9783938807866_Leseprobe_neu

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Vom Netzwerk der Elektronen
Warum bestimmte Elemente besonders heftig miteiander reagieren
Das Spiel der Natur im Aufbau der Elektronenschalen wird mit jeder größeren Schale komplizierter und für den Lernenden ziemlich verwirrend. Dem langen Weg dargestellter Einzelheiten soll hier nicht mehr nachgegangen werden. Hier kann uns aber ein vereinfachendes Modell
helfen. Wir wollen das filigrane System der möglichen Elektronenbahnen eines Atoms
zunächst mit einem etwas ungewohnt organisierten Platzsystem eines Opernhauses vergleichen.
Wichtig bleibt, dass man sich diese Plätze ja nicht als feste Orte oder Bahnen, sondern eher als
kugelförmige oder auch hantelförmige Oberflächen um den Atomkern vorstellen kann.
Jedes dieser kugel- oder hantelförmigen Gebilde, auch Orbits genannt 1), kann nach einem
Prinzip von Wolfgang Pauli (1900 - 1958) genau je 2 Elektronen aufnehmen.
4p
32
34
31
35
33
36
N-Schale
Hauptgruppen
4 s 25
19
22
26
30
20
23
27
n
Nebe
21
grupp
28
en
24
29
3d
3p
13
14
16
17
15
18
Hauptgruppen
3s
5
8
2p
11
12
6
9
Hauptgruppen
M-Schale
7
10
L-Schale
3
2s
1s
1
4
Ein Doppelsitz
kennzeichnet
einen Orbit
2
K -Schale
"Atomkern -Bühne"
1) hilfsweise analog zum Planetenmodell
- 55 -
Vom Netzwerk der Elektronen
Warum bestimmte Elemente besonders heftig miteiander reagieren
Weil sein Ausschließungsprinzip, formuliert 1924 1), den Aufenthalt von zwei oder mehr
Elektronen mit gleichen Bahnmerkmalen auf einem gemeinsamen Orbit verbietet, bleibt hier
nur noch der sogenannte Elektronenspin (Eigenrotation rechts oder - links) als Unterscheidungsmerkmal. Also passen nur 2 Elektronen auf einen Orbit.
Für uns wird es einfacher, wenn wir uns diese Orbits nun als Plätze mit je 2 Sesseln in unserem “Atom- Theater” vorstellen. Damit man sich zurecht findet, werden “Plätze” und Platzreihen bezeichnet. Die Ordnungszahlen der Elemente bezeichnen die für die Elektronen
reservierten, günstigsten Plätze. 2) Die Schalen des Atoms, man könnte sie mit den Rängen
eines Theaters vergleichen, werden seit langem schon mit den großen Buchstaben K, L,
Schale Hauptgruppen Nebengruppen
M, N, und O ... bezeichnet. Die Zahl der
K
1
1
Orbits, die zu einer Schale gehören wächst
entsprechend ihrer Größe auf das Quadrat der
L
1+3
4
Schalennummer. 3)
M
1+3+ 5
In der Anordnung der “Sitze” erkennt man
N
1+3+ 5+7
16
dies am gestuften Aufbau jeder Schale. Die
4)
O
25
1+3+ 5+7 +
für die Elektronen reservierten “Plätze” werP
1+3+ 5
den der Ordnungszahl des Elements entsprechend von Platz 1 beginnend besetzt. Wenn
Q
1+3
alle “Plätze” der Orbitale einer Schale mit je 2
Orbitals p
d f
5)
Elektronen eingenommen sind, entsteht eine
typ
abgeschlossene Edelgasschale, die dann nicht
mehr chemisch aktiv wirkt (Oktettregel).
Um die Elektronenkonfiguration eines bestimmten Elementes darzustellen, braucht man nur
eine seiner Ordnungszahl entsprechende Anzahl von kleinen Spielmarken “als Elektronen”
bereitzuhalten und der Zahlenfolge entsprechend zu legen. Die Wertigkeiten dieses Elements
(seine Valenzen: d.h. Plätze, die aufnehmen oder abgeben können) sind dann zum Beispiel
recht gut zu erkennen. Nur der noch nicht voll besetzte Rang (die nicht voll besetzte Schale)
ist chemisch aktiv, versucht bei jeder Gelegenheit eine günstigere Verteilung zu erreichen.
Kalium (19) und Calcium (20) zeigen außerdem eine Besonderheit in der Form von vorläufigen “Plätzen”: Zunächst wird wie in den Perioden vorher der s-Orbit der nächsthöheren
N-Schale bevorzugt, dann geht es in der Nebengruppe (M-Schale) weiter. Ist diese fast halb
voll, rückt ein Elektron aus der N-Schale in die darunterliegende Nebengruppe nach.
Mit Nr. 25 wird die frei gewordene Stelle wieder neu besetzt. Dies Spiel wiederholt sich noch
einmal mit den Elementen der Ordnungszahlen 29 und 30. Der Wechsel zu den darüber liegenden Schalen wird dann noch komplizierter.
Insgesamt lässt die Ordnung der chemischen Elemente merkwürdige “Landschaften”
erkennen, wenn die bestimmten chemischen Merkmale der Elemente verglichen werden.
1) hierfür erhielt er 1945 den Nobelpreis für Physik.
2) Wir erinnern uns, dass ein Elektron bei passender Energiezufuhr auf einen höheren noch freien Platz
springen kann und dann bei Gelegenheit wieder zurückkommt.
3) L-Schale: 1 Orbit,
K-Schale: 4 Orbits; M-Schale: 9 Orbits .... usw.
4) ab hier werden die Atome instabil
5) die s-Orbitale der sind kugelförmig, die p-, d-, f-Orbitale sind hantelförmig und steigend komplexer
verteilt.
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Vom Netzwerk der Elektronen
Warum bestimmte Elemente besonders heftig miteiander reagieren
Sie zeigt die steigende Treppe der atomaren Massen oder die Unterschiede in den Dichten der
Elemente, die Verteilung ihrer Valenzen, der Metall- oder Nichtmetalleigenschaften, oder die
Reaktionsfähigkeit... usw. 1) Das System der Elemente kann man als auch als ein Wunderland
mit vielen Geheimnissen betrachten, aus dem die Natur und insbesondere für alles Lebendige
eine unendliche Zahl von verschiedenen Stoffen oder unterschiedlichste Prozesse hervorruft.
Aber schon jedes einzelne Atom eines bestimmten Elements erscheint hier in dem Aufbau seines Orbitsystems als ein verwirrendes aber strengen Regeln gehorchendes System. Wenn man
genauer über all diese Zusammenhänge nachdenkt, können sich zwei Fragen stellen:
y Welche gedanklichen Voraussetzungen ermöglichten dem großen Team von Wissenschaftlern über viele Generationen hinweg, so etwas wie ein unsichtbares Atom anzunehmen, zu
berechnen und zu beschreiben - wenn auch in modellhaften Bildern - und dadurch das verborgene Ordnungsprinzip der chemischen Elemente zu entdecken?
y
Wie konnte eine von solchen geheimnisvollen Regelmäßigkeiten bestimmte Reihe von Elementen überhaupt entstehen?
Fast jeder Chemieraum ist mit einer großen, beeindruckenden und für viele doch rätselhafte
Karte des “Periodensystems der chemischen Elemente” bestückt. Vielleicht sind wir hier einigen Geheimnissen der chemischen Grundstoffe aber doch auf die Spur gekommen. Vor allem
können wir gut nachvollziehen, wie die jeweils aktive Schale eines Elements mit ihrer mehr
oder weniger komplexen Struktur freie “Plätze für Elektronen” anbietet, oder Eletronen
abgibt.. Beim Wasserstoff und Helium bleibt das Verhalten bezüglich der Möglichkeiten Bindungen einzugehen recht simpel und gut erklärbar. 2) In der 2. Periode erscheinen diese Möglichkeiten noch einigermaßen überschaubar und auch räumlich darstellbar.
Von der 3. Periode fortschreitend werden diese dann immer komplexer und weniger anschaulich nachvollziehbar. Für unser Vorhaben soll es genügen, hier einen ersten Blick in das nur
schwer vorstellbare, komplexe Spiel der Elektronenhüllen der elementaren Bausteine geworfen zu haben. Dabei dürfen wir außerdem nicht vergessen, dass es sich bei der Beschreibung
der chemisch aktiven Elektronenorbitale der Atome nur um bildhafte Modellkonstrukte handelt. Diese stellen das Verhalten der Elemente zwar erklärbar dar, sagen aber nichts über
deren atomare Wirklichkeit aus. Vielleicht erhalten wir aber trotzdem staunend eine Ahnung
von dem Feld der fast grenzenlosen Möglichkeiten verschiedenster Reaktionen, die sich aus
dem Aufbauprinzip der Reihe der Elemente ergeben.
Wir sollten uns auch noch einmal bewusst vorstellen, wie weit man sich nun am Beginn des
20. Jahrhunderts von der Beobachtung der Natur ohne jede Hilfsmittel entfernt hatte. Das
Augenscheinliche war nun weitgehend ersetzt durch genaues Messen und Berechnen. So ist es
auch kaum mehr verwunderlich, dass die einfachsten Elemente im Periodensystem, der Wasserstoff und das Helium erst im 18. Jahrhundert bzw. im 19. Jahrhundert entdeckt wurden.
1) P.W. Atkins, Im Reich der Elemente - Ein Reiseführer zu den Bausteinen der Natur, Heidelberg 2000;
eine lesenswerte, fantasievolle Darstellung des Periodensystems ISBN 3-8274-1014-2
2) Wasserstoff erscheint als sehr reaktionsfreudiges Gas mit der Neigung Elektronen an geeignete Partner
abzugeben. Mit Chlor oder Sauerstoff gemischt ergibt sich hochexplosives Knallgas. Helium dagegen ist
das leichteste (geringste Dichte) Sicherheitsgas, das wir kennen; z.B. für Ballons oder Luftschiffe.
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Vom Netzwerk der Elektronen
Helium
Wasserstoff
Warum bestimmte Elemente besonders heftig miteiander reagieren
1766
1898
Lithium
Beryllium
Bor
Kohlenstoff
Stickstoff
Sauerstoff
Fluor
Neon
Jahreszahl der Entdeckung
1818
1828
1808
lange
bekannt,
Diamant
1799
1772
1772
1886
1898
Das Aufspüren der Edelgase,
eher eine rechnerische und technische Meisterleistung, an deren
Verhalten erst ein schlüssiges
Verständnis
der
bindenden
Kräfte in den Molekülen entwickelt werden konnte, fiel dann
schon in die Zeit der ersten
Nobelpreise.
Auch wenn die großen Lehrtafeln vom “Periodensystem der
Elemente”, viel verborgenes
Wissen ausstrahlen und oft alt und ehrwürdig aussehen, sind sie doch naturwissenschaftlich
recht jung. Es waren eben besonders viele Erkenntnisschritte und technische Voraussetzungen notwendig, gerade die einfachsten chemischen Elemente zu erkennen. Dagegen waren die
Betrachtungen der antiken Philosophen der Naturwissenschaft auf unmittelbare Anschauung
und auf die Suche nach Analogien aus ihrem Vorstellungsbereich angewiesen.
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts hatte sich nun aus den Arbeiten der Naturwissenschaftler ein
völlig neues System der Elemente etabliert. Auch an dieser Stelle lohnt es sich durchaus noch
einmal die beiden Systeme zu vergleichen.
y
Einerseits der umgreifende Kosmos des antiken Systems der vier bzw. fünf Elemente im
ewigen Kreislauf, der nur im Bannkreis der Erde Werden und Vergehen kennt.
y
Andererseits eine systematische Folge kleinster, unsichtbarer atomarer Bausteine in strenger Ordnung, deren Aufbauprinzip einen Entstehungsprozess nahelegt.
Beiden Gesichtspunkten wird in den nächsten Kapiteln nachzuspüren sein.
- 58 -
7 Die Elemente des Lebens
Wieder müssen wir mit Fragen beginnen, die schon in der Antike in Griechenland gestellt wurden. Gab es einen Anfang für die Welt, in der wir leben? - Gab es für die Substanzen, die man
damals die Elemente nannte, einen Anfang in der Zeit?
In der zweiten Frage waren sich die meisten griechischen Philosophen ziemlich sicher, diesen
das Merkmal der Zeitlosigkeit zusprechen zu müssen. Als sichtbares Zeichen für den ewigen
Bestand der Elemente galt ihnen der Himmel, während alles, was auf der Erde jeweils
geschieht mit Werden und Vergehen zu tun hatte.
Erst seit 1922 gewann man die ersten naturwissenschaftlichen Anzeichen für einen abschätzbaren Zeitpunkt für die im Weltall enthaltene Materie, von dem aus sie sich entwickelt haben
könnte. Mit dem Nachweis der so genannten Hintergrundstrahlung im Jahre 1965 bekam die
aus diesen Anzeichen entwickelte Hypothese vom Urknall ihre entscheidende Stütze. Demnach müsste alle Materie, ob lebende oder nicht lebende, ob auf unserer Erde, im System der
Sonne oder in fernen Sternwelten, einmal ununterscheidbar aus einem einzigen Zustand hervorgegangen sein. Das Alter aller Materie unseres Weltalls wird nach dem bisherigen Stand
des Wissens und mehrerer Berechnungen auf etwa 15 Milliarden Jahre geschätzt.
Ein Buchtitel Hoimar v. Ditfurths kennzeichnet den Ausgangspunkt für die Bildung der Reihe
der chemischen Elemente: “Im Anfang war der Wasserstoff”.1) Das klingt ziemlich plausibel:
Wasserstoffatome, vereinigt aus je einem Proton und einem Elektron, könnten aus dem sich
langsam abkühlenden unvorstellbar heißen Plasma des Urknalls bei mehr als 4000 Grad Kelvin
zu neutralen Materieteilchen herauskondensiert sein.2) Wasserstoff wäre dann die “Keimzelle”
all der anderen Elemente.
Aus den Untersuchungen des Lichtes der Sterne konnte man ermitteln, in welcher Häufigkeit
die verschiedenen chemischen Elemente im Weltall vertreten sind. Die Ergebnisse sprechen
eine deutliche Sprache. 99,9% der gesamten Materie des Weltalls bestehen aus Wasserstoff
und Helium. Alle anderen Elemente sind in dem restlichen Anteil von 0,1% der Materie des
Weltraums enthalten.
Die Frage, aus welcher Quelle die Sonne ihren ungeheuren Energievorrat bezieht, erbrachte Erkenntnisse über Kernreaktionen, die Wasserstoffkerne zu
Helium verschmelzen .
Ein folgenschwerer Beweis für diese Erkenntnis war
die Fähigkeit der Menschen, 1955 das atomare
Feuer der Wasserstoffbombe für wenige Sekunden
zu entzünden; jenes “atomare Feuer”, das uns aus
sicherem Abstand die tägliche Lebensenergie liefert.
Dieses atomare Wasserstoffbrennen, das die unzähligen Fixsterne des Himmels zu Lichtern macht,
erzeugt als “Abfall” Helium. 3)
Verteilung der Elemente im Weltall
(in % der Gesamtanzahl der Atome)
100
90
80
70
60
50
40
30
20
10
0
Wasserstoff
Helium
andere Elemente
(minimal)
1) H. v. Ditfurth, Im Anfang war der Wasserstoff, Hamburg 1972; ISBN 3-426-03395-X
2) auf die vorausgehenden, hochenergetischen Phasen der Zerstrahlung von Materie und Antimaterie und
des heißeren Plasmas aus Elementarteilchen soll hier nicht eingegangen werden.
3) Die Energiegewinnung aus diesem Vorgang konnte mit technischen Mitteln bis heute nicht gezähmt
werden.
- 59 -
Die Elemente des Lebens
Nur einige der chemischen Elemente eignen sich als Lebensbausteine
Da die Energie erzeugenden Kernreaktionen der Sonne zur Zeit lediglich Helium hervorbringen, ergibt sich nun dringend die Frage:
Wie sind die chemischen Elemente, die dem Wasserstoff und dem Helium folgen, entstanden?
Für die naheliegende Schlussfolgerung, dass alle Elemente mit einer größeren Atommasse als
Wasserstoff und Helium aus diesen Schritt für Schritt entstanden sein müssten, so wie es das
Aufbauprinzip des Periodensystems zeigt, wurden weitere Untersuchungen notwendig. Es
kamen nur solche Kernreaktionen in Frage, die ausschließlich unter den ganz besonderen
Bedingungen bei unvorstellbar hohen Temperaturen von mehreren Millionen Grad im Inneren
von Sternen ablaufen können.
Bei Hochenergieexperimenten der Atomphysik konnten die Kernprozesse, die im heißen Inneren der Sterne verschiedener Größen 1) ablaufen, untersucht
werden.
Man fand: Jeder Stern hat je nach Größe seine typiWer wird mit den Jahren zu einem
Roten Riesen?
sche Lebensgeschichte. Erst am Ende eines “Sternenlebens”,
In ungefähr fünf Milliarden Jahren wird
wenn aller Wasserstoff verbraucht ist, beginnt er als “Roter
auch die Sonne sich zu einem Roten
Riese” das so genannte “Heliumbrennen” und die darauf aufRiesen entwickelt und dabei den Mars,
den Merkur und die Venus in sich aufgebauenden Kernprozesse, die die folgenden, schwereren atonommen haben. Die Erde wird dann
maren Bausteine bis zum Eisen 2) erzeugen. Ein vor weit
infolge der Hitze völlig unbewohnbar
mehr
als 5 Milliarden Jahren abgestorbener Stern muss die
sein.
(c) Bibliographisches Institut & F. A. Brockhaus AG, 2001
Materiewolke, aus der unser Sonnensystem sich bildete, in
Erst dann wird sie auch die aus dem
den Weltenraum hinausgeschleudert haben. Dagegen hat die
Wasserstoff und dem Helium hervorgeSonne erst die Hälfte ihres Wasserstoffvorrates aufgezehrt
henden Elemente erzeugen können.
und wird die schwereren Elemente erst als “Roter Riese”
erzeugen (s.o.).
Die Reihe der auf der Erde vorhandenen elementaren Atombausteine, vor allem die uns
zugänglichen der Erdkruste und der
Atmosphäre, verdanken wir also
dem Erbe eines oder mehrerer
längst vergangener Sterne, dem
kosmischen Staub des Sonnensystems. Noch heute sammelt die Erde
auf ihrer Bahn um die Sonne Materie aus dem Kosmos ein, z. B. in der
Form verglühender Meteoriten.
Vergleicht man in der Grafik
“Anteil der Elemente 1” 3) Weltall
und Erdkruste, bemerkt man eine
deutliche Verschiebung der Häufigkeiten zu massereicheren Elementen.
1) Größere, massenreichere Sterne als die Sonne, die gegen “Ende ihres Lebens” vor allem Sauerstoff und
Kohlenstoff erzeugen, haben eine kürzere Lebenszeit, die Prozesse sind schneller und umfangreicher.
2) Die dem Eisen folgenden Elemente können nur in starker radioaktive Strahlung entstehen, weil diese
Kernprozesse keine Energie mehr liefern, sondern Energie aufzehren.
3) Die Buchstaben der Grafik bezeichnen die Elemente mit den gebräulichen Symbolen
- 60 -
Die Elemente des Lebens
Nur einige der chemischen Elemente eignen sich als Lebensbausteine
Das Element Eisen zeigt für die gesamte Erdkugel zum Beispiel besonders markante Werte.
Die Erdkruste enthält nur ungefähr 1,9% Eisen, die gesamte Erde aber etwa 19% Eisen. Die
Schwerkraft der Erde hat für diese primäre Differenzierung der Elemente gesorgt: Je größer
die Dichtewerte der Elemente, desto größer ihr Streben zum Erdmittelpunkt, dem Kern der
Erde. Die geringen Massenwerte von Wasserstoff und Helium verursachten ihr Entfliehen. 1)
Ein weiterer Prozess sorgte vor allem an der Oberfläche der Erde, wo Beweglichkeit einen
intensiven Materieaustausch ermöglichte, für eine sekundäre Differenzierung der Elemente.
Verantwortlich hierfür war die fast unendliche Zahl chemischer Reaktionsmöglichkeiten, mit
der die Elemente in den verschiedensten Gasen, im Wasser oder in Mineralen gebunden wurden. Die Grafik “Anteile der Elemente (2)” zeigt dies für die Erdkruste beim Sauerstoff und
Silizium, deren Verbindung im Gestein
und Sand enthalten ist. Der intensive
Stoffwechsel an der Erdoberfläche, bei
dem das Wasser wohl die wichtigste
Rolle spielt, bewirkte ein besonders vielfarbiges Bild für die Häufigkeit und Verteilung der Elemente in der Erdkruste.
Die Atmosphäre selbst schließlich kann
ihren merkwürdig hohen Gehalt an elementarem Sauerstoff nur einem besonderen und im Sonnensystem einmaligen
Vorgang verdanken: Der Evolution des
Lebens. Hierauf ist noch besonders einzugehen. 2)
Die Frage nach dem Werden des Lebens
hat die Menschen schon lange beschäftigt. Man glaubte lange einen strikten Trennungsstrich
zwischen der toten Materie und den Stoffen des Lebens ziehen zu müssen, als gäbe es eine
Art Lebenssubstanz. Die Trennung der Fächer Organische - und Anorganische Chemie geht
noch auf solche Vorstellungen zurück, wie sie vor allem auch im Vitalismus 3) vertreten wurde. Die Synthese von Harnstoff aus anorganischen Substanzen durch Friedrich Wöhler (1800
- 1882) öffnete zwar erste Türen, konnte aber diese fundamentale Trennung nicht aufweichen.
Lebende Materie enthielt im Gegensatz zur unbelebten Natur offenbar das Bestreben, wenn
nicht gar Kräfte, eine innere besondere Ordnung zu entwickeln und genau diese geordnete
Materie durch Vermehrung zu erzeugen. Aus der Sicht der Naturwissenschaft und der damals
bekannten Gesetze musste dies ausgesprochen rätselhaft erscheinen. 4)
Untersuchungen an lebender Materie führte die Wissenschaft zu neuen Fragestellungen. Welche chemischen Elemente wählte sich das auf der Erde entstehende Leben aus dem System der
Elemente sozusagen als “Bioelemente” aus?
y Ließ sich diese Auswahl mit den besonderen Eigenschaften der jeweiligen Gruppe oder
Periode erklären?
1) Nur die Schwerkraft der riesigen Gasplaneten wie Jupiter und Saturn kann Wasserstoff und Helium in
ihren Bannkreisen halten
2) vergl. dann S. 86
3) Unterstellt eine Art Lebenssubstanz (Lebensodem)
4) z.B. verstößt dies Bestreben gegen den Hauptsatz der Thermodynamik, der in der physikalischen Welt eine
ständige Abnahme geordneter Zustände (z.B. warm - kalt) beschreibt. Dadurch muss zwangsläufig auch
die verfügbare Energie ständig abnehmen (Entropiegesetz).
- 61 -
Die Elemente des Lebens
Nur einige der chemischen Elemente eignen sich als Lebensbausteine
y In welcher Häufigkeit wurden diese Bioelemente verwendet?
Das Periodensystem, vorher eher ein bedeutsames Werkzeug für die anorganische Chemie,
bekam auch für die Biochemie einen höheren Stellenwert.
H
He
63
Li
Be
B
Na Mg
Ca
Cu Zn Ga
Ge
As
Se
Zr Nb Mo Tc Ru Rh Pd Ag Cd
In
Sn
Sb
Te
Hf
Ta
W
Tl
Pb
Bi
Po
Fr Ra Ac Th
Pa
U
Re Os
Ir
Ni
S
Pt
Au Hg
F
Cl
0,22 0,05 0,03
Y
Cs Ba
Co
P
Si
Ti
Rb Sr
Cr Mn Fe
O
25,5
Sc
0,06 0,31
V
N
1,4
Al
0,03 0,01
K
C
9,5
Ne
Ar
Br Kr
I
Xe
At Rn
Periodensystem des Lebens 1)
(Atomzahlanteile innerhalb lebender Körper in % ; Spurenelemente ohne %-Werte)
Unverkennbar zeigt sich die hohe Bedeutung des Wassers für die Stoffe des Lebens. Dass
Leben nur im Wasser entstehen konnte, dass deshalb auch alle Landlebewesen noch zu etwa
60 bis 70% ihrer Masse Wasser mit sich tragen müssen, wird aus diesem Periodensystem des
Lebens sofort deutlich. In
der Schule lernen wir Wasser
eher als eine einfache Flüssigkeit kennen. Weit gefehlt!
Wasser hat viele merkwürdige und außergewöhnliche
Eigenschaften 2), wenn man
es mit anderen Flüssigkeiten
vergleicht. Hier braucht man
auch nur an die lösenden und
Schaum und Membran bildenden Fähigkeiten des Wassers denken, um noch
weitere Merkmale zu finden.
Alle diese Eigenschaften
befähigen es in besonderem
Maße zum Medium des
Lebens.
1) Erarbeitet anhand G. Löffler - P. Petriedes, Physiologische Chemie, Berlin 1979, S. 29 f
2) z.B. Eis schwimmt: festes Wasser ist weniger dicht als die Flüssigkeit. So kann ein See auch in langen
Kälteperioden nicht vollständig zu Eis werden. Lebensraum bleibt erhalten. Es gibt keine Flüssigkeit mit
so hoher spezifischer Wärme. Wasser ist ein einmalig guter Wärmespeicher
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Die Elemente des Lebens
Nur einige der chemischen Elemente eignen sich als Lebensbausteine
In viel kleineren Anteilen folgen erst als besonders unverzichtbare Bausteine Kohlenstoff und
Stickstoff. Die organische Chemie kennt Kohlenstoff als den wichtigsten organischen Baustein
wegen seiner Fähigkeit, lange oder auch geschlossene Molekülketten zu bilden. Wenn
Substanzen des Lebens z.B. durch Feuer oder auf einer Herdplatte zu stark erhitzt werden,
verkohlen sie unter Abgabe des Wassers. So bedeutet zu große Hitze und Feuer,
Lebensgefahr! Entsprechend erkennt man in der nebenstehenden Grafik den erhöhten Kohlenstoffanteil in der Materie des Lebens im Vergleich zum Meerwasser. Er musste also entsprechend anreichernd aufgesammelt werden. Auch Stickstoff, der ja als wichtigster Baustein für
den Aufbau von Eiweiß notwendig ist, zeigt einen noch erkennbar höheren Anteil, wenn man
sehr genau hinschaut.
Wenn man die Anteile der Elemente vom Natrium bis zum Calcium vergleicht, jeweils im
Meerwasser bzw. in der Materie des Lebens, müssen wir die Anteile schon stark vergrößert
darstellen. Man sieht dann sofort, welche Elemente im Wasser im Überfluss vorhanden waren
und in ihrer Konzentration wesentlich herabzusetzen waren, welche im Gegenteil notwendig
angereichert werden mussten. Das galt in besonderem Maße für Phosphor und Calcium.
Insgesamt könnte man hier von
einer tertiären, dritten Differenzierung der Elemente durch das
Leben in der Biosphäre sprechen.
Hierbei bilden sich jedoch im
Gegensatz zur unbelebten Materie merkwürdigerweise Verbindungen mit höherem Energieinhalt. Dies ist im ganzen Sonnensystem ein einmaliger und
besonderer Vorgang in der Oberfläche eines Planeten, der den
ständigen Zustrom von Sonnenenergie in der passenden Dosierung voraussetzt und so eine
Biosphäre ausbildete.
Aus der Übersicht der Elemente
des Lebens lässt sich auch sofort die Bevorzugung der leichteren Elemente herauslesen. Dies
begründet sich offensichtlich zunächst aus dem Vorgang der primären Differenzierung, denn
die Stoffe mit den geringeren Teilchenmassen blieben ja in der Überzahl an der Erdoberfläche
und waren dort deshalb reichlicher vorhanden.1) Vermutlich verleiht die geringere Komplexität
in ihren äußeren Elektronenschalen diesen Elementen günstigere und ausgeprägtere Eigenschaften als “Biobausteine”. Dies lässt sich besonders beispielhaft in der Gruppe IV im Vergleich zwischen Silicium und Kohlenstoff ergründen. Silicium, das 2. Element aus dieser
chemischen Gruppe, und immerhin in der Erdkruste reichlich vorhanden, erscheint hier ungeeignet als Grundbaustein. Im Wasser und in der Erdkruste ist Kohlenstoff dagegen kaum vertreten, wird aber in der Materie des Lebens dringend als Grundbaustein für Kettenmoleküle
gebraucht. 2) Entscheidend hierfür ist wohl ein besonderes Wesensmerkmal der Elemente aus
der 2. Periode. 3)
1) vergl.. S. 61
2) So sind die Kohle- und Erdöllager vor etwa 300 Millionen Jahren aus lebender Materie entstanden und
enthalten deshalb nutzbare Energie (tertiäre Differenzierung).
3) vergl. dann S. 68
- 63 -
Die Elemente des Lebens
Nur einige der chemischen Elemente eignen sich als Lebensbausteine
Als die Entwicklung des Lebens auf der Erde vor etwa 4 Milliarden Jahren begann, muss den
Anzeichen nach ein wesentlich höherer Kohlendioxidgehalt der Erdatmosphäre (ca. 30%)
bestanden haben.1) Aus dieser sehr stabilen Verbindung möglicherweise auch aus vorhandenem Methan musste der Kohlenstoff als Lebensbaustein gewonnen worden sein.
In dem Buch für Medizinstudenten “Physiologische Chemie” findet man einen für Naturwissenschaftler recht merkwürdigen Satz:
“Man gelangt zu der Erkenntnis, dass die Natur ein perfekter Chemiker ist, denn sie nutzt die
auf der Erde bestehenden Gegebenheiten zu einem Grad aus, die bisher im Labor noch nicht
erreicht worden ist. Die Evolution der Naturstoffe, die den chemischen Lernprozess der
Natur darstellt, hat Produkte hervorgebracht, die nach heutigem Erkenntnisstand optimal für
ihre Aufgaben geeignet sind.” 2)
Die Elemente Phosphor und Calcium, nun allerdings mit einem erstaunlich geringen Anteil von
weit unter 1 %, mussten, wie die Grafik “A. d. Elemente (4)” zeigt, ebenfalls wie beim Kohlenstoff gesammelt und angereichert werden, um wichtige Aufgaben im Spiel des Lebens erfüllen zu können. Besonders Calciumverbindungen z.B. als Calciumcarbonat finden wir ähnlich,
wie z.B. die Kohle in großen geologischen Ablagerungen, die das sich entwickelnde Leben
hinterließ. Zum Beispiel sind ja das Karbon und
die Kreide auch Namen für Erdzeitalter, denen
Periode 1 und 2 - Grundbausteine
Abgabe- (+) oder Aufnahmebestreben (-) von Elektronen
diese fossilen Rückstände des Lebens zugeordnet werden können.
Kationen
Anionen
1
+2
-2
-1
+-4 -3
Im Journal der “Royal Society of Chemistry”
findet man im Jahrgang 1991 einen Aufsatz von
H
Robert J.P. Williams “The Chemical Elements
63%
of Life”. Auf acht eng bedruckten Seiten werC
N
O
den die wichtigsten Vorgänge des Lebens auf
1,4% 25,5%
9,5%
der Basis des Periodensystems dargestellt.
Übertragen findet man die Aussage: “Für alle
Periode 3 und 4 - Hauptelemente
Lebewesen, gleich welcher Art, werden immer
P
Na Mg
Cl
S
etwa die gleichen 20 Elemente in ähnlicher
0,22% 0,05% 0,03%
0,03% 0,01%
Konzentration verwendet. Die wesentlichen
Merkmale dieser Elemente ergeben sich, wie
K Ca
0,06% 0,31%
gesagt werden muss, aus außerordentlich
grundlegenden Eigenschaften des Periodensystems.” 3)
Wir wollen mit Beispielen aus diesem Aufsatz weitere Merkmale aufzeigen, die zu klären versuchen, warum nur ganz bestimmte Elemente zu “Elementen des Lebens” herausgehoben und
ausgewählt werden. Man erkennt leicht: Mit einem Anteil von über 99 % stammen die wichtigsten 4 Elemente des Lebens als Grundbausteine aus den beiden ersten Perioden des PSE.
Mit Ausnahme des Wasserstoffs bilden alle im Wasser Anionen. 4)
1) Elementarer Sauerstoff fehlte zu dieser Zeit in der Erdatmosphäre fast völlig.
2) P. E. Petrides, “Wasser und Bioelemente” in Physiologische Chemie, Berlin 1979, S. 29;
Von hier stammen auch die prozentualen Werte der elementaren chemischen Bausteine für die Grafiken
3) Robert J. P. Williams, The Chemikal Elements of Life im Journal of the Chemical Society,
London 1991, S. 539
4) Atome, die zusätzliche Elektronen aufgenommen haben, um die Außenschale der Oktettregel entsprechend komplett zu besetzen, und deshalb negativ geladene Ionen sind.
- 64 -
Die Elemente des Lebens
Nur einige der chemischen Elemente eignen sich als Lebensbausteine
Einfache Kationen 1), wie z. B. Kalium und besonders das Natrium, stehen im Meerwasser
reichlich zur Verfügung. Die Konzentration von Natriumionen ist dort sogar um das Zehnfache höher als es offenbar lebenden Systemen zuträglich ist. Beim Natrium und Chlor und auch
beim Kalium ist das aus der Grafik “A. d. Elemente (4)” besonders gut abzulesen. Deswegen ist das Meerwasser als Trinkwasser völlig ungeeignet.
In komplizierten Prozessen mussten
lebende Systeme in dieser Umgebung
geschlossene Bläschen mit osmotischer
Kontrolle bilden, d.h. ein kontrollierter
Zugang zum Innenraum, ähnlich einem
mittelalterlichen Stadttor. Unter Energieaufwand war dabei ein großer Teil
dieser Ionen nach außen an die Umgebung abzugeben. Der verbleibende kleinere Teil wird aus folgendem Grunde
jedoch gebraucht, z. B. die einwertigen
Kationen Natrium und Kalium: Alle bisher verwendeten Elemente sind Nichtmetalle. Sie und ihre Oxide bilden
Säuren. Dies muss immer in der richtigen Dosierung neutralisiert werden. So
kommt den Alkalimetallen Natrium und
Kalium (Gruppe I) und den Erdalkalimetallen Magnesium und Calcium
(Gruppe II) im passenden Verhältnis
eine wichtige Rolle als Gegengewicht
zu den verwendeten nichtmetallischen
Elementen zu. Chlor und Schwefel sind
aus diesem Grunde zunächst einmal
problematisch, werden jedoch aus
anderen Gründen notwendig.
Wasser als Lösungsmittel,
seine besondere Eigenschaft
Die besonderen Eigenschaften des Wassers lassen sich
durch die markante Geometrie seines eigentlich einfachen Moleküls erklären. Sein tetraederförmiger
Aufbau ist an zwei Ecken elektrisch positiv (2 Wasserstoffkerne) und an zwei Ecken negativ geladen.
Sein dadurch polarisiertes Molekül bildet daher riesige Molekülverbände durch gegenseitige Anziehungskräfte. Ein Molekül müsste deshalb eigentlich (H2O)x
heißen. x gibt dann die Größe dieses Molekülverbandes als Zahl an. Nur durch diese Größe können die
vereinzelt sehr massenarmen Wassermolekülchen im
Verband unter normalen
Bedingungen flüssig sein.
Dagegen bildet das Kohlendioxidmolekül z.B. mit seiner wesentlich größeren
Masse ein Gas.
Die optimal polarisierten
einzelnen Wasserteilchen
lösen daher auch jede ionische Verbindung auf. Am
einfachsten lässt sich dieser Lösungsvorgang beim
Kochsalz beobachten.
Die Ionen Na+ und Cl- werden dissoziiert also
getrennt und jeweils durch eine Hydrathülle (Hülle
aus gerichteten Wasserteilchen) umgeben. Die Ionen
werden dadurch beweglich.
Diese Eigenschaft des Wassers war für die Entstehung
des Lebens ganz entscheidend.
Nun kann man sofort erkennen, warum
Lebensprozesse wässrige Lösungen voraussetzen. Nur in einer Lösung bleiben Ionen beweglich. Das ist aber eine Grundvoraussetzung für alle Lebensprozesse. Fällt das Wasser als
Lösungsmittel fort, erstarren alle Kationen und Anionen zu einem festen, spröden
Kristallgitter. Wasser ist also das essentielle Lösungsmittel für alle Lebewesen. Ohne Wasser
denaturiert alle Materie des Lebens.
R.P. Williams: “Die Anionen (wie Proteine, Lipide .. usw.) dürfen nicht direkt mit den Kationen verbunden werden, weil die Löslichkeit grundsätzlich erhalten bleiben muss. Diese (anionischen) Lebenspolymere müssen als Polyelektrolyte 2) erhalten bleiben”. 3)
An einfachen Versuchen mit Natrium und Kalium kann man gut erkennen, wie heftig und
schnell diese Alkalimetalle im Wasser reagieren. Deshalb finden ihre Ionen als “Signalboten”
im Bereich der Zellwände z. B. bei Nervenzellen Verwendung.
1) Atome, die Außenelektron abgegeben haben (Oktettregel!) und deswegen positiv geladene Ionen sind.
2) Hier sind die im Wasser gelöste Anionen gegenüber den kleinen Kationen hochwertige Polymere, also
besonders große Moleküle.
3) Robert J.P. Williams, The Chemikal Elements of Life, S. 540; siehe letzte Seite
- 65 -
Die Elemente des Lebens
Nur einige der chemischen Elemente eignen sich als Lebensbausteine
Hier, wie auch bei vielen Stoffwechselprozessen, ist die Schnelligkeit ja besonders wichtig. Im
Normalzustand halten sich die Kaliumionen bevorzugt im Inneren der Zellen, die Natriumionen
außerhalb einer Zelle auf. Geringe Änderungen dieser Verteilung lösen dann Reaktionen der
lebenden Zelle aus.
Innerhalb der Zellen ist das Anion Chlor wegen des Säure- / Basengleichgewichtes problematisch. Dass es aber gebraucht wird, wissen wir zum Beispiel von der im Vergleich zu den anderen Elektrolyten des Lebens ziemlich hoch konzentrierten Magensäure (HCl). Auch bei der
Entsorgung des CO2 aus den roten Blutkörperchen spielen die Chlorionen ebenfalls eine wichtige Rolle.
Schwefel scheint eines der Elemente gewesen zu sein, das ganz am Anfang des entstehenden
Lebens, als in der Atmosphäre noch kein elementarer Sauerstoff (O2) vorhanden war, eine größere Bedeutung hatte. Einige Schwefelbakterien gewannen z.B. in der Umgebung heißer
Schwefelquellen auf dem tiefen Meeresboden die zum Leben notwendige Energie aus den
anorganischen Verbindungen Schwefelwasserstoff und Schwefeleisen (Pyrit), um sich den im
Kohlendioxid fest gebundenen Kohlenstoff verfügbar zu machen. Die Entdeckung solcher
archaischer Bakterien, die keine Sauerstoffatmosphäre vertragen, können in Zukunft möglicherweise helfen, metallkontaminierte Industrierückstände umweltgerecht zu entsorgen.
Eine neue und dramatische Situation für das sich entwickelnde Leben entstand, als sich Bakterien stark vermehrten, die das Sonnenlicht als Energiequelle nutzten. Hier wurde das in großen
Mengen vorhandene Wasser mit Hilfe von Sonnenenergie zerlegt, und das Abfallprodukt war
nun der Sauerstoff (O2). Für die damalig lebende Bakterienwelt wurde dies nach einiger Zeit
zu einer lebensbedrohenden Katastrophe.
Das Auftreten der Metalloxide (Erze) ist ein Zeugnis dieser atmosphärischen Revolution vor
etwa 3,5 Milliarden Jahren. Alle Pflanzen haben sich diese Bakterien innerhalb ihrer Blattzellen
als Chloroplasten dienstbar gemacht. “Mit dieser Innovation wurde nicht nur ein nützliches
Produkt (O2) gespeichert anstelle von festem,
nutzlosem
Schwefel, sondern es entstand eine
Energie
Abfall
gänzlich neue Form von redox-anorganischer
Nahrung
O oder Licht
Chemie.” 1)
2
H, H
+
e
C, N, O, H
ADP
S, P
ATP
e
Speicher der
Zwischenprodukte
Proteinsynthese
Ionen
Elektronenstrom
Zellmembran
e
Signale
e
Ionen
Außenwelt
Vereinfachtes Schema des Material- und Energieflusses
in einer lebenden Zelle
Die Welt der damals lebenden Bakterien 2) hat
gelernt, diesen zunächst gefährlichen Sauerstoff
in großem Umfang zu nutzen. Die Bedeutung
des Schwefels blieb jedoch für mehrere Stoffwechselprozesse des Lebens erhalten, besonders in Verbindung mit dem wichtigen
Spurenelement Eisen.
Phosphor fällt in der 3. Periode besonders
durch seinen hier fast um eine Zehnerpotenz
höheren Anteil auf.
1) R.J.P. Williams, a.a.o., S. 544
Obwohl der frei werdende Sauerstoff für viele Formen des Lebens ein viel zu aggressives Element darstellte, entwickelten sich in der Folge die aeroben Bakterien, die den Sauerstoff zur Energiegewinnung zu
nutzen “lernten”. Danach entfaltete sich der Artenreichtum der Lebewesen in besonderer Weise. Aerobe
Bakterien leisten seit mehr als 2 Milliarden Jahren als Mitochondrien in fast allen lebenden Zellen ihren
wichtigen Dienst.
2)
Als Krankheitserreger wurden die Bakterien erst vor 130 Jahren entdeckt. Viel später wurde dann deutlich, welche
wichtigen, Leben erhaltende Aufgaben, diese Bakterienwelt im biologischen Gesamtsystem erfüllt.
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Die Elemente des Lebens
Nur einige der chemischen Elemente eignen sich als Lebensbausteine
Man hat im Phosphor das Element erkannt, das in allen Biosynthesen und vor allem in der
lebenswichtigen Übertragung von Energie die entscheidende Rolle spielt. In den Zellen aller
Lebewesen wird durch die in Nahrung und Sauerstoff enthaltene Energie Adenosintriphosphat (ATP) gebildet, in Zellen mit Blattgrün (Chlorophyll) in entsprechender Weise aus dem
Sonnenlicht gewonnene Energie. Sie wird nutzbar, indem ATP in Adenosindiphosphat (ADP)
zurück verwandelt wird. (siehe Skizze “Vereinfachtes Schema....” ) 1)
Das Nichtmetall Phosphor bildet zwar Anionen, hat aber wegen seiner verhältnismäßig geringen Elektronegativität 2) gegenüber den Grundbausteinen Kohlenstoff, Stickstoff und Sauerstoff reduzierende Eigenschaften. Das Adenosintriphosphat ist ein Kettenmolekül mit 3
Phosphatzentren. Es enthält mehr gespeicherte Energie als das ADP mit zwei
Phosphatzentren. Solche für alle energetischen Prozesse wichtigen Polyphosphorsäuren bleiben aber nur stabil, wenn auch Kationen z. B. Magnesium in der wässrigen Lösung vorhanden sind. Deshalb ist ein ausgewogenes Ionengleichgewicht innerhalb der Zelle von großer
Bedeutung.
Sehr eng mit der Rolle des Phosphors verbunden sind die beiden zweiwertigen Kationen Magnesium und Calcium, Magnesium innerhalb der Zelle und Calcium als extrazelluläres Kation.
Calcium könnte innerhalb von Zellen unerwünscht unlösliche Salze ausfällen, ähnlich, wie es
im Wasser Kesselstein bildet. Deshalb darf es nur in sehr kontrolliertem Maße in eine Zelle
gelangen und wird so wie das Natrium zu einem extrazellulären Signalträger. Vieles deutet
auch darauf hin, dass Calcium solche Veränderungen in Zellen hervorruft, die als Formen des
Gedächtnis verstanden werden können. Dies und seine wichtige Rolle beim Aufbau von Skeletten erklärt seinen verhältnismäßig hohen Anteil 3) in der Materie des Lebens.
Bevor wir uns mit der Reihe der Übergangsmetalle, den Spurenelementen befassen, sollte noch
einmal der entscheidende Unterschied zwischen den Grundbausteinen Wasserstoff, Kohlenstoff, Stickstoff und Sauerstoff und den anderen mit
jeweils unter 1 % Anteil beteiligten lebenswichtigen Elementen betrachtet werden. Natürlich fällt
sofort auf, dass jene sich in der 1. und 2. Periode
befinden, die anderen der 3. und 4. Periode angehören. Die Atome der Grundbausteine gehören im
Periodensystem also zu den besonders kleinen Atomen mit einer entsprechend geringen Oberfläche.
Die Oberflächen von Chlor-, Schwefel-, Phosphor-,
Magnesium-, und Natriumatomen sind wesentlich
größer. 4) Hier, in der 3. Elektronenschale, ist
deshalb wesentlich mehr Platz für bindende Orbitale.
Außerdem stehen hier ja das 3s, das 3p und das 3d
Orbital mit 1 + 3 + 5 = 9 Elektronenbahnen zur
Verfügung.5)
1)
2)
3)
4)
erarbeitet aus R.J.P. Williams, a.a.o., S. 540; siehe auch Grafik S. 66
ein Maß für die Fähigkeit eines Atoms, Elektronen in einem Molekül an sich zu ziehen
vergl. S. 64
Der Atomdurchmesser vergrößert sich von Periode zu Periode (Zwiebelschalenmodell), nimmt jedoch
innerhalb einer Periode von Gruppe I bis Gruppe VII ab.
5) vergl. S. 55 f
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Die Elemente des Lebens
Nur einige der chemischen Elemente eignen sich als Lebensbausteine
Mit der entsprechenden Rechnung erkennen wir für die 2. Periode, dass unsere Grundbausteine Kohlenstoff, Stickstoff und Sauerstoff jeweils nur 4 Elektronenbahnen in ihrer kleineren
Oberfläche aufweisen können. Die Grafik auf S. 67 unten 1) zeigt eine Folge dieser Besonderheit an den Siedepunkten der Verbindungen der wichtigsten Elemente mit Wasserstoff. Die 2.
Periode fällt so deutlich aus dem allgemeinen Trend heraus, dass hierfür eine Erklärung
gesucht werden muss. Auffällig verhalten sich Stickstoff,
Fluor und vor allem der Sauerstoff. Diese drei Elemente 2)
Elektronenverteilung beim Kohlenstoff
weisen eine sehr hohe Elektronegativität auf. Dadurch
niedrigste Energiestufe
wird jeweils das einzige Elektron des Wasserstoffs in den
e
2p
e
Verbindungen besonders stark zu dem jeweils elektronee
e
gativeren Atom herübergezogen. Doch der ungewöhnlich
2s
hohe Siedepunkt von H2O lässt sich aber immer noch nicht
erklären.
angeregter Zustand
Wir müssen die Geometrie dieser sehr kleinen Atome
genauer betrachten. Viele chemische Reaktionen mit den
e
e
Elementen der 2. Periode sind verständlicher, wenn man
3
umorganisierte L-Schale
annimmt, dass der Aufbau der Elektronenorbitale 3) gerade
sp
dieser Elemente sich besonders leicht zu einem Umbau
anregen lässt. Zum Beispiel entstehen beim Kohlenstoff
Kohlenstoffatom
unter Energiezufuhr aus dem s-Orbital und den drei p-Orbitalen vier
mit den Achsen
gleichberechtigte sp3 Orbitale. Auf diese so genannten sp3 Hybridorbider Orbitale
tale verteilen sich nun die 4 Elektronen des Kohlenstoffs gleichmäßig.
4)
Die negativ geladenen Elektronen stoßen sich gegenseitig ab und
suchen auf der kleinen Atomoberfläche den größten möglichen
Abstand von einander, ohne den Abstand zum Atomkern zu verändern.
Das ist aber nur in einer Tetraederstruktur möglich, einer gleichseitigen
H+
Dreieckspyramide So kann man z.B. das Methanmolekül (CH4 ) gut
CH 4 H+
H+ erklären: Dort werden die 4 Elektronen von 4 Wasserstoffatomen zu
den 4 noch freien Plätzen des Kohlenstoffatoms gezogen. Damit zeigt
+
H
das Metanmolekül einen unpolaren Aufbau mit 4 Wasserstoffatomkernen, den Protonen, in gleichem Abstand auf der Moleküloberfläche verteilt. Diese Moleküle stoßen sich wegen der gleichmäßigen Verteilung
NH3 H+
H+
der äußeren, positiven Ladung gegenseitig ab. Sein niedriger Siede+
H
punkt entspricht daher dem normalen Trend seiner Molekularmasse.
e
e
H2O -
H+
+
H
HF -
H+
-
1)
2)
3)
4)
-
Auch Stickstoff, Sauerstoff und Fluor bilden bei Energiezufuhr bevorzugt diese Tetraederstruktur aus. Aber mit der steigenden Zahl eigener
Elektronen ergibt sich ein anderes Bild. Nun können nur noch drei,
zwei Ecken oder schließlich eine Ecke des “Tetraeders” mit je einem
Proton des Wasserstoffs besetzt werden.
Die anderen Tetraederecken sind ja schon von den eigenen Elektronen
paarig besetzt. Von Protonen besetzte Orte sind nun positiv, die mit
Elektronenpaaren besetzten Orte negativ.
aus E. Mortimer, Chemie, Stuttgart 1987, S. 158
Fluor mit dem Wert 4 hat sogar die höchste Elektronegativität unter allen Elementen.
vergl. S. 55
sp3 bedeutet, dass ein s Orbital und 3 p Orbitale bei den Hybridorbitalen beteiligt sind.
gr. (hybrid = Mischling)
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Die Elemente des Lebens
Nur einige der chemischen Elemente eignen sich als Lebensbausteine
Zwischen den gegensätzlich geladenen Orten der Moleküloberflächen entstehen unter den
Molekülen Anziehungskräfte, Bindebrücken gegenseitiger Anziehung. Weil jeweils das Wasserstoffproton die Ursache für diese Erscheinung ist, spricht man von einer Wasserstoffbrückenbindung.
Die Grafik mit den Siedepunkten der Wasserstoffverbindungen 1) zeigt nun ganz deutlich:
y Die Kraft der Wasserstoffbrückenbindung, die eine bestimmte Art der Moleküle zusammenhält, wirkt nur in der 2. Periode besonders ausgeprägt.
y
Die erzeugte Bindekraft wird nicht nur von der Elektronegativität des wasserstoffbindenden Atoms, sondern vor allem von der Anzahl der möglichen Wasserstoffbrücken pro
Molekül bestimmt. Beim Stickstoff ist nur an einem Ort eine gegensätzliche Ladung möglich, beim Sauerstoff an zwei Orten und beim Fluor wiederum nur an einem Ort.
Die Tetraedergeometrie der kleinen Atome Kohlenstoff, Stickstoff und Sauerstoff macht sie zu
einem Trio geeigneter Grundbausteine des Lebens mit sehr unterschiedlichen Eigenschaften
und befähigt sie vor allem zum Aufbau der besonders großen Molekülverbände in lebenden
Körpern.
Das Wasser für sich bildet allein bei Zimmertemperatur zusammenhängende Molekülverbände
von etwa 300 Einzelmolekülen über diese Wasserstoffbrücken, denn der Molekularmasse eines
einzelnen Wassermoleküls entsprechend müsste es wie Methan oder Kohlendioxid bei Zimmertemperatur im Gaszustand bleiben. 2) Daher müsste ein Wasserteilchen in diesem Fall also
(H2O)300 heißen. Mit zunehmender Temperatur reduziert sich die Anzahl der Wasserteilchen
im Großmolekül. Der extrem hohe Siedepunkt von Wasser, sowie seine hohe Wärmekapazität
erklären sich im Vergleich zu den anderen Wasserstoffverbindungen dadurch, dass kein anderes Molekül dieser Größenordnung eine höhere Zahl an Wasserstoffbrücken ausbilden kann.
Erst bei 100°C sind so viele Wasserstoffbrücken unterbrochen, dass das Wasser vollständig
verdampft. 3)
Nur die kleinen Nichtmetallatome Kohlenstoff, Stickstoff und Sauerstoff in der zweiten Periode sind außerdem in der Lage, kovalente Doppel- oder gar Dreifachbindungen einzugehen.
Hier ist der Abstand der Atomzentren im Molekül noch gering genug. Damit erweist sich
unser Trio der drei Grundbausteine als besonders vielseitig verwendbar. Sie binden darüber
hinaus jeweils das einzige Elektron eines Wasserstoffatoms und verwandeln dieses dadurch
zum Proton, das nun fähig wird, Energie zu übertragen, sowie die für das Leben wichtigen
Wasserstoffbrückenbindungen auszubauen. 4) Die vier chemischen Zeichen H, C, N und O stehen damit für ein kooperatives Quartett biologischer Grundbausteine.
Der Kohlenstoff sticht nun besonders durch seinen symmetrischen Aufbau hervor. An seine
Bindepartner stellt er keine besonderen Anforderungen, da er sowohl die Bereitschaft zur
Elektronenaufnahme als auch zur Elektronenabgabe aufweist.
Außerdem geht er mit sich selbst unzählige Bindungen ein und bildet dadurch lange stabile
Kohlenstoffketten oder Kohlenstoffringe.
1) vergl. S. 67
2)
Molekularmasse von H2O muss größer sein als 18; vergleichsweise: Methan CH4 > 16, Kohlendioxid CO2 > 44 !
3) Hier sind die Wassermoleküle kleiner als (H2O)5.
4) z.B. wird die Doppelhelix der DNA wie ein Reißverschluss durch diese Wasserstoffbrücken zusammengehalten. Die Wasserstoffbrückenbindung besitzt genau die passende Bindekraft, dass sie bei Bedarf auch
wieder gelöst werden kann (Reißverschlussmodell).
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Die Elemente des Lebens
Nur einige der chemischen Elemente eignen sich als Lebensbausteine
Seine Fähigkeit zur Doppelbindung, die zum Beispiel auch den gasförmigen Zustand von
Kohlendioxid (CO2) bewirkt, unterscheidet ihn von seinem Nachbarn in der eigenen Gruppe,
dem Silizium. 1) Dieser kann mit sich selbst keine so stabilen Verbindungen eingehen. Mit
Sauerstoff bildet Silizium allerdings sehr feste, stabile Kristalle, die wir als nicht gerade lebensfreundlichen Sand kennen. Dies Beispiel unterstreicht noch einmal diese herausgehobene
Eigenschaft zur Doppelbindung bei den Nichtmetallen der zweiten Periode.
Kohlenwasserstoffe können in mehreren Stufen über Alkohole, Aldehyde schließlich zu den
verschiedensten Carbonsäuren oxidiert werden. In weiteren Schritten gelangt man schließlich
auch in das Reich der Fette 2). In diesem riesigen Reich
Zahl der Atome in verschiedenen
der organischen Chemie findet man die verschiedenartigsSystemeinheiten
ten Kombinationen ausschließlich aus den GrundbausteiZahl der zugehönen des Wasserstoffs, Kohlenstoffs und Sauerstoffs in
rigen Atome
jeweils verschiedener Anzahl und verschiedener räumlicher
Atom / Ion
1
Struktur gebildet.
Molekül
von 2 bis 100
Biomolekül
Systemelement einer
Zelle
bis 10 000
bis 1 000 000
Nun ließe sich noch nach der Rolle des Stickstoffs fragen,
der ja im letzten Abschnitt noch unerwähnt blieb. Viele
wichtigen organischen Verbindungen entstehen offensichtlich ohne den Stickstoff zu beteiligen. Aber eine
besonders wichtige Gruppe der Carbonsäuren, die
Aminosäuren, enthalten jedoch eine so genannte Aminogruppe 3) (NH2). Dieser Name klingt deshalb sehr
vertraut, weil die Aminosäuren die Bausteine der Proteine sind, also Eiweiße aufbauen. Kein Eiweiß entsteht ohne Stickstoff.
Es bleibt nun noch die Gruppe der so genannten Spurenelemente, deren prozentualer Anteil weit unter
0,01 % liegt. Dass sie trotzdem dringend notwendig
sind, kann man leicht erkennen, wenn man genauer
auf deren Einbau in die besonderen Biomoleküle achtet. Diese Metalle aus der Nebengruppe der 4. Periode liefern die Zentralatome für so genannte
Komplexbindungen. Das Metallatom bildet sozusagen das Zentrum eines Biomoleküls, das eine ganz
bestimmte Aufgabe innerhalb der Soffwechselvorgänge zu erfüllen hat. Das einzelne Metallatom innerhalb einer sehr großen Anzahl von Grundbausteinen
ist offensichtlich bestimmend für die Aufgabe und oft
auch für die Gestalt des Gesamtmoleküls. Die drei
hier dargestellten Beispiele 4) verdeutlichen und begründen die wichtige Rolle der Spurenelemente, aber
auch ihre geringe Konzentration innerhalb der von der
gesamten Flora und Fauna verwendeten Bausteine
aus den Elementen des Lebens.
1)
2)
3)
4)
vergl. S. 61
durch Veresterung höherwertiger Carbonsäuren mit höherwertigen Alkoholen
eine vom Ammoniak (NH3) abgeleitete Verbindung
aus W. Kaim - B. Schwederski, Bioanorganische Chemie, Stuttgart 1995, S. 27 ff
- 70 -
Die Elemente des Lebens
Nur einige der chemischen Elemente eignen sich als Lebensbausteine
Insgesamt könnten wir nun in der “Landkarte” 1) des Periodensystems der chemischen Elemente verschiedene Bereiche allgemeiner Aufgaben und Eignungen der atomaren Bausteine
für die Substanzen in lebenden Organismen ausmachen..
Periodensystem des Lebens
H
He
Grundbaustein als Proton - Wasserstoffbrückenbindung
einzelnes H+ Proton zum Energietransport
Li
Be
B
C
N
O
F
Ne
Cl
Ar
Das Trio der
Grundbausteine
Na
Mg
Al
Si
Ca
Sc
Ti
V
Kationen
Sr
Signale
Cr
Mn
Fe
Co
Ni
Cu
Zn
Ga
Ge
As
Se
Br
Kr
Cd
In
Sn
Sb
Te
I
Xe
Spurenelemente
als Zentralatome in Biomolekülen
innen - außen
Rb
S
Energie- außen
umsatz Anion
außen - innen
Kationen
K
P
Y
Zr
Nb
Mo
Tc
Ru
Rh
Pd
Ag
Gestalter der Molekülcharakteristik
nichmetallische Bausteine
An dieser Stelle muss noch einmal auf die besondere Rolle des Sauerstoffs eingegangen werden. Unter der riesigen Zahl der verschiedenen Biosynthesevorgänge kommt dem Aufbau des
Zuckermoleküls eine besonders wichtige Rolle zu. Dieser Vorgang war wohl ziemlich entscheidend für die vielgestaltige Evolution des Lebens. Hinter der einfachen Formel
6 CO 2 6 H 2 O Energie 2, 81 MJ ! C 6 H 12 O 6 6O 2 verbergen sich sehr komplexe
biochemische Prozesse. Seit der evolutionären Entwicklung der Photosynthese müssen die
Chloroplasten (Blattgrün) die ziemlich feste Verbindung des Wassers mit Hilfe von Sonnenenergie lösen, um die Wasserstoffprotonen zu gewinnen. Der Sauerstoff als Grundbaustein für
das Zuckermolekül ist schon im Kohlendioxid reichlich vorhanden. Deshalb bleibt viel Sauerstoff als “Abfall” zurück.
Den Sauerstoff, der sich am Beginn dieser Entwicklung für alle Organismen als gefährliches
und aggressives Gas ansammelte, machte sich eine neue besondere Bakteriengruppe für den
eigenen Energiehaushalt nutzbar. Die im Kapitel schon einmal genannten Mitochondrien nutzen den Vorgang der Photosynthese zur Energiegewinnung im umgekehrten Wege. 2) Die
Gesamtheit des Lebens erwies sich also als “recyclingbewusst”; kein Abfall wurde zugelassen.
Aus dem Energiespeichern Zucker und Sauerstoff werden wieder Kohlendioxid und Wasser.
Der Sauerstoff vermehrte sich in der Erdatmosphäre seit der Entwicklung der Photosynthese
und der Atmung von einer verschwindend geringen Menge bis zu dem heutigen seit langem
stabilisierten Anteil von etwa 20 %. Er wurde damit vor etwa 2 Milliarden Jahren auch zu
einem wichtigen Energieträger. Das Leben auf aerober Basis nutzte nun die Lichtenergie der
Sonne und begann sich intensiv und vielfältig zu entwickeln. 3)
1) vergl. P.W. Atkins, Im Reich der Elemente, Heidelberg 1997; Dies Buch zeichnet sich durch eine fantasievolle “geografieähnliche” Zusammenschau der Landschaften des “Reiches der Elemente” aus.
2) vergl. S. 66 Fußnote 1)
3) Über die Fähigkeit des Lebens, eine zunächst bedrohliche Situation zum eigenen Vorteil zu nutzen, kann
man eigentlich nur mit Erstaunen wahrnehmen, wenn wir das Staunen nicht schon verlernt haben.
(vergl. das Zitat S. 64)
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Die Elemente des Lebens
Nur einige der chemischen Elemente eignen sich als Lebensbausteine
Die anaeroben Bakterien dagegen, die genannten Schwefelbakterien zum Beispiel, mussten
sich nun in dunkle und sauerstofffreie Nischen zurückziehen. Von einigen wichtigen Anaerobiern wird noch zu sprechen sein. 1) Diese Lebewesen aus der Zeit vor der Photosynthese
gewannen ihre Wasserstoffprotonen ja unter anderem aus Schwefelwasserstoff (H2S), zwar
mit erheblich geringerem Energieaufwand, jedoch blieb Schwefel als “Abfallprodukt” übrig.
Da Schwefel ein fester Stoff ist, konnte dieser nicht recycelt werden. Möglicherweise kann
man auch in den Lagerstätten elementaren Schwefels in der Erdkruste die Rückstände dieser
biologischen Vorgänge aus der Zeit der reduzierenden Atmosphäre der Erde erkennen.
Durch die Entwicklung der Photosynthese ergibt sich eine Sonderstellung des Sauerstoffs, der
nun mehrere Aufgaben im Reigen des Lebens zu erfüllen hat. Abgesehen vom häufig verwendeten Grundbaustein wurde er zum wichtigen Energieträgermolekül (O2), das überall in der
Erdatmosphäre zur Verfügung gestellt wird. 20 % Sauerstoffgehalt sprechen eine deutliche
Sprache als Besonderheit in der Planetenfamilie unseres Sonnensystems. Ohne die Fähigkeit
der chlorophyllhaltigen Pflanzenzellen würde unsere Erde die auftreffende Lichtenergie nur in
Wärme und die daraus resultierenden Luftbewegungen (Wetter, Wasserkreislauf, Erosion)
umwandeln können. Die Speicherung von Energie in Form höherwertiger biochemischer Verbindungen und spiegelbildlich dazu in Form von freiem atmosphärischen Sauerstoff wird nur
durch diese Fähigkeit bewirkt und weiter erhalten. Diese Besonderheit unserer Lufthülle ist
das deutlichste Zeichen für die dritte Differenzierung 2) der chemischen Elemente auf der Erdoberfläche, die das Leben selbst innerhalb der eigentlich hauchdünnen Schicht der Biosphäre
bewirkte.
Die Evolution des Lebens hat sich diesen gar nicht mal ungefährlichen Zustand 3) fern vom
chemischen und thermodynamischen Gleichgewicht selbst geschaffen, und bildete damit die
entscheidende Voraussetzung für eine stärkere und artenreichere Entwicklung der Evolution.
In diesem Kapitel unserer Reise durch die Geschichte der Naturwissenschaft sollte nur die
Auswahl der chemischen Elemente aus der Gesamtheit des Periodensystems für das sich entwickelnde Leben betrachtet werden. Hier gibt es merkwürdiger Weise keine bedeutsamen
Unterschiede, egal ob wir uns nun auf der Stufe der Mikroorganismen oder schon auf den
höheren Stufen der entwickelten Pflanzen oder gar der Säugetiere befinden. Die biologischen
Prizipien der Zellhaushalte werden etwa die gleichen Anteile aus der Reihe der chemischen
Elemente benötigen, umsetzen oder beteiligen.
Sehr viele Entwicklungsschritte der Evolution des Lebens nach dem Aufbau des Sauerstoffanteils in der Luft und seit der Sauerstoffatmung standen noch bevor, um zu dem uns vertrauten
Kosmos des Lebens zu gelangen. Ohne diesen bedeutsamen Wandel von einer reduzierenden
zur oxidierenden Atmosphäre hätte sich die überwältigende Vielfalt der Arten und Lebensformen nicht entfalten können. Schließlich wäre der sich selbst und seiner Umwelt bewusst werdende Mensch nie auf der Bühne des Lebens erschienen.
1) vergl. dann S. 78
2) vergl. S. 63
3) Aus diesem Grunde brauchen wir ja heutzutage Feuerwehren. Das klingt für uns zunächst ziemlich trivial,
weil uns selbstverständlich. Die Erde ist aber der einzige Planet des Sonnensystems, auf dem ein Feuer in
der uns vertrauten Art überhaupt entstehen kann. Sie hat eine Atmosphäre mit einem einzigartig hohen,
die Dynamik des Lebens erhaltenden, aber nicht ungefährlichen Energiepotential.
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