Spracherwerbsstörungen

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Spracherwerbsstörungen
Was muss die Kinderärztin wissen ?
Oskar Jenni
Abteilung Entwicklungspädiatrie
Universitätskinderkliniken Zürich
43. Oster-Seminar-Kongress
Brixen, 30. März 2010
Sprachentwicklung
„
„
„
„
„
Im 1. Lebensjahr
Im 2. Lebensjahr
Im 3. Lebensjahr
Im 4. Lebensjahr
Im 5. Lebensjahr
Laute
Wörter
Wortkombinationen
Sätze
Geschichten
Wann ist eine Sprachabklärung sinnvoll ?
Ab 2 Jahren
„ Wenn das Kind nicht versteht.
„ Wenn der Wortschatz nur wenige Wörter umfasst.
„ Wenn das Kind keine 2-Wortsätze bildet.
Ab 2 ½ Jahren
„
„
„
„
Wenn sein Wortschatz kleiner als 80-100 Wörter ist.
Wenn das Kind keine 2-3 Wortkombinationen bildet.
Wenn das Kind für Fremde unverständlich spricht.
Wenn seine Kommunikation auffällig ist.
Wann ist eine Sprachabklärung sinnvoll ?
Ab 3 Jahren
„ Wenn das Kind unverständlich spricht.
„ Wenn das Kind nur wenige Verben, keine Artikel oder Adjektive
benutzt.
„ Wenn seine Satzbildung ausbleibt oder stark auffällig ist.
Generell
„ Wenn die Eltern über die Sprachentwicklung ihres Kindes
beunruhigt sind.
Sprachentwicklungsverzögerung
(Late Talker, bis 3 Jahre)
Spracherwerbsstörung
(Sprachentwicklungsstörung)
„ Sprachproduktion: Wortschatz (Semantik),
Grammatik (Morphologie), Aussprache (Phonetik)
„ Sprachverständnis: Wort,- Satz-, Textebene
„ Kommunikation
„ [Redefluss: Stottern, Poltern]
Alter
2 J.
Risikokinder 15 %
Late Talkers < 50 Wörter
Unauffällige Kinder 85%
> 50 Wörter
Spracherwerbsstörung
Late Bloomers / Aufholer
3-4 J.
5-7 J.
Verfestigte
Sprachstörung
Schul
-alter
Sprachdefizite,
Kommunikationsprobleme
Soziale u.
emotionale
Probleme
Probleme
beim Lesen,
Schreiben,
Lernen
Unauffällige
Sprachentwicklung
250
Wortproduktion
(ELFRA-2)
200
150
Störung
100
Aufholer
50
0
24 Mt.
27 Mt.
30 Mt.
33 Mt.
35 Mt.
7
6
5
4
Störung
3
Wörter pro
Äusserung
(Spontansprache)
Aufholer
2
1
0
24 Mt.
30 Mt.
35 Mt.
Geissmann, 2010
ohne Aufholtendenz
(ab 3 Jahre)
Sprache
unterdurchschnittlich
rezeptivexpressiv
Therapie oder
Elternanleitung
isoliert
expressiv
Elternanleitung
Verlaufskontrolle
Aktuell keine
Therapie
notwendig
ja
nein
Verlaufskontrolle:
Aufholer ?
D.
Persönliche Anamnese
„ Problemlose Schwangerschaft
„ Komplikationslose Spontangeburt in der 40 1/7 SSW,
GG 3060g, GL 50cm
„ Unauffällige Primäradaptation
Familienanamnese
„ Älterer Bruder: Spracherwerbsstörung
„ Mutter: Spracherwerb verzögert, dreisprachig
aufgewachsen.
† Auffällige Mundmotorik
„ 2 Cousins: Logopädietherapie
Problemspezifische Anamnese
„
„
„
„
„
Erste Worte mit 24 Monaten
Kann einfache (nicht mehrfache) Aufträge erfüllen
Braucht oft Hände beim Sprechen
Hört, keine vermehrten Infektionen (OLW)
Keine Trink- oder Schluckprobleme, kein
Schnarchen
„ Verhalten unauffällig
Allgemeinpädiatrischer Status
„ Körpermasse im Zielbereich
„ Unauffällige körperliche Untersuchung
„ Gehör: Unauffällige Spielaudiometrie
Motorik
„ Feinmotorik: ungeschickt, unökonomisch, mit
deutlichen Mitbewegungen
„ Grobmotorik: ungeschickt, Mitbewegungen,
auffällig in Koordination und Balance
Neurologie
„ Generalisierte muskuläre Hypotonie (perioral)
„ Erhaltene Kraft und Reflexe
„ Keine fokalen neurologischen Auffälligkeiten
Non-verbale Kognition:
„ Altersentsprechend (SON-R) mit Hinweisen für eine
visuomotorische Schwäche (Mosaike, Zeichnen)
Verhalten während der Untersuchung:
„ Zu Beginn schüchtern, dann offener Kontakt
„ Kooperativ, interessiert
„ Kompensationsmechanismen
Zürcher Entwicklungsprofil
D., 3 9/12
Alter
(Jahre)
Sprache
expressiv
9
8
7
6
5
4
3
2
1
0
Chronologisches Alter
Sprache
rezeptiv
Logisches
Denken
Visuomotorik
Motorik
Bindungsund Sozialverhalten
Diagnose
Spezifische Spracherwerbsstörung (SSES)
„ Primär Sprache betroffen (expressiv, expressivrezeptiv)
„ Normale non-verbale kognitive Entwicklung
„ Keine medizinische Ursache im engeren Sinn
„ Komorbiditäten
Komorbiditäten
„ Störung in motorischen Funktionen
„ Störung in der Visuomotorik (Zeichnen)
„ Verhaltensauffälligkeiten
† Hyperaktivität
† Aufmerksamkeitsdefizit
„ Arbeitsgedächtnisstörung (Merkfähigkeit)
„ Lernstörungen (Schriftspracherwerb)
Diagnose
Spezifische Spracherwerbsstörung (SSES)
„ 4-6 % aller Kinder
„ 75% Knaben
„ Ausschlussdiagnose
„ Differentialdiagnosen
Differentialdiagnosen / Ätiologie
„ Störung von
† Sinnesorganen (v. a. Hören)
† Angeboren
† Erworben (Infektion, Tumor, SHT)
† Anatomie
† Lippen-Kiefer-Gaumenspalte
† Genetik
† Fragiles X Syndrom, Trisomie 21,
Mikrodeletionsyndrome (22q11,
Williams, Prader Willi)
Differentialdiagnosen / Ätiologie
„ Störung von
† Neurologie
† Frühgeburtlichkeit, HIE, SHT, Tumor
† Zerebralparese, neuromuskuläre Erkrankungen
†Epilepsiesyndrome (Landau-Kleffner, Rolando)
†Selten: bilaterales perisylvisches Syndrom
† Sozialverhalten
† Autismus Spektrum
† Umfeld (ungenügende Anregung)
Ursache
Unspezifische Spracherwerbsstörung
„ Familär-genetisch
† 40% in näherer Verwandschaft mit SSES
† 50% autosomal dominant (Mutationen auf
verschiedenen Genen, z. B. FOXP2 Gen
Chromosom 7, KE Familie in London)
KE Familie in London
S., 3 1/2 Jahre
„ 1. Kind gesunder Eltern, unauffällige SS
„ Pathologisches CTG und VE bei mütterlichem Fieber
und Blasensprung kurz vor Termin
„ Fruchtwasser mekoniumhaltig
„ Apgar 0/0/1, pH 7.13, normale Masse
„ Intubation und Verlegung ins Kinderspital Zürich
„ Kühlung auf 33°, Krämpfe im Alter von 8 h
„ Sistieren nach Phenobarbital und Phenytoin
S., 3 1/2 Jahre
„ EEG: pathologische rhythmische Aktivität
zentroparietal, im Verlauf isolierte epilepsietypische
Potentiale links temporal sowie rechts parietal
„ MRI am 7. Lebenstag
„ Diagnose: hypoxisch-ischämische Encephalopathie
(Grad 2 nach Sarnat)
T1
normal
T1
T2
S., 3 5/12 Jahre
Alter
(Jahre)
Sprache
expressiv
6
5
4
3
2
1
Chronologisches Alter
Zürcher Entwicklungsprofil
Sprache
rezeptiv
Kommunik
ation
Logisches Visuomotorik
Denken
Grobmotorik
Feinmotorik
Bindungsund Sozialverhalten
Zusammenfassung
„
„
„
„
Spracherwerbsstörungen sind häufig
Kenntnisse über die normale Sprachentwicklung
Anamnese und Untersuchung (VSU)
Ausschluss medizinischer Diagnosen
(z. B. Hörstörung)
„ Enge Zusammenarbeit mit Logopädie
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