Hilberts 3. Problem: Zerlegung von Polyedern

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Veronika Kreuzer
17. Januar 2015
Hilberts 3. Problem: Zerlegung von Polyedern
David Hilbert (1862 - 1943)
• bedeutender dt. Mathematiker, wirkte in Königsberg und Göttingen
• Forschungsgebiete: Algebraische Geometrie, Zahlentheorie, Geometrie,
Logik, Grundlagen der Mathematik, Analysis und Mathematische Physik
• Hilbert reichte vor Einstein eine Arbeit zur allgemeinen Relativitätstheorie
ein, die zu dessen Theorie äquivalent war. Seine Arbeit erschien jedoch erst
nach der einsteinschen Arbeit.
• 1900 hielt er einen legendären Vortrag vor dem Internationalen Mathematikerkongress und stellte 23 damals ungelöste Probleme aus verschiedensten Teilgebieten der Mathematik. Gegenwärtig gelten 15 der Probleme
als gelöst, 3 als ungelöst und 5 als prinzipiell unlösbar
Das Problem
Hilbert formulierte das Problem wie folgt:
Zwei Tetraeder mit gleicher Grundfläche und von gleicher Höhe anzugeben, die
”
sich auf keine Weise in kongruente Tetraeder zerlegen lassen und die sich auch
durch Hinzufügung kongruenter Tetraeder nicht zu solchen Polyedern ergänzen
lassen, für die ihrerseits eine Zerlegung in kongruente Tetraeder möglich ist.“
Das Problem lässt sich auf Gauß zurückverfolgen. Mit diesem Satz würde auf elementare Weise die Volumengleichheit von Pyramiden mit gleicher Grundfläche
und gleicher Höhe folgen. Somit hätte man eine sehr elementare Definition des
Volumens von Polyedern. Hilberts Schüler Max Dehn lieferte 1900 und 1902 in
zwei Arbeiten den Beweis.
Die Beweisidee
Definition. Zwei Polyeder P und Q heißen zerlegungsgleich, wenn man sie
in endliche Mengen von Polyedern P1 , . . . , Pn und Q1 , . . . , Qn zerlegen kann,
so dass Pi und Qi für jedes i (1 ≤ i ≤ n) kongruent sind. P und Q heißen
ergänzungsgleich, wenn es zerlegungsgleiche Polyeder mit Zerlegungen der Form
P̃ = P ∪ R1 ∪ · · · ∪ Rm und Q̃ = Q ∪ S1 ∪ · · · ∪ Sm gibt, wobei Rk und Sk für
alle k kongruent sind.
Das Perlen-Lemma. Seien P und Q zerlegungsgleich. Dann kann man die
Kantenabschnitte in den Zerlegungen P = P1 ∪· · ·∪Pn und Q = Q1 ∪· · ·∪Qn so
mit einer positiven Anzahl an Perlen belegen, dass jede Kante eines Bruchstücks
Pk dieselbe Anzahl an Perlen enthält wie die entsprechende Kante von Qk .
Der Beweis stellt aus den Bedingungen für die Anzahl an Perlen auf den Kanten von Pk und Qk ein homogenes lineares Gleichungssystem mit ganzzahligen
Keoffizienten her, das die Kantenabschnitte betrifft. Für dieses nehmen wir die
positiven reellen Längen der Kantenabschnitte, die das Gleichungssystem lösen.
Nach Anwendung des folgenden Lemmas ist damit das Perlen-Lemma gezeigt.
Das Kegel-Lemma. Wenn ein System von homogenen linearen Gleichungen
mit ganzzahligen Koeffizienten eine positive reelle Lösung hat, dann hat es auch
eine positive ganzzahlige Lösung.
Proseminar Beweise aus dem Buch“
”
Veronika Kreuzer
17. Januar 2015
Der Beweis geht über die Hilfsaussage, dass jedes System der Form Ax ≥ b mit
x ≥ 1 mit ganzzahligen A und b eine lexikographisch kleinste Lösung hat, die
rational ist, wenn das System überhaupt eine reelle Lösung hat. Dies wird durch
vollständige Induktion bewiesen. Aus der Lösung mit rationalen Koordinaten
erhält man dann durch Multiplikation mit dem kleinsten gemeinsamen Nenner
eine Lösung mit ganzzahligen Koordinaten.
Definition. Die Winkel zwischen benachbarten Seitenflächen eines Polyeders
heißen Diederwinkel.
Satz. ( Bricardsche Bedingung“) Wenn zwei 3-dimensionale Polyeder P ,
”
Q mit Diederwinkeln α1 , ..., αr bzw. β1 , ..., βs zerlegungsgleich oder auch nur
ergänzungsgleich sind, dann gibt es positive ganze Zahlen mi , nj und eine ganze
Zahl k mit
m1 α1 + ... + mr αr = n1 β1 + ... + ns βs + kπ
Der Beweis teilt sich in zwei Fälle. Angenommen, P und Q sind zerlegungsgleich. Wir weisen jedem Kantenabschnitt der Zerlegungen nach dem PerlenLemma eine positive Anzahl von Perlen zu. Dann erhalten wir für die Summe
Σ1 aller Diederwinkel an Perlen auf Kanten von Bruchstücken in der Zerlegung
von P eine Darstellung Σ1 = m1 α1 + ... + mr αr + k1 π. Analog erhalten wir bei
der Zerlegung von Q den Ausdruck Σ2 = n1 β1 + ... + ns βs + k2 π. Dabei sind alle
mj und nj positive ganze Zahlen und k1 , k2 nichtnegativ. Aus der Kongruenz
der einzelnen Teile der Zerlegung erhalten wir mit dem Perlen-Lemma Σ1 = Σ2 .
Damit ist die Bricardsche Bedingung in diesem Fall bewiesen.
Nehmen wir an, P und Q sind nur ergängzungsgleich. Wir erhalten aus der
Definition von ergänzungsgleich die Zerlegungen (I) P̃ = P ∪ R1 ∪ · · · ∪ Rm
und Q̃ = Q ∪ S1 ∪ · · · ∪ Sm . P̃ und Q̃ sind auch zerlegungsgleich, also erhalten
wir Zerlegungen (II) in P̃1 , . . . , P̃n und Q̃1 , . . . , Q̃n mit P̃i und Q̃i kongruent für
jedes i. Aus (II) folgt analog zu oben Σ1,(II) = Σ2,(II) . Da Σ1,(I) und Σ1,(II)
Zerlegungen desselben Polyeders sind, folgt Σ1,(I) = Σ1,(II) + l1 π für ein l1 ∈ Z.
Analog gilt Σ2,(I) = Σ2,(II) + l2 π für ein l2 ∈ Z. Daraus folgt die Bricardsche
Bedingung.
Konkrete Beispiele zum endgültigen Beweis:
1) Ein reguläres Tetraeder ist nicht zerlegungs- oder ergänzungsgleich zu einem Würfel, da es Diederwinkel α = arccos 31 hat, was irrational ist. Deshalb kann die Bricardsche Bedingung nicht erfüllt sein.
2) Auch ein Tetraeder, das durch 3 orthogonale Kanten AB, AC und AD
gleicher Länge aufgespannt wird, kann nach der Bricarschen Bedingung
nicht zerlegungsgleich zu einem Würfel desselben Volumens sein. Denn
die Diederwinkel sind π, π2 und arccos √13 .
3) Ein Tetraeder, das durch 3 aufeinander folgende orthogonale Kanten gleicher Länge gebildet wird, ist nach der Bricardschen Bedinung weder zerlegungs- noch ergänzungsgleich zu den eben genannten Tetraedern, hat
aber die selbe Höhe und kongruente Basis mit dem zweiten genannten
Tetraeder. Damit ist Hilberts drittes Problem gelöst.
Proseminar Beweise aus dem Buch“
”
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