O B J E K T E H o l z b a u Fotos (2): Holzbau Amann 24 Synthese Das Apartmenthaus Chesa Futura in St. Moritz Zweifellos ist das von Lord Norman Foster entworfene Apartmenthaus Chesa Futura ein gleichermaßen gelungenes wie beeindruckendes Beispiel einer Synthese aus moderner Architektur und traditioneller Handwerkskunst. Gelungen ist es auch deshalb, weil es eine hervorragende planerische Leistung mit einer ebenso handwerklich perfekten Ausführung in idealer Art und Weise verbindet. Die im Holzbaubetrieb vorgefertigten Wandelemente werden mit dem Kran verladen und auf der Baustelle von den Zimmerleuten montiert Gegenüberliegende Seite: Die fertig gestellte Chesa Futura beeindruckt vor allem durch ihre Verbindung aus moderner Form und traditioneller Fassadenbekleidung mit 250 000 von Hand gespaltenen Holzschindeln (Foto: Sarnafil) Dipl.-Ing. Thomas Wieckhorst, Bielefeld Kaum ein Architekt ist selbst dem Baulaien so bekannt wie der Engländer Norman Foster. Dies liegt sicherlich nicht zuletzt an seinem Entwurf für den Umbau des Reichstagsgebäudes in Berlin. Um so mehr verwundert es zunächst, dass sich das Londoner Büro nun mit einem Entwurf für St. Moritz in der Schweiz hervortut, und noch dazu mit einem „Holzhaus“ – dem ersten von Foster überhaupt, der sonst vorwiegend mit Stahl, Glas und Beton baut. Der Ort ergibt sich sowohl aus der Verbundenheit des Londoner Architekten mit dem Engadin und seiner Vorliebe für den Wintersport als auch aus der Tatsache, dass er dieses Ferienhaus für Freunde aus Zürich und die als Bauherrin fungierende SISA Immobilien AG entwarf. Die Verwendung von Holz und von Holzschindeln für die Fassade erklärt sich daraus, dass Foster hier im guten Wortsinn regional baut und daher Baustoffe aufgreift, die für die Region typisch sind, sie aber in eine moderne Architektursprache übersetzt. Haus auf Säulen Das organisch geformte Apartmenthaus schwebt mit seinen über drei Geschosse verteilten, insgesamt sechs Wohnungen auf acht ovalen Stahlstützen (30 x 50 cm) über dem Hang, in dem die Rohbauer zwei Untergeschosse mit Parkflächen, Technik- und Abstellräumen verschwinden ließen. Vor allem bedurfte es jedoch ihrer handwerklichen Fähigkeiten beim Einschalen und Betonieren der beiden Betonröhren mit einem Durchmesser von jeweils 3 m, die zusätzlich zu den Stahlstützen das Gebäude tragen, und in denen je ein Aufzug den Höhenunterschied von 24 m vom 2. Untergeschoss bis hinauf in das 3. Obergeschoss überwindet. Wendel- treppen um diese Kerne dienen als weitere vertikale Erschließung. Die beiden Betonkerne und die Stahlstützen tragen eine Stahlbetonplatte, auf der die Zimmerleute das Apartmenthaus in Holzbauweise errichteten. Haus am Hang Durch die um drei Grad in der Längsrichtung geneigte Fassade und die Aufständerung wird das Hanggrundstück, auf dem sich vormals ein unansehnliches Gebäude aus den 50er Jahren befand, optimal ausgenutzt. So bietet sich für die Bewohner der Apartments von den Südbalkonen und durch die dahinter liegenden Fenster beziehungsweise Fenstertüren, die als hoch wärmedämmende Spezialfenster (Lignaltherm) individuell in HolzMetallausführung angefertigt wurden, ein herrlicher Ausblick auf St. Moritz und den See. Zudem ist durch die Aufständerung auch eine unproblematische Zufahrt in Bauhandwerk 11/2004 O B J E K T E H o l z b a u 25 + 17,48 + 10,80 + 10,25 + 7,70 + 7,05 + 3,85 Liftschacht + 4,60 Via Tinus Rampe Rampe Tiefgarage Skiraum - 5,05 Rampe Skiraum Tiefgarage - 8,35 Schnitt AA, Maßstab 1:250 11/2004 Bauhandwerk O B J E K T E H o l z b a u Fotos (5): Küchel Architekten 26 Bilder von oben links: Das Tragwerk besteht aus im Holzbaubetrieb vorgefertigten, gebogenen Brettschichtholzbindern und Wandelementen Darunter: Höhenversprung in der aus Furnierschichtholzbalken und Sperrholzplatten gefertigten Rohdecke Die bauchige Form der Außenwände setzt sich auch im Gebäudeinneren fort Gegenüberliegende Seite: Die Wandelemente sind vollständig montiert. Die Zimmerleute beginnen nun damit, die sternförmig angeordneten Brettschichtholzsparren zu montieren die Tiefgarage im Untergeschoss möglich. Mit Hilfe eines so genannten Steps, eines Höhenversprungs von 65 cm in der Längsachse, mit Treppe und Rampe, passt sich das Gebäude an die Hangneigung an. Computergesteuerte Vorfertigung Die komplexe Form des Holzbaukörpers, den die Zimmerleute auf die vorbereitete Stahlbetonplatte stellten, entwickelten die Architekten im Büro Foster and Partners in London mit einem eigens für dieses Projekt entwickelten Konstruktionsprogramm (einer Version von MicroStation). Die damit festgelegte Oberfläche diente als Bezugslinie zur Dimensionierung der Wand- und Dachelemente bis hin zur Festlegung der Dicke der Konterlattung und der Lage der als Fassadenbekleidung gewählten Holzschindeln. Diese Daten wurden per Internet von London aus an den Holzbaubetrieb Amann nach Weilheim-Bannholz in den Schwarzwald geschickt, wo der dortige Chefkonstrukteur, Zimmermeister Martin Pfundt, sie so aufbereitete, dass die insgesamt 3850 Bauteile für die Chesa Futura CNC-gesteuert vorgefertigt werden konnten. Passgenaue Montage 70 LKW lieferten die im Holzbaubetrieb vorgefertigten, Stockwerk hohen Holzelemente von WeilheimBannholz nach St. Moritz auf die Baustelle. Dort bereitete die Montage der passgenau gefrästen Brettschichtholzbinder den Zimmerleuten vor Ort erstaunlich wenig Mühe. Die Arbeiten wurden dabei ständig vom Schweizer Ingenieurbüro für Holzbau von Ivo Diethelm und von der örtlichen Bauleitung vom Architekturbüro Küchel Architekten von Vic Cajacob überwacht, um die Qualität der Arbeiten auf der Baustelle sicherzustellen. „Ohne die konstruktive Mitarbeit von Fredi Oberle und Martin Pfundt von Holzbau Amann wäre die Montage auf der Baustelle allerdings sicher nicht so glimpflich abgelaufen“, lobt Vic Cajacob die Zusammenarbeit mit den Zimmermeistern im Holzbaubetrieb. Die Wandelemente wurden im Werk inklusive der Fenster vorgefertigt, mit dem Kran auf der Baustelle verladen und von den Zimmerleuten dort zum bauchigen Tragwerk für das Apartmenthaus montiert. Deren Beplankung mit OSB-Platten (Egger Spanplattenwerk) wurde über die Rippen zweifach gebogen und ver- Bauhandwerk 11/2004 O B J E K T E H o l z b a u schraubt. Um der gebogenen Form dieser Außenwände auch auf ihrer Innenseite folgen zu können, mussten die Handwerker die hier als Beplankung vorgesehenen zwei Lagen Gipsfaserplatten (Fermacell von Xella-Trockenbausysteme) zunächst eine halbe Stunde lang in einem Tauchbad durchfeuchten, um sie danach nass gebogen auf die Lattung schrauben zu können. Verspachtelt werden konnten die Plattenstöße und Schraubenlöcher allerdings erst, nachdem die Gipsfaserplatten vollständig trocken waren. „Die Mitarbeiter vom Holzbau Amann haben diese Arbeiten wirklich sehr gut gemacht“, meint Vic Cajacob vom Architekturbüro Küchel Architekten. Bei den Rohdecken verwendeten die Zimmerleute wegen der großen Deckenstützweiten Furnierschichtholz für die Balken der beid11/2004 seitig mit Sperrholz beplankten Holztafeln (Kerto-Platten von Finnforest in den Qualitäten Q und S, die auch für die Innenwände Verwendung fanden). Da es für die Zimmerleute beim Einbau der Decken einen nicht unterstützten Höhenversprung Bauhandwerk zu bewältigen galt, die Balken also rechtwinklig zur Balkenlage zweifach geknickt sind, nagelten sie zur Stabilität an beiden Innenseiten Lochbleche an. Mit sternförmig angeordneten BrettschichtholzSparren bildeten die Zimmereute schließlich das Trag- A A Grundriss 1. Obergeschoss, Maßstab 1:250 27 werk für die Dacheindeckung mit Metall, welche die Spengler aus bis zu 13 m langen, im Werk vorgefertigten konisch zulaufenden Kupferbahnen als Doppelstehfalzdeckung mit Kompriband als Dichtung ausbildeten. O B J E K T E Foto: Holzbau Amann Fotos (2): Xella-Trockenbausysteme H o l z b a u Wind- und wasserdichtes Unterdach Foto: Sarnafil 28 Da die Fassade im Anschluss mit Lärchenholzschindeln bekleidet werden sollte, bedurfte es einer absolut windund wasserdichten Ebene unterhalb dieser Bekleidung. Bauherr und Planer entschieden sich für eine armierte Unterdachbahn aus flexiblem Polyolefin (Sarnafil TU 122), welche die Zimmerleute sowohl auf der Wand als auch auf dem Dach verlegten. Das bewitterbare und mechanisch belastbare Material konnten die Handwerker hier gut verarbeiten, da es sowohl verschweißt als auch verklebt werden kann. Diese verarbeitungsfreundlichen Eigenschaften machten sich besonders bei der Ausbildung der speziell geformten Anschlüsse an die über 60 Dachflächenfenster (Velux) auf der Nordseite des Hauses be- merkbar. Insgesamt 2000 m2 verarbeiteten die Handwerker auf diese Art und Weise zu einer fugenlos dichten Haut unter der Fassade und dem Dach. Schindelfassade aus Lärchenholz Neben der Form ist es vor allem diese Fassadenbekleidung mit Lärchenholzschindeln, die dem Gebäude seinen charakteristischen Ausdruck verleiht. 250 000 Schindeln mussten hierfür von Hand gespalten werden. Eine Besonderheit bei der handwerklichen Schindeleindeckung bestand darin, dass keine Schindelreihe „auf Null auslaufen“ durfte. Auch hier war es der Computer, der mit Hilfe eines entsprechenden CAD-Programms, die Vorgabe der Linien im Vorfeld ermöglichte: Die hierfür erforderlichen Punkte wurden Bauhandwerk 11/2004 O B J E K T E H o l z b a u Bilder auf gegenüberliegender Seite: Die wind- und wasserdichte Haut unter der Fassade und dem Dach bildeten die Zimmerleute mit einer flexiblen Unterdachbahn aus Polyolefin (Sarnafil TU 122) aus Um die Beplankung mit Gipsfaserplatten der zweifach gebogenen Form der Wände innen anpassen zu können, durchfeuchteten die Handwerker sie für eine halbe Stunde im Tauchbad, um sie dann nass gebogen auf die Lattung schrauben zu können BSH 12/24 BSH 10/16 Wandaufbau: 30 mm 110 mm 12,5 mm 12 mm 500 mm 12 mm 25 mm 2 x 12,5 mm Schindeln Schindellattung Konterlattung Dichtungsbahn Gipsfaserplatte (Brandschutz) OSB-Platte BSH-Stütze dazwischen Dämmung OSB-Platte Dampfsperre Lattung Gipsfaserplatte Sturzriegel BSH 8/54 Fenster-Seitenholz BSH Sturz- und Brüstungsaufbau: Schindeln 30 mm Schindellattung 30 mm Konterlattung (windschief) Dichtungsbahn 12,5 mm Gipsfaserplatte (Brandschutz) Brüstungsriegel BSH 8/58 Schwelle BSH 8/52 + 10,80 Vertikalschnitt Fassade, Maßstab 1:20 11/2004 Bauhandwerk 29 O B J E K T E 30 H o l z b a u Baubeteiligte Bauherr: SISA Immobilien AG, St. Moritz Fotos (3): Küchel Architekten Planung: Foster and Partners, London Projektleiter: Dipl. Architekt Matteo Fantoni Mitarbeit: Dipl.-Ing. Karolin Schaal Bauleitung: Küchel Architekten, Dipl.-Ing. Vic Cajacob, St. Moritz Bauphysik und Statik: Ove Arup and Partners, London Statik (Stahlbeton): Edy Toscano AG, St. Moritz Foto: Sarnafil Statik (Holzbau): Ivo Diethelm GmbH, Gommiswald Die Unterkonstruktion wurde von den Zimmerleuten aufgebracht, auf welcher der Schindelbauer Patrik Stäger insgesamt 250 000 von Hand gespaltene Lärchenholzschindeln verlegte vom Geometer mit GPS- und CAD-Daten auf die Gebäudehülle angetragen und die gebogene Unterkonstruktion dann von den Mitarbeitern von Holzbau Amann angebracht. „Zweifellos war die Umsetzung vom Papier in die Realität, ohne wirklich von Hand einzumessende Fluchtpunkte, eine echte Meisterleistung des Schweizer Schindelbauers Patrik Stäger und seiner Mitarbeiter“, lobt Zimmermeister Martin Pfundt von Holzbau Amann die Leistung seiner Handwerkskollegen. Beeindruckend ist die handwerkliche Leistung des Schindelbauers auch deshalb, weil er es geschafft hat, dass sich jede Schindelschicht – vom Bauch des Gebäudes aus verlegt – exakt der Wölbung des Baukörpers anpasst. Im Übergang vom Metalldach zur Schindelfassade bauten die Handwerker Rohbauarbeiten: O. Christoffel AG, Hochund Tiefbau, St. Moritz schließlich eine innen liegende, beheizbare Holzregenrinne ein und dichteten deren Anschluss mit Flüssigkunststoff ab. Holzbau- und Zimmermannsarbeiten: Holzbau Amann GmbH, Martin Pfundt, Weilheim-Bannholz Fazit Schindeldeckerarbeiten: Patrik Stäger, Untervaz Mit dem Entwurf für die Chesa Futura in St. Moritz hat Lord Norman Foster das ganze Können der Bauingenieure und Handwerker, insbesondere der Zimmerleute in höchstem Maße gefordert – und es ist auch gelungen, eine hervorragende planerische Leistung mit einer ebenso perfekten handwerklichen Ausführung in idealer Art und Weise miteinander zu verbinden. Aus der Kombination traditioneller Handwerkskunst mit moderner Bautechnik und Formfindung entsteht auch die besondere architektonische Qualität dieses Gebäudes. Eine Synthese in vielerlei Hinsicht. Spengler und Dachdeckerarbeiten: Dachtechnik AG, Domat Ems Malerarbeiten: Doppelpunkt AG, Kölliken Abdichtungsarbeiten: Isotech Bautenschutz und Sanierungs AG, Thusis Leichtbauund Putzarbeiten: Palombo Stukkatur + Gipsarbeiten, St. Moritz Gerüstbauarbeiten: Pamo Gerüste AG, Zetzwil Bauhandwerk 11/2004