengen an -Schwefel (niedermolekulare Schwefelringe Sn, n hauptsächlich 6,7,9,12) sowie µ-Schwefel (hochmolekularer, aus großen Ringen und langen Ketten bestehend) enthält. - T = 159 °C : plötzliche Zunahme der Viskosität, Schmelze wird dunkelrot, überwiegende Bildung von µ-Schwefel 208 - T > 243 °C: Abnahme der Viskosität, durch die Abnahme der mittleren Kettenlänge des µ-Schwefels. Die Lösung ist jetzt tief braun-rot gefärbt. Durch Eingießen in kaltes Wasser (Abschrecken) wird plastischer Schwefel (unterkühlte Schmelze, hauptsächlich - und µ-Schwefel) erhalten. - T > 445 °C: Schwefel geht in die Dampfphase über, in der neben S8 mit zunehmender Temperatur auch S7- , S6-, S5-, S4-, S3- und S2-Moleküle vorliegen. S2 und S3 entsprechen den Sauerstoffmodifikationen O2 und Ozon, O3. S-Atome überwiegen erst ab Temperaturen oberhalb von 2200 °C. Bei langsamem Abkühlen treten alle genannten Zustande des Schwefels in umgekehrter Reihenfolge auf. Gewinnung: a) Aus natürlichen Vorkommen: Durch Tagebau oder in tieferen, Schwefel führenden Gesteinsschichten nach dem Frash-Verfahren durch Ausschmelzen mit überhitztem Wasserdampf (155 - 157 °C) unter einem Druck von 25 bar. Der heiße Wasserdampf wird durch ein äußeres Rohr eingepresst, so dass der Schwefel schmilzt (Smp. 119 °C). Durch ein inneres Rohr tritt heiße Pressluft unter einem Druck von 40 bar ein, wodurch der geschmolzene Schwefel als Schaum durch ein mittleres Rohr nach oben gepresst wird. Gewinnung von elementarem Schwefel durch das Frash-Verfahren b) Aus Schwefelwasserstoff: Technisch fällt H2S in riesigen Mengen bei der Erdölentschwefelung sowie bei der Förderung „saurer“ Erdgase an. Die Umwandlung des Schwefelwasserstoffs in Schwefel erfolgt ganz allgemein durch Verbrennen mit Sauerstoff in Gegenwart von Katalysatoren in zwei Stufen, 209 H2S + 3 O2 2 H2O = -518 kJ/mol (1) 3S 8 8 + 2H2O = -146 kJ/mol (2) 3S 8 8 + 3H2O = -664 kJ/mol (3) SO2 + SO2 + 2H2S 3H2S + 3 O2 2 da bei direkter Oxidation zu Schwefel gemäß (3) die gesamte Verbrennungsenthalpie im Kontakt frei wird, wo sie nur schwierig zu beherrschen ist (bei zu hoher Temperatur entsteht SO2 statt S). Die Zerlegung des Vorgangs in die beiden Stufen (1) und (2), von denen nur die zweite – schwächer exotherme – eines Katalysators bedarf, beseitigt diese Schwierigkeit. Bei diesem als Claus-Verfahren bezeichneten Prozess wird das H2S-haltige Gas im Gemisch mit der gemäß (3) benötigten Menge Sauerstoff zunächst in einer Brennkammer zur Reaktion gebracht (60 – 70 % Umsatz zu Schwefel, Rest H2S und SO2) und anschließend in einem ersten Reaktor bei 300 °C an einem Co/Mo-Katalysator (fein verteilt auf Al2O3) sowie in einem zweiten Reaktor bei 170 °C an einem oberflächenreichen Al2O3-Katalysator praktisch vollständig in Schwefel verwandelt. Die Komproportionierungsreaktion (2) verläuft nur in Gegenwart geeigneter Katalysatoren (Co/Mo, Al2O3). Auch Wasser katalysiert diese Reaktion: Während ein Gemisch aus völlig trockenem SO2 und H2S metastabil ist, wird mit etwas Wasser schlagartig Schwefel gebildet. Verwendung: 90°% gehen in die Schwefelsäureproduktion. Weitere Verwendungsgebiete sind die Zündholzindustrie, die Vulkanisation von Kautschuk, die Herstellung von Feuerwerkskörpern, Schwarzpulver, Malerfarben und Schwefelkohlenstoff, CS2. Chemische Eigenschaften: S8-Schwefel verbindet sich schon bei mäßig erhöhter Temperatur mit fast allen Metallen und Nichtmetallen (ausgenommen Gold, Platin, Iridium, Stickstoff, Tellur, Iod und Edelgase). Vielfach verlaufen diese Redox-Reaktionen des Schwefels, bei denen er meist reduziert, seltener oxidiert wird, unter großer Wärmeabgabe. Versuche: ) Erhitzen mit Eisenspäne Fe + 1 S8 8 FeS 95 kJ/mol Erhitzen an der Luft, Verbrennung mit blauer Flamme zu Schwefeldioxid 1S + O 2 8 8 SO2 H = 297 kJ/mol 210 21.1.1 Verbindungen des Schwefels a) Schwefelwasserstoff, H2S Struktur: gewinkelt +I -II S H +I H S H 92,3° Elektronegativität 2,4 2,2 Vergleich mit anderen Chalkogenwasserstoffen: H2O H2S H2Se H2Te Siedepunkt [°C] +100 - 60,8 - 41,5 - 1,8 Bildungsenthalpie [kJ/mol] - 285 - 20,1 +77,4 +143 MAK-Wert [mg/m3] - 15 0,2 0,1 Während die Siedetemperatur von H2S, H2Se und H2Te insofern „normal“ verlaufen, als sie entsprechend der Zunahme der Molmassen in diese Richtung ansteigen, zeigt sich beim Wasser eine „Anomalie“. Der „zu hohe“ Siedepunkt ist eine Folge der Assoziierung der H2O-Moleküle über Wasserstoffbrücken (s. S. 103); s.a. das vergleichbare Phänomen beim Fluorwasserstoff, S.193). Die Bildungsenthalpien von H2Se und H2Te sind positiv, d.h. dass diese Verbindungen thermodynamisch instabil sind. H2S, H2Se und H2Te sind hochgiftige, übel riechende (faule Eier: H2S, fauler Rettich: H2Se) Gase. Als Anhaltspunkte für ihre Giftigkeit mögen die MAK-Werte (MAK = maximale Arbeitsplatzkonzentration) in obiger Tabelle gelten. Zum Vergleich HCN (Blausäure) : 11, CO : 55 mg/m3 Luft. Die Toxizität von H2S beruht auf der Blockierung des Eisens im Hämoglobin. Man erkennt außerordentlich geringe Mengen an H2S am Geruch. Der charakteristische Geruch nach faulen Eiern ist noch in einer Verdünnung von 1 : 100000 wahrzunehmen. Die Geruchempfindlichkeit sinkt allerdings deutlich bei längerer Einwirkung und höherer Konzentration. 211 Geruchsschwellen Stoff Trimethylamin Buttersäure Schwefelwasserstoff Blausäure Stickstoffdioxid Chlor Konzentration in mg · m-3 0,0005 0,004 0,007 0,65 0,75 0,88 Essigsäure 2,5 Phosgen 3,7 Benzol 16,0 Ammoniak 33,0 Methanol Aceton 133,0 278,0 Vorkommen: H2S kommt in größeren Mengen im Erdöl und insbesondere im Erdgas vor. Auch entströmt er in vulkanischen Gegenden vielfach der Erde. Eine geringe H2S - Konzentration ist ein wichtiger Bestandteil der Schwefelheilquellen. Er bildet sich bei der Fäulnis schwefelhaltiger organischer Stoffe (Eiweiße); so rührt der üble Geruch fauler Eier größtenteils von Schwefelwasserstoff her. Darstellung: ) In der Technik - aus den Elementen (sehr reiner H2S) H 2 + 1 S8 8 600°C Kat. H2S 21 kJ/mol und bei der Entschwefelung fossiler Brennstoffe (Erdölentschwefelung – Hydrodesulfurierung, Absorbieren von H2S durch schwache Basen aus sauren Erdgasen) ) im Labor { im Kippschen Gasentwickler aus säurezersetzbarem Sulfid, meist FeS (in Stangen oder Stücken) und Salzsäure (c = 5 mol/l)} FeS + 2H+ (halbkonz. HCl) H2S + Fe2+ 212 Chemische Eigenschaften: ) Mittelstarkes Reduktionsmittel An der Luft entzündet brennt er je nach der Luftzufuhr mit blauer flamme zu H 2O und SO2 oder zu H2O und S8 (vergl. S. 209) Versuche: vollständige Verbrennung: -II 0 2H2S + 3O2 -II unvollständige Verbrennung: 2H2S + 0 O2 -II +IV-II 2H2O + 2SO2 -II 0 2H2O + 2 8 S8 Schwefelwasserstoff ist sowohl im gasförmigen wie im gelösten Zustand ein mittelstarkes Reduktionsmittel: H2S 1 S + 2H+ + 2e8 8 E° = 0,144 V (pH = 0) S2- 1 S + 2e8 8 E° = 0,476 V (pH = 14) Die Reduktionskraft nimmt im basischen Milieu zu, da hier die c(H+) viel kleiner ist, was eine Verschiebung des Redoxgleichgewichtes nach rechts entspricht. Regel: Die Redoxpotentiale von Redoxpaaren, an deren Redoxgleichgewichten in saurer Lösung Wasserstoffionen beteiligt sind, nehmen in basischen Lösungen negativere bzw. weniger positive Werte an (die Reduktionskraft der reduzierten Form des korrespondierenden Redoxpaares steigt, die Oxidationskraft der oxidierten Form nimmt dagegen ab, vergl. pH-Abhängigkeit der Oxidationskraft von MnO4- S. 175) Versuch: Oxidation des H2S mit Iod H2S + I2 2I- + 2H+ + 1 8 S8 Es tritt Entfärbung ein, und Schwefel wird frei, der in sehr feiner Verteilung als milchige Trübung zu erkennen ist. ) Sehr schwache zweibasige Säure Der Schwefelwasserstoff hat in wässeriger Lösung den Charakter einer sehr schwachen zweibasigen Säure: 213 H2S + H2O H3O+ + HS- KS(1) = 10-7 mol/l (1) HS- + H2O H3O+ + S2- KS(2) = 10-13 mol/l (2) pH-Wert einer gesättigten H2S-Lösung {c0(H2S) = 0,1 mol/l}: 1 pH [pK S (1) lg c0 (H 2S)] 2 1 (7 1) 4 2 sehr schwach sauer Als zweibasige Säure bildet der Schwefelwasserstoff zwei Reihen von Salzen. Hydrogensulfide M I HS und Sulfide M I2S . Lösliche Sulfide (z.B. Na2S) reagieren in Wasser basisch, da das Sulfidion als korrespondierende Base der sehr, sehr schwachen Anionensäure HS- eine starke Anionenbase ist (vergl. S. 148 und 149): S2- + H2O HS- + OH- pH-Wert einer Na2S-Lösung c0(Na2S) = 0,1 mol/l: pKS(HS-) + pKB(S2-) = 14 pKB(S2-) = 14 - 1 =1 pOH 1 pK B (S2 ) lgc0 ( Na 2S) 2 1 1 1 2 =1 pOH + pH = 14 1 + pH = 14 pH = 13 stark basisch pH-Wert einer NaHS-Lösung c0(NaHS) = 0,1 mol/l: Das Hydrogensulfidion ist ein Ampholyt (s. S. 149) 214 pH pK S (HS ) pK S (H 2S) 13 7 10 2 2 schwach basisch Die Hydrogensulfide sind in Wasser alle leicht löslich. Bei den Sulfiden sind nur die Alkali- und Erdalkalisulfide leicht löslich. Die meisten anderen Sulfide sind in Wasser schwer löslich. Die Schwerlöslichkeit von Metallsulfiden benutzt man in der analytischen Chemie im Kationentrennungsgang dazu, um Metalle aus wässeriger Lösung gruppenweise zu fällen. ) S2- als Fällungmittel Die Sulfidionen-Konzentration in einer wässerigen Lösung ist pH-abhängig. Die Addition der Gleichungen (1) und (2) auf der Seite 213 ergibt: H2S + 2H2O 2H3O+ + S2- KS(1+2) = KS(1) . KS(2) = 10-20 mol2/l2 (3) Durch Erhöhung der Hydroniumionenkonzentration (pH-Wert sinkt) wird das Gleichgewicht nach links verschoben und die Sulfidionenkonzentration nimmt ab, bei pH-Wert Erhöhung nimmt die Konzentration der Sulfidionen zu. Berechnung der c(S2-) eines Schwefelwasserstoffwasser, c0(H2S) = 0,1 mol/l, bei pH = 0: Das MWG für Gleichung (3) lautet: K S (1 2) c 2 (H3O ) c(S2 ) c(H 2S) c(H2S) c0 (H2S) K S (1 2) c0 (H 2S) 1020 mol 2 /l 2 101 mol/l c(S ) c 2 (H3O ) 12 mol 2 /l 2 2 = 10-21 mol/l Die S2--Konzentration in einer gesättigten H2S-Lösung in Gegenwart einer starken Säure {c(H3O+) = 1} beträgt rund 10-21 mol/l (entsprechend 1S2—Ion je ml). Mit dieser minimalen S2--Konzentration können noch schwerlösliche Metallsulfide quantitativ (d.h. mit einer Restkonzentration von in Lösung verbleibendem Metallion von maximal 10-5 mol/l) gefällt werden, deren Löslichkeitsprodukte hinreichend klein sind. Beispiele (Versuche): Restkonzentration an M2+ KL(HgS) = 10-54 mol2/l2 = c(Hg2+) c(S2-) = 10-33 mol/l 10-21 mol/l KL(PbS) = 10-28 mol2/l2 = c(Pb2+) c(S2-) = 10-7 mol/l 10-21 mol/l fallen im stark sauren pH = 0 215 KL(ZnS) = 10-23 mol2/l2 = c(Zn2+) c(S2-) = 10-2 mol/l 10-21 mol/l fällt im stark sauren nicht quantitativ (sehr schwach saures Milieu notwendig) KL(MnS) = 10-15 mol2/l2 = c(Mn2+) c(S2-) fällt nur im alkalischen Medium Quantitative Fällung pH < 7 pH > 7 HgS, Bi2S3, CdS, PbS, CuS, schwarz braun- gelb schwarz 10-54 KL = bis As2S3, Sb2S3, SnS gelb orange braun 10-25 NiS, CoS, schwarz 10-24 Schwefelwasserstoffgruppe: Fällung aus HCl-saurer Lösung mit H2S im pH-Bereich von 0 bis 3,5 MnS, ZnS fleisch- weiß farben bis 10-15 Ammoniumsulfidgruppe: Fällung mit Ammoniumsulfid, NH4HS bei pH 8 bis 10 Mit Ammoniumpolysulfid, (NH4)HSn, können aus der H2S-Gruppe solche Sulfide abgetrennt werden, die lösliche Thiometallate bilden. +III +III +II +V So bilden sich aus As2S3, Sb2S3, und SnS (Arsen-Zinn-Gruppe) Thioarsenat AsS43-, Thioantimonat +V +IV SbS43- und Thiostannat SnS32-, die nach dem Abfiltrieren von den in (NH4)HSn nicht löslichen Sulfiden der Kupfergruppe (HgS, PbS, CuS, Bi2S3 und CdS) durch ansäuern in die Sulfide As2S5 (gelb), Sb2S5 (orange) und SnS2 (gelbbraun) umgewandelt werden. Bei der Bildung der Thiometallate kommt es durch die Polysulfide zu einer Oxidation von As(III) As(V), Sb(III) Sb(V) und von Sn(II) Sn(IV). Beispiel: Bildung von Thioarsenat +III -I -II As2S3 + 2HS2 + HS- + 3OH- +V-II 2AsS43- + 3H2O Hydrogendisulfid +I -I -I H S S- Die Reaktion ist hier für das Hydrogensulfidion, HS2-, mit dem Schwefel in der Oxidationsstufe –I formuliert. Auch andere Polysulfide wirken als Oxidationsmittel. Sulfid und Polysulfid liegen - vergl. die KS-Werte auf S. 213 - hauptsächlich in Form von Hydrogensulfid bzw. –polysulfid vor. 216 Nachweis von H2S als PbS: Durch Hydrolyse wasserlöslicher Sulfide sowie beim Behandeln von schwerlöslichen Sulfiden mit HCl oder H2SO4 entsteht H2S, das am Geruch oder durch ein in dem Gasraum gehaltenes, mit Bleiacetat, Pb(CH3COO)2, getränktes Filterpapier infolge Bildung von schwarzem PbS identifiziert wird. H2S + Pb2+ PbS + 2H+ Schwefel-Anionen: Das Monosulfid- oder kurz Sulfidion, S2-, ist farblos. Darüber hinaus existieren eine Reihe hell- bis dunkelgelber Dianionen Sn2- {Polysulfide (2-)} mit n = 2, 3, 4, 5, 6 usw.. Polysulfide entstehen z.B. beim Vereinigen von Schwefel mit heißen wässerigen S2-haltigen Lösungen. Vereinigt man Alkalimetallpolysulfide mit polaren Medien wie Aceton oder Dimethylformamid, so entstehen farbige Lösungen. Die Farbe geht auf die Anwesenheit von Polysulfiden (1-) Sn1- zurück, nämlich auf das gelbgrüne Disulfid (1-) S2-, das blaue Trisulfid (1-) S3sowie das rote Tetrasulfid (1-) S4-. Die Monoanionen entstehen u.a. in Gleichgewichtsreaktionen durch Spaltung von Dianionen: S42- 2S2- S62- 2S3- blau S82- 2S42- rot gelbgrün Die Schwefel-Monoanionen sind für die Farbe einiger schwefelhaltiger Mineralien verantwortlich. So verdankt etwa Lapsilazuli seine blaue Farbe den in Hohlräumen eines Natrium-Alumosilicates eingelagerten S3--Ionen. 217 Lapislazuli mit goldglänzenden Pyritadern Lapislazuli auf Kalkstein 218 b) Schwefelsauerstoffverbindungen Oxidationszahl Schwefel Oxide +II " SO Säure " " H2S2O3 Schwefelmonoxid +IV Anionen (Salze) " Thioschwefelsäure SO2 Schwefeldioxid " H2SO3 " Schweflige Säure S2O32Thiosulfat HSO3Hydrogensulfit SO32Sulfit +VI SO3 Schwefeltrioxid H2SO4 Schwefelsäure HSO4Hydrogensulfat SO42Sulfat ) SO2 ( " H2SO3 " , HSO3-, SO32-, S2O52--Disulfit) farbloses, stechend riechendes, giftiges, nicht brennbares Gas Sdp. = -10°C (lässt sich leicht zu einer farblosen Flüssigkeit verdichten, ausgezeichnetes Lösungsmittel für viele anorganische und organische Stoffe) Struktur: gewinkelt O S O 119,5° polares Molekül Herstellung (Technik): - Verbrennen von Schwefel - Abrösten sulfidischer Erze S + O2 4FeS2 + 11O2 SO2 H = -297 kJ/mol 2Fe2O3 + 8SO2 H = -297 kJ/mol 219 Löslichkeit in Wasser: sehr gut, 40l SO2 lösen sich in einem Liter H2O bei 20°C Chemische Eigenschaften: - SO2 wirkt reduzierend, Bestreben sich zur Oxidationsstufe der Schwefelsäure zu oxidieren - die zu SO3 führende Reaktion mit Sauerstoff ist gehemmt und erfolgt nur in Anwesenheit von Katalysatoren (s. unten, Herstellung SO3) - wässerige Lösungen von SO2 reagieren ausgesprochen sauer, leiten den elektrischen Strom und wirken ebenfalls reduzierend Die sauren Eigenschaften beruhen auf der Reaktion von SO2 mit H2O: SO2 + 2H2O HSO3- + H 2O H3O+ + HSO3- pKS = 1,8 (1) H3O+ + SO32- pKS = 7,0 (2) Der größte Teil des gelösten Schwefeldioxids liegt als unverändertes bzw. hydratisiertes SO2 in Wasser vor. Die hypothetische Schweflige Säure H2SO3 kann nicht isoliert werden. Auch in wässeriger Lösung existiert keine nichtprotolysierte H2SO3. SO2 + 2H2O H2SO3 K << 10-9 Bei höheren Konzentrationen von SO2 in Wasser entstehen Disulfit-Ionen, S2O52-. 2HSO3- S2O52- + H2O (3) - von der hypothetischen Säure H2SO3 leiten sich zwei Reihen von Salzen ab: Hydrogensulfite, HSO3Sulfite, SO32- l.l. in H2O außer Alkalimetallsulfite mehr oder weniger s.l. in H2O Herstellung durch Einleiten von SO2 in Laugen {Gleichgewichte (1) bzw. (2) werden nach rechts verschoben}: NaOH + SO2 NaHSO3 + NaOH NaHSO3 Na2SO3 + H2O 220 Disulfite, S2O52- entstehen bei der Aufkonzentrierung von HSO3--Lösungen: 2NaHSO3 Na2S2O5 + H2O Strukturen von SO32-, HSO3- und S2O52-: SO32- 2- S O HSO3- O Die -Bindungen sind delokalisiert (auch in HSO3und S2O52-), d.h. zwei weitere Lewis-Formeln sind zur Beschreibung der Struktur (trigonal pyramidal) notwendig. O in wässerigen Lösungen liegen zwei Tautomere im Gleichgewicht vor (Tautomere: Konstitutionsisomere, die sich durch die Position eines Atoms oder einer Atomgruppe unterscheiden), wobei die Form b in wässeriger Lösung nur in geringen Mengen vorliegt. H - S O O O - S H O a O O b 2- O S2O52- S O O S O O anomal lange S-S-Bindung = 2,205 Å (normal ~2,08 Å) Hydrogensulfite (alte Bezeichnung Bisulfite) als Lewis-Basen: - mit Aldehyden und Ketonen Additionsverbindungen (Bisulfit-Addukte), die infolge ihrer Schwerlöslichkeit in H2O zur Abtrennung und Reinigung von Aldehyden bzw. Ketonen verwendet werden können: C O + S OH O O- Na+ OH C O S O O- Na+ 221 „Schweflige Säure“ und ihre Salze wirken stark reduzierend, die Reduktionswirkung ist im alkalischen stärker als im sauren Milieu: E [V] + 2H2O SO42- + 4H+ + 2e- SO32- + 2OH- SO42- + H2O + 2e- SO2 0,158 (pH = 1) -0,936 (pH = 14) - Nachweis von SO32- bzw. HSO3- durch Reduktion von I2 -Entfärbung – (Versuche) +IV 0 HSO3- + I2 + H2O +VI -I SO42- + 2I- + 3H+ +IV SO32- +VI -I 2SO4 + 2I- + H2O 0 + I2 + 2OH- - Permanganat-Reste können mit einer Sulfit-Lösung reduzierend vernichtet werden (Versuch) +VII +IV + 2MnO4 + H + 5HSO3- +II +VI 2+ 2Mn + 3H2O + 5SO42- - durch stärkere Reduktionsmittel wird HSO3- reduziert (Versuch) +II +IV 6SnCl3 + 2HSO3- + 10H+ + 12Cl- +IV-II SnS2 +IV + 5SnCl62- + 6H2O Trichlorostannat(II) gelbbraun Hexachlorostannat(IV) Nachweis von SO32- durch Geruch: Na2SO3 + 2KHSO4 Na2SO4 + H2O + SO2 + K2SO4 Das durch starke Säuren (hier Hydrogensulfat) in Freiheit gesetzte SO2 riecht stechend (zu prüfende Substanz wird mit KHSO4 verrieben). SO2-Darstellung im Labor (Versuch): NaHSO3 + H2SO4 NaHSO4 + H2O + SO2 50%-ige H2SO4 zu konz. NaHSO3 tropfen lassen. 222 Schwefeldioxid als Konservierungsmittel: SO2 tötet Bakterien, wirkt oxidationshemmend und verhindert das braune Anlaufen mancher Nahrungsmittel, in großem Maßstab wird daher das Gas selbst oder seine Salze z. B. Natriumsulfit (E221), die in wässeriger Lösung Schwefeldioxid freisetzen (s. Rückreaktionen in (1) und (2) auf S. 219), als Konservierungsmittel verwendet. SO2 bewahrt die natürliche Färbung von Obst und Gemüse: geschälte Kartoffeln bleiben weiß. (Versuch: frisch geriebene Kartoffeln laufen braun an, gekaufte Kloßmasse bleibt weiß – enthält Natriumdisulfit) Seit den Tagen des Römischen Reiches ist das sogenannte Schwefel eine gebräuchliche Methode der Weinkonservierung. Man gewann das Schwefeldioxid damals durch einfaches Abbrennen natürlich vorkommenden Schwefels in der Nähe von Weinfässern, so dass der darin enthaltene Traubensaft die Dämpfe aufnehmen konnte. Bereits geringste Konzentrationen SO2 100 ppm (Millionstel), reichen aus, um die Vermehrung unerwünschter Hefen zu unterbinden und gleichzeitig das Wachstum erwünschter Hefearten zu fördern. Wilde Hefen auf den Schalen der Trauben sorgen dafür, dass der Saft nach dem Zerquetschen der Früchte von selbst zu gären beginnt; SO2 unterdrückt diese Wildstämme und ermöglicht dem Winzer, sogenannte Reinzuchthefen nach seinen Wünschen zuzusetzen. Wer in kleinem Maßstab Bier braut oder Wein bereitet, verwendet zum Schwefeln Natriumdisulfit-Tabletten (Freisetzung von SO2 in H2O, s. Rückreaktionen in (3), (2) und (1) auf S. 219). Unmittelbar vor dem Abfüllen kann man dem Getränk zusätzliches Sulfit zufügen, um es am Weitergären zu hindern. Dazu sind Dosen von bis zu 350 mg pro Flasche erforderlich. Der größte Teil der Verbindung reagiert im Laufe der Zeit mit anderen Weinbestandteilen und verschwindet; junger Weißwein kann jedoch beträchtliche Mengen SO2 enthalten. Schwefeldioxid als Umweltgift: Im Dezember 1952 tötete Schwefeldioxid 4000 Einwohner Londons, als sich die dichteste je da gewesene Nebelsuppe fünf Tage lang über die Stadt legte und schließlich eine Fläche von zweieinhalbtausend Quadratkilometer förmlich unter sich begrub (Inversionswetterlage). Zu dieser Zeit heizten noch alle Haushalte mit Kohle, wobei SO2 freigesetzt wird. SO2 entsteht immer, wenn Kohle verbrennt, ob in der Industrie, in Kraftwerken oder Haushalten. Unser Planet muss mit SO2 fertig werden, das bei der Verbrennung entsteht und mit SO2, das Vulkane in die Luft speien. Das Gas wird in der Atmosphäre zum größten Teil oxidiert, löst sich in den Wassertröpfchen der Wolken und fällt als saurer Regen auf die Erde zurück. „Sauberer“ Regen, der als pH-Wert-veränderndes Gas im wesentlichen nur CO2 enthält, müsste ein pH-Wert zwischen 5 und 5,6 haben. Tatsächlich liegt der pH-Wert aber niedriger. In weiten Gegenden der USA und Nordeuropas hat der Regen pH-Werte von 4 bis 4,5: Man spricht von saurem Regen. In der Atmosphäre befindliche starke Säuren leisten dazu einen Beitrag, an der Spitze die SVerbindungen mit einem Anteil von mehr als 80 %: Anorganische Stoffe Anteil an der Acidität des Niederschlags [in %] SO2 ( H2SO4) 83 NO, NO2 ( HNO3) 12 HCl 5 Über 300 Millionen Tonnen SO2 gelangen jährlich in die Erdatmosphäre. Etwa die Hälfte davon ist vulkanischen Ursprungs, die andere Hälfte stammt aus fossilen Brennstoffen. Die Lage könnte nochschlimmer sein, denn SO2 wird beim Verbrennen jedes schwefelhaltigen Stoffes freigesetzt, dochglücklicherweise wird Erdgas und zum größten Teil auch Erdöl vor dem Verheizen entschwefelt.Den in Kohle enthaltenen Schwefel ebenfalls zu entfernen, ist wesentlich komplizierter, der üblichere Weg besteht darin, die Kohle unbehandelt zu verfeuern und anschließend die Rauchgase zu entschwefeln. 223 - Rauchgasentschwefelung Bei der Rauchgasreinigung wird das Rauchgas nacheinander entstaubt (durch Elektrofiltration) entschwefelt (s.u.) und entstickt (s. u. bei Stickstoffmonoxid). Abluftreinigung: Rauchgasentschwefelung und Entstickung Die Rauchgasentschwefelungsanlagen in Deutschland arbeiten nach mit dem Calciumverfahren. Abluftreinigung: Rauchgasentschwefelung und Gipsaufbereitung 224 Beim Kalksteinverfahren wird CaCO3 (Kalkstein) mit dem SO2 der Rauchgase zunächst zu CaSO3 und dann durch Oxidation zu CaSO4 2 H2O (Gips) umgesetzt. Dazu wird eine Waschflüssigkeit, die aus einer CaCO3-Suspension besteht, in den Abgasstrom eingesprüht (Absorbertank). CaSO3 . 0,5H2O + CO2 CaCO3 + SO2 + 0,5H2O In der Oxidationszone (Oxidationsbehälter) bildet sich mit eingeblasener Luft Gips. CaSO4 . 2H2O CaSO3 . 0,5H2O + 1,5H2O + 0,5O2 Der anfallende Gips wird teilweise weiterverwendet. ) Schwefeltrioxid, SO3 SO3 ist unter Normalbedingungen eine Festsubstanz. Es kommt in mehreren Modifikationen vor: Das Monomere existiert nur in Gaszustand im Gleichgewicht mit S3O9-Molekülen (Trimeres des SO3): 3SO3(g) H = -126 kJ/mol S3O9(g) O Struktur SO3 Trigonal planar (drei gleichstarke S-ODoppelbindungen) S O O Kühlt man gasförmiges SO3 auf –80 °C ab, entsteht kristallines, eisartiges - SO3, dass aus S3O9Molekülen aufgebaut ist. Struktur -SO3 O O S O O S S O O O O O gewellte Ringe, in denen die S-Atome verzerrt tetraedrisch von Sauerstoff umgeben sind 225 Trimeres „eisartiges“ -SO3 Unterhalb der Raumtemperatur wandelt sich - SO3 in stabilere, asbestartige Modifikationen (-SO3, -SO3) um, die weiße, seidig glänzende Nadeln bilden. -SO3 besteht aus kettenförmigen Molekülen und ist eigentlich eine Polyschwefelsäure. Struktur von -SO3 n 105 O H O S O H n O Die Struktur von -SO3 ist nicht bekannt. Chemische Eigenschaften: SO3 ist eine sehr reaktive Verbindung, ein starkes Oxidationsmittel und reagiert im Gegensatz zu SO 2 vollständig mit H2O unter starker Wärmeentwicklung, wobei die wichtigste Chemikalie der chemischen Industrie, die Schwefelsäure gebildet wird. SO3 + H2O H2SO4 H = -73,7 kJ/mol (1) 226 ) Schwefelsäure und ihre Salze Technische Herstellung der Schwefelsäure: Das für die H2SO4-Herstellung erforderliche Schwefeltrioxid erhält man durch katalytische Oxidation von SO2 mit Luftsauerstoff nach dem Kontaktverfahren. Schwefeldioxid wird durch Verbrennen von Schwefel bzw. beim Abrösten von sulfidischen Erzen gewonnen (s. S. 218). Kontaktverfahren: SO3 kann nicht durch direktes Verbrennen von Schwefel an der Luft oder in einer Sauerstoffatmosphäre gewonnen werden, da die bei der Verbrennung des Schwefels zu SO2 freiwerdende bedeutende Wärmemenge (1) die Bildung des bei höherer Temperaturen endotherm in Schwefeldioxid und Sauerstoff zerfallenden Schwefeltrioxids verhindert (2). 1S + 8 8 O2 SO2 H = -297 kJ/mol (1) SO2 + 1 O2 2 SO3 H = - 99 kJ/mol (2) Deshalb wird zunächst Schwefel zu SO2 verbrannt und dann das gewonnene SO2 mit Luftsauerstoff zu SO3 oxidiert. Diese Reaktion (2) ist exotherm, d.h. für eine möglichst quantitative Oxidation von SO 2 zu SO3, sollte man bei möglichst tiefen Temperaturen arbeiten. Bei tiefen Temperaturen ist die Reaktionsgeschwindigkeit aber zu gering. Selbst bei 400 bis 600 °C verläuft die Reaktion noch viel zu langsam. Glücklicherweise gibt es aber feste Katalysatoren („Kontakte“), die in diesem Temperaturbereich die Reaktion (2) beschleunigen. Man benutzt als Katalysator Vanadiumpentoxid, V2O5 vermischt mit einem Aktivator auf einem Träger. Die ab ca. 420 °C wirksame Katalysatormasse wirkt als Sauerstoff-Überträger, wobei für diese Fähigkeit die Wertigkeitsänderung Vanadium (V) Vanadium (IV) entscheidend ist. Die Wirkungsweise des Katalysators kann formal durch die Gleichungen (4) und (5) zum Ausdruck gebracht werden: +V +IV V2O5 + SO2 +IV +VI V2O4 + SO3 (3) +IV 0 1 V2O4 + 2 O2 +V-II V2O5 (4) SO2 + 1 2 O2 SO3 Die Geschwindigkeiten der Teilreaktionen (4) und (5) sind dabei in Summe größer als die Geschwindigkeit der direkt verlaufenden Oxidation von SO2 zu SO3. Zur Verschiebung des Gleichgewichts (2) arbeitet man mit einem zwei- bis dreifachen Überschuss an Luftsauerstoff (1 bis 1,5 statt 0,5 mol O2 je mol SO2, s. S. 132) und – da die Umsetzung unter Volumenminderung abläuft - gegebenenfalls bei erhöhtem Druck (z. B. 5 bar). Besonders wichtig ist aber die Aufrechterhaltung einer sowohl hinsichtlich der SO3-Ausbeute als auch hinsichtlich der Reaktionsgeschwindigkeit günstigen Temperatur. Es muss die bei der Umsetzung freiwerdende Wärme abgeführt werden, da sonst die Temperatur des Kontaktes steigt und die SO3-Ausbeute sinkt. Die Temperaturabhängigkeit der SO3-Ausbeute (Startgemisch: 10 Vol. -% SO2, 10 Vol. -% O2, 80 Vol.- % N2) zeigt folgende Abbildung: 227 Temperaturabhängigkeit der SO3-Ausbeute Als Reaktoren benutzt man „Hordenkontaktöfen“ in denen die Katalysatormasse auf Rosten („Horden“) schichtweise übereinander angeordnet ist: Kontaktkessel (h = 13 m, 10 m, 80 t Katalysator) zur Gewinnung von SO3 aus SO2 228 Bei neueren Anlagen haben die Öfen meist vier Kontaktschichten und drei dazwischen geschaltete Kühlzonen, in denen die Reaktionsgase teils durch Wärmeaustauscher, teils durch Zumischung kalter Luft gekühlt werden. Mit derartigen Anlagen sind Ausbeuten um 98 % erzielbar. Vorteilhafterweise werden die Reaktionsgase nach dem Durchgang durch die ersten drei Horden erst nach dem Auswaschen des gebildeten SO3 mit konz. H2SO4 (s. unten) durch die vierte Katalysatorschicht gegeben (“Doppelkontaktverfahren“). Diese Variante gewährleistet einen SO2-Umsatz von mehr als 99,5 %. Die Vereinigung des katalytisch gebildeten SO3 mit Wasser zu H2SO4 (vergl. Gl. 1 S. 225) kann nicht einfach so erfolgen, dass man das den Kontaktkessel verlassende Gasgemisch durch Wasser leitet, weil hierbei ein großer Teil des SO3 entweicht (stark exotherme Reaktion), ohne sich mit Wasser umzusetzen. Dagegen nimmt konz. (98 %-ige) Schwefelsäure das SO3 vollständig und momentan unter Bildung von Dischwefelsäure, H2S2O7 auf {Gl. (7)}. Durch Zufließenlassen von Wasser {Hydrolyse der gebildeten Dischwefelsäure Gl. (8)} ergibt sich die gewünschte Schwefelsäurebildung: SO3 + H2SO4 H2S2O7 (7) H2S2O7 + H2O 2H2SO4 (8) SO3 H2SO4 + H2O Technische Herstellung der Schwefelsäure 229 Kontaktsäure (konz. H2SO4) 98%-ig + berechnete Menge SO3 Sdp. 338°C + 20 - 25% SO3 - Überschuß 100%-ige wasserfreie H2SO4 rauchende Schwefelsäure Oleum" " Versuch zur SO3-Herstellung: Ein SO2/Luftgemisch (SO2 aus der Gasflasche) wird mit einer Wasserstrahlpumpe durch ein Reaktionsrohr, das erhitztes Vanadiumpentoxid enthält, gesaugt. In einem nachgeschaltetem Kolben bilden sich H2SO4-Nebel (SO3 reagiert sofort mit dem H2O-Dampf der Luft). In der dann folgenden Waschflasche, die eine wässerige BaCl2-Lösung enthält, bilden die Sulfationen der Schwefelsäure mit Ba2+-Ionen einen schwerlöslichen Niederschlag von BaSO4 (s. S. 231 SulfatNachweis). Strukturen: O H2SO4 HO S OH O O H2S2O7 HO S O O O S OH O Chemische Eigenschaften: - Starke zweibasige Säure Die Schwefelsäure ist in Wasser eine starke, zweibasige Säure und ist praktisch vollständig in H3O+ und HSO4- protolysiert: H2SO4 + H2O H3O+ + HSO4- pKS (1) = - 3,0 HSO4- + H2O H3O+ + SO42- pKS (2) = +1,96 Das erste Wasserstoff-Ion ist in wässeriger Lösung zu praktisch 100 % abgespalten, die Dissoziation in zweiter Stufe beträgt dem gegenüber nur 1,3 %. Die Protonenaktivität a(H+) der Schwefelsäure steigt mit der Säurekonzentration an, so dass reine Schwefelsäure ein hochacides Medium ist, in welchem die meisten darin aufgelösten Stoffe als Basen wirken. 230 Die hohe Protonenabgabetendenz der Schwefelsäure bedingt auch ihre außerordentlich große Affinität zum Wasser. Mischt man Schwefelsäure mit Wasser, kommt es zu einer starken Wärmeentwicklung: H2SO4 + H2O H = -95,33 kJ/mol H2SO4 Hydrate der Schwefelsäure Das Vermischen muss wegen der beträchtlichen Wärmeentwicklung stets mit Vorsicht in der Weise geschehen, dass man die Säure in dünnem Strahl und unter Umrühren in das Wasser einträgt; gießt man umgekehrt das Wasser in die Schwefelsäure, so kann die intensive Wärmeentwicklung zum Herausspritzen der aggressiven Flüssigkeit und zum Springen des Glasgefäßes führen. Schwefelsäure und rauchende Schwefelsäure zerstören organisches Gewebe und verursachen auf der Haut schmerzende, schwer heilende Wunden. - Wasserentziehende Wirkung Die starke wasserentziehende Wirkung der konz. Schwefelsäure wird zum Trocknen von chemischen Substanzen in Exsikkatoren oder Waschflaschen sowie zur Entfernung von Wasser aus chemischen Gleichgewichten genutzt. Beispielsweise geht Salpetersäure HNO3 beim Eintragen in konz. Schwefelsäure unter H2O-Abspaltung qualitativ in das Nitryl-Kation über: NO2+ + H3O+ + 2HSO4- HNO3 + 2H2SO4 Die konz. Schwefelsäure protoniert die Salpetersäure und bewirkt durch seine wasserentziehende Wirkung die Bildung des Nitryl-Kations. + HO + H+ N O O O H O O H N H2O + O + N O Solche Salpetersäure-Schwefelsäure-Gemische „Nitriersäure“ werden in der organischen Chemie zur Nitrierung von Aromaten verwendet. Versuch: Permangant wird durch konz. H2SO4 protoniert, aus der gebildeten instabilen Permangansäure bildet sich durch H2O-Entzug das Dimanganheptoxid, das sehr leicht Sauerstoff abgibt und z. B. Ethanol augenblicklich entzündet (Gleichungen im Kapitel 32.1. Mangan). Auf viele organische Stoffe (Zucker, Papier, Kleiderstoffe) wirkt konz. H2SO4 verkohlend und zerfressend ein, indem sie die Elemente des Wassers daraus abspaltet: CmH2nOn mC + nH2O und zugleich oxidativ (s. unten) zerstörend wirkt. Eine konzentrierte Zuckerlösung bläht sich bei Zugabe konz. H2SO4 unter Bildung voluminöser Kohle auf (Versuch). 231 - Oxidierende Eigenschaften Verdünnte Schwefelsäure entwickelt als Säure bei der Einwirkung auf alle in der Spannungsreihe oberhalb des Wasserstoffs stehenden Metalle (s. S. 72) Wasserstoff: 0 +I z.B. Zn + 2H+ (verd. H2SO4) +II 0 Zn2+ + H2 Metalle, die in der Spannungsreihe oberhalb des Wasserstoffs stehen (z. B. Cu, Hg und Ag) lösen sich nicht in verdünnter, wohl aber beim Erhitzen in konz. Schwefelsäure. Die Auflösung des Metalls erfolgt nicht unter Wasserstoff-, sondern unter SO2-Entwicklung, dem Reduktionsprodukt der Schwefelsäure: 0 +VI z.B. Ag + 2H2SO4 +I +IV Ag2SO4 + SO2 + 2H2O Konz. Schwefelsäure ist ein mildes Oxidationsmittel. Mit zunehmender Verdünnung der Schwefelsäure nimmt die Oxidationswirkung ab. Salze der Schwefelsäure: Als zweibasige Säure bildet die Schwefelsäure zwei Reihen von Salzen: Hydrogensulfate, HSO4- und Sulfate, SO42-. Sulfate sind meist in Wasser leicht löslich. Praktisch unlöslich sind Barium-, Strotiumund Bleisulfat, Calziumsulfat ist etwas löslich. Nachweis von SO42--Ionen mit einer BaCl2-Lösung als schwerlösliches BaSO4: SO42- + Ba2+ verd. HCl BaSO4 Man muss die SO42- -Lösung stets vorher mit HCl ansäuern, da viele andere Bariumsalze, wie BaCO3, Ba3(PO4)2, BaSO3, in Wasser schwer löslich sind, aber bei Gegenwart von Wasserstoffionen wieder in Lösung gehen. Hydrogensulfate sind in Wasser sehr leicht löslich. Sie gehen beim Erhitzen auf 150-200 °C unter H2O-Abspatung in die Disulfate und bei höherem Erhitzen unter SO3-Abspaltung dann in normale Sulfate über: 2NaHSO4 -H2O Na2S2O7 -SO3 Na2SO4 Die Abgabe der starken Lewis-Säure SO3 bei höheren Temperaturen aus Disulfaten wird beim sogenannten sauren Aufschluss von geglühten Oxiden (Fe2O3, Cr2O3, TiO2 - nicht löslich in konz. Säuren und Königswasser) in der Schmelze genutzt. Aus den Oxid-Ionen und SO3 bildet sich SO42-: z.B. Fe2O3 + 6KHSO4 Fe2(SO4)3 + 3K2SO4 + 3H2O Al2O3 wird durch KHSO4 nur unvollständig in eine leicht lösliche Form gebracht. 232 Verwendung: Die Hauptmenge der Schwefelsäure wird zur Herstellung von Kunstdünger verwendet. Andere Verwendungen, die zum Teil schon genannt oder später besprochen werden, fasst die folgende Abb. zusammen. Verwendung der Schwefelsäure ) Thiosulfat, S2O32- (Thioschwefelsäure, „H2S2O3”) Thiosulfate erhält man durch Kochen von SO32--Lösungen mit feingepulvertem Schwefel: S8 +IV + 8Na2SO3 50 - 100°C +II 8Na2S2O3 mittlere Oxidationszahl Strukturen 2- O O S O O Sulfat 2- O O S S O Thiosulfat (S-S-Bindungen: 201 pm) 233 Beim Aufkonzentrieren einer wässerigen Natriumthiosulfat-Lösung kristallisiert das Pentahydrat aus (Na2S2O3 5 H2O). Na2S2O3 5 H2O schmilzt bei 48,5 °C in seinem Kristallwasser (Versuch). Nachweise für Thiosulfat: - Einwirkung von Säuren (Versuch mit HCl) S2O32- + + 2H +II H2S2O3" " 0 S +IV + SO2 + H2O Beim Ansäuern einer S2O32--Lösung entsteht zunächst die unbeständige freie Thioschwefelsäure. Sie zerfällt (disproportioniert) in Schwefel und Schwefeldioxid. - Als Ag2S2O3/Ag2S (Versuch) S2O32- + 2Ag+ Ag2S2O3 +H2O Ag2S + H2SO4 Thiosulfat gibt mit Silberionen schwerlösliches Silberthiosulfat, das unbeständig ist. Es zersetzt sich unter Bildung von schwarzem Silbersulfid, wobei die Schwarzfärbung von Weiß über Gelb, Orange und Braun verläuft (Anorganischer Sonnenuntergang). Silberthiosulfat löst sich im Überschuss von Thiosulfat (Versuch): Ag2S2O3 + S2O32- [Ag(S2O3)2]3- Di(thiosulfato)argentat(I)-Komplex Hierauf beruht die Verwendung von Thiosulfat als Fixiersalz in der Schwarz-Weiß-Photographie (s. Kapitel 29.2 Silber). Thiosulfate sind schwache Reduktionsmittel und werden durch starke Oxidationsmittel {(z. B. Cl2, Gl. (1)} zu Sulfat oxidiert. Mit Iod verläuft dagegen die Umsetzung quantitativ zu Tetrathionat Gl. (2). Die Reaktion (2) besitzt große Bedeutung für die Maßanalyse (Iodometrie). Auf dieser Reaktion beruht die Verwendnung von Thiosulfat als „Antichlor“ in der Bleicherei. Blaufärbung durch Zugabe von Stärke (blauer Einschlusskomplex) farblos 234 Strukturen Tetrathionat O O Peroxodisulfat O S S S S O O O O S O 2- O O O S O 2- O O ) Peroxodisulfate Peroxodisulfate werden in der Analyse als starke Oxidationsmittel eingesetzt. Sie oxidieren in Gegenwart von Ag+ als Katalysator z. B. Mn2+ zu MnO4- und Cr3+ zu Cr2O72- (s. Kapitel 33.1. Chrom). Peroxodisulfate werden technisch durch anodische Oxidation konzentrierter Sulfatlösungen hergestellt: 2SO42- S2O82- + 2e-