Prävention- und Risikosprechstunde Klinik und Poliklinik für Medizinische Onkologie/ Brust- und Tumorzentrum der Frauenklinik Dr. med. Manuela Rabaglio Oberärztin Med. Onkologie Dr. med. Benno Röthlisberger Konsiliararzt Medizinische Genetik für die Beratung von TumorpatientInnen Patienteninformation Erblicher Magendarmkrebs Wie häufig ist Darmkrebs? Krebserkrankungen treten in höherem Lebensalter gehäuft auf. Neben Tumoren der Lunge und der Brust (Mamma-) respektive Prostata, ist der Dickdarmkrebs der 3. häufigste Krebs in Europa und USA. Wie häufig ist Magenkrebs? Bösartige Tumoren des Magendarmtraktes, die nicht den Dick- oder Enddarm betreffen sind relativ selten in der Schweiz (in etwa an 10.Stelle). Dabei sind vor allem entartete Schleimhautzellen der Speiseröhre und des Magens und weniger des Dünndarmes. Gehäuftes Auftreten von Magenkarzinomen in Familien sind vorallem im Rahmen von erblichen Dickdarmkrebs (HNPCC) anzutreffen. Viel seltener treten gehäuft Magenkarzinome in Familien mit einer anderen Veränderung von Genen auf. Was heisst "erblicher" oder "familiärer" Krebs? Während die meisten Tumoren auf der Entartung (Mutation) einiger weniger Zellen am Ort der Krebsentstehung selbst beruhen, können Mutationen in Zellen des Erbgutes bereits bei Geburt vorhanden sein. Eine solche Veränderung bezeichnet man als Keimbahnmutation. Dies bedeutet, daß neben allen Körperzellen auch die Keimzellen betroffen sind und diese Veränderung somit an die Nachkommen vererbt werden kann. Neben vererbtem Brust-Krebs, sind familiären (erblichen) Tumoren des Dickdarmes die häufigsten. Man nimmt an, dass 20-30% aller Dick-und Enddarmkrebse aufgrund von vererbten Eigenschaften auftreten wobei nur etwa 10% der Dickdarmkrebse die Ursache (Keimbahnmutation) gefunden werden kann Von den erblichen Dickdarm-Tumoren sind die hereditären nicht-polypösen Dickdarm-Karzinome ( HNPCC) die häufigsten (ca. 7%) und am schlechtesten als vererbt erkennbar. Einfacher ist das Erkennen von den erblichen polypösen Dickdarm-Tumoren (1-2%), da bei diesen Patienten der Dickdarm viele Wucherungen der Schleimhaut (Polypen) zeigt. Die Krankheit wird als familiäre Schleimhaut-Polypen-Erkrankung (FAP) bezeichnet. Sind erbliche Dickdarmkarzinome von nicht-vererblichen verschieden? Erbliche wie nicht-erbliche Formen des Darmkrebses entstehen aus einer anfangs gutartigen Wucherung der Darmschleimhaut, einem Polypen. Beim HNPCC treten Polypen zwar nicht häufiger auf als in der Normalbevölkerung, sie entstehen jedoch schneller und entarten leichter als bei Menschen ohne eine entsprechende Veränderung des Erbgutes (innerhalb von 2 Jahren, statt 10 Jahren). Hinweise für das Vorliegen eines HNPCC: Gehäufte Auftreten von Darmkrebserkrankungen in der nahen Verwandtschaft· Junges Erkrankungsalter: Dickdarmkrebs ist eine Erkrankung, die typischerweise gehäuft zwischen dem 55. - 70. Lebensjahr auftritt. In HNPCC-Familien sind Betroffene oft wesentlich jünger, durchschnittlich etwa 40-45 Jahre. Mehrfaches Auftreten eines Dickdarmkrebses: Nicht selten treten bei HNPCC-Patienten zwei oder mehr Dickdarmtumoren an verschiedenen Stellen des Dickdarms gleichzeitig oder zeitlich versetzt auf. Ort der Krebsentstehung: Bei etwa 70% der Patienten mit nicht-erblichem Darmkrebs entsteht der Tumor im linken, unteren Teil des Dickdarms. Bei Patienten mit HNPCC tritt der Darmkrebs jedoch gehäuft im rechten Anteil des Dickdarms auf. Auftreten eines Dickdarm- und Gebärmutterkrebses: Bei weiblichen Betroffenen können im Laufe Ihres Lebens Krebserkrankungen des Dickdarms und der Gebärmutter beobachtet werden. Inselspital Prävention- und Risikosprechstunde ,Klinik und Poliklinik für Medizinische Onkologie/ Brust- und Tumorzentrum der Frauenklinik Dr. med. Manuela Rabaglio, OA Medizinische Onkologie Tel 031 632 16 54, [email protected] 1 Prävention- und Risikosprechstunde Klinik und Poliklinik für Medizinische Onkologie/ Brust- und Tumorzentrum der Frauenklinik Dr. med. Manuela Rabaglio Oberärztin Med. Onkologie Dr. med. Benno Röthlisberger Konsiliararzt Medizinische Genetik für die Beratung von TumorpatientInnen Was bedeutet das Vorliegen einer HNPCC Gen-Mutation? Wird eine Veränderung (Mutation) der Reparatur-Gene, wie sie für HNPCC typisch sind festgestellt, so ist das Risiko dieser Person irgendwan im Leben an einem Dickdarmkrebs zu erkranken etwa 80% (75% bis zum Alter von 65 Jahren). Frauen mit einer HNPCC Gen-Mutation haben zudem ein erheblich erhöhtes Risiko an Gebärmutter (Uterus/Endometrium)-Krebs zu erkranken (30% statt normal 3%) oder an Eierstock (Ovar)-Krebs (5-10% statt normal 1-2%). Auch andere Krebsarten treten gehäuft bei HNPCC Gen-Mutationen auf: Dünndarm-; Magen-; Gallenwegs-; Bauchspeicheldrüsenkrebs und Karzinome der Harnleiter. (FAP-Träger erkranken ohne Massnahmen zu 100% an Dickdarmkrebs) Wie gefährdet sind Kinder / Verwandte von Patienten mit erblichem Darmkrebs? Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Nachkomme diese veränderten Gene erhält, ist 50% (sogenannte autosomal dominante Vererbung). Wie genau kann man feststellen, ob ein erblicher Darmkrebs (HNPCC) vorliegt? Seit wenigen Jahren besteht die Möglichkeit, molekulargenetische Untersuchungen an Tumormaterial durchzuführen, die die Diagnose eines HNPCC erhärten: Diese Untersuchungen beruhen auf Veränderungen der Erbinformation in den Tumorzellen. Sind diese Veränderungen vorhanden, so spricht man auch von einer sogenannten Mikrosatelliteninstabilität, die sich bei etwa 85-95% aller Patienten mit HNPCC nachweisen läßt (bei weniger als 15% der nicht-erblichen Darmkrebse). Für diese Untersuchung ist keine zusätzliche Gewebe- oder Blutentnahme erforderlich und sie kann auch im Nachhinein am konservierten Tumorgewebe untersucht werden. Bei Nachweis einer Mikrosatelliteninstabilität im Tumor und einer Häufung von Krebserkrankungen in Ihrer Familie ist die Diagnose eines HNPCC recht wahrscheinlich. Hat man kein erhöhtes Risiko für Dickdarmkrebs wenn keine Mutation der HNPCC-Gene nachgewiesen werden konnte? Leider kann man heutzutage nicht mit letzter Sicherheit ausschliessen das Mutationen der ReparaturGene vorliegen. Die molekular-genetische Untersuchungen können nur in etwa 70% die zugrunde liegende Mutation erkennen. Somit kann eine HNPCC nicht 100%-tig ausgeschlossen werden, auch wenn keine Mutation gefunden wurde. Findet man jedoch eine eindeutige Veränderung, so können gesunde Angehörige der Familie, die wissen möchten, ob sie ein erhöhtes Risiko für die Entstehung von Darmkrebs haben, ebenfalls auf das Vorliegen dieser Veränderung untersucht werden. Findet sich diese Veränderung nicht, so ist ein HNPCC sicher ausgeschlossen. Welche Konsequenzen hat die Diagnose HNPCC für mich? Die Behandlung eines HNPCC unterscheidet sich im Wesentlichen nicht von der eines nicht-erblichen Darm- oder Gebärmutterkrebses (Chirurgie, Chemotherapie und Bestrahlung je nach Ausdehnung der Tumorerkrankung) Aufgrund der Veranlagung ist aber das Risiko für die erneute Entwicklung eines Darmkrebses und anderer Tumoren erhöht. Daher sollten Sie sich einer engmaschigen Nachsorge unterziehen. Diese beinhaltet neben der allgemeinen Darmkrebsnachsorge eine regelmäßige Darmspiegelung, um einen erneuten Darmkrebs frühzeitig erkennen zu können. Gibt es spezielle Früherkennungsmaßnahmen? Die Krebserkrankungen, die in HNPCC-Familien gehäuft auftreten, sind oft heilbar, wenn man sie rechtzeitig erkennt. Deshalb ist eine regelmäßige Vorsorge bzw. Früherkennung ratsam. Es hat sich ferner bewährt, daß Sie und Ihre Familienangehörigen die Thematik mit dem behandelnden Arzt ausführlich besprechen, um die Erkrankung besser verstehen zu können. Jugendliche sollten sich ab dem 15. - 18. Lebensjahr durch ein Gespräch mit der Problematik vertraut machen. Sollte in Ihrer Familie die Diagnose eines HNPCC gestellt werden, so sollten bei Ihnen und Ihren Familienangehörigen regelmäßige Früherkennungsuntersuchungen durchgeführt werden: Diese umfassen neben einer 1- bis 2-jährlichen Dickdarmspiegelung besonders auch bei Frauen eine jährliche, erweiterte frauenärztliche Vorsorgeuntersuchung. Bei Personen mit nachgewiesener Veränderung des Erbmaterials empfehlen wir eine lebenslange Früherkennungsstrategie. Angehörige bei denen sich diese spezifische Veränderung nicht nachweisen läßt, besitzen kein erhöhtes Darmkrebsrisiko gegenüber der Normalbevölkerung; die allgemein empfohlenen Inselspital Prävention- und Risikosprechstunde ,Klinik und Poliklinik für Medizinische Onkologie/ Brust- und Tumorzentrum der Frauenklinik Dr. med. Manuela Rabaglio, OA Medizinische Onkologie Tel 031 632 16 54, [email protected] 2 Prävention- und Risikosprechstunde Klinik und Poliklinik für Medizinische Onkologie/ Brust- und Tumorzentrum der Frauenklinik Dr. med. Manuela Rabaglio Oberärztin Med. Onkologie Dr. med. Benno Röthlisberger Konsiliararzt Medizinische Genetik für die Beratung von TumorpatientInnen Krebsfrüherkennungsuntersuchungen sollten in regelmäßigen Abständen durchgeführt werden (ärztliche Untersuchung und Hämoccult®-Test jährlich, Darmspiegelung nach individueller Indikation). Eine detaillierte Früherkennungsempfehlung für Sie oder Ihre Familienangehörigen kann Ihnen Ihr behandelnder Arzt (eventuell nach Rücksprache mit uns) erstellen. Wozu dient die Genetische Sprechstunde? Diagnostik eventuell auftretenden Fragen möglichst gerecht zu werden und Ihnen jeweils kompetente Ansprechpartner zu bieten, sind die Untersuchungen in ein interdisziplinäres Beratungskonzept eingebettet. Alle genetischen Untersuchungen muss (laut Gesetz) die betreffende Person zustimmen. Wir bieten deshalb eine vorausgehende genetische Beratung durch. Falls von Ihnen gewünscht, werden wir mit Ihnen auch die Ergebnisse und deren Konsequenzen besprechen. Dabei wird auch erörtert, welche Früherkennungsmaßnahmen für Sie sinnvoll und akzeptabel sind. Die psychischen Auswirkungen einer molekulargenetischen Untersuchung sollten nicht unterschätz werden. Dies gilt insbesondere bei der Diagnostik bei gesunden Familienangehörigen. So kann die Wartezeit bis zum Abschluß der Untersuchung ebenso als belastend empfunden werden wie das Ergebnis der Untersuchung selbst. Das Wissen um die tatsächlich bestehenden Risiken kann jedoch auch dazu genutzt werden, Vorsorge/Früherkennung bis hin zur Lebensplanung sinnvoll darauf abzustimmen. Werden Angehörige/Verwandte beim Vorliegen eines erblichen Dickdarmkrebses automatisch informiert? Alle Angaben, die Sie im Beratungsgespräch gemacht haben, sowie alle Ergebnisse der molekulargenetischen Untersuchung werden gemäß der ärztlichen Schweigepflicht vertraulich behandelt. Informationen werden nur mit Ihrer ausdrücklichen Zustimmung an Dritte weitergegeben. Sie können jederzeit ohne Angabe von Gründen von dem Untersuchungsangebot zurücktreten. Auch nach erfolgter Untersuchung können Sie auf die Mitteilung des Ergebnisses verzichten. Wir möchten Sie jedoch ermutigen, Ihre Familienangehörigen über ein eventuelles vererbares Risiko zu informieren. Diese müssen dann selbst entscheiden, ob und in welchem Rahmen sie sich untersuchen lassen wollen. Dazu können sie sich beim Hausarzt informieren und auf die Möglichkeit einer genetischen Beratung zurückgreifen. Erkrankungsrisiko für Dickdarmkrebs Generelles Risiko in der schweizer Bevölkerung im Laufe des Lebens an einem Dickdarmkrebs zu erkranken 5-6% Ein erst-gradig Verwandter mit Dickdarmkrebs 2-3 fach erhöht Zwei erst-gradig Verwandte mit Dickdarmkrebs 3-4 fach erhöht Ein erst-gradig Verwandter mit Dickdarmkrebs jünger als 50 Jahre 3-4 fach erhöht Ein zweit/dritt-gradig Verwandter mit Dickdarmkrebs ~1.5 fach erhöht Zwei zweit-gradig Verwandte mit Dickdarmkrebs ~2-3fach erhöht Ein erst-gradig Verwandter mit einem gutartigen Polyp 1.-gradig: Eltern, Geschwister, Kinder 2.-gradig: Grosseltern, Tanten, Onkel 3.-gradig: Ur-Grosseltern, Cousinen ~2fach erhöht Inselspital Prävention- und Risikosprechstunde ,Klinik und Poliklinik für Medizinische Onkologie/ Brust- und Tumorzentrum der Frauenklinik Dr. med. Manuela Rabaglio, OA Medizinische Onkologie Tel 031 632 16 54, [email protected] 3